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Ich gestehe, ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinauf, als der Detektiv das letzte Wort hervorkeuchte. Mord! Schon wieder! Innerhalb drei Tagen waren nun zwei Männer umgebracht worden, die ich noch wenige Stunden vor ihrem Tode gesund und frisch gesehen hatte. Wer würde der Nächste sein?
Ich stand wie angenagelt und sagte nur ganz benommen: »Unmöglich! Quartervayne? Aber – –«
Ich konnte mich noch rechtzeitig zusammennehmen. Nein! Ich würde Jifferdene nichts erzählen, bevor ich nicht in Renardsmere gewesen war. Ich sah dem Zug, der schon in der Entfernung verschwand, sehnsüchtig nach; er war die letzte Möglichkeit gewesen, noch heute abend nach Renardsmere zu kommen, wenn ich mir nicht ein Auto mietete.
»Da ist gar nichts Unmögliches dabei«, erwiderte Jifferdene. »Nach der Meldung, die ich bekam, muß es Quartervayne sein.«
»Ah!« rief ich aus. »Dann wissen Sie's nicht mal ganz genau?«
»Ich habe keine Zweifel«, antwortete er, und zog mich nach dem Ausgang zu. »Kommen Sie, wir müssen dorthin gehen. Ich bin sofort, als ich davon hörte, hierher geeilt, um Sie zurückzuhalten.«
»Wo ist es?« fragte ich.
»Ein einfaches Hotel in der Nähe der Docks. Telephonisch wurde uns dies mitgeteilt. Spät gestern abend sei ein Mann in das Hotel gekommen und hätte sich ein Zimmer genommen. Er gab an, er wolle heute mittag mit einem Dampfer der Hollandlinie abfahren. Er sagte noch, sie brauchten ihn vor halb zwölf nicht zu wecken. Um diese Zeit klopften sie an seine Tür und bekamen keine Antwort. Nach einiger Zeit öffneten sie die Tür und fanden ihn tot – ermordet. Der Beschreibung nach ist es Quartervayne!«
»Aber er braucht es nicht zu sein«, sagte ich, obgleich ich im Inneren fest überzeugt war, daß Jifferdenes Vermutung zutraf. Quartervayne hatte mir ja gestern abend erzählt, er beabsichtige heute nach Holland zu fahren.
»Das werden wir bald heraushaben«, gab er entschlossen zurück. »Sie, auf jeden Fall, kennen ihn ja. Kommen Sie, wir wollen hingehen.«
Wir eilten zur Stadtbahn und nahmen einen nach Osten fahrenden Zug. Ich versuchte gar nicht, mich mit ihm während unserer kurzen Fahrt zu unterhalten, denn ich wollte mir in Ruhe überlegen, was ich nun tun sollte. Ich beschloß, sobald ich mit allem fertig sein würde, noch heute nacht, und wenn es mir selbst zehn Pfund kosten sollte, in einem Auto nach Renardsmere zurückzufahren. Ich mußte mit Lady Renardsmere über die ganze Angelegenheit sprechen.
Wir stiegen bei Park Lane aus, kamen bald in einige ärmliche und schmutzige Gassen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft von St. Catherines Docks lagen. Jifferdene schien sich hier gut auszukennen; er führte mich ohne weiteres zu einer Polizeiwache, wo er sich gleich mit einigen Beamten eingehend unterhielt. Ich stand etwas abseits, nach einiger Zeit zeigte er auf mich.
»Dieser Herr kann ihn identifizieren«, sagte er. »Er kennt ihn – genügend.«
Noch einmal, und ganz gegen meinen Willen, wurde ich gezwungen, Jifferdene in eine Totenhalle zu begleiten. Diese machte einen noch düsteren und abstoßenderen Eindruck als die, in der ich Holliments Leichnam gesehn hatte. Bald stand ich vor Quartervaynes Leiche.
»Ja«, murmelte ich, »ja, das ist Quartervayne. Und nun – nur hinaus!«
Wir verließen das Gebäude, und Jifferdene klopfte mich auf die Schulter.
