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Ich fürcht' mich nicht!

Zu Wartburg auf dem Schloß ward Petronella
Mit aller Huld von Frau Sophie empfangen,
Und weidlich lachte man des kühnen Scherzes,
Als Klosterschüler noch zur guten Stunde
Des Frankensteiners Raublust zu entfliehen.
»Ein herrlich Knäblein! muß der Neid Euch lassen,
Fürwahr, ein solcher Page dürfte nicht
Den Saum mir tragen! Denn sein Sternenblick
Ließ' mancher Fürstin Sonnenglanz erbleichen,
Und solche Locken bänden unbewußt
Die Herrscherin, beherrscht mit süßen Fesseln!«
So scherzte Frau Sophie und drehte Nella
Mit Kennerblick nach rechts und links, dieweilen
Ein leises Kichern durch die Halle raunte,
Und manches Haupt der Herrin Beifall nickt'.
Dann führten auf Befehl der hohen Frau
Zwei Edelfräulein und zwei Dienerinnen
Den holden Gast in trauliche Kemenate,
Auf daß der Page sich zur Jungfrau wandle
Und sanfter Ruhe pflege nach dem Ritt.
Als Abends dann an grünumrankter Mauer,
Die mit gezacktem Haupt den Abgrund grenzt,
Umfriedigend das blumenreiche Gärtlein,
Das längs dem Wall im Burghof hin sich zieht,
Sie plaudernd schritt mit der Brabant'schen Fürstin
Und Kunde gab von Treffurts Brand und Fall,
Da deckten Wolken Frau Sophias Stirne,
Und finster sprach sie: »Es nimmt über Hand!
Ich hab' nicht Edelleute mehr im Lande,
Nein, freche Raubgesell'n, die allem Recht
Und dem Gesetz zum Trotz des Standes Würde
Mit eig'nen Füßen treten in den Koth!
O, daß ich's doch so bitter muß empfinden,
Wie Weiberhand mit viel zu leichtem Druck
Ohnmächtig schwach auf diesem Lande ruht,
Zu leicht selbst, um das Haupt der edlen Freunde
Mit mildem Wink zu beugen, wie viel mehr,
Mit wucht'gem Schlag den Uebermuth zu treffen!«
Und traurig sinnend, aber doch im Blick
Die stolze, hohe Zuversicht der Liebe,
Legt sie die Hand auf ihres Kindes Haupt,
Das traulich sich, in gold'ner Locken Fülle,
Ans Knie der Mutter schmiegt, und flüstert bang:
»Mein Knabe Du, mein Heinrich von Brabant,
Mög' Dich der Himmel eisern wachsen lassen,
Daß stahlgerüstet Deine Heldenhand
Das Unkraut aus dem edlen Waizen rode,
Denn diese Gau'n entbehrten lang' des Spruchs,
Der willensstark des Marksteins Grenze setzt!«
Und Sonnenpurpur floß um Kind und Mutter
Und küßte segnend Heinrichs junges Haupt,
In Glanz gebadet standen rings die Berge,
Ein Blühen, Wachsen, Treiben rings umher,
Des Sommers Segensfüllhorn war ergossen
In gold'nen Streifen über Thüringen,
Und lachend, glücklich grüßten Thal und Höhen,
Ein Wonnenland, empor zu ihrem Fürst.
So deutete auch lächelnd Petronella
Hinab auf dieses sonnenlichte Bild:
»Ihr seht zu schwarz, vieledle Fürstin! – Pflege
Hat solchem Lande nie gefehlt – bei Gott!
Verschieden nur ist oft des Pfluges Namen,
Und nicht der beste ist's, der Stärke heißt;
Ihr habt mit Rosenketten ihn umwunden,
Und sanfte Spuren, die er hinterließ,
Beweisen Euch in tausend holden Blüthen,
Daß auch der Liebe Saat hier Wurzel schlug.
Den zarten Keim kann Frauenhand behüten,
Doch sproßt er auf zum Eichbaum, hoch und stark,
Wächst auch zugleich mit ihm des Stammes Hüter,
Der Mann, der Fürst, Herr Heinrich von Brabant!«
Und als Sophie die Hand ihr herzlich drücket,
Und wie ihr Blick in stolzem Zukunftstraum
Weit über Wald und Berge fernhin schweift,
Und wie der leise Glockenklang im Thal'
Sanct Anna's Abendgruß zur Wartburg schickt,
Da plaudert Petronella fröhlich weiter
Von Gudula, dem Kind der Kräuterfrau,
Das hier die Stirne trefflich ihr verbunden,
Das d'runten sie auf blum'ger Halde fand,
Und dessen kindlich reizendes Geplauder
Ihr wohlgethan wie Heimathsonnenschein.
