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Nun kam der wunderholde Mai
Mit seinem grünen Schmuck herbei,
Und zierte seine Buhle wieder
Mit Primeln, Veilchen und mit Flieder,
Und lachte ihr mit seiner Sonne,
Als gäb' es Frieden nur und Wonne,
Als ob es mit dem Schmerz vorbei,
Und immer Frühling, Frühling sei!
So wohlig war es in der Welt,
Als sei sie ohne Zwang und Geld;
Der alte Baum, der junge Strauch,
Und jede kleine Knospe auch,
Sie dufteten, als fühlten sie
Die Erden-Himmel-Harmonie,
Und trügen drob ihr Dankgebete
Dem Lüftchen zu, das sie umwehte.
Die Lerche jubilirte wieder
Und sang die schönsten Freiheitslieder;
Die Nachtigall goß Freud' und Schmerzen
In Tönen aus dem tiefsten Herzen,
Und jede Blüthe lauschte ihr
Im bunten, duftenden Revier.
Es predigte ein jedes Blatt,
Wie lieb Gott seine Wesen hat;
Wie alles Starre, alles Böse
Die Wärme und das Licht erlöse,
Und wie ein jeder kalte Tod
Erwach' zum Frühlings-Morgenroth. –
Von seinem hohen Tulpenthurm
Da schaute Prinz Johanniswurm,
Ein Fürst von altem, reichem Stamme,
Hinüber nach dem Gotteslamme,
Im Rosen- und Reseda-Land
Marienkäferchen genannt.
Die beiden Thierchen liebten sich
So treu und fromm und inniglich!
Keins konnte fürder mehr allein,
Nur in dem Andern glücklich sein.
Das liebe Liebespaar war gleich
An Land und Gold und Schätzen reich;
In ihren blüthevollen Landen
War wenig Kummer nur vorhanden;
Ein jedes kleine bunte Thier,
Es fand sein Stäubchen Nahrung hier;
Sie hatten alle ihre Blume,
Und strebten nicht nach eitlem Ruhme
Durch Mord in Krieg und Politik, –
Und ihre Sprache war Musik,
In der sie Alles durften sagen,
Und keinen Censor drum befragen.
Sie konnten an der Erde Gaben
Sich gegen wenig Steuern laben;
Die Rechte, so sie einst bekommen,
Sie wurden ihnen nicht genommen;
Kein süßer Thau, kein Blüthenstaub
Ward Unterdrückern hier zum Raub;
Der Adel war nicht sehr berechtet,
Die Armen wenig nur geknechtet:
Das Blumenland war ziemlich frei,
Und selten sah man Polizei.
Das Reich ist nicht mein Ideal;
Doch tadle ich's nicht, sintemal
Man bei den Thieren Staaten sieht,
Wo ganz Abscheuliches geschieht,
Wo ich als Hund nicht möchte leben,
Und thät man mir zehn Orden geben.
Es liebte nun dies Volk unsäglich
Die guten Fürsten, und alltäglich
Stieg ein Gebet von dem Gewimmel
Für ihre Wohlfahrt aus zum Himmel.
Und wie aus ihrem Rosenschloß
Marieens Liebe sich ergoß
Auf ihre Unterthanen nieder:
Erhielt sie deren Liebe wieder
In herz'gem Wort und Sang und Klang,
Und in der frohen Augen Dank;
So daß sie keine Thräne fand,
Als nur in einzelnen Minuten
An eines kleinen Grabes Rand,
Wo ihre guten Eltern ruhten,
Die zwei Vergißmeinnicht bedeckten,
Vom Lenz, dem liebsten Architecten.
Und eben so war Prinz Johannes –
Im schönsten Alter eines Mannes,
Und tugendhaft, klug und gelehrt, –
Von seinem Volke hochgeehrt.
Kam er herab vom Tulpenschloß
Mit seiner Diener reichem Troß
Und mit dem alten Staatsminister,
Begann ein wonniges Geflüster;
Die Blumenfenster alle waren
Besetzt mit seiner Bürger Schaaren;
Um seinen Gruß stand auf der Lauer
Ein jedes Kind, ein jeder Bauer,
Und seine wackren Landesstände
Die reichten herzig ihm die Hände.