»Denken Sie nicht mehr daran«, sagte er nicht unfreundlich. »Das wäre hinter uns – es mußte sein. Sie sehen, ich hatte recht. Das ist nun schon der zweite Mord!«
»Wie geschah es?« fragte ich. »Sie haben mir nichts gesagt.«
»Erstochen, genau wie der andre«, antwortete er. »Aber diesmal in einem Zimmer. Kommen Sie, wir wollen in das Hotel gehn.«
Der Schutzmann, der uns zur Totenhalle begleitet hatte, führte uns durch ein oder zwei noch ärmlichere Gassen in eine ruhige Straße. An ihrem unteren Ende bemerkte ich eine hohe Mauer und dahinter die Masten, Sparren und Schornsteine von Segelschiffen und Dampfern.
»Das sind St. Catherines Docks«, sagte Jifferdene, als er bemerkte, daß ich dorthin sah. »Sehr leicht möglich, daß er von hier abfahren wollte. Aber hier sind wir an Ort und Stelle.«
Er machte eine Handbewegung, und ich sah, daß wir am Tatort angelangt waren. Ein kleines, schmutzig aussehendes Hotel in einer ärmlichen und schmutzigen Gasse. Zwei oder drei alte Ziegelsteinhäuser waren baulich miteinander verbunden worden. Eine blau bemalte Holztafel war in Höhe der ersten Etage angebracht, auf der in verblichenen Goldlettern ›Kellermanns Hotel-Pension‹ stand. An einem der Fenster hing ein Schild: ›Frühstückszimmer‹, an einem andern Fenster stand ›Gastzimmer‹. Mir war vollkommen unverständlich, wie überhaupt jemand daran denken konnte, dieses Hotel zu benutzen: der bloße Anblick der schmutzigen Jalousien und Gardinen wirkte abstoßend.
Wir gingen hinein; in der schmutzigen Halle, die nach Gemüse, Hammelfleisch und Kaffee roch, kam uns ein dicker, schlampiger Mann in Hemdsärmeln entgegen, der auffallend nervös und ängstlich zu sein schien. Er verbeugte sich fast ehrerbietig vor den beiden Detektiven und vor mir, dann riß er die Tür eines Zimmers auf, das offensichtlich sein Privatzimmer war. Eine sehr dicke Frau saß darin und nähte. Als sie uns sah, wurde sie genau so nervös und ängstlich wie der Mann. Sie bot uns sofort Stühle an, der Mann stand stumm dabei und beobachtete uns, und man konnte ihm anmerken, daß er vollkommen verstört war. Aber Jifferdene, der von dem uns begleitenden Schutzmann erfahren hatte, daß wir mit Mr. Kellermann sprächen, beruhigte ihn sofort mit einigen Worten.
»Dies ist eine scheußliche Sache für Sie, Mr. Kellermann«, sagte er tröstend. »Es ist natürlich nicht Ihre Schuld, aber immerhin furchtbar unangenehm für Sie, daß das in Ihrem Hause passiert ist.«
Der Wirt seufzte nur erleichtert auf, als er diese freundlichen Worte hörte, aber seine Frau ergriff das Wort.
»Ja, und dabei wußten wir über die ganze Sache nichts, bis der Hausdiener die furchtbare Entdeckung machte. Wir hatten nicht mal eine Ahnung, daß der Herr bei uns ein Zimmer genommen hatte.«
»Was!« rief Jifferdene aus. »Sie wußten nichts! Hören Sie mal, Sie wissen nicht, wen Sie im Hause haben?«
»Die Sache ist so, meine Herren«, sagte der Wirt. Er sprach langsam und schwerfällig, wie alle Leute, die nicht ihre Muttersprache sprechen. »Unser Betrieb ist etwas außergewöhnlich. Die Docks liegen ganz in der Nähe; Leute – Reisende, Matrosen – kommen hierher zu irgendeiner Nachtstunde und verlangen ein Zimmer, manchmal nur für einige Stunden. Darum haben wir einen Nachtportier, der die ganze Nacht über Dienst tut. Wir, ich und meine Frau, wir sind schwer arbeitende Leute, wir gehn um elf Uhr zu Bett. Wenn jemand später kommt, wissen wir das nicht.«
»Wer weiß es denn?« verlangte Jifferdene zu wissen. »Der Nachtportier? Aha, dann möchten wir ihn sprechen.«
Der Wirt ging hinaus und kehrte bald mit einem Mann wieder, der, wie Jifferdene später bemerkte, aussah, als sei er früher ein Berufsboxer gewesen. Seine Nase war zerschlagen, sein Gesicht voll Narben, und seinen Augen entging nichts. Ich hatte das Gefühl, der Mann wäre brauchbarer zum Hinauswerfen als zum Empfang eines Gastes. Er nickte dem Detektiv ruhig und zurückhaltend zu, und als Jifferdene ihn zum Sitzen aufforderte, setzte er sich auf den Rand eines Stuhls. Seine ganze Haltung deutete an, daß er sich niemals und nirgends eine Blöße geben würde und sich dadurch festlegen lassen würde.
