Friedrich Gerstäcker
General Franco
Friedrich Gerstäcker

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25.

Im Hotel de France.

Fast in allen überseeischen Städten, mag der Welttheil heißen wie er will, findet sich ein »Hotel de France« und giebt Kunde von der betriebsamen, speculirenden Nation, die ihre Kinder in alle Länder sendet, und sie dort rasch und meistentheils in glücklichen Verhältnissen heimisch werden läßt. Guajaquil macht davon keine Ausnahme, und das Hotel de France war damals das beste der Stadt und wurde von Fremden so viel besucht, daß selten ein Zimmer frei und unbesetzt war.

Fast den ganzen untern Theil des Hauses nahm aber ein großer, durch hölzerne Pfeiler gestützter, weiter Saal ein, der als Speisezimmer und überhaupt als luftiges, dem Klima vollkommen angemessenes Gastzimmer diente, in dem selbst ein Billard nicht fehlte, während den übrigen Raum eine große Anzahl von Tischen und Stühlen ausfüllte. Rechts vom Eingang befand sich der Schenkstand, reichlich mit Eis, französischen Weinen und anderen Spirituosen versehen, und die Gäste plauderten bei ihrem Glase an den verschiedenen Tischen, oder musterten auch wohl an der Thür oder von den Fenstern aus die Vorübergehenden.

Für sämmtliche Fremde der Stadt war es dabei das gewöhnliche Rendezvous, und selbst die Guajaquilener verträumten dort gern ein paar Stunden, um etwas Neues zu hören und einmal andere Gesichter zu sehen.

Unter diesen Umständen läßt es sich denken, daß das Hotel heute ganz besonders besucht war, denn die Rückkehr Franco's, der so siegesgewiß ausgezogen war, der über die Stadt verhängte Belagerungszustand mit tausend sich kreuzenden und einander sich widersprechenden Gerüchten erfüllte Alle, und Jeder wünschte theils sich selber auszusprechen, theils zu hören, was Andere darüber zu sagen hätten.

So hieß es unter Anderem, daß eine peruanische Flotte mit vielen tausend Soldaten unterwegs sei, um nicht allein in Quito den Mulatten mit Gewalt der Waffen einzusetzen, sondern auch zugleich den von Peru beanspruchten Gebietsteil Ecuadors in Besitz zu nehmen. Dagegen wurde wieder behauptet, Flores sei dem Usurpator auf dem Fuß gefolgt, und noch in dieser Nacht sollte ein Angriff auf Guajaquil stattfinden.

Allerdings hatten die beiden peruanischen Dampfer wieder geheizt und ihre Boote verkehrten mit dem Land, aber unter den Soldaten selber zeigte sich keine ungewöhnliche Bewegung, und wo sich Franco aufhielt, wußte man ebenfalls.

Es war außerdem kaum möglich, daß Flores schon eingetroffen sei, da ihm Franco alle verfügbaren Boote und Balsas in Bodegas weggenommen hatte, und diese brauchten zum Mindesten zwei und einen halben Tag, um dorthin zurückzukehren; aber die Phantasie der Politiker überwindet gewöhnlich mit leichter Mühe alle solche Terminschwierigkeiten.

Der Doctor und der Agent betraten diesen ziemlich belebten Raum, ohne weiter beachtet zu werden. Daß Beide sehr intim mit Franco verkehrten, wußte man allerdings, aber das thaten sehr Viele, theils gezwungen, theils freiwillig, und die Fremden besonders, die sich unter dem Schutz ihrer Flagge sicher fühlten, pflegten nicht selten ihre Ansichten ziemlich offen auszusprechen; wünschten doch viele von ihnen nichts sehnlicher, als ein wirkliches Bombardement der Stadt, wonach sie später mit ungeheuren Schadenrechnungen gegen Ecuador auftreten konnten.

Der Doctor und der Agent hatten sich indessen an einem Tische, aber einander gegenüber, niedergelassen, der erstere mit einem Glas süßen St. Gris, der andere mit einer Flasche Medoc neben sich, nicht unähnlich zwei Fahrzeugen auf offener See, die sich begegnen, ohne bis jetzt ihre Flaggen gezeigt zu haben, und die noch nicht recht wissen, ob sich der neue Gesellschafter als Freund oder Feind legitimiren werde.

Allerdings hatte sich der Agent vorgenommen, den Doctor zuerst reden zu lassen, denn daß dieser etwas auf dem Herzen haben mußte, war unverkennbar, Ruibarbo aber auch viel zu vorsichtig, um eine Meinung zu äußern – noch dazu dem Agenten gegenüber – ehe ihm dieser wenigstens nicht selber eine Garantie durch irgend eine Erklärung geboten hatte.

»Wenn man nur genau wüßte,« brach endlich, der verzweifelten Notwendigkeit nachgebend, Mariano das Schweigen – »ob die peruanischen Hülfstruppen wirklich anlangen, es ließe sich dann wenigstens eine Berechnung machen.«

»Ich glaube, daß Seine Excellenz sehr viel darum geben würde, das in diesem Augenblick genau zu wissen,« meinte der Doctor und sog dabei langsam an seinem Glase.

