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Derjenige

Durch ein Versehen wartete der Wagen meines Freundes auf der ein und eine halbe Meile von seinem Gute entfernten Bahnstation, an welcher ich vorübergefahren war, um den Zug erst an der nächsten Haltestelle zu verlassen.

Das nette, freundliche Häuschen lag ziemlich vereinsamt da.

Auf dem Kartoffellande, das in unmittelbarer Nähe sich ausbreitete, wurde ja noch geerntet; aber die nächste größere Niederlassung, ein Dorf, mochte doch eine Viertelmeile entfernt sein.

Mithin war auch die Möglichkeit, bald ein Gefährt zur Weiterbeförderung für mich zu erhalten, ausgeschlossen. Ein Bahnarbeiter, der an einer Barriere lehnte und Tabak kaute, wurde, nachdem eine kleine Silbermünze aus meinem Besitz in den seinigen übergegangen war, in soweit gesprächig, daß er mir mitteilte, Dembrowo, das Ziel meiner Reise, liege nur eine halbe Meile entfernt: der Weg, der unausgesetzt durch den Wald führe, sei gar nicht zu verfehlen.

Richtig! Da hatte ich mich auch orientiert! Das da drüben ist Heiluppe, nicht? Das dem alten Fräulein Michalina von Czerwinska gehört? Na ja, ein leidlich anständiges Herrenhaus, gute Ställe und eine windschiefe Scheune, die an beiden Giebeln gestützt ist und einer neuen massiven Platz machen wird, wenn Heiluppe die Extravaganz einmal erlauben sollte.

Seit sechs Jahren mache ich die Herbstjagden in der Gegend mit, und jedes Mal antwortet mir Fräulein Michalina, wenn ich mich untertänig nach ihrem Befinden erkundigt habe: »Ihhh – wie wirds denn gehen … immer beim Alten, mein Lieber; aber zum Frühjahr will ich meine Scheune bauen.«

Es hat lange nicht geregnet. Das Erdreich ist ausgedörrt; der Fuß sinkt auf dem schlechten Landwege tief ein; fast schlägt der Sand über meinen Stiefeln zusammen. Und dazu weht ein hartnäckiger kalter Wind und füllt die Atmosphäre mit Staub, Sand, allerlei Stroh- und Heurestchen an.

Ich war rüstig weitergeschritten – denn aus mancherlei Anzeichen glaubte ich, auf einen baldigen Regen schließen zu dürfen, die Luft sah mir sogar gewitterig aus – als sich eine kleine sonderbare Kavalkade mir langsam entgegenbewegte. Es war ein Handwagen, der von einem zottigen gelbweißen Hunde und von einem halbgroßen Jungen gezogen wurde. Gestoßen wurde das sonderbare Gefährt von einem allem Anscheine nach stattlichen Manne, der tief gebückt hinter dem Wagen herging und beide Hände nachhelfend gegen die Leitern gestemmt hatte. Nebenher lief noch ein ungekämmter Bengel, etwa zehn Jahre alt, der immer hinkte, wenn der große Mann die Augen einmal seitwärts auf ihn richtete.

Die kleinen Räder schleiften fast bis zu den Achsen im Sande.

Es sah ordentlich unheimlich aus, wie der vorgespannte Hund, um von der Stelle zu kommen, sich in die Länge zog. Die Fahne schleppte eingekniffen nach, die Augen blinzelten von dem Staub und Schmutz, den der Wind schon hineingetrieben hatte, und die Zunge hing ihm lechzend weit aus dem Maule. Der große Junge, der hin und wieder nach dem Hunde stieß, um ihn anzutreiben, zerrte an dem Riemen, den er quer über den Oberkörper genommen hatte, daß das Hemd vorne sich verschob und eine keuchende Brust zum Vorschein kam.

