Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Seitdem ich da war, war dies der erste Kunde, ein Mann, der altes Eisen verlangte; er hatte einen Handwagen draußen stehen, um es fortzuschaffen. Nachdem ich ihm erklärt hatte, warum ich mich im Laden befände, sagte er, er hieße Toller, und Herr Holliment kenne ihn gut. Er suchte sich aus, was er brauchte, trug es hinaus und ging fort. Damit schien der Bann gebrochen, andere Kunden kamen. Sie schienen sich alle in dem Laden auszukennen und gaben auch ohne weiteres ihre Namen an. Ich zerbrach mir den Kopf, was sie nur mit all dem Zeug machen wollten, das sie sich aussuchten und mitnahmen.
Daß Holliment nicht da war, schien niemand weiter zu überraschen, auch mich, seinen Vertreter, beachteten sie kaum. Ich kam zu der Überzeugung, daß dies ein sonderbares Geschäft sei. Während des Nachmittags bekam ich einige Aufträge für Kohlen; ein Mann kam herein und verlangte eine Fuhre; ein anderer bestellte vier Tonnen; bevor es anfing zu dämmern, hatte ich Aufträge auf Kohlenlieferung notiert, die einen großen Geldbetrag darstellten. So verstrich die Zeit, und um halb fünf Uhr kam der freundliche Kellner, wiederum mit einem Tablett. Diesmal waren eine große Teekanne mit brühheißem Tee und eine Blechschüssel, vollgefüllt mit gebuttertem Toast; Holliment verstand recht gut zu leben!
Der Kellner räumte die Schüsseln vom Mittagessen zusammen, und dabei erzählte er mir, er sei im ›Admiral Hawke‹, gleich um die Ecke, angestellt, und fragte, ob ich morgen noch hier sei, denn da gäbe es Roastbeef, und er würde schon zusehen, daß ich eine ordentliche Portion bekäme. Ich sagte ihm, daß, soweit ich wüßte, Mr. Holliment sehr bald zurück, und damit meine Beschäftigung, die sowieso nur vorübergehend sei, beendet sein würde; aber, fügte ich hinzu, sollte ich morgen um die Mittagszeit noch in Portsmouth sein, dann würde ich nicht verfehlen, im ›Admiral Hawke‹ einzukehren, wenn man dort zu Mittag essen könnte. Er antwortete, selbstverständlich konnte ich das, um ein Uhr gäbe es ein Menü zu zweieinhalb Schilling, sie böten viel mehr als die Hotels, wo die feinen Leute verkehrten.
Daraufhin ging er mit seinem Tablett und dem Geschirr weg, und ich aß Toast und trank Tee in größter Behaglichkeit. Kurz danach begann die Dämmerung, dann wurde es bald dunkel, und durch die offenstehende Ladentür sah ich, wie auf der gegenüberliegenden Seite die Lichter angezündet wurden, und durch einen Durchgang in der Häuserreihe konnte ich etwas vom Hafen und von dem in der Ferne liegenden Strand und die roten, grünen und gelben Lichter der vorüberfahrenden Schiffe sehen. Ich weiß eigentlich nicht warum, aber diese Lichter ließen mich wünschen, daß Holliment zurückkommen und mir die versprochene Vergütung geben würde, damit ich bald fortgehen könnte.
Über dem einfachen Schreibtisch in dem kleinen Büro befand sich eine Lampe, und sobald ich meinen Tee und Toast verzehrt hatte, zündete ich sie an, denn es war mit der Zeit zu dunkel geworden. Es zog von der Tür herein, und ich ging hin und machte sie zu. Gerade in dem Augenblick kam ein Zeitungsjunge vorbei und rief ein Abendblatt aus. Ich kaufte mir eine Nummer und ging ins Büro zurück. Da ich keinen Tabak bei mir hatte, leistete ich mir wieder eine von Holliments Zigarren und setzte mich dann in einen wackligen Armlehnstuhl, um gemütlich lesen und rauchen zu können.
So vergingen ungefähr zehn bis fünfzehn Minuten, und dann, wie ich zufällig über die Zeitung hinweg nach dem schmutzigen Ladenfenster sah, bemerkte ich die breite Nase und die Schlitzaugen eines Chinesen fest gegen die Scheibe gedrückt.
