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An Christian Grafen zu Stolberg.

(Zum 15. October 1815.)

»Muse, wohin doch hebt Dein Flug mich in hallender Schwungkraft?
      Welches Maß, o beherrscht, mir ungewöhnlich, den Tanz?
Werd' ich nicht schwindeln, ich, vor althellenischen Reigen,
      Sonst an romantischer Form einzig nur übend die Kraft?
Muse, lass' ab. Mir winkt der ernstgeregelten Stanze
      Ecchotönendes Spiel; oder genüget noch nicht
Deinem heutigen Schwung der Heldenschritt Ariosto's,
      Lass' in den seligen Hain, lasse mit Danke mich zieh'n,
Ernst umschlungen vom Klang weissagend strenger Terzinen,
      Daß ein verkündendes Bild klar den Geweben entsteigt. –
Aber Du flügelst mich fort. Sogar die Bitte gestaltet
      Magisch lenkend Dein Stab in den beschiedenen Ton.
Nun ich folge ja gern, gern Dir, geliebteste Freundinn,
      Ob in entfremdete Welt führt mich die schwindlige Bahn.
Wo Du voran wehst, blüht's von Blumen, rieselt's von Quellen,
      Wird todtdrohender Sturz nur ein noch kühnerer Schwung.« –
Und sie lächelte hold, und schwebt' in milderer Senkung,
      Und dieß flüsternde Wort hauchte der rosige Mund:
»Stolberg, willst Du ja singen; zu seinem Preise beriefst Du
      (O wie gewährt' ich so gern!) meine beflügelnde Kraft.
Früh schon weiht' ich mir Den zum Freund altclassischer Weise,
      Ihm auch stimm' ich Dein Lied jetzt in Hellenischen Klang!
Zwar er neigt sich zu uns mit innigster Seele herüber,
      Wo wir besegeln die Fluth uralt nordischer Zeit.
Wenn Guitarren uns tönen von Rittergefechten und Frau'nhuld,
      Tritt er – ein ad'liger Held – harnischgewaffnet uns nah.
Wiederum hallten ja Dir aus seinen Gesängen so viele,
      Stolz in dem rhythmischen Gang Latiums prangend, heran,
Viel' in dem blühenden Reitz der Lenzluft athmenden Hellas;
      Auf denn zu solchem Gesang, jüngerer Dichter, für Heut!
Stammelst ein Schüler Du nur in diesen Maßen – was thut es?«
      Immer den herrlichen Greis stammelst ein Schüler Du nur. –
Und ich leist' ihr Geboth, und webe den rhythmischen Tanz fort;
      Naher Vergangenheit seliger Schimmer entsteigt
Vor dem Flügelgetön der kühn entzückenden Muse; –
      Blick' um Monden auch Du, würdiger Sänger, zurück. –
Feyernd rauschte das Meer an Eckernfoerdes Gestade,
      Als ich eilte zu Dir mit heißschlagender Brust.
Ahnend umweht' es mich schon: – die Kund' erst gabst Du mir später –
      Hier, wo der Sänger nun haus't, edel Germanischen Stamms,
Deutsche Thaten hier sah die Urwelt herrlich beginnen,
      Und ein werdendes Lied blitzte die Seele mir durch;
Unvernommen doch fast. Nur Stolberg wußt' ich zu denken,
      Nur den weihenden Gruß, nur das gefeyerte Haupt.
Und bald stieg mir empor, umschirmt von Buchen, umduftet
      Reich von Blüthen, von froh werdenden Schafen umspielt,
Stolbergs gastliche Burg, und doch fast klösterlich ernsthaft;
      Freudiges Ritterthum, Eins mit dem frommen Gesetz.
Und Du tratest heraus, Du schlangst um den Jünger die Arme,
      Mit demüthigem Stolz ging zu den Pforten ich ein.
Ernst und freundlich streng, mit fürstlich gültiger Sitte,
      Nahm Luise mich auf, Dein erhabnes Gemahl.
O wie manche der Stunden, der holden, begeisternd erhoben
      Nun den kosenden Reih'n; wenige Stunden, doch viel! –
Jetzt hinwallend durch Hain, und Saatfeld, und an der Meerfluth
      Kühn mir erlabend den Blick, leitetest Du mich hinaus,
Kündend Vieles zugleich von Dir und dem herrlichen Bruder,
      Daß Euch Beyd' ich in Dir sah, dioscurisches Paar! –
Dann, in der räumlichen Halle vereint am ruhigen Abend,
      Ging ein ernstes Gespräch, Eines im Wechsel, uns auf,
O wie leuchtete klar Luisens geistiger Lichtstrahl,
      O wie beugt' ich das Haupt gern vor der reinen Gestalt! –