»Sie hatten also gestern abend Dienst, nachdem sich Mr. und Mrs. Kellermann zurückgezogen hatten?« fragte Jifferdene. »Erzählen Sie uns mal, was gestern abend passierte.«
Der Nachtportier war offensichtlich auf diese Frage vorbereitet gewesen. Er fing sofort zu reden an, man konnte es richtig merken, daß er sich schon vorher alles zurechtgelegt hatte.
»Was mich angeht, Herr, so kam hier nichts Außergewöhnliches vor«, antwortete er. »Nichts! Ich trat meinen Dienst um elf Uhr an, wie gewöhnlich, wenn der Chef zu Bett geht.«
»Zu der Zeit waren drei Gäste im Hause«, unterbrach Mrs. Kellermann. »Drei höchst anständige Herren, Geschäftsreisende. Diese waren alle schon auf ihre Zimmer gegangen.«
»Um elf Uhr«, fuhr der Portier gelassen fort, »da war alles still und blieb auch ruhig bis fünf Minuten nach zwölf. Dann kam der Herr, den wir heute früh tot aufgefunden haben. Er sagte, er wollte ein Zimmer haben, und man sollte ihn nicht vor halb zwölf Uhr wecken, sein Schiff führe erst am Nachmittag, und er möchte gern ausschlafen. Er zahlte, wir verlangen das immer, sein Bett und Frühstück im voraus – vier Schillinge. Dann sagte er, er wäre noch nicht schläfrig und wolle noch etwas rauchen. Ich zeigte ihm das kleine Rauchzimmer neben der Halle, und er bat mich, ihm einen Korkenzieher, ein sauberes Glas und Sodawasser zu bringen. Ich ging fort, um es zu holen, und als ich zurückkam, hatte er eine Flasche Whisky vor sich auf dem Tisch stehen. Er zog den Korken, schenkte sich was ein und zündete eine Pfeife an.«
»Schenkte er Ihnen auch ein Glas ein?« fragte Jifferdene.
»Das tat er nicht! Ich verließ ihn«, fuhr der Portier fort. »Wenn Sie es wissen wollen, ich habe selbst eine Flasche Rum draußen, wo ich die Nacht über sitze. Ich hatte mir grade die Pfeife angebrannt und wollte die Abendzeitung lesen, als zwei Männer hereinkamen. Sie wollten Zimmer haben und bezahlten sie auch. Dann, da sie die offene Tür des Rauchzimmers und ein Licht drin brennen sahen, sagten sie etwas von einer Zigarre rauchen und gingen hinein.«
»Bevor Sie fortfahren«, unterbrach ihn Jifferdene, »können Sie diese Männer beschreiben?«
»Nein, nicht weiter«, antwortete der Portier und schüttelte den Kopf. »So genau habe ich sie mir gar nicht betrachtet. Matrosen, denke ich mir. Sie waren beide in blauem Serge angezogen und waren wohl dreißig bis vierzig Jahre alt. Nichts Besonderes an ihnen – so Leute, wie man sie jeden Tag sieht. Einer hatte goldne Ohrringe, das habe ich doch bemerkt.«
»Nun«, sagte Jifferdene, »passierte irgend etwas?«
»Die ersten fünf Minuten nichts«, antwortete der Portier. »Dann klopfte der Mann, der zuerst hereingekommen war, auf den Tisch. Ich ging hin. ›Bringen Sie noch zwei Gläser‹, sagte er, ›und auch Sodawasser. Diese Herren und ich wollen ein Glas zusammen trinken.‹ Ich holte, was er verlangte, die andern beiden rückten ihre Stühle an seinen Tisch. Als ich hinausging, rauchten und tranken sie zusammen.«
Mrs. Kellermann dachte wohl, sie müßte dies entschuldigen.
»Natürlich, wenn ein Gast Lust hat«, warf sie ein und sah den Detektiv schmeichelnd an, »eine Flasche Whisky mitzubringen und es andern Herren anzubieten –«
Jifferdene deutete mit einer Handbewegung an, dieses sei unwichtig, und nickte dem Portier zu.