Als das Gefährt etwa zehn Schritte von mir entfernt war, reckte sich der Mann empor und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

War denn das nicht Panek, Urban Panek? – Unsinn! – Der Mann vor mir mit dem verbundenen Auge, das jedenfalls übel zugerichtet war, denn die Geschwulst zog sich noch weit in den Bart hinab, sah gerade aus, als komme er von einer Rauferei. Und Panek ließ sich in Raufereien nicht ein.

Urban Panek war der flotteste, tüchtigste und bescheidenste Jäger, der jemals seines Herrn Brot gegessen hat. Aber was log der Mensch! Es kam ihm gar nicht darauf an, seinem eigenen Brotherrn die unglaubwürdigsten Geschichten aufzutischen. Münchhausen war ein überwundener Standpunkt für ihn. Mit dem wilden Jäger hatte er Brüderschaft getrunken, wie er in der Kutscherstube erzählte.

Kurz vor Beginn der vorjährigen Herbstjagden hatte er sich verheiratet mit Bibianna Kubiak, dem schönsten Mädchen des Dorfes.

Und es war doch Panek, wie ich jetzt gewahrte, als er seinen Hut vor mir lüftete.

»Guten Tag, Panek; woher des Weges?« rief ich ihm zu.

»Von Dembrowo, gnädiger Herr.«

»Und wohin?«

»Nach Heiluppe zu dem gnädigen Fräulein von Czerwinska.«

»Was solls denn da, Panek?«

»Meinen Dienst antreten«, sagte Panek.

»Teufel auch, Panek, was ist denn passiert?«

»Nichts von Belang, gnädiger Herr«, entgegnete er ruhig. Gleichzeitig aber griff er einen Strauch vom Wege auf, mit welchem er den großen Jungen, der höhnisch grinste, mit solcher Macht über den Rücken hieb, daß der Schlingel jäh aufheulte.

Ja, da war denn doch wohl etwas nicht ganz in der Ordnung …

Panek zog allem Anschein nach mit Sack und Pack um. Auf dem Wagen stand ein Kasten mit eisernem Kochgeschirr, eine wohlverschlossene Kiste, die alles zur Jägerei Erforderliche enthalten mochte, und ein großer schöner Lederkoffer. Darüber lagen seine Jagdtasche und seine beiden Flinten.

Die eine davon, ein vorzügliches Lefaucheuxgewehr, hatte er im vergangenen Jahre von dem Kapitän Bee aus London, einem Verwandten der Gnädigen auf Heiluppe, zum Geschenk erhalten. Bee wurde von einem angeschossenen Keiler bedroht, und wir waren damals alle einig, daß ihm Panek das Leben, und sogar mit Gefahr des eigenen, gerettet habe.

Aber von sonstigem Hausgerät, Bettstücken usw. war nichts auf dem Wagen zu sehen.

Ich mußte plötzlich an seine Frau, die Bibianna Kubiak, denken. Ein frisches, stattliches, kerngesundes Weib mit kräftigen Armen, schwarzen Augen und Haaren, Lippen wie Kirschen, die beim Lachen weit auseinandergingen, und zwei Reihen spitzer, opalartig blinkender Zähne sehen ließen. Und Bibianna Kubiak lachte so gern.

Urban und Bibianna hatten vielleicht einen Streit miteinander gehabt … Bibianna hatte ihren Mann ins Auge geschlagen … Aber nicht doch! Urban und Bibianna liebten sich wie die Kinder. Bibianna war das einzige Wesen, dem Urban nur vorsichtig mit seinen abenteuerlichen Jagdgeschichten zu nahen wagte; denn sie tischte ihm ihre Haushaltungsmärchen dafür auf, Bei solchen Gelegenheiten hatte sie in der Regel irgend etwas im Himmel gekauft, wo gerade Jahrmarkt gewesen war.

»Wo ist denn Ihre Frau, Panek?« fragte ich nach einer Weile.

»Tot!« entgegnete er, ohne mit der Wimper zu zucken.