Aber dem Hohen gesell' ich das Kindliche gern und das Lachen;
      Laß mich gesellen dem Ernst, welcher Luisen belebt,
Auch den fröhlichen Scherz, als meinem lächelnden Kindlein
      Durch die blühende Flur Wagenlenker Du warst.
Rüstig braus'ten die Schimmel, doch gern dem Zügel gehorchend;
      Stolz erzählte mein Kind: »ach, wie so gütig besprach
Sich Graf Christian doch, der edle Greis und der Sänger,
      Welchen mein Vater verehrt, sich mit der Kleinen, mit mir!« –
Bald von neuen begannen die Schimmel brausenden Trab nun,
      Führten mich weg von der Burg, welche der Sänger bewohnt.
Aber noch zog er mit, mich leitend durch andere Burgen,
      Vielfach wendend den Pfad, steigernd immer die Lust.
Oder auch steigernd nicht; – denn was vor Allem doch pries' ich:
      Dich am Meeresgestad', schattender Sitz, Altenhof?
Dich, du leuchtendes Knoob, wo kühnaufschwellende Segel
      Durch bachähnliche Fluth schiffen von Meere zu Meer?
Dich, o Emckendorf, mit Deinen erhabenen Bildern,
      Allen Zeiten der Kunst sinnig und liebend entführt?
Und, o all' Ihr Bewohner der echt altad'ligen Burgen,
      Männer, Knaben und Frau'n, o mich vernimmt Euer Geist,
Wenn mir die Sehnsucht perlt nach Euch an der glühenden Wimper,
      Wenn mir das Lied sich hemmt, überquellender Strom; –
Ja, die Wehmuth senkt, sie senkt sich thauend hernieder; –
      Ja, fromm glühender Greis, Ahnung schwoll uns empor,
Als im meerumflutheten Ort, in Mitten der Freunde,
      Kunde nun drang heran nach unentschiedener Schlacht,
Jener Schlacht, die Blücher und Wellington schlugen dem Weltfeind, –
      Ach, ich bebte, denn ach! war ich doch jetzt nicht dabey! –
Du auch blicktest ernst. – Wohl nah' war die Seele des Stolberg,
      Der, in der Taufe nach Dir, heiligen Nahmens, genannt,
Christlich sprengte sein Blut zum Sühnungsopfer des Sieges –
      Spät erst kam der Bericht, frühe der ahnende Schmerz. –
Nein, reiß' kühn Dich empor, mein Lied! Nein, jetzo nicht weinen!
      Hier gilt's Feyergesang. Jubelt, Ihr Saiten mir hell!
Festlich nahet der Tag, an dem in's Leben er eintrat
      Mir der geliebteste Greis. Heil, reichspendender Tag!
Du auch riefest in's Leben die Hoffnung muthiger Preußen,
      Ihn den leuchtenden Sproß, hold aufblühend zum Thron,
Stark und edel und kühn, gleich dem frommherrschenden Vater,
      Huldreich lächelnd, wie Sie, die nun mit Sternen sich kränzt. –
Aber wende Dich, Lied! Nicht Du sollst dieses mir feyern;
      Deiner Geschwister Eins hab' ich erkoren dazu.
Lass' Dir g'nügen am Gruß, am Hinblick. – Willig gehorchst Du,
      Fühlend: nicht mindere Lust ward Dir, als Jenem, beschert.
Feyert Dein Bruder kühn die Freude segnender Völker,
      Feyerst Du, eben so kühn, Freuden des tönenden Volks,
Welches man Dichter heißt, und heit're Dichtergenossen,
      Und das nimmer erstirbt, ob es auch stets sich verzehrt:
Phönix leuchtend und stolz, im Ambra-Dufte der Flamme
      Lösend den krankenden Leib, ewig verjüngend den Geist.
Ich auch brenne zum Opfer auf diesem Gluthenaltare,
      Funke bin ich daraus, fliege zum Himmel empor.
Ob ich ein Stern dort bin, ob nur entschwindender Nordschein, –
      Wer verkündet's? – Genug, daß mir die Muse geboth.
Und wenn ganz im Strahl viel anderer Stern' ich verdämm're,
      Denket man meiner wohl doch beym Dioscuren-Gestirn,
Christian Stolberg Du und Fridrich Leopold Stolberg,
      Wenn im Sphären-Gesang hold meinen Nahmen Ihr tönt.
Beyden sing' ich dieß Lied, Ihr Beyden Ihr seyd ja untrennbar,
      Strahletet so mir von je, strahlend so immer der Welt.
Über Euch Segen! Und was Luise mit ernsterem Scherze
      Ober-Engelland nennt, – All' uns beselig' es einst!

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