Diese unheimliche und beunruhigende Erscheinung verschwand genau so rasch, wie sie gekommen war. Sie verschwand so rasch, daß ich für einen Augenblick glaubte, es wäre alles nur Einbildung gewesen. Trotzdem war ich schon im nächsten Augenblick aus dem Büro, stand auf der Straße und starrte auf den Fleck, wo der Chinese eigentlich hätte stehen müssen. Er war nicht da, es war überhaupt niemand da, dieser Teil der Straße war vollkommen menschenleer. Ich sah nicht einmal den Zipfel irgendeines Kleidungsstücks in die schmale Gasse, durch die sich Holliment vor einigen Stunden davongemacht hatte, verschwinden. Ich sah nur schwache, undeutliche Lichter auf beiden Seiten der schmutzigen Straße und grüne und rote Lichter, die sich über das dunkle Wasser bewegten. Etwas beunruhigt ging ich in das Büro und zu der anheimelnden Helligkeit der Lampe zurück und fühlte, wie mein Herz schneller schlug. Ich fürchtete mich; es wäre ja auch merkwürdig gewesen, wenn ich mich nicht gefürchtet hätte, wenn ich nicht zumindestens erschrocken gewesen wäre. Was suchte denn dieser pergamenthäutige Chinese? Warum preßte er sein Gesicht gegen die Fensterscheibe, statt in den Laden zu kommen? Das bloße Gefühl, beobachtet zu werden, war schon unangenehm, aber der Chinese hatte versucht, zu spionieren, dies hatte ich den dunklen Schlitzaugen ansehen können. Warum? Wen suchte er? Selbstverständlich Holliment. Ich wünschte von Herzen, daß Holliment kommen würde. Seine Vertretung hatte ich nicht übernommen, um hier in diesem düsteren Laden zurückgelassen und von boshaft blickenden Asiaten beobachtet zu werden. Es kümmerte mich herzlich wenig, ob noch Kunden kommen konnten, ich ging zur Ladentür, und nachdem ich das Schloß geprüft hatte, schob ich den Riegel vor. Holliment sollte ruhig klopfen, wenn er zurückkäme; ich hatte mir fest vorgenommen, daß bis dahin kein Mensch seinen Fuß über die Schwelle setzen sollte. Eine Jalousie hing an dem Fenster, durch das der Chinese hereingeblickt hatte, und wie ich in das Büro zurückging, wollte ich sie herunterziehen, aber die Schnur zerriß mir in der Hand – so morsch war sie vor Alter. Aber da ich keine Gesichter mehr an dem Fenster sehen wollte, suchte ich mir Reißnägel und Hammer und stieg auf Holliments Schreibtisch und nagelte die Jalousie an den Fensterrahmen, so daß nichts von der Straße und den erleuchteten Häusern gegenüber zu sehen war. Dies getan, versuchte ich wieder die Zeitung zu lesen.
Ich hatte nur einige Zeilen gelesen, als ich draußen vor der Tür, die ich soeben verschlossen hatte, ein leises Geräusch hörte. Ich schlich hin und horchte. Zuerst blieb alles ruhig, endlich hörte ich, wie jemand sich leise und vorsichtig bewegte. Dann wurde die Türklinke vorsichtig heruntergedrückt – ich sah, wie sie sich bewegte. Wer auch immer die Türklinke herunterdrückte, merkte bald, daß der Laden versperrt und gesichert war, und gleich darauf hörte ich leise sich entfernende Schritte. Das mußte wieder der Chinese gewesen sein!
Jetzt war ich aber fest entschlossen, wegzugehen; ich hatte genug davon, ich hatte keine Lust, weiter mitzumachen. Aber ich mochte nicht gern fortgehen, ohne den Laden seinem Eigentümer wieder übergeben zu haben, und außerdem wußte ich auch nicht, wie die Ladentür von außen zu verschließen sei. Wenn es einen Schlüssel gab, so mußte ihn Holliment bei sich haben. Es ging doch nicht, den Laden unbewacht zu lassen, und überdies wollte ich meine zwanzig Schillinge haben, und schließlich hatte Holliment ja auch gesagt, daß er am Abend zurück sein würde, und es war bereits weit über sechs Uhr.