»Armer Mann.«

»Danke, Herr.« Er schob die Flinten zurecht, wischte sich über das freie Auge und sagte: »Es sind noch drei Viertelstunden bis nach Heiluppe, bei dem schlechten Wege. Und es kommt heute noch etwas.« Hierbei machte er eine Kopfbewegung nach dem Himmel.

»Gute Fahrt, Panek.«

Er lüftete den Hut, hieß den großen Jungen durch ein barsches »Vorwärts!« weiterzugehen und trieb den Hund, der im Sande, die Schnauze auf den Vorderpfoten, zu schlafen schien, durch einen starken Schlag mit seinem Strauche empor. Den jüngeren Schlingel faßte er wie eine Katze ins Genick und stieß ihn hinter den Wagen, ihn hiermit deutlich genug auffordernd, nachzuschieben.

Ich ging weiter. Der Wind blies mir heftig entgegen, die Atmosphäre verdunkelte sich immer mehr, und ich war froh, als ich das freie Feld erreicht hatte, eine Strecke vor Dembrowo ein einsames Gehöft zu bemerken, in welches man zur Not untertreten konnte.

Als ich näher kam, wies sich freilich das Gehöft als eine elende Lehmbaracke aus, mit Stroh oder Schindeln gedeckt und mit einer schiefen Haustür versehen, die schwermütig in den Angeln kreischte und welche ein Weib mit wirren Haaren und unordentlicher Kleidung sich vergeblich bemühte, heranzuziehen.

Das war ja die alte Kubiak, Paneks Schwiegermutter.

»Guten Tag, Kubiak, wie geht's?« redete ich sie an.

»Wie wird's gehen …«, entgegnete sie mürrisch.

»Kann man denn hier bei Euch nicht während des Regens untertreten?«

»Wo regnets denn auch …«

Gleichzeitig aber brach es hernieder, als würde ein mächtiges Becken über die Erde ausgeschüttet.

»Gibts noch weit?« fragte die Kubiak, welche die Haustür herangezogen hatte.

»Nach Dembrowo.«

Sie nickte, und ich war ihr behilflich, die Kettel überzudrücken. Dann hub die Alte an, immer hin und wieder durch ihre verwilderten Haare fahrend, auf der Erde nach einem Holzpflock zu suchen.

Aus der Stube drang ein penetranter Geruch. Aber mit was für Gesindel hauste die alte Kubiak auch hier zusammen!

In dem Winkel hinter der Ofenbank saßen zwei Gänse, unter dem Bette pickten mehrere Hühner Krumen und Unsauberkeit auf, um einen Weißkohlkopf am Fenster saß eine ganze Familie weißer und gelber Kaninchen, und mitten in der Stube vor dem Tische stand eine große, auffallend schöne, rehfarbene Ziege, mit schwarzer Stirn, schwarzem Bauch, schwarzem Rückenstreifen, schwarzem, lebhaftem Schwänzchen, schwarzen Strümpfen und zwei langen, rehfarbenen unruhigen Bommeln unter dem Halse. »Ich habe auch Euren Schwiegersohn getroffen, den Urban Panek.«

Aus den Augen der Kubiak brach ein Strahl von Entsetzen oder Abscheu hervor. Aber sie sagte nichts. Sie saß da, auf ein Schemelchen gedrückt, den Kopf der Ziege in beide Arme genommen.

»So ein schönes Weib, meine Bibianne«, sagte sie zu der Ziege, »und so gut, so arbeiten, so schaffen und immer so gesund wie ein Fisch, meine Bibianne. – Aber ich hab's kommen sehen.«

»Was hat denn der Bibianne gefehlt, Kubiak?«

»Aaochch!« stöhnte die Alte – »ich hab's kommen sehen. Wo der Zaun am niedrigsten ist, da steigt der Feind über.«

»War Eure Tochter lange krank?«

»Zwei Tage.«

»Bettlägerig krank?«

»Ja, doch! – So ein schöner kleiner Junge und meiner Bibianne wie aus den Augen geschnitten. – Aber ich hab's gleich gewußt.«

»Ist das Kind etwa auch tot, Kubiak?«

»Ja doch!«

»Armer Panek!«

Die Alte nickte.