Doch wunderlich! von dem Zusammentreffen,
Mit jenem Ritter an der Werrafuhrt
Verlautet keine Silbe. – Ist es Zorn,
Der ihre Zunge leidenschaftlich hemmt,
Den Namen des Verhaßten auszusprechen,
Den Namen, den ihr Zorn dem Fremden gab,
»Der Katzenritter«! – wie sie tief im Herzen
Verspottet, höhnt den Freund des Frankenstein?
Vielleicht auch, daß sie längst im Flug der Stunden
Der Aventiur vergessen und gedenkt
Der Fuhrt so wenig wie der Holzenburg?
Gar flatterhaft und sorglos sind die Weiber!
Doch nein! – den Blick aufs ragende Gescheide,
Auf seine steile Felsenwand gebannt,
Die grell beleuchtet ihre nackten Felsen
Wie eine starre Zinkenkrone hebt,
Fragt plötzlich sie, wie ganz in Schau'n versunken,
Das Antlitz abgewandt von Frau Sophie:
»Wie wunderlich! so schnell wie sie entstanden,
So zauberhaft verschwand auch jene Burg;
In einer Nacht – ließ ich mir jüngst erzählen –
War jede Spur vom Teufelsnest verwischt!
Es glaubt das Volk, der Fels hab' sich geöffnet
Und sie verschlungen, just um Mitternacht.«
Da hebt mit großen, ängstlich klugen Augen
Der kleine Prinz sein blondes Lockenhaupt,
Und seinen Finger an die Lippen legend,
Geheimnißvoll, mit schnellem Blick ringsum
Und einem Wink, daß Nella sich ihm neige,
Erzählt er wichtig: »Ja, so ist's, so ist's!
Ich hörte wohl, wie Ysentrud am Abend
Die ganze Mähr' erzählt' Frau Irmengard.
Da drüben – seht Ihr – wo die grauen Felsen
Geborsten sind – just mitten in der Wand,
Wo eine tiefe Kluft ist eingerissen,
Ein weißer Wasserstrahl quillt d'raus hervor,
Hu – schwarz und schauerlich sieht man sie klaffen,
Und Felsgeröll thürmt d'rüber sich empor,
Da … schaut Ihr's deutlich? … da, sagt Ysentrud,
Geschieht all' Nacht ein grauenvolles Wunder!
Der Berg birst auf, und aus den schwarzen Klüften
Hersprengt in tollkühn', großem Sprung zum Thal
Ein schwarzes Roß, trägt einen schwarzen Reiter,
Und Funken sprühen, wo sein Hufschlag trifft.
Das ist der böse, böse Feind, der Teufel,
Der dreimal blos in seine Hände klatscht,
Und alle Steine fangen an zu leben,
Und aus der Erde wirbelt Rauch und Qualm
Und Feuersgluth, und hohe Mauern steigen
An allen Seiten auf und fügen sich
Zu jener Burg, die Alle wir geseh'n.
D'rinn aber wohnt der Satan, und er lauert
Den Menschen auf und fängt die Seelen ein!« –
Fast unwillkürlich lauschte Petronella
Mit athemlosen Grau'n des Kindes Wort,
An seiner Seite knieend, fest den Arm
Um des Erzählers kleinen Körper schlingend
Und starr den Blick zu dem Gescheid' gewandt.
Doch Frau Sophia schüttelt ernst verweisend
Das kluge Haupt: »schäm' Dich des Mährleins, Heinz!
Was alte Weiber dumm und furchtsam klatschen,
Macht Heinrich von Brabant die Wangen bleich?
Wer sich als Knabe vor Gespenstern fürchtet,
Die doch vor jedem frommen Christenherz
Davon fliehn in die ew'ge Nacht des Bösen,
Die jedes Kreuzeszeichen schnell bezwingt,
Der wird wohl nimmermehr ein Mann und Held,
Der muthig wär', einst Feinde zu besiegen
Aus Fleisch und Bein am hellen Tageslicht!«
Des Kindes Augen blitzen, ungestüm
Befreit es sich aus Petronellas Armen
Und greift behend nach seinem kleinen Schwert.
»Ich fürcht' mich nicht, Frau Mutter, fürcht' mich nimmer!«
Ruft er mit heißen Wangen, »käme selbst
Der Satanas, mein Hessen mir zu stehlen,
Und käm' er jetzt, – jetzt gleich dort aus dem Berg,
Ich wollte ihn mit meinem Schwerte schlagen
Und in das Herz ihn stechen, daß er todt,
Ganz todt d'ran liegen blieb! – Ich fürcht' mich nicht!«
Mit stolzem Lächeln, strahlend voller Wonne
Steht Frau Sophie, das Glück schwellt ihre Brust
Beim Anblick dieses trotz'gen, kleinen Mannes,
Und auf sein Köpfchen legt sie ernst die Hand:
»Ein wack'rer Spruch, mein Sohn, – ein Mann ein Wort,
Doch wer sich rühmt, soll auch den Muth beweisen,
Denn ohne That ist jeder Ruhm nur halb.
