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XX.

Nelson nahm eine Zigarette aus der Zigarettenschale und zündete sie an. »Ich kann Ihnen diese Zigarette empfehlen. Hierzulande finden Sie ihresgleichen nicht. Direkter Import.« Ein Zug des Wohlbehagens glitt über Mr. Nelsons Antlitz. Er erriet Krags Gedanken.

»Dann legen Sie sie wieder hin!« sagte er.

Krag zündete die Zigarette nun doch an; und da er Kenner war, machte er Mr. Nelson seines guten Geschmackes wegen ein Kompliment. – Diese bedeutungslosen Worte, die die beiden Männer miteinander wechselten, bewirkten, daß Lady Holmes ruhiger wurde. Vielleicht war dies auch nur Mr. Nelsons Absicht gewesen.

Er wandte sich an sie und sagte: »Ich bedaure sehr, gnädige Frau, daß ich Sie nicht bitten kann, zu gehen. Das hätte ich am liebsten getan. Ihre Anwesenheit ist jedoch notwendig. Was ich Ihnen zu sagen habe, muß dieser Herr absolut hören, und was ich diesem Herrn zu sagen habe, müssen Sie notwendigerweise erfahren.«

Lady Holmes neigte den Kopf. Krag versuchte immer wieder, ihr in die Augen zu sehen; aber vergebens, ihre langen, dunklen Augenwimpern verbargen sie ihm fast die ganze Zeit.

Mr. Nelson hatte sich in einen der weichen Ledersessel niedergelassen und verbreitete nun weiße Rauchwolken um sich her. Augenscheinlich bestrebte er sich, auf Asbjörn Krag den Eindruck eines sorglosen Daseins und einer nicht zu unterdrückenden Ueberlegenheit zu machen. In seiner ganzen Sprechweise lag auch etwas gesuchtes Dozierendes, als er begann: »Ich gebe zu, daß mein ganzes Gebaren einen sonderbaren und sinnlosen Eindruck macht. Ich flüchte aus dem Gefängnis und richte alles so ein, daß vor der ersten Morgenstunde nichts entdeckt werden kann. Damit habe ich die ganze Nacht zu meiner Verfügung, habe also auch genügend Gelegenheit, um über die Grenze zu gelangen. Nehme ich ein Auto, bin ich in vier Stunden außer Landes. Nichts dergleichen habe ich unternommen. Im Gegenteil. Eine Stunde vertrödelte ich mit Umkleiden. Es hat tatsächlich genau eine Stunde gedauert; ich bin nämlich außerordentlich sorgfältig in meiner Kleidung. Eben bevor Herr Krag und ich auseinandergingen, machte er eine Bemerkung, wonach ich annehmen mußte, daß er Lady Holmes aufsuchen und dann in meiner Wohnung eine Haussuchung vornehmen würde. Ich ahnte voraus, mein Herr, daß Lady Holmes Ihnen eine ganze Menge zu sagen gehabt hat, was sie in Gegenwart ihres Mannes nicht einmal hätte andeuten können. Ich habe mir gedacht, daß sie hier mit Ihnen zusammentreffen würde; sie hat die Schlüssel zur Wohnung.«

Eine unwillkürliche Bewegung Lady Holmes ließ ihn hinzufügen: »Liebe, gnädige Frau, um viel zu retten, ist es notwendig, einiges nicht zu verheimlichen. In dieser Tragödie ist es angebracht, nicht sentimental zu sein. Ich habe ein Recht, dies zu verlangen, denn ich bin's, der in die Bresche tritt.«

Seine Worte klangen ruhig. Sie zeugten von großer Gerechtigkeit, enthielten aber auch eine Zurechtweisung, worunter sich Lady Holmes wie unter Peitschenhieben wand. Sie begann wieder zu weinen und preßte das Taschentuch in ihrer Hand. Nelson schwieg und starrte vor sich hin. Während dieses Schweigens wurde Krag aufs neue von Mitleid gegen Lady Holmes erfüllt – ein Mitleid, das er dadurch zu dämpfen suchte, daß er in ihr die Schauspielerin sah. Lady Holmes hatte die Herrschaft über sich wiedergewonnen, und Mr. Nelson fuhr fort: »Beruhigen Sie sich, gnädige Frau. Was innerhalb dieser vier Wände gesprochen wird, soll niemand erfahren. Ich gehe nicht eher von hier fort, bevor ich diesem Herrn das Versprechen der Verschwiegenheit abgenötigt habe.«

»Keine Drohungen!« unterbrach ihn Krag gereizt. »Es ist sehr unlogisch von Ihnen, mit Drohungen zu kommen, wenn Sie wirklich der Meinung sind, etwas von mir erreichen zu wollen.«

»Pah,« entgegnete Nelson, »hören Sie mich an. Es ist absolut kein unglücklicher Zufall, daß ich hierhergekommen bin. Das geschieht ganz planmäßig. Alles ist Berechnung. Ich hoffe, noch rechtzeitig gekommen zu sein. Was hat Lady Holmes Ihnen erzählt?«

»Nichts von Bedeutung,« antwortete Krag.

