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Es ist in dieser Menschenwelt
Kein Tugendfeld
So schlecht bestellt
Als das des Glaubens. Alle wissen,
Mit wie viel Tausend Hindernissen
Die Wahrheit hier zu kämpfen hat,
Und wie uns jedes neue Blatt
Der Weltgeschichte deutet klar,
Daß Alles eitel Irrthum war,
Was auf dem frühern stand in Klarheit
Als unumstößlich feste Wahrheit.
Wir wissen, daß wir gar Nichts wissen;
Daß wir im Kreise denken müssen,
Ja, daß wir denken nur, wir denken,
Und, wenn wir uns ins Meer versenken
Des Wissens, immer wieder kommen
Zur Fläche, wo wir schon geschwommen.
Wir wissen, daß die klügsten Wesen,
Die alles Unlesbare lesen,
Die Weisheit mit dem Löffel fressen
Und Gott in ihre Logik pressen,
Ergrübelt und erprüft am Ofen:
Die grundgelehrten Philosophen,
Sich immer, immer widersprechen,
Vernunft und Sprache radebrechen,
Um sich einander gründlich zu beweisen,
Daß sie mit ihrem Philosophem
Vergeblich nach dem richtigen System
Im weiten Meer des Irrthums kreisen.
Drum sind wir denn, nach allem Diesen
Nur auf den Glauben angewiesen;
Drum sprach ein großer Mensch auf Erden:
Nur wer da gläubt, wird selig werden.
Was uns durch Pfaffen zugekommen,
Was sie direct von Gott vernommen,
Was alte Manuscripte brachten,
Was Mönche wußten und erdachten,
Was Päpste bullenmäßig treiben,
Was die Minister unterschreiben,
Was Könige von Gottes Gnaden
Erlassen zu der Völker Nutzen,
Was Allerhöchst Gesetz sie nennen
Und Allerhöchst als Recht erkennen,
Und schien's auch gegen allen Sinn:
Das Alles nehmt auf Glauben hin!
Vernunft, Geist, Wahrheit stehn auf Schrauben:
Wir müssen glauben, glauben, glauben!
Doch leider weiß ich aus Erfahrung,
(Verzeih' mir, heil'ge Offenbarung!)
Daß, wie gesagt, bei diesem blinden
Geschlechte Nichts so schwer zu finden
Als Glauben. Was man sicher weiß,
Was man erforscht mit Fleiß und Schweiß,
Was man als heiße Wahrheit fühlte,
Und sich im Kopfe ab noch kühlte:
Selbst Das die eitlen Würmer wagen
Mit ihrem Zweifel zu benagen!
So geht's auch mir mit der Geschichte,
Die ich von Reinke Fuchs berichte.
Ich sehe schon die Mäuler sperr'n,
Hohnlachend alle Züge zerr'n,
Ich höre die Kritik schon schrei'n:
»Das Alles kann erlogen sein!
Was weiß Der aus der Welt der Thiere!
Er hat zwei Füße nur, nicht viere!
Kann sich nicht in die Wolken tragen,
Und nicht verstehn, was Thiere sagen!
Vielleicht versteht er Caraibisch,
Kalmuck'sch, Tscherkessisch, Samojedisch,
Doch Vogelsch nicht und nicht Amphibisch,
Und noch viel wen'ger Quadrupedisch!«
Nur still! ich bringe Documente!
Still! Ich citir' Autoritäten
Und Quellen! Wenn ich Das nicht könnte,
Wie hätte ich hervorzutreten
Gewagt mit solch gelehrtem Buche,
Für das ich Menschenglauben suche,
Den man doch nur darf intendiren,
Wenn man die Quellen kann citiren.