»Und was glauben Sie, Doctor,« sagte Mariano, indem er direct auf sein Ziel losging. »Sie waren doch im vorigen Jahre selber in Lima und müssen ebenfalls eine Ahnung haben, wie der alte Castilla da drüben über die Sache denkt.«

»Die einzige Ahnung, die ich darüber habe, lieber Mariano,« meinte der Doctor, indem er sein Glas hinstellte und sich eine Papiercigarre drehte, »ist die, daß uns Beiden die Zuneigung Seiner Excellenz außerordentlich viel Geld kosten wird.«

»Sie glauben wirklich?«

»Was soll man glauben –«

»Aber Sie sprachen vorhin die Vermuthung aus, daß die Kassenanweisungen eine bessere Zukunft hätten.«

»Würden Sie, dem General gegenüber, das Gegentheil behaupten wollen?«

»Und werden Sie ein Wechselgeschäft mit ihm eingehen?« frug der Agent, die an ihn gestellte Frage umgehend. »Sie machten wenigstens dahin eine Andeutung.«

»Es ließe sich allerdings etwas damit verdienen,« sagte der Doctor nachdenkend – »wenn Seine Excellenz wirklich Präsident wird. Schifft er sich aber, wenn ihm nichts Anderes übrig bleibt, nach Peru ein, dann wäre es kein Wechselgeschäft, sondern ein – Geschenk, und da ich nicht reich bin, würde mich das sehr geniren.«

Durch den Saal lief ein leises Flüstern, und Aller Augen wandten sich dem Schenkstand zu. Als der Doctor unwillkürlich der Richtung sämmtlicher Blicke folgte, bemerkte er den ersten Lieutenant von einem der peruanischen Kriegsschiffe – einen jungen deutschen Officier, der an den Tisch getreten war und sich ein Glas Eispunsch geben ließ. Er sprach übrigens nur mit dem Oberkellner, einem jungen Franzosen, und verließ, nachdem er sein Glas ausgetrunken hatte, das Haus. Aber er war trotzdem eine interessante Persönlichkeit für die versammelte Gesellschaft, denn er wußte, was die Dampfer für Befehle hatten, und daß er nichts darüber äußerte, machte ihn nur um so interessanter, denn es erhöhte den Reiz des Geheimnißvollen.

Der Doctor aber lächelte; er hatte sein Haus durch allerdings geschicktes Manövriren gesichert, und die Stadt? – was kümmerte ihn Guajaquil, wenn er selber dabei geborgen war.

Die Erscheinung des Officiers hatte aber auf des Agenten Seele mit einer gewissen Beruhigung gewirkt. Der junge Mann war so zuversichtlich aufgetreten, daß er seines Erfolges ziemlich sicher sein mußte, und die Peruaner wußten doch jedenfalls ganz genau, wie es mit Franco stand. Blieben diese also auf seiner Seite, so war es gar nicht denkbar, daß sich Flores gegen ihn halten konnte, und in dem Falle stand ihm allerdings die Aussicht angemessener Schätze vor Augen.

»Doctor,« sagte er, sich zu seinem vis-à-vis hinüberneigend – »ich denke, die Actien werden steigen. Wollen wir den Versuch zusammen machen?«

Das Anerbieten kam dem Doctor so unerwartet, daß er gar nicht gleich wußte, was er darauf erwidern sollte. Wenn er aber jetzt ablehnend antwortete und Mariano es dem General hinterbrachte – was er ohne Zweifel that – so kam er dadurch nur noch mehr bei dem mißtrauischen Mulatten auf die schwarze Liste. Das Beste war, er sagte zu – ein Versprechen band ja nicht – wenigstens in Ecuador – und er konnte nachher noch immer thun und lassen, was er gerade für gut fand.

»Zusammen – hm,« sagte er endlich nach einigem Ueberlegen. »Da bringen Sie mich auf eine neue Idee, Mariano, und gemeinschaftlich fällt es auch Keinem von uns so schwer. Aber sagen Sie einmal, wenn wir die Sache nun noch ausdehnten und einen Actienverein gründeten, um eine gewisse Anzahl von Banknoten unterzubringen. Es wäre das zugleich eine Probe für die loyalen Gesinnungen der hiesigen Bürger, die sich nicht gut ausschließen können, und Seine Excellenz würde ein solches Unternehmen gewiß mit großer Genugthuung begrüßen.«

»Das ist nur nicht so rasch gethan,« meinte Mariano nachdenkend.