»Dann ist es Zeit, ein Geständnis abzulegen. Ich habe die Absicht, es zu tun.«

»Noch einmal?« fragte Krag mit lächelnder Miene.

»Nein, ich beabsichtige, die Wahrheit zu gestehen. Ich bin nicht der Dieb. Ich bin ebensowenig der Dieb, wie Sie es sind.«

»Ueber die Möglichkeit haben wir uns schon unterhalten,« antwortete Krag. »Ich rechne auch fernerhin mit dieser Möglichkeit.«

»Seien Sie davon überzeugt; was ich sage, stimmt,« sagte Nelson. Dann wandte er sich an Lady Holmes, die ihren Kopf immer tiefer neigte: »Und damit sind auch vermutlich Sie von meinen Beweggründen überzeugt.«

»Haben Sie diese Anstrengungen gemacht, nur um mir dieses zu sagen?«

»Nein, aber deswegen, damit Lady Holmes aus meinem eigenen Munde erfährt, daß dies Geständnis nie mehr über meine Lippen kommen wird. Der Polizei gegenüber habe ich mich als Dieb bekannt, und daran werde ich festhalten. Immer und immer wieder werde ich darauf bestehen, daß ich der Dieb bin. Niemals werde ich anderes aussagen – niemals. Hören Sie, Lady Holmes?« »Ja, ich höre,« flüsterte sie.

»Dann habe ich einen wesentlichen Teil meiner Absicht erreicht. Ich will, daß Sie von meiner Standhaftigkeit überzeugt sind. Versuchen Sie nicht, mich zum Gegenteil zu bewegen. Ja, selbst wenn Sie der Polizei gegenüber behaupten, ich lüge, dann werde ich nur sagen. Sie seien eine edle Frau, die einen elenden Verbrecher zu retten versuche. Versprechen Sie mir, zu schweigen?«

»Ich werde tun, wie Sie es wünschen,« sagte sie leise; »aber ich werde nicht weniger zu leiden haben als Sie.«

»Dann bin ich zufrieden,« sagte Nelson. »Nun verlange ich noch ein letztes Versprechen; dann kehre ich ins Gefängnis zurück.«

Er wandte sich an Asbjörn Krag: »Mein lieber Freund,« sagte er, »nun haben Sie nicht mehr nötig, Ihren Scharfsinn noch weiter anzustrengen. Es ist mir schon längst klar, daß Sie nach Beweisen für den rechten Zusammenhang der Dinge suchen. Nun kennen Sie den Sachverhalt; also strengen Sie sich nicht weiter an. Sie werden jedoch meine Beweggründe, die Schuld an dem Diebstahl auf mich zu nehmen, verstehen. Der Polizei steht nicht das Recht zu, sich in die Tragödie zu mischen, die mir diese Beweggründe diktiert; sie hat nicht das Recht, in das merkwürdige Schicksal einzugreifen, das zwei Menschen betroffen hat. Sollte sie es doch tun, dann nenne ich das Auftreten der Polizei ohne Bedenken roh, herzlos und ungerecht.« Mit abwehrender Handbewegung sagte Krag: »Warum große Worte machen? Ich gebe Ihnen ja recht; die Polizei hat absolut keine Veranlassung, sich in ein privates Liebesverhältnis einzumischen. Sie haben den Diebstahl zugegeben und werden daran festhalten, nicht wahr?«

»Ja, in jedem Fall.«

»Nun, anstatt so heftig zu werden, sollten Sie lieber damit rechnen, wie ich Ihnen helfen könnte.«

»Inwiefern?«

Krag beugte sich nach vorn und sagte mit gedämpfter Stimme, als handle es sich um ein wichtiges Geheimnis: »Ich könnte Ihnen dadurch behilflich sein, daß ich Beweise herbeischaffte, wonach Sie wirklich derjenige sind, für den Sie sich ausgeben, nämlich der Meisterdieb, der Gentlemandieb, oder wie Sie sich nun nennen mögen.«


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