»Gott gibt jedem seine Last zu tragen, Kubiak.«

»Gott …«, sagte sie mit stockendem Atem und fuhr jach in die Höhe. »Ihr glaubt gar, der Herrgott habe das Kind und meine Bibianne von der Erde geholt?«

»Wer sonst, Frau?«

»Wo das Kind oben vom Kopf erschlagen ist und die Bibianne ist von innen erdrosselt worden – und ein so starkes Kind und meine Bibianne so kerngesund.«

»Aber zum Teufel auch!« fuhr es mir heraus.

»Nennt nicht Denjenigen«, murmelte die Kubiak, die an allen Gliedern bebte.

»Denjenigen, Denjenigen!« sagte ich ungehalten. »Seid Ihr denn ganz und gar von Sinnen, Kubiak – Frau – kommt doch zu Euch! – Wer ist denn ›Derjenige‹?«

»Derjenige ist Derjenige«, sagte die Alte und schüttelte sich. Sie saß wieder, hatte beide Arme um die Ziege gelegt und das Gesicht in das flockige Fell vergraben. »Der Panek war sonst ein so guter Mensch, Gott erbarme sich, seiner. Und so schöne Sachen hat er der Bibianne geschafft; denn die Ziege gehört noch der Bibianne und das ganze Vieh gehört noch der Bibianne. Aber ich hab's gewußt, daß es kommen wird. – Als der kleine Junge so still dalag und ich schüttelte ihn immer, daß er schreien soll, aber er war tot, hat er gesagt, der Panek: Besser das Kind, als das Weib – und gräme Dich nicht, hat er zu der Bibianne gesagt. – Aaochch! Wie die Bibianne geboren war, hat mir mein Mann in das Gesicht geschlagen, weil es kein Junge war. Aber ich hab's lange gewußt, ich hab's kommen sehen. Wo der Zaun am niedrigsten ist, da steigt der Feind über.«

»Wo war denn der Zaun bei der Bibianne am niedrigsten, Kubiak?« fragte ich ergeben.

»Aaochch!« stöhnte die Kubiak auf. »Am ersten Sonntag, wie die Bibianne Hochzeit gehalten hatte, am Freitag hatte sie Hochzeit gehabt, da hab ich zu der Bibianne gesagt, sie solle mit dem Urban ihren Kirchgang halten. Das gehört sich einmal so für den ersten Sonntag, hab ich gesagt. Aber der Urban sagt, er wäre vom wilden Jäger eingeladen worden zum Kaffeetrinken, und die Bibianne sagt, da gerade im Himmel Jahrmarkt wäre und sie von dem weißen Hund, der nachts auf dem Wege nach Heiluppe umgeht, – sie hätte ihm das Fell verschoren – einen Taler erhalten hätte, so wolle sie nur schnell einmal hochspringen und was zum Zubeißen für sich und den Urban herunterholen. Und von da an hab' ich's gewußt.«

Ein einziger gewaltiger Donnerschlag krachte, so daß die weniger gesprungenen und verklebten Fenster des Häuschens bebten; gleichzeitig aber hellte sich der Himmel wieder auf. Es war sonderbar mit anzusehen, wie kaum fünf Minuten, nachdem das eine große gewitterige Geräusch verhallt war, die Sonne hindurchdrang und nun das freundlichste Wetter eindringlich lockte, herauszukommen.