»Nun,« meinte der Doctor, mit einem kaum bemerkbaren Blinzeln der Augen – »das Schlimmste, was uns durch eine kleine Verzögerung geschehen könnte, wäre das frühere Eintreffen der peruanischen Dampfer, und haben wir die Einwilligung Seiner Excellenz, so sind auch unsere Procente gesichert, selbst wenn die Papiere gar zu rasch steigen sollten. Hat er doch unsere Bereitwilligkeit gesehen. – Und sollten gar – was ich aber nicht glaube – ungünstige Nachrichten eintreffen, nun so« – setzte er lauernd hinzu – »kaufen wir noch billiger

»Sie haben Recht, Doctor,« rief der Agent, der im Nu des Doctors Plan durchschaute und vollkommen darauf einging, Alles nur im Interesse des Generals zu unternehmen, die Sache aber dabei so lange hinauszuzögern, wie nur irgend möglich – »eine Actiencompagnie soll es werden, und morgen in aller Frühe will ich den Plan ausarbeiten. Besuchen Sie mich vielleicht um zehn Uhr?«

»Ich bin dann freilich mit meinen Patienten schon beschäftigt,« sagte Ruibarbo, die ihm in der Erregung des Augenblicks dargereichte Hand des Agenten herzlich schüttelnd, »aber ich will sehen, daß ich mich auf eine halbe Stunde losmache.«

»Und sprechen Sie den General morgen früh?«

»Es ist wenigstens sehr wahrscheinlich.«

»Gut, dann sagen Sie ihm, welchen Plan wir Beide ersonnen haben, um ihm aus der Verlegenheit zu helfen. – Es wird ihn freuen, denn es verschafft ihm auf's Neue Credit.«

»Durch eine freiwillige Zwangsanleihe,« lächelte der Doctor; »aber es wird spät, lieber Mariano, und ich bin ein Gewohnheitsmensch: ich muß meine richtige Zeit halten, wenn ich mich nicht am andern Morgen elend fühlen soll.«

»Ja, ich gehe ebenfalls, Doctor,« sagte der Agent, »die Polizeistunde scheint auch schon einzutreten, denn der junge Mann dort drüben fängt an die Lichter auszulöschen, und die Gäste haben sich meistens entfernt; nur noch ein paar –« er fuhr plötzlich in die Höhe und starrte fest und aufmerksam in den hintern Raum des Saales, durch den eben zwei Männer schritten. Der eine von ihnen trug einen gewöhnlichen Poncho, wie ihn die Peons noch zuweilen Abends umhängen – aber er wandte den Kopf ab und verschwand gleich darauf, von dem andern gefolgt, durch die Thür, die nach der Küche führte.

Auch der Doctor hatte dort hinüber gesehen, weil diesem die unwillkürlich rasche Bewegung des Agenten auffiel. Hatte er irgend etwas Verdächtiges gesehen?

»Bemerkten Sie etwas, Mariano?« frug er ruhig.

»Sonderbar,« sagte dieser, »wie man sich doch täuschen kann. Vor ein paar Secunden hätte ich geschworen, unsern alten Freund Ibarra dort drüben zu sehen, aber der würde sich hüten, an einem öffentlichen Ort zu erscheinen, wenn er wirklich noch in Guajaquil wäre. – Außerdem weiß ich ziemlich genau, daß er nach Tomaco entkommen ist.«

»Das ungewisse Licht hat Sie getäuscht,« sagte der Doctor. »Kommen Sie, es wird die höchste Zeit, oder man schließt uns ein –« und zwei Minuten später schritten die Männer nach verschiedenen Seiten, jeder seiner eigenen Wohnung zu.

Das war etwa dreiviertel auf zehn Uhr. Punkt zehn Uhr erhielt der Polizeidirector Bustillos einen kleinen Zettel, auf dem nur die Worte standen:

»Juan Ibarra ist Abends im Hotel de France zu treffen.

Der alte Freund.«

Der Oberkellner schien indessen wirklich auf das Weggehen der beiden Herren gewartet zu haben, um seine Thür zu schließen, was er unmittelbar hinter ihnen that. Die Fensterläden waren schon vorher durch die Hausdiener zugeschraubt, und der innere Raum war somit für diese Nacht von dem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen.

Nur in einer der kleineren Stuben, die auf die mit Eisengeländern versehene Gallerie und über diese hin auf den Hof hinaussahen, saßen noch zwei Männer in eifrigem, aber halb geflüstertem Gespräch. Es waren die nämlichen, die vorhin durch den Eßsaal geschritten waren, und der größere von ihnen, eine hohe männliche Gestalt, hatte den alten Poncho und Strohhut abgeworfen und saß, den Kopf in die Hand gestützt, mit der andern aber ein Glas Wein haltend, an dem kleinen, gleich neben der Thür stehenden Tisch. Sein Begleiter stand neben ihm und war eben im Begriff, eine andere Flasche zu entkorken.