Ich setzte mich wieder in den Lehnstuhl und versuchte zu lesen; aber ich wurde dadurch nicht abgelenkt, die Zeit verstrich zu langsam. Endlich hörte ich die Uhren in der Nachbarschaft die siebente Stunde schlagen und fast unmittelbar darauf ein Geräusch: Ein Geräusch von vorsichtig schleichenden Schritten in dem turmähnlichen Gebäude an der einen Seite des Ladens. Es war mir kaum aufgefallen, da hörte es auch schon auf. Ein, zwei Minuten gingen vorbei, dann hörte ich es wieder, und dann war wieder Stille. Sicherlich gab es Ratten in dem Gebäude, aber dieses gedämpfte Geräusch mußte von einem Menschen herrühren.
Ich wollte lieber, statt ruhig dazusitzen und ängstlich zu horchen, etwas unternehmen; so nahm ich die Lampe und ging hinüber. Sie verbreitete genau so wenig Licht wie eine Streichholzflamme in einer großen Höhle, nur eine kleine Strecke um mich herum war erleuchtet, der übrige Teil des hohen Raumes blieb völlig im Dunkeln. Ich sah und hörte nichts. Trotzdem war ich vollkommen davon überzeugt, daß irgend etwas oder irgend jemand da war. Ich ging in das Büro zurück, fest entschlossen, wenn Holliment beim nächsten Uhrenschlag nicht zurück sein sollte, sofort zu gehen. Die Ereignisse der letzten zwei, drei Tage, die Ungewißheit meiner Zukunft, dies alles hatte mir zugesetzt, und ich merkte, daß, wenn ich noch länger hierblieb und mir einbildete, ein Chinese schleiche umher, ich bald mehr mit den Nerven herunter sein würde, als mir lieb war. Das waren die zwanzig Schillinge schließlich nicht wert, die ich wahrscheinlich einbüßen würde, wenn ich fortginge. Das Geld war mir jetzt gleichgültig geworden, ich hatte fest vor, wegzugehen, wenn nicht Holliment bald käme.
Ich hörte keine Schritte mehr in dem großen Gebäude, und die Zeit verging ganz langsam, bis das Acht-Uhr-Schlagen die Stille unterbrach. Jetzt stand ich auf, warf die Zeitung fort und nahm Bleistift und Papier. Ich wollte Holliment schreiben, ich könnte nicht länger bleiben, und den Zettel auf seinen Schreibtisch legen. Es war mir bereits ganz gleichgültig, ob er den Zettel heute oder morgen früh finden würde, und es war mir auch vollkommen einerlei, ob ich meinen Sovereign bekommen würde oder nicht. Ich hatte noch nicht zwei Zeilen geschrieben, als ich ein leises Zischen hörte, ich sprang, wie von der Tarantel gestochen, herum, und sah den Mann, an den ich gerade schreiben wollte, keine sechs Meter vom Büro entfernt im Halbdunkel des Ladens stehen. Darüber dachte ich in dem Augenblick gar nicht nach, wie er hereingekommen war, ohne daß ich das gemerkt hatte, ich war nur zu froh, ihn zu sehen, und ging fast freudig auf ihn zu. Er hob seine Hand, als ob er mich warnen wollte.
»'runter mit der Jalousie«, flüsterte er, »so daß uns keiner sehen kann.«
»Sie ist schon 'runter«, antwortete ich. »Seit sechs Uhr.«
»Schrauben Sie das Licht klein, und sperren Sie die Ladentür ab – aber schnell!«
»Die ist auch schon seit sechs Uhr zugesperrt«, sagte ich, und schraubte die Flamme kleiner. »Es ist alles sicher.«
Er wartete, bis das Licht so klein geworden war, daß wir einander gerade noch erkennen konnten, dann kam er durch den Laden auf mich zu, wobei er aber trotzdem vorsichtigerweise immer im Schatten blieb. Er sah mich forschend an und fragte:
»Irgend jemand hier gewesen?«
Ich zeigte auf die eingegangenen Aufträge, die ich auf seinem Schreibtisch zurechtgelegt hatte.