»Werdet Ihr Eurem Schwiegersohn nachziehen, nach Heiluppe?«

»Er soll mich nicht auch haben«, sagte die Kubiak, »meine Bibianne und das Kind hat er umgebracht, und den Urban bringt er auch noch um. – Der Urban hat meiner Bibianne alles geschafft, was er ihr an den Augen absehen konnte. Aaochch! –«

Ich brach auf. Himmel, was hatte ich für eine Luft da drinnen eingeatmet! Meine Lungen revoltierten ordentlich, als ich ins Freie kam. Kein Wunder, wenn das auch nachteilig auf das Gehirn der alten Kubiak wirkte. Armes Weib! Da schien sich doch schon etliches arg verschoben zu haben.

In Dembrowo langte ich fast gleichzeitig mit dem Wagen an, der mich hatte abholen sollen und der sich unterwegs aus irgendwelchem Grunde verspätet hatte. Kapitän Bee war da und Fräulein Michalina von Czerwinska.

»Ich bin sehr glücklich, Sie gleich bei meiner Ankunft begrüßen zu können, mein allergnädigstes Fräulein«, redete ich Tante Michalina an.

»Ihhh – wo werden Sie denn auch nicht«, entgegnete mir Tante Michalina gemütlich. Sie trug ein faltiges Tuchkleid mit abstechenden Sammetstreifen vorne herunter, derbe Stiefel mit Doppelsohlen, baumwollene Handschuhe und einen großen viel verregneten Hut, der sich schützend über das dünne Haarkrönchen stülpte, zu welchem Tante Michalinas Flechten sich mitten auf dem Kopfe zusammenfanden.

»Ich hoffe doch, daß es Ihnen gut geht, mein allergnädigstes Fräulein?«

»Na, wo wird es denn auch nicht, mein Lieber, Gott sei Dank, ja; aber wissen Sie, zum nächsten Frühjahr will ich meine. Scheune bauen. Die Schufte von Tagelöhnern werden mich in dem Winter doch nicht so sehr bestehlen; denn der Panek hat zwei Augen im Kopfe.«

»Apropos, Panek!«

Ich erkundigte mich nach den Umständen, die seine Entlassung aus Dembrowo zur Folge gehabt hatten, und Tante Michalina sagte: »Sie wissen ja schon, mein Lieber, daß die Panek ihrem Manne einen toten Knaben geschenkt hatte und selber zwei Tage danach gestorben ist. Der arme Lump, der Panek! – Ihhh – wo kann ich Ihnen denn die Dummheit, die nun kommt, vor dem Engländer erzählen, der sich immerfort darüber lustig macht. Gehen Sie mal raus, Bee!«

Bee lachte und blieb.

»Das ist sehr lehrreich, Tante Michalina«, sagte er in aller Ruhe, »und das höre ich sehr gern zum zueiten Male.«

»Zw-weiten Male«, verbesserte Tante Michalina ihren Verwandten.

»Zu-ueiten Male«, entgegnete ihr Bee gefällig.

»Also, mein Lieber, da der Panek, wie ein richtiger Jäger, nach allen Begriffen log und den Teufel und seine ganze Sippe bei jeder Gelegenheit im Munde führte, außerdem den ersten Sonntag nach seiner Hochzeit nicht den gebräuchlichen Kirchgang mit der Bibianne getan hatte, ich glaube, sie waren nach Heiluppe zum Erntefest gekommen, setzte es sich unter dem vernagelten Volk hier fest, daß es der Panek mit dem Teufel hält, das heißt, mein Lieber, er hält es mit ›Demjenigen‹, denn in ganz Dembrowo hat kein Lump die Kurage, den Teufel beim Namen zu nennen. Natürlich hat ›Derjenige‹ auch Mutter und Kind umgebracht. Gehen Sie mal raus, Bee; denn jetzt kommt Ihre Heldentat, damit Sie nicht schamrot werden.«

»Ich uerde erlauben mir, zu bleiben hier«, sagte Bee sehr liebenswürdig, »damit ich kann Sie korrigieren, uenn Sie aufschneiden uieder.«