»Wenn die beiden Herren Sie nur nicht erkannt haben, Ibarra,« sagte er dabei – »denn in dem Fall weiß der Mulatte morgen die Neuigkeit, und Bustillos wird seine Spürhunde wieder in der Stadt herumhetzen.«

»Laßt ihn,« sagte Ibarra gleichgültig – »Doctor Ruibarbo und dieser schuftige Mariano wären allerdings die letzten Personen gewesen, die ich noch da unten im Saal erwartet hätte, denn von den Fremden haben wir nichts zu fürchten, aber es war ja schon fast dunkel und dieser Poncho mach mich auch unkenntlich. Doch zur Sache, wir dürfen unsere kostbare Zeit nicht mit solchen Vermuthungen verlieren – also so steht es draußen? – Alle Wetter! wie gut so ein Glas Wein Abends schmeckt, wenn man den ganzen Tag eingesperrt in der dumpfigen Kammer gesessen hat!«

»Es steht gut,« erwiderte sein Begleiter – »Flores kann in drei oder höchstens vier Tagen seine ganze Mannschaft hier zusammen haben, und dann müßte es mit dem Bösen zugehen, wenn wir diesen Mulatten nicht hinausbissen.«

»Aber wissen Sie wohl, Fortunato,« sagte Ibarra ernst, »daß Sie ein furchtbar gefährliches Spiel gewagt haben? Erkennt Sie Franco, nach dem, was Sie mir vorhin erzählt, so hängen Sie in einer Viertelstunde, ohne Richterspruch und Gnade, an dem nächsten Baum oder Laternenpfahl. Kein Gott könnte Sie retten.«

»Ich weiß es,« lachte der junge Officier gleichgültig, »aber ich habe mich durch das Abrasiren meines Bartes und durch die grüne Brille so vollständig unkenntlich gemacht, daß ich fest überzeugt bin, ich könnte zu Franco in die Stube treten und er würde eher jeden Andern in mir vermuthen, als seinen alten Hauptmann. Haben Sie mich doch nicht einmal wiedererkannt! Außerdem führe ich noch einen alten französischen Paß, auf den Namen eines Señor St. Clair, der durch Zufall in meine Hände gekommen ist, und da die meisten Franco'schen Beamten kaum ihr eigenes Spanisch, viel weniger also Französisch lesen können, so glaub' ich, daß ich mich ziemlich sicher fühlen darf. Aber es hilft auch jetzt nichts, darüber nachzugrübeln, denn die Stadt in diesem Augenblick zu verlassen, wäre für mich fast eben so gefährlich. Ueberhaupt sucht man den Feind jetzt nicht innerhalb, sondern außerhalb Guajaquils, und ich habe es mir einmal in den Kopf gesetzt, den Mulatten zu stürzen, und wenn es mein eigenes Leben kosten sollte. – Was läge auch daran, ich stehe allein in der Welt, und wenn ich mein schönes Vaterland von diesem Tyrannen befreien kann, hab' ich genug gelebt.«

»Aber was ist Ihr Plan?«

»Ungefähr der folgende. Flores wird die Stadt, sobald er eintrifft, einschließen und Franco seinen Angriff dann natürlich von der einzigen Seite erwarten, wo er möglich scheint, nämlich von Nordwesten her, wo die offenen Pampas liegen. Jener Punkt ist aber durch die auf dem Hügel aufgepflanzten Kanonen, wie ich heut Abend selber gesehen habe, so gedeckt, daß ein Sturm nur mit einem Verlust von vielen Menschenleben gelingen kann. Unten am Fluß aber, durch die Mangrovebüsche, erwartet Franco den Feind nicht, weil dort eine einzige Compagnie die wenigen Durchgänge so vertheidigen kann, daß ein Eindringen zur Unmöglichkeit wird, und von dorther müssen wir daher die Stadt überrumpeln.«

Ibarra schüttelte mit dem Kopf.

»Das wäre noch viel gefährlicher,« sagte er endlich, »als mitten in die Kanonen hinein zu stürmen. Ich kenne den Platz genau, und nur Einer hinter dem Andern könnte man an zwei oder drei Stellen den Sumpf passieren. Wer aber das Trockene glücklich erreichte, würde entweder gefangen genommen oder niedergestochen.«

»Und gerade um das zu verhindern, bin ich hier,« rief Fortunato rasch, »denn dann ist die Zeit, wo Flores' Freunde in Guajaquil zusammenstehen und ihm helfen müssen. Nur eine einzige Viertelstunde lang die geringste Unterstützung in der Stadt, ja selbst nur eine Unterstützung im Rücken des aufgestellten Bataillons, vielleicht nur ein paar unserer Angriffssignale – was zur rechten Zeit oft Wunder thut, wie wir selber bei Tucumbo erprobt haben – und der Sieg ist unser.«

Ibarra nickte leise und nachdenkend mit dem Kopf, und Fortunato fuhr wärmer werdend fort:

»Steht denn nicht der blutdürstige kleine Mulatte schon jetzt ganz allein in Ecuador? Hat er denn auch nur die kleinste Partei, die aus wirklicher Neigung zu ihm hält? Nein! Nur die Furcht fesselt die Meisten an ihn, während seine besseren Officiere in das quitenische Lager übergingen, wenn sie sich nicht vor dem Schritt scheuten, zu dem mich der Tyrann glücklicher Weise mit dem drohenden Strick gezwungen hat. Wie eine wilde Katze, die der Gegner schon mit festem Griff gepackt hat, um sie abzuschleudern, klammert er sich noch mit den Krallen fest.«