»Hier«, antwortete ich. »Hier ist alles Geschäftliche notiert.«
Absichtlich antwortete ich ihm in dieser Weise, und er bemerkte es auch schnell.
»Und sonst noch was?« fragte er ängstlich. »Etwas, was nicht zum Geschäftlichen gehört?«
»Ich weiß nicht, ob es etwas mit Ihrem Geschäft zu tun hat oder nicht, Mr. Holliment«, antwortete ich. »Aber kurz nachdem es dunkel wurde, und bevor ich die Jalousie heruntergezogen hatte, sah ich zufällig nach dem Fenster dort, und bemerkte, wie ein Chinese sein häßliches Gesicht gegen die Scheiben drückte.«
Ich beobachtete ihn. Zum zweiten Male an diesem Tage sah ich, wie er ganz weiß wurde; nur diesmal, soweit ich in dem schlechten Licht erkennen konnte, wurde sein Gesicht noch blässer als heute früh, und sein tiefes Atemholen hörte sich wie ein Stöhnen an.
»Ein Chinese!« flüsterte er. »Sind Sie … auch ganz sicher?«
»Absolut sicher«, antwortete ich.
»Was weiter?« brachte er mit Mühe hervor.
»Nachdem ich die Jalousie heruntergezogen und die Außentür verschlossen hatte, hörte ich draußen jemanden herumschleichen und sah, wie die Türklinke niedergedrückt wurde«, fuhr ich fort. »Seitdem – es ist einige Zeit her – hörte ich merkwürdige Geräusche in Ihrem Turm da drüben. Ich ging hin und sah nichts. Sehr merkwürdig, Mr. Holliment!«
Er hielt seine Hände auf der Brust zusammengefaltet, ich sah, wie seine Finger sich ineinander verkrampften. Wenn meine Nerven ein wenig mitgenommen waren, so war er unzweifelhaft mit den Nerven ganz herunter.
»Ja«, nickte er zustimmend, »Sie … Sie werden das nicht verstehen …«
»Ich verstehe nichts, Mr. Holliment, und will auch gar nichts wissen«, unterbrach ich. »Aber ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir den versprochenen Sovereign geben und mich gehen lassen würden. Ich möchte fort.«
Er nahm sofort einiges Geld aus seiner Tasche und gab mir zu meiner Überraschung zwei Pfund-Noten. Diese schob er mir über den Schreibtisch hin und deutete mir mit einer Handbewegung an, er würde sich freuen, wenn ich sie annehmen würde.
»Ja«, sagte er halb geistesabwesend, »ja, natürlich wollen Sie gehen. Aber nicht durch die Ladentür, das würde Ihnen, es würde jedem das Leben kosten, der heute abend durch die Tür ginge.«
Ich war merkwürdigerweise froh, als er das sagte; das riß mich zusammen und beruhigte meine Nerven. Die beängstigende Ungewißheit war nun vorbei, ich stand einer wirklichen Gefahr gegenüber, und meine Hand war ganz ruhig, wie ich die zwei Pfund-Noten von dem Tisch nahm und in meine Tasche steckte.
»Danke«, sagte ich. »Bin Ihnen sehr verbunden. Hier finden Sie genaue Einzelheiten über meine Tätigkeit. Aber die andere Sache, Mr. Holliment, was hat das alles zu bedeuten?«
Während dieser ganzen Zeit bemerkte ich, wie der Mann auf das angespannteste horchte, und als er nun wieder sprach, war seine Stimme noch leiser als vorhin.
»Ich sagte doch, Sie würden es nicht begreifen. Wer ich werde Ihnen wenigstens so viel sagen – der Zettel, den Sie mir heute früh brachten, Sie bekamen ihn von einem meiner Freunde, ein großer, gut aussehender Mann? Ja, es war eine Warnung. Er und ich – wir sind in Gefahr. Da ist dieser Kerl, der frei in Portsmouth herumläuft und uns nachstellt – Sie verstehen?«
»Ja, er hat damit zu tun, aber das hatte ich eigentlich nicht erwartet, daß er selbst etwas unternehmen würde«, antwortete er. »Er hat damit zu tun, aber da stecken noch andere dahinter. Sich aus dem Staube machen? Das ist das einzig Richtige, solange diese Bande sich herumtreibt. Quartervayne, der Mann, den Sie sahen, wird sich irgendwo an einem sicheren Ort an der Küste versteckt haben, und dasselbe werde ich auch tun, wenn wir erst mal hier heraus sind. Wissen Sie, seitdem Sie heute früh gekommen sind, habe ich mich die ganze Zeit über versteckt gehalten. Ja, ich bin aber keine hundert Schritt von hier entfernt gewesen, nur ein Stückchen die Straße entlang, in einem sicheren Versteck. Wir müssen jetzt machen, daß wir wegkommen.«
»Wie sind Sie nur hereingekommen?« fragte ich.