»Fahren Sie fort!« sagte er. »Alle drei freundeten sich also an. Wie lange dauerte das Trinken?«
»Bis die Flasche, die der erste mitgebracht hatte, leer war«, antwortete der Portier. »Da war es bald zwei Uhr. Da kamen sie alle aus dem Rauchzimmer 'raus und baten mich, ihnen ihre Zimmer zu zeigen.«
»Wieso wissen Sie, daß die Flasche leer war?« fragte Jifferdene.
»Weil ich sie mir ansah, als ich wieder 'runterkam, um das Gas auszudrehen.«
»Waren die Männer nüchtern?«
»Nüchtern, ja. Jedenfalls waren sie ruhig. Sagten sich höflich gute Nacht und mir auch.«
»Sie hörten keinen Streit oder ähnliches?«
»Nichts Derartiges. Ich hörte das meiste von dem, was sie sich beim Trinken erzählten. Sie sprachen über das Ausland, Handel und ähnliches.«
»Und ihre Zimmer?« fragte Jifferdene. »Lagen sie nahe beieinander?«
»Der Mann, der alleine kam, der, den wir tot auffanden, hatte Nr. 15. Die andern beiden – einer hatte 16, der andre 18. Nr. 15 liegt Nr. 16 genau gegenüber.«
»Wann sahn Sie sie wieder?«
»16 und 18 kamen um Viertel vor sieben herunter, grade als mein Dienst zu Ende ging. Sie sagten, sie wollten hier nicht frühstücken und gingen fort.«
»Sahen Sie, in welche Richtung sie gingen?«
»Sie schlenderten nach den Docks zu«, sagte der Portier.
»Nun, und der andre Mann?« fragte Jifferdene nach einer Pause.
Der Nachtportier verzog das Gesicht.
»Ah!« sagte er. »Ich war grade zu Bett gegangen, als es entdeckt wurde. Ich gehe jeden Morgen um elf Uhr zu Bett und stehe nachmittags um sechs Uhr auf. Der Hausknecht kam also und weckte mich wieder. Er sagte, er könnte von Nummer 15 keine Antwort bekommen. Da ging ich also mit ihm, und kurz darauf bekamen ich und der Chef die Tür auf. Na, da lag er nun. Und wir benachrichtigten die Polizei.«
»Die Polizei hat das Zimmer abgeschlossen und einen Posten davorgestellt«, bemerkte Mrs. Kellermann. »Der Schutzmann ist oben, vielleicht erwartet er Sie?«
»Ja«, gab Jifferdene zu. »Wir wollen hinaufgehn.«
Oben sah alles noch abgenutzter und schäbiger aus. Wir gingen durch ein, zwei Gänge, schließlich kamen wir auf einen, der nach der Rückseite des Hauses führte. Ganz am Ende stand an einem Fenster ein Schutzmann, der sich, wie man sehen konnte, sehr langweilte. Sobald er Jifferdene erkannte, kam er auf uns zu. Er schloß auf, und einen Augenblick später standen wir alle in Nummer 15.
»Es ist hier nichts berührt oder geändert worden«, bemerkte der Schutzmann leise. »Jedenfalls nicht, seitdem wir geholt worden sind.«
Ein Blick auf das Bett genügte mir – ich war froh, als ich am Fenster stand, auf das Jifferdene sofort nach unserm Eintritt zugegangen war. Er berührte meinen Ellenbogen und zeigte auf den Fensterrahmen.
»Kein Riegel daran«, murmelte er. »Das Fenster steht ja oben offen – was liegt draußen?«
Er schob die untre Hälfte des Schiebefensters hinauf und sah hinaus. Gerade unterhalb des Fensters lag das flache Dach irgendeines niedrigen Gebäudes, an jeder Seite waren Regenröhren, und unten lag ein Hof, aus dem eine dunkle schmale Gasse führte.
»Ein guter Kletterer hätte durch dies Fenster einsteigen können«, bemerkte Jifferdene nachdenklich. »Wird auch schon so gewesen sein, der andern Geschichte lege ich keine Bedeutung bei! Na, wir wollen mal alles untersuchen.«
Er und der Schutzmann, der uns hergebracht hatte, fingen an, das Zimmer und die Kleidung des Toten zu untersuchen. Ich erkannte den Anzug sofort wieder, Quartervayne hatte ihn gestern abend getragen. Genau wie bei Holliment war das Futter an den Schultern in Fetzen gerissen, und alle Stellen, wo etwas hätte eingenäht sein können, waren aufgeschlitzt worden. Die wertvolle Uhr und Kette des Toten lagen auf der Kommode, gleich daneben die Brieftasche, die zahlreiche Pfundnoten und einen auf eine bedeutende Summe lautenden Kreditbrief auf Amsterdam enthielt; ein silbernes Zigarrenetui und eine silberne Streichholzschachtel und ein Portemonnaie lagen herum. Aber das Portemonnaie war leer.