»Lieber Freund,« sagte Ibarra lächelnd, »mich brauchen Sie nicht erst überreden zu wollen, denn was mich betrifft, so stehe ich Ihnen mit Leib und Seele zu Diensten. Weiß ich doch selber gut genug, daß Franco nicht allein unser Verderben werden würde, sondern daß er auch als Landesverräther den einen Theil seines gehofften Reiches schon an den Erbfeind Peru verschachert hat, nur um den andern für sich zu behalten. Also fort mit ihm, je eher je besser, und wo möglich früher, als er Verstärkung von Peru erhalten kann. Worüber ich nachdachte, war auch nicht das, wie meine Landsleute gesonnen sein könnten, denn das weiß ich gut genug, sondern wie man sie auch wirklich zu einer entscheidenden That bringt, denn Sie glauben gar nicht, Amigo, welche Angst sie vor den peruanischen Dampfern und deren Kanonen haben, die allerdings in wenigen Minuten die ganze Stadt zusammenschießen könnten. Franco hat den richtigen Kettenhund gefunden, der ihnen Tag und Nacht die Zähne zeigt, obgleich ich, aufrichtig gestanden, glaube, daß die ganze Geschichte nur eine leere Drohung ist, und fest überzeugt bin, daß die Dampfer nie und nimmer den Auftrag bekommen haben, auf des Mulatten Befehl, unter peruanischer Flagge, eine friedliche und offene Stadt in Brand zu schießen. Unmöglich wäre es freilich nicht, aber, wie gesagt, ich glaube es nicht. – Doch wie dem auch sei – Sie haben Recht. Wollen wir frei von dem Tyrannen werden, so müssen wir auch etwas thun, und deshalb eben liege ich schon eine volle Woche hier versteckt und auf der Lauer. Lassen Sie mich nur zeitig genug wissen, in welcher Nacht und zu welcher Stunde der Angriff stattfinden soll, und ich gebe Ihnen mein Wort, Sie sollen mit mir zufrieden sein.«

»Gut,« sagte Fortunato fröhlich, »dann zweifle ich auch jetzt keinen Augenblick mehr an dem Erfolg; denn von unseren Spionen werden wir vortrefflich bedient.«

»Also mit Gott denn!« sagte Ibarra, von seinem Stuhl aufstehend – »aber jetzt, lieber Freund, will ich mich in meinen Bau zurückziehen. Wir dürfen hier nicht zu lange Licht zeigen, um die Aufmerksamkeit nicht auf uns zu lenken.«

Fortunato horchte nach außen.

»Dann warten Sie nur noch einen Augenblick,« sagte er, Ibarra's Arm fassend, »ich höre unten Leute und Lärm. Vielleicht kommen ein Paar Angetrunkene etwas spät nach Hause, und es ist immer besser, ihnen aus dem Weg zu gehen.«

»Angetrunkene, jetzt?« rief Ibarra rasch und mißtrauisch. »Beim Belagerungszustand der Stadt würde man sie nie um diese Zeit in das Hotel gelassen haben. Kein Mensch darf nach zehn Uhr mehr die Straße passiren, und wenn mein Weg nicht durch den Garten führte, müßte ich ebenfalls hier bleiben.«

»Aber wer soll es sonst sein?«

Ibarra horchte noch eine Weile an dem halbgeöffneten Fenster, das aber durch die Rouleaux vollständig verdeckt war. Endlich wandte er sich um mit todtenbleichem Gesicht und sagte, jedoch mit vollkommen ruhiger Stimme:

»Kamerad, wir sitzen in der Falle – das ist Militär, wahrscheinlich von Polizei geführt, und wir sind verloren.«

»Alle Teufel!« rief Fortunato unwillkürlich aus – »und einen famosen Fang würden sie an uns Beiden machen. – Aber nicht verzagt, Compañero,« lachte er gleich darauf wieder mit seiner alten Leichtherzigkeit, – »ich sage Ihnen, ich habe ein unverschämtes Glück, sobald ich für einen Andern den Hals wage, und Alles gelingt mir. – Hier muß ich Sie retten, denn daß sie mich erkennen, fürchte ich keinen Augenblick.«

»Amigo,« sagte Ibarra kopfschüttelnd – »Sie haben mit einer wahren Tollkühnheit Ihren Plan verfolgt, und daß Sie hier im besuchtesten Hotel der Stadt Quartier nahmen, setzt Ihrem Leichtsinn die Krone auf. Wären Sie mir gefolgt und heut Abend in mein Versteck gekommen –«

»Das ist Alles zu spät zu bedenken,« erwiderte Fortunato, indem er am Fenster horchte, »Sie haben Recht: es ist Militär und das Haus ist jedenfalls nach allen Seiten abgesperrt, denn Bustillos thut nicht so leicht etwas halb. Da kommen sie schon die Treppe herauf –«

»Haben Sie Waffen?«

»Unsinn – wir Zwei können uns auf dem engen Gang nicht durch eine Patrouille schlagen – es wäre Wahnsinn, und unten würden wir doch abgefaßt oder niedergeschossen. Nein, Caballero – dort hinein mit Ihnen in den Kleiderschrank, hier Ihren Hut und Poncho vergessen Sie nicht – Sie dürfen keine Spur zurücklassen – das Andere überlassen Sie mir.«

»Wir verschlimmern Beide unsere Lage durch einen solchen Versuch,« sagte Ibarra, noch immer zögernd.