Doch als das Volk nun erst vernahm
Die Kunde, die fast plötzlich kam:
Johanniswurm, er liebe sie,
Die unvergleichliche Marie!
Der edle Prinz, von edlem Stamm,
Das schöne, fromme Gotteslamm,
Sie wären Bräutigam und Braut,
Und würden nächsten Lenz getraut;
Da war ein Jubel sonder Gleichen
In beiden kleinen Käferreichen!
An allen Blumen, allen Bäumen,
Und in des Grases grünen Räumen,
Da steckte man die Köpf' zusammen
Und sprach von Braut und Bräutigamen;
Die Garde löste die Gewehre
Den hohen Liebenden zu Ehre,
Die Bombardiere die Kanonen,
So daß erzitterten die Bohnen,
Und Pauken hörte man, Trompeten
Im Moos und in den Blumenbeeten;
Vom Klee her tönte die Schallmei
In wundersamer Melodei;
Jed's Maienglöckchen stand geziert,
Und Abends wurde illum'nirt,
Und manch Gebete ward gebrummt,
Und manches frohe Lied gesummt:
Es war ein solcher Jubelschall,
Als wäre Hochzeit überall!
Das Brautpaar aber unterdessen
Saß liebesglücklich, weltvergessen,
Von allem lauten Jubel weit,
In stiller, holder Zweisamkeit
Auf einem trauten Rosenblatt,
Und sah und koste sich nicht satt.
Und Sie und Er und Er und Sie,
Sie wußten weder Wo noch Wie,
Und sprachen nicht und dachten nicht,
Und sahen sich nur ins Gesicht,
Und Jedes suchte aus den Augen
Des Andern Wesen einzusaugen.
Da wurden sie durch ein Insect
Aus ihren Träumen aufgeschreckt;
Es war Marieens Kammerherr,
Ein äußerst frommer Sechsziger,
Der, als er sah die Liebe keimen,
Und als er hörte im Geheimen,
Der Prinz werd' seiner Fürstin Gatte,
Sehr ernst den Kopf geschüttelt hatte.
Denn in Marieens Reiche galt
Der Gott, der Alles Sünde schalt,
Der sich verehren ließ im Bild,
Und sich nur offenbarte mild,
Wenn seine Priester es so wollten,
Und einem Sünder nicht mehr grollten.
Dagegen bei Johannes war,
Wenn auch nicht lauter ganz und klar,
Der Glaube doch bei weitem lichter,
Und Gott ein liebevoller Richter,
Ein Trost in Noth, ein Freund und Rather,
Ein seinen Kindern guter Vater,
Zu dem sich, ohne Bild und Spenden,
Jed's seiner Wesen konnte wenden,
Und dessen Priester deutlich lehrten,
Nichts Thierisches wie Gott verehrten,
Und nicht beluden die Gewissen
Mit Angst und Qual und Kümmernissen.
Der Kammerherr sprach: »Euer Gnaden
Soll ich in tiefster Demuth laden,
Schnell zu verlassen diese Blume,
Denn Hoheit Spinne, Eure Muhme,
Aebtissin von dem weißen Kreuz,
Erwartet Euch im Schloß bereits.«
»Wie, meine Muhme?« rief Marie;
»Ich sah die Anverwandte nie!
Eilt, richtet auf Resedasruh
Ihr ein'ge Zimmer ein im Nu!
Im ganzen Schloß sei Alles Hast,
Zu ehren diesen hohen Gast!
Grüßt meine Muhme schön, die fromme,
Und sagt, daß augenblicks ich komme!«
Drauf küßte sich das Liebespaar,
Als schiede es auf immerdar!
Sie grüßten sich noch stets von fern
Und wären umgekehrt so gern;
Sie seufzten Beide um und um,
Und wußten Beide nicht warum,
Und traurig kam Johanniswurm
Zurück in seinen Tulpenthurm. |