»Diesmal hat er das Geld an sich genommen«, bemerkte Jifferdene. »Aber – das war nicht, was er suchte!«
Ich ging hinaus und wartete, endlich ging ich die Treppe hinunter und auf die Straße hinaus; ich hatte alles gründlich satt. Einige Zeit verging, bevor Jifferdene und der Schutzmann herunterkamen.
»Haben Sie irgend etwas entdeckt?« fragte ich, als wir fortgingen.
»Ja, eins fiel mir auf«, sagte Jifferdene nach einer Pause, in der er scharf nachzudenken schien. »Ich glaube, es ist in solchen Hotels in dieser Gegend nichts Außergewöhnliches. Die Tür hatte ein gutes Schloß und einen schweren Riegel, nicht so eine Spielerei, wie man es in besseren Hotels finden kann. Nun möchte ich nur wissen, hat er abgeschlossen und zugeriegelt?«
»Den Riegel kann er nicht vorgeschoben haben«, bemerkte der Schutzmann, »denn der Wirt öffnete die Tür mit einem Nachschlüssel. Wenn er den Riegel vorgeschoben hätte –«
»Na, ich glaube, der Mörder ist durchs Fenster eingestiegen. Aber schließlich, wie er auch hineingekommen sein mag, geschehen ist geschehen! Das war dieser schleichende Chinese, Mr. Cranage«, fuhr er fort, als der Schutzmann uns verlassen hatte. »Mr. Cheng sagte uns doch schon, es würde einen zweiten Mord geben und einen dritten und …«
»Sie glauben, beide Morde sind von einem und demselben Täter verübt worden?« fragte ich.
»Ganz gewiß«, antwortete er. »Alle Anzeichen deuten darauf hin. Quartervayne wurde natürlich bis hierher verfolgt und ums Leben gebracht. Es ist der Chinese!«
»Sie haben keinen Verdacht auf die beiden Männer, die nach ihm ins Hotel kamen?« fragte ich.
»Nein! Ich glaube, sie waren bloß vorübergehende Hotelgäste, genau wie er auch. Nein, der Täter war so ein schlitzäugiger Chinese! Sehn Sie her!«
Er zog etwas aus seiner Tasche, das sorgfältig in Seidenpapier und seinem Taschentuch eingewickelt war. Er entfernte die Umhüllung und brachte ein ganz gewöhnliches Wasserglas zum Vorschein, das er gegen das Licht einer Straßenlaterne hielt. Ich sah den deutlichen Abdruck zwei ungewöhnlich schlanker Finger und eines Daumens.
»Das ist keine europäische Hand!« sagte Jifferdene triumphierend. »Das hat die Hand eines Asiaten hinterlassen! Er trank, nachdem er gemordet hatte, ein Glas Wasser, und so haben wir den Abdruck! Mr. Cranage, wir müssen ganz London durchsuchen, wir müssen diesen Chinesen fassen, sonst gibt es noch einen Mord. Wer wird wohl der Nächste sein? Jedenfalls haben Sie keine Angst. Weichen Sie tagsüber nicht von meiner Seite und bleiben Sie nach Einbruch der Dunkelheit in Ihrem Hotel und …«
Ich hatte nicht vor, in mein Hotel zurückzugehen, doch ließ ich Jifferdene nichts davon merken. Unter irgendeinem Vorwand trennte ich mich von ihm. Um mich von dem Schrecklichen, das ich heute gesehn hatte, etwas zu erholen, aß ich tüchtig zu Abend und brachte es auch fertig, jede Erinnerung an all das Scheußliche zu unterdrücken. Dann ging ich zu einer Garage, und da ich genügend Geld bei mir hatte, und es mir gleichgültig war, wieviel es kosten könnte, mietete ich einen Wagen und verließ London. Es war fast ein Uhr früh, als ich die Anfahrt zu Peggy Mansons Haus hinaufging – fest entschlossen, sie sofort zu sprechen.