»Verschlimmern,« lachte Fortunato trotzig, indem er seine grüne Brille wieder aufsetzte und sich mit der Hand das Haar herabstrich – »was können wir hier verschlimmern! Das Schlimmste, was geschehen kann, steht vor der Thür, und nun rasch, Amigo, denn in fünf Minuten möchte auch das zu spät sein.«

Er ließ auch dem Freund keine weitere Zeit zum Ueberlegen, griff dessen Sachen auf und schob sie mit in den Schrank, stellte dessen Glas in den Waschtisch, und setzte sich dann ruhig mit einem Buch an den Tisch, um das Kommende zu erwarten.

Alle diese kleinen, nach dem Hof gelegenen Zimmer haben, als Logis für einzelne Fremde berechnet, nur einen Ausgang nach dem Vorplatze, und ein oder zwei große Fenster, um das nöthige Licht in die ziemlich düsteren Räume zu lassen. Die Frontstuben des Hotels waren dagegen eleganter und auch luftiger eingerichtet und standen miteinander durch Seitenthüren in Verbindung.

Dort schien die erste Nachsuchung stattzufinden, denn während Fortunato noch hinaushorchte, hörte er, wie einzelne Posten die Gallerie bis zu der Privatwohnung des Wirthes selbst besetzten, sich aber vollkommen still verhielten, und wenige Minuten später herrschte wieder die alte Ruhe in diesem Theil des Hauses – nur dann und wann wurde im andern eine Thür geöffnet und wieder geschlossen.

Eine halbe Stunde verging in dieser Weise, und hatte Fortunato vorher der augenblicklichen Gefahr mit keckem Trotz entgegengesehen, so drohte jetzt die peinliche, thatenlose Erwartung ihn zu entnerven und abzuspannen. Er fühlte, wie seine Glieder anfingen zu zittern, wie ihm der kalte Schweiß auf die Stirn trat und selbst der Athem zu stocken schien. Er stürzte ein Glas Wein hinunter und zündete sich eine frische Cigarre an – aber es wurde nicht besser.

»Sind sie fort?« flüsterte da Ibarra, der in seinem Schrank von dem draußen Vorgehenden gar nichts hören konnte.

Fortunato stand auf, ging zu dem Schrank und sagte mit leiser Stimme:

»Ich bitte Sie um Gottes willen, seien Sie ruhig; sie stehen vor der Thür.« Dann schritt er zum Fenster – die Luft war so heiß geworden, daß sie ihn zu ersticken drohte – warf beide Flügel auf und lehnte sich mit der Cigarre hinaus.

Dicht daneben, daß er ihn fast mit dem Fensterflügel berührte, stand ein Soldat mit aufgepflanztem Bajonet – ein Neger.

»Diable!« sagte er – »qu'est-ce que c'est?«

Der Soldat, der die Worte natürlich nicht verstand, aber sich die Fragen etwa denken konnte, antwortete eintönig:

»Die Polizei!«

»Et pourquoi donc?«

»Versteh' ich nicht,« brummte der Soldat mürrisch, »nur Geduld, Freund, Du kommst auch dran,« und damit war die Unterhaltung abgebrochen.

Fortunato kannte den Burschen, der aus seiner eigenen Compagnie war, aber unter seiner Verkleidung befürchtete er nicht, von ihm erkannt zu werden. Er blieb also im offenen Fenster liegen und hörte jetzt, wie die Patrouille auf den Gang kam und dort an der ersten Thür ihre Nachforschung begann.

»Vor jeder Thür bleibt ein Posten, bis wir mit Allem fertig sind,« hörte er dann eine ihm nur zu gut bekannte Stimme den Befehl geben. »Erst wenn das Signal unten ertönt, sammelt Ihr Euch Alle wieder unten im Hause zum Abmarsch.«

Das war Villegas, und fast unwillkürlich zog sich Fortunato vom Fenster zurück, denn er wußte nicht, ob er sich über diese Entdeckung freuen, oder darüber erschrecken sollte. Wenn ihn irgend ein Mensch in der ganzen Armee wieder erkennen konnte, so war es dieser Freund. Aber würde ihn der verrathen? – Er wußte es nicht.

Immer näher rückte die Patrouille. Der ganze schmale Gang war jetzt durch eine Masse dunkler Gestalten vollkommen abgesperrt und ein Entkommen nicht mehr möglich. – Jetzt klopfte es an das Zimmer nebenan. Der Bewohner desselben lag schon im Bett und schlief; er hatte, mit Hülfe eines guten Gewissens, von dem ganzen Lärm da draußen nichts gehört.

»Quien es?«

»Policia!« lautete die lakonische Antwort. – »Abra!«

Der Mann war jedenfalls im tiefen Schlaf gewesen, denn erst auf eine in barschem Tone wiederholte Aufforderung ward der Riegel in der Thür zurückgeschoben.