»Genau so, wie wir jetzt herausgehen werden«, antwortete er. »Nicht durch die Ladentür, darauf können Sie sich verlassen. Ich habe keine Lust, ein Messer zwischen die Rippen zu kriegen. Passen Sie auf! Drehen Sie die Flamme hoch. Lassen Sie sie ruhig brennen. Wenn wir sie brennen lassen, werden sie denken, daß wir – wenigstens daß ich – noch hier bin. Und jetzt – kommen Sie mit!«
Er ging wieder in den dunklen Laden und bedeutete mir, ihm in das turmartige Gebäude zu folgen. Dort angekommen, blieb er stehen und faßte mich am Arm. Der Raum wurde etwas durch eine Straßenlaterne beleuchtet; es genügte, um die Treppe erkennen zu können, die ich mir am Nachmittag angesehen hatte. Er zeigte auf sie und auf die Dunkelheit über dem höchsten Treppenabsatz.
»Unser Weg geht so: die Treppe hinauf, durch die Tür da oben und in das nächste Haus, das leersteht«, flüsterte er. »Aber die Treppe ist nicht sicher für zwei, morsch! Aber einen auf einmal hält sie aus. Ich bin sie eben heruntergekommen. Ich geh zuerst, wenn ich oben bin, pfeife ich, dann kommen Sie nur. Halten Sie sich immer an die Wand. Ihr Gewicht immer auf der Seite, verstanden? Dann ist keine Gefahr dabei.«
»Ich habe keine Lust, mein Genick zu brechen, Herr Holliment«, bemerkte ich, »gibt es keine andere Möglichkeit, hinauszukommen – keine Hintertür?«
»Gewiß, aber ein Dolch wartet dann auf Sie. Kommen Sie nur, es ist sicher genug. Ich wiege doppelt soviel wie Sie.«
Er ließ meinen Arm plötzlich fahren, und ich sah, wie er mit der Hand in eine Hüftentasche fuhr. Im nächsten Moment hörte ich ein Knacken von Metall.
»Was war das?« fragte ich.
»Ein Revolver!« flüsterte er. »Ich nehme nicht an, daß ich ihn gebrauchen muß. Jedenfalls gehe ich jetzt 'rauf. Setzen Sie keinen Fuß auf die Treppe, bevor ich nicht pfeife.«
Er ließ mich stehen und verschwand in der Dunkelheit. Eine Sekunde später hörte ich, wie er sich vorsichtig die Treppe hinaufstahl. Die Geräusche, die er verursachte – gering wie sie waren – erinnerten mich an das, was ich heute nachmittag gehört hatte. Er mußte sehr leicht auf den Füßen sein, denn sie waren kaum zu vernehmen, und als er den ersten Treppenabsatz erreichte, hörte man nichts mehr. Sicherlich mußte der Staub dick wie ein Teppich da oben liegen.
Einmal, als er über einen anderen Treppenabsatz ging, sah ich ihn flüchtig. Der Lichtstrahl einer Straßenlaterne fiel gerade dorthin. Er schlich an der Mauer entlang, wie er es mir geraten hatte; er hatte nur noch eine Treppe zu steigen, bevor er die Tür grade unterhalb des Daches erreichen würde. Ich fing an, meinen Mut zusammenzunehmen.
In dem Augenblick, grade als ich nach dem morschen Geländer am Fuß der Treppe tastete und anfing, mich gegen die Mauer zu drücken, wurde an der Ladentür geklopft. Der Schreck fuhr mir durch alle Glieder.