»Bei dem Begräbnis gestern ging es schon etwas tumultuarisch her, mein Lieber«, fuhr Tante Michalina fort. »Die Weiber tuschelten miteinander, und die Männer machten Fäuste in ihre Mützen hinein, die sie abgenommen hatten. Aber heute kommt Panek über ein Feld, wo die Gesellschaft Kartoffeln scharrt – und da geht der Tanz los. Die Kerle hatten Hacken und der Panek seine Flinte, die aber nicht geladen war. Ihhh – was denken Sie denn: Das verdienstliche Werk wäre der Gesellschaft doch wohl gelungen, den Panek tot zu schlagen, wenn Bee nicht gerade des Weges gekommen wäre. Bees Waffen waren ein voller Kartoffelkorb, den er zwischen die Meuterer warf, und ein Hackenstiel, in aller Eile ausgebrochen – denn Bee ist nicht für Totschlag und sonstige Unvorsichtigkeiten – mit dem er ihnen den Rücken massierte; den Rest aber hat ihnen wohl sein strafwürdiges Deutsch gegeben. – Ich habe schon lange ein Auge auf den Panek, wissen Sie, mein Lieber. Da habe ich denn Ihrem teuren Freunde, unserem lieben Stolzenburg« – Tante Michalina machte eine schwungvolle Handbewegung zu dem Hausherrn hinüber – »die Sache begreiflich gemacht, daß es geradewegs Mord wäre, den Panek in Dembrowo zurückzuhalten. Und Panek war auch froh, hier fortzukommen; denn er hat in Dembrowo zu viel begraben. Seine notwendigsten Sachen hat er gleich heute, wie Sie ja auch gesehen haben, nach Heiluppe geschafft; nächster Tage lasse ich das andere nachholen. – Na ja, sehen Sie, es läßt sich viel über die Dummheit der Menschen sprechen«, sagte Fräulein von Czerwinska mit ihrem gemütlichsten Baß und kniff ihre liebenswürdigen Äuglein zusammen – »aber in Dembrowo geht die Sache über den Spaß. Die vernünftigste Person in Dembrowo ist wahrhaftig die alte Kubiak, unser lieber Stolzenburg abgerechnet. Die alte Kubiak ist fest davon überzeugt, daß ihr Kind und Enkelkind dadurch gestorben ist, daß es Panek mit dem ›Demjenigen‹ hält; aber sie hat den Panek gerne, die Alte; denn der Panek hat brav für ihre Bibianne gesorgt und hat wohl auch die Großmutter nicht dabei vergessen. So hat sie ihm denn heute das Geleit bis halb nach Heiluppe gegeben. – Ihhh – Sie wissen wohl garnicht, was das heißt, mein Lieber? – Das heißt, daß kein Lump sich an dem Panek vergreifen würde, so lange die Mutter von der Bibianne bei ihm ist; denn die alte Kubiak ist sehr fromm. – Sleep well!« sagte Tante Michalina und klopfte dem Kapitän Bee auf die Schulter, der so gedankenvoll dasaß, daß sie glaubte, er wäre eingeschlafen.

Ich nahm etwas später eine Einladung zu einer mehrtägigen Jagd an, zu einem von Fräulein Michalinas Verwandten, dessen Besitzungen hart an der russischen Grenze lagen.

Als ich davon zurückkehrte, war die alte Kubiak zu ihrem Schwiegersohn nach Heiluppe übergesiedelt. Panek war so gut zu ihrer Bibianne gewesen. Sie hörte ihn immer noch sagen: »Und gräme Dich nicht, Bibianne …«

Panek soll an diesem Tage kein einziges Mal gelogen haben; denn es erschien ihm so rührend, daß die Großmutter Kubiak kam. Und es war auch rührend, von dem Standpunkte der alten Kubiak aus, die einzig nach Heiluppe gezogen war, um »Denjenigen« aus Paneks Haus auszutreiben.


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