Hier in der sichern Burg kann jeder Fant
Sich großer Heldenthaten kecklich rühmen,
Doch sie zu glauben ist nicht Bürgschaft da.
Was meinst Du, Heinz, willst Du dieselben Worte
Mir wiederholen dort auf jenem Berg?
Willst Du beherzt an jener Felswand stehen
Und dann noch sagen: ›Nein, ich fürcht' mich nicht?‹
Erstarrt in jähem Grauen steht der Prinz,
Das Blut weicht aus den Wangen, und die Hand
Sinkt mit dem Holzschwert leise zitternd nieder,
Starr, glanzlos schweift sein Blick zum grauen Fels,
Und heftig athmend ringt die kleine Brust,
Dann aber zuckt in wildem, kühnem Trotze
Das blonde Haupt empor, und von der Stirn,
Der klaren Stirne schüttelt's keck die Locken,
Wie Adlerblick schärft sich das Kinderaug',
Und seine Hand ballt sich zur Faust am Schwerte:
»Ich will's, Frau Mutter, so mir Jesus helfe,
Ich fürcht' mich nicht; ich hab' es Dir gesagt,
Und dort, an jenem Felsen will ich's zeigen,
Daß Heinrich von Brabant kein Prahler ist!« –
Lang' wortlos schaut Sophie in ihres Kindes
Lieb Antlitz, – wie in aufgeschlag'nem Buch
Liest sie die Seele aus den reinen Zügen
Und neigt sich stumm und küßt die junge Stirn.
»Des Himmels Segen über Euch, mein Prinz!«
Ruft Petronella, seine Locken streichelnd,
Und richtet sich empor, stolz, siegesfreudig:
»O, nehmt mich mit zum Felsen, gnäd'ge Frau!
Laßt mich im hellen Sonnenlichte wieder
Die Stätte schau'n, da jüngst ich Obdach fand;
Vielleicht entdeck' ich noch im Sand ein Zeichen
Und eine Spur, die von Bedeutung ist.«
Die Fürstin nickt, reicht lächelnd ihr die Hand
Und spricht: »Wohlan, laßt uns in frohem Zuge
Das Teufelsnest an hellem Tag beschau'n,
Ich will des Volkes Aberglauben brechen
Und knieend auf dem Gipfel jenes Bergs
Die Heil'gen bitten, daß all' Furcht und Grauen
Vom Flammenmeer der Weisheit werd' verschlungen,
So spurlos, wie vom Fels die Holzenburg!«
Das Abendroth erlosch auf dem Gebirge,
In Nebel sank des Rhönlands blauer strich,
Und dunkler färbt der Wald sich in den Thälern,
Als stieg die Nacht aus seinen Wipfeln auf.
»Nun geh zur Ruh', mein Heinz!« sagt leis Sophia
Und drückt des Knaben Kopf an ihre Brust,
»Sieh', alle Vöglein schlafen in den Nestern,
Und Blümchen nicken freundlich: Gute Nacht!
Bald stehen tausend helle Silbersterne
Am Himmelsrund und senden ihren Strahl
Durchs Fensterlein, zu spähen, ob mein Heinz
Die Mutter lieb hat und ihr Wort befolgt!«
Die Arme schlingt der Prinz um ihren Nacken:
»Kommst Du nicht noch, herzliebes Mütterlein,
Mit mir zu beten und mich zuzudecken,
Bringst Du mir keinen Kuß zur guten Nacht?«
»Ich komme, Heinz!« – Da glänzen seine Augen,
Er streichelt zärtlich Petronellas Hand
Und eilt hinweg. Nachschaut ihm Frau Sophia
Und steht und schaut und blickt zum Himmel auf
In stummem Dank; dann legt sie ihren Arm
Um Nellas Nacken, richtet hoch sich auf
Und fragt: »Glaubst Du, daß Heinrich von Brabant
Sein Holzschwert in dem Sturm und Drang der Zeiten,
Im Feuerbrand der Prüfung und Gefahr
Dereinst sich selbst zum güld'nen Scepter schweißt,
Um es zu führen mit dem Heldenspruch,
Den Kindermund erkor: ›Ich fürcht' mich nicht?‹
Kann unter solchem Fürst ein Land verderben?
Heil, Kind von Hessen, Dir! Gott steht Dir bei!
Vertraue – hoffe – kämpf' – und fürcht' Dich nicht!«


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