Die Untersuchung dauerte aber nur sehr kurze Zeit. Das Zimmer war klein und von einem Peruaner bewohnt, den der Polizeibeamte persönlich kannte.

Jetzt kamen sie an Fortunato's Thür; sein Herz stand fast still; aber mit der Gefahr hatte er auch seine ganze Ruhe wieder gewonnen, und er behielt sogar seinen Posten am offenen Fenster, als ob er neugierig wäre zu sehen, was da draußen vorginge.

»Señor tenga V. la bondad de abrar la puerta.«

»Monsieur,« sagte Fortunato, seine Stimme etwas verstellend, sehr artig in französischer Sprache. »Ich verstehe nicht, was Sie sagen; sprechen Sie Französisch?«

Das »Parlez-vous français« war übrigens eine so oft gehörte Redensart, daß der Ecuadorianer diese wenigstens verstand.

»Purisma! wieder ein Franzose,« stöhnte er vor sich hin. »Señor Villegas, haben Sie die Güte, noch einmal zu dolmetschen, damit wir nur zu Ende kommen. Ich fange an, die Sache langweilig zu finden.«

»Ich habe sie von Anfang an satt gehabt,« sagte der junge Officier, indem er vortrat und jetzt Fortunato in allerdings sehr gebrochenem Französisch bat, die Thür zu öffnen, da die »Polizei« es verlange.

»Mit dem größten Vergnügen!« rief Fortunato auf Französisch und verschwand vom Fenster.

»Was sagt er?« fragte der Polizist.

»Con gusto,« antwortete Villegas mürrisch.

In demselben Augenblick schob auch Fortunato die Riegel zurück, und der Polizeimann trat, von Villegas begleitet, in die Thür, während die beiden Soldaten, wie vor den anderen Zimmern, mit gefälltem Bajonnet Posto faßten, so lange die Untersuchung dauerte.

»Wohnen Sie allein hier?« übersetzte Villegas die Frage des Polizeimannes.

»Wie Sie sehen, ja,« lautete die eben nicht freundliche Antwort. »Aber was soll das? Ich muß Ihnen bemerklich machen, daß ich, als Secretär des französischen Consulats, unter dessen Schutz ich stehe, diesen nächtlichen Besuch so sehr als möglich abgekürzt wünsche.«

»Was sagt er?«»

Und Villegas diente wieder als Dolmetscher.

»Wo hat er seine Papiere?«

»Haben Sie eine Legitimation?«

»Gewiß,« sagte Fortunato und zog den Schubkasten des Tisches auf, in dem der Paß lag; aber er hatte darauf gerechnet, daß nur ein Franco'scher Beamter die Zimmer visitiren würde, der den Paß nicht lesen konnte. Villegas dagegen, der Französisch genug verstand, mußte im Augenblick sehen, daß dieser Paß mit Ecuador nicht das Geringste zu thun hatte, eben so wenig mit dem französischen Consulat in Guajaquil, und es blieb Fortunato nichts Anderes übrig, als sich dem Freunde heimlich zu entdecken, und dazu besaß er nur ein Mittel.

Während er anscheinend nach dem Papier suchte, zog er einen Ring vom Finger, den er einst bei einer Wette von Villegas selber gewonnen hatte; er war außerdem an einem grünen und zwei rothen Steinen leicht erkenntlich. Diesen hielt er jetzt, mit dem geöffneten Papier, so vor Villegas hin, daß dessen Auge darauf fallen mußte, und sagte ruhig, während er mit der andern Hand das Licht emporhob: »Bitte, lesen Sie.«

Villegas' Auge fiel auf den Ring, und ein Glück war es, daß Fortunato die Vorsicht gebraucht hatte, beim Ueberreichen des Papiers zwischen den begleitenden Beamten und Villegas zu treten, denn das Gesicht des jungen Mannes wurde von der Ueberraschung plötzlich todtenbleich. Unwillkürlich hob er den Blick zu Fortunato empor – er konnte nicht länger zweifeln – es war der Freund.

»Bitte,« sagte der Polizist, »dürfte ich das Papier sehen.«

Villegas reichte es ihm mechanisch hin. Der Ecuadorianer warf aber nur einen Blick hinein – lesen konnte er es doch nicht – und gab es dann zurück.

»Señor,« sagte darauf Villegas, »wenn Sie den Herrn vom französischen Consulat hier weiter belästigen wollen, so thun Sie es gefälligst auf Ihre eigene Verantwortung; mich ersuche ich Sie aber dabei aus dem Spiel zu lassen, denn die Befehle Seiner Excellenz sind in dieser Hinsicht – besonders was die Franzosen anbetrifft – sehr bestimmt. Ich persönlich möchte mit der Sache nichts zu thun haben und werde indessen hinausgehen.«

Der Polizist warf noch einen Blick im Zimmer umher, aber es schien, als ob er die Verantwortlichkeit allein auch nicht gern übernehmen wolle. Villegas dagegen wandte sich mit einem artigen »Bon soir, Monsieur,« der Thür zu und verließ, während er den beiden Soldaten befahl, zurückzutreten, das Zimmer.

