Gustav Falke
Der Mann im Nebel
Gustav Falke

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23.

(Tagebuchblätter.)

Strandbegehren.

In stiller, milder Düneneinsamkeit
Bin spät am Abend ich dahingegangen,
Vom Duft berauscht aus deinem Haar und Kleid,
Und süss im Herzen brannte das Verlangen.
Und wie der Hirsch nach frischem Wasser schreit,
So rief ich dich, nur dich, ohn Tand und Spangen.
Da fand ich dich. Da ward in Ewigkeit
Ich dir, in Ewigkeit du mir gefangen.


Es flammt mein Blut zu dir die Sehnsuchtsklage,
Und Antwort gibt dein Mund mit heissen Küssen.


So hat Desdemona zu den Füssen des Mohren gesessen und seinen Abenteuern gelauscht. Meine Seehundsjagdgeschichten, meine Wikingerfahrten zwischen Sylt und Amrum und meine Wattenwaghalsigkeiten. Kann ihr das wirklich imponieren? Ihr, die aussieht, als würde sie das Kühnste mit mir teilen?

Desdemona ist in jedem Weibe. Das Heldische imponiert ihnen, sie suchen es und nehmen schliesslich ihre Phantasie zu Hilfe, Und so wird man zum Mohren von Venedig.


Moiken ist doch eine ganz schlampige Person. Und ich hatte Küsse für sie. Und nun nach Moiken Helga? Diese stolzen, strengen Lippen. Ob sie es versteht, diese Keuschheit der wahren, tiefsten Liebe, die die Geliebte wie etwas Heiliges scheut, zurückgeschreckt vor jeder unreinen Berührung, jedem Gedanken daran. Und wenn sie sich einmal vergisst, sich quält, in Reue quält und etwas in sich zerstört fühlt – ob sie es versteht? Ob einem Weibe mit solcher Liebe gedient ist?


Ob sie mich liebt? Wer wird aus den Weibern klug. Sie sind uns darin überlegen. Sie interessiert sich für mich. Vielleicht, wenn ich auch noch schwarz wäre wie Desdemonas Mohr –


Weder Hansen, noch seine Frau, noch Moiken haben irgend eine Bemerkung über unser Zusammenleben gemacht. Denken mögen sie ihr Teil und unter sich reden. Aber sie haben Respekt vor ihr und lassen sich nichts merken. Nur er »griente« einmal so kurz auf, als Mutter Hansen meinte: »ist sie denn garnicht ängstlich, so allein in dem alten Haus? Es ist doch so ganz einsam und weit weg.«

Ob er Hintergedanken hatte?

Mannsleute haben immer Hintergedanken.


Ach, lüge dir nichts vor. Mit allen Sinnen begehrst du sie. Gerade weil sie so gar nicht hingebend ist, so abweisend, so ganz erobert, erkämpft sein will.

Ich werde nicht klug aus ihr. Diese Klarheit, ja Nüchternheit des Verstandes. Ohne Phantasterei, ohne Sentimentalität. Und doch dies Künstlerblut in ihr. Wenn sie spricht, sollte man manchmal glauben, sie würde sich in einem Kreis moralfester Predigerstöchter wohl fühlen können. Und dann tanzt sie Salome. Es war nicht Salome, wie es nicht Nora war, es war Helga, es war das Wunderbare in ihr, was sie von irgend woher hat, das zurückgedämmt, gefangen gehalten wird von der Tabaksfabrikantennüchternheit väterlicherseits in ihr.


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