Ich freilich kann sehr wenig Thierisch,
Nur Das, was man so lernt empirisch;
Zum Beispiel, daß der Hunde Knurren
Das Gegentheil vom Katzenschnurren;
Daß jedes Huhn bei'm Eierlegen
Schon losläßt seinen Muttersegen
Und, wie so Manche, nebenbei
Von seiner That macht groß Geschrei;
Daß jedes Thier am stärksten spricht,
Wenn es an Nahrung ihm gebricht,
Weil seine Armen-Commissionen
Oft ferne von dem Hörkreis wohnen,
Und was man sonst noch so entfernt
Aus Raff's Naturgeschichte lernt.
Doch kannt' ich einen Papagei,
Der sprach das Deutsche leicht und frei,
Rief jeden Menschen »Spitzbub'!« an,
Und war ein grundgescheidter Mann,
Dabei jedoch ein armer Schlucker.
Für ein'ge Stückchen groben Zucker
Thät er den scharfen Schnabel wetzen,
Und mir viel Werke übersetzen
Von Hunden, Störchen, Ratzen, Schafen
Und anderen Historiographen.
Sodann hielt ich mir einen Staar,
Der'n fertiger Lateiner war,
Und in's Latein mir übertrug,
Um was ich ihn lateinisch frug.
Denn er war äußerst schwach im Deutschen,
Obschon geboren im Baireuth'schen.
Es war ein höchst gelehrtes Vieh,
War Doctor der Philologie
Und späterhin Professor worden,
Und hatte auch den Adlerorden.
So will ich denn die besten Quellen –
Um zu entgehen den Querellen
Der Kritiker – getreu berichten,
Und keine einzige erdichten,
Was schon auf Deutsch und auf Latein
Soll ein Mal vorgekommen sein.
Dann aber müßt Ihr mir auch glauben!
Dann sei verdammt das kleinste Klauben
An Dem, was ich hier mitgetheilt,
Erforscht, geprüft, geformt, gefeilt,
Und was Euch noch wird mitgetheilt
Erforscht, geprüft, geformt, gefeilt!
Denn Forschung, Prüfung, Feilung, Form,
Das ist wahrhaftig schon enorm!
Und nennt man dann die Quellen noch,
Aus denen, sprach- und kunstbeflissen,
Man hat geschöpft sein theures Wissen:
Me Hercle! dann verdient man doch
Von Männern, Greisen, Kindern, Frauen
Das unbedingteste Vertrauen!
Der Leser selbst muß nun beschwören –
Vergeht ihm Sehen auch und Hören
Ob dieser wundersamen Dinge –
Die Wahrheit Dessen, was ich bringe
Und was ich oben schon gebracht,
Und wer jetzt nur noch Miene macht,
Als hegte er den kleinsten Zweifel,
Den, Gott verzeih' mir's, hol' der Teufel!
Der hochgeehrte Leser merke
Sich folgende berühmte Werke
Der viehischen Gelehrsamkeit
Verschiedner Länder, Größ' und Zeit:
Kameel's »Geschichte aller Esel,«
Verlegt bei Klapperstorch in Wesel.
Maulwurf: »Der Fuchs und seine Horden.«
Ameise: »Der Fuchsiten Orden.«
H. Pudel's: »Fünfzigjähr'ger Krieg.«
Rhinozeros: »Des Tempels Sieg.«
Ciconia Langschanablium:
»Historia animalium.«
12 Bände, gedruckt in diesem Jahr',
Lateinisch übersetzt von Staar.
»Geschichte der Johanniskäfer,«
Von Todtenwurm, bei Siebenschläfer.
»Der letzte Nobel«
Von Dr. Zobel.
»Geschichte aller Tempel-Dachsen«
Von Schwalb, bei Fink und Lerch in Sachsen.
Des Wirklichen Geheimen Raths
Blindschleiche »Garantie'n des Staats.«
»Der Stiere altes Herrscherhaus«
Von Dr. Frosch bei Ratz & Maus.
»Das hohe Lied der Nachtigallen.«
Verboten, anonym, St. Hallen.
»Das Wunderland Utopia.«
Et caetera, et caetera! |