Der erstere zögerte noch immer.

»Wünschen Sie sonst noch etwas?« fragte ihn Fortunato in der fatalen Sprache, von welcher jener keine Silbe verstand. Er wollte seiner Pflicht genügen, mochte sich aber auch nicht selber in Ungelegenheit bringen. Der Fremde hatte sich außerdem legitimirt und es war hier nichts weiter zu thun; denn man suchte einen Ecuadorianer und keinen Franzosen.

»Buenas noches, Señor,« sagte endlich mit einem kurzen Kopfnicken der Beamte und folgte dem vorangegangenen Officier. Hinter ihm schloß Fortunato wieder die Thür zu; aber er ließ das Fenster noch offen. Dann goß er den Rest der Flasche in sein Glas und sog den stärkenden Wein langsam und bedächtig ein.

Noch befand sich ein Zimmer links neben ihm, in das die Polizei jetzt eintrat. Dann kam die Privatwohnung des Wirthes, die ebenfalls durchsucht wurde.

Fortunato blieb etwa zehn Minuten noch am Fenster, dann fing er an, sich langsam auszuziehen, als ob er zu Bett gehen wollte, und ließ auch dabei das festschließende Rouleau nieder. Nach einer kleinen Weile blies er das Licht aus und setzte sich auf sein Bett. So aufgeregt war er aber jetzt, daß ihm die Glieder wie im Fieberfrost flogen und er sich in die Decke wickeln mußte, um sich nur wieder zu erwärmen.

Endlich – endlich hörte er die Schritte der zurückkehrenden Patrouille; aber die Posten standen noch immer vor den verschiedenen Thüren, bis zuletzt, nachdem noch eine endlose Viertelstunde vergangen war, das so heiß ersehnte Signal im Haus erschallte. Jetzt erst verließen die Soldaten ihre Posten und sammelten sich unten, und als er vorsichtig das Fenster wieder öffnete, hörte er, wie nach einer Weile die Hausthür zugeschlagen wurde.

Nun erst durfte er wagen, Ibarra aus seinem eben nicht bequemen Versteck zu erlösen, aber Licht zündeten sie trotzdem nicht wieder an, und in leise geflüstertem Gespräch erzählte ihm Fortunato das eigenthümliche Zusammentreffen mit seinem Freund, der seine Stube vor einer genaueren Durchsuchung, und jedenfalls Beide vor dem Verderben bewahrt hatte.

Ibarra getraute sich aber jetzt noch immer nicht, das Haus auf demselben Wege, auf dem er gekommen war – nämlich über die Hofmauer steigend – zu verlassen. Noch konnte ein versteckter Posten irgendwo aufgestellt sein. War das aber der Fall, so wurde er jedenfalls nach einiger Zeit abgelöst, was nicht ganz ohne Geräusch geschehen konnte. Beide Männer blieben deshalb bis um vier Uhr Morgens abwechselnd am Fenster auf Wacht. Als sich aber bis dahin auch nicht das geringste Geräusch hatte wahrnehmen lassen, waren sie sicher.

Fortunato fühlte indessen recht gut, daß er unter diesen Umständen seine Rolle als französischer Consulatsangehöriger nicht durchführen könnte, denn der Polizeibeamte hatte sich doch nur für die Nacht zurückgezogen, weil er die Verantwortung, einen Fremden unnöthiger Weise belästigt zu haben, der eine solche Stellung behauptete, nicht auf die eigenen Schultern nehmen wollte. Daß er aber nicht vollkommen befriedigt gewesen, konnte man ihm leicht ansehen, und die erste Anfrage im Consulat selber würde ihm Aufschluß gegeben haben.

Das durfte man nicht abwarten, und da Ibarra selber in seinen Freund drang, sein Leben nicht ganz nutz- und zwecklos auf's Spiel zu setzen, so beschloß der junge Officier, ihn noch vor Tagesanbruch zu begleiten.

Um aber auch im Hause keinen weiteren Verdacht zu erregen, legte er den ungefähren Betrag seiner Rechnung auf den Tisch und schrieb ein paar Zeilen in französischer Sprache dazu, daß er mit der Fluth eine kleine Stromfahrt gemacht habe und in einigen Tagen zurückkehren werde. Der Wirth konnte dann denken, er habe mit der Morgendämmerung das Haus verlassen, denn in dem dunkeln Flur auf dem ersten Treppenabsatz schlief der Hausknecht, der zugleich als Portier diente, um spät eintreffenden oder früh ausgehenden Gästen die Thür zu öffnen. Diesen belästigten sie übrigens heute Morgen nicht, denn Fortunato warf sein weniges Gepäck auf den Rücken und folgte dem Freund, der ihn einen zwar sehr beschwerlichen, aber vollkommen sichern Weg über die Hofmauer hinweg in den nächsten Garten und von dort in seinen eigenen Versteck führte.



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