Adolf Glaßbrenner
Neuer Reineke Fuchs
Adolf Glaßbrenner

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Dreizehntes Capitel.

               

Bei Thieren hat es niemals Noth,
    Wenn ihnen stirbt ein König todt;
Im Augenblick, so es geschah,
    Ist eben solcher König da.
Was sonst auch Gutes fehlt dem Vieh,
    Ein König fehlt ihm nun und nie.

So war denn auch im Bärenreich
    Ein andrer Herrscher da sogleich
Von alleredelstem Geblüte,
    Von ganz vorzüglichem Gemüthe,
Von frommem Sinn und bestem Willen,
    Die hohe Aufgab' zu erfüllen,
Von Muth und Weisheit, hellem Geist,
    Und Allem, was man sonst noch preist.

Der hatte auch es nicht verschmäht,
    Zu werden Seine Majestät,
Und alle fürchterlichen Plagen
    Des Herrscherthumes zu ertragen,
Und zwar mit solchem Eifer, daß,
    Als sich das Volk erbot fürbaß,
Ihm Ein'ges davon abzunehmen,
    Er sich dazu nicht wollt' bequemen.

Der sprach herab von seinem Throne,
    Daß Gott gegeben ihm die Krone,
Und er sie würdig wolle tragen
    Und stillen seines Volkes Klagen,
Und sprach so manches schöne Wort,
    Daß jubelnd man rief hier und dort:
So viel wie dieser Fürst verspricht,
    So viel versprach noch Keiner nicht!

Die Großen standen rundherum:
    Kein Mund blieb leer, kein Auge stumm!
Es war das freudigste Bewegen,
    Denn solch ein Wort ist schon ein Segen!
Man sah nur glückliche Gesichter,
    Man brannte hunderttausend Lichter,
Und schmückte auch das kleinste Haus
    Mit Hoffnungsgrün und Blumen aus.
Es tönten Pauken und Schallmei'n,
    Die gläub'ge Orgel stimmte ein,
Und orgelte in einemfort
    Wohl über dieses Fürsten Wort,
Und alle Zweifel hieß man fliehn
    Und glaubte nur an Gott und Ihn.

Herr Reineke ließ sich nicht sehen;
    Man sprach, es sei um ihn geschehen,
Er habe seinen Rang verloren,
    Und schon ein Andrer sei erkoren,
Deß Wesen nicht die Selbstsucht sei
    Und Trug und List und Schelmerei;
Der nicht in solchem Weltgewebe
    Von niederträcht'gen Ränken lebe,
Um immerdar mit frommen Augen
    Die Kraft der Thierwelt auszusaugen,
Den edlen Geist zu unterdrücken,
    Der feindlich allem Knien und Bücken,
In Finsterniß und Aberglauben
    Die höchsten Güter sich zu rauben,
Freiheit und Wahrheit zu ermorden,
    Wie Reinke und sein böser Orden.

Doch ob man ihn auch nicht gewahrte,
    War's doch, als ob sich offenbarte
Durch manche Thaten, manche Streiche,
    Wie fort und fort sein Gift noch schleiche
Im Körper dieses Staates, den
    Wir bald in Trübniß wieder sehn.

Vom Fuchse selbst war keine Spur;
    Doch las man in der Zeitung nur,
So flüsterte man sich ins Ohr:
    Das kommt mir wie vom Fuchse vor!
Der Künstler rief: Herr Bruder, he,
    Merkst Du nicht was vom Reineke?
Es sprach so manches Vieh im Amte:
    Spukt denn der Fuchs noch, der verdammte?
Im armen Volk lief ein Gemuckse
    Und ein Gemurre von dem Fuchse;
Ja selbst manch Vieh von hohem Rang,
    Es witterte den Fuchsgestank!
Es sprach ein jedes Blatt und Buch
    Vom Hühner- und vom Hasen-Fluch.

»Wenn's so ist,« sprach ein kluges Pferd,
    Als Staatsmann lange hochgeehrt,
»So kann der Fürst beim besten Willen
    Die Klagen seines Volks nicht stillen;
So sucht sein edelmüth'ger Sinn
    Vergebens das Woher, Wohin!
Denn schleicht der Fuchs noch durch das Land,
    So ist die Hoffnung draus verbannt,
Und mit ihr gegenseit Vertrauen,
    Ohn' das Verschwendung alles Bauen,
Ohn' welches nie der Geist erscheint,
    Der Volk und Fürst zur That vereint!
Statt dessen schauen durch das Fenster
    Des Staatsgebäudes die Gespenster
Des Argwohns und der Heuchelei,
    Der Schlaffheit, List und Kriecherei,
Und statt des Lorbeers wachsen Ruthen,
    Und nimmer, nimmer führt's zum Guten!«

»Wie aber,« sprach darauf zum Pferd
    Ein alter Esel, hochgeehrt,
»Wie aber wird die böse Sieben
    Der Thierwelt aus dem Reich vertrieben?
Ist dieser schlaue Fuchsengeist,
    Wie Ihr uns so gelehrt beweist,
Ein solch verderbend, schleichend Gift,
    Das unsres Staates Herze trifft,
Wie wollet Ihr, Herr Medicus,
    Ableiten diesen bösen Fluß?«

Darauf das Pferd: »Es ist nicht leicht;
    Doch wird ein jedes Ziel erreicht
Durch Offenheit und Thatenkraft.
    Man befreie die Wissenschaft,
Erlöse sie von den Lehren,
    Mit denen List und Trug verkehren.
Man gebe den Gedanken frei!
    Im ganzen Vaterlande sei
Oeffentlichkeit, offener Krieg
    Der Geister, deß Sieg
Stets die Tugend ist,
    Und der nur böses Blut vergießt!
Der Alles sondert aus der Thiere Reih'n,
    Was falsch, verderblich und gemein;
Der Jeden am Staate beschäftigt,
    Und diesen erhebt und kräftigt,
Der ihn erlöst von aller Knechtschaft,
    Und Jedem sein göttliches Recht schafft!«

Der Esel sprach kein Wort dagegen,
    Doch fand er diesen Plan verwegen;
Natürlich, denn mit langen Ohren
    War Baldewein ja schon geboren,
Und darum eben à tout prix
    Ein ungemein loyales Vieh,
Das nicht gern dachte, lieber schlief,
    Und immer I–a, I–a! rief,
Und das sich ließ mit Knuten schlagen,
    Bekam's nur Disteln in den Magen.
So hat es denn nicht mehr verkehrt
    Hinfürder mit dem edlen Pferd.

Wir wollen aber doch nun sehen,
    Was mit Herrn Reineke geschehen!
Wir finden, wett' ich, ihn zu Haus'
    In seinem Schlosse Malpertaus.


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