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Langsam, er wußte selbst nicht wie, trappte Jakobli dem Wirtshaus zu, und es ist kurios, je langsamer oft die Beine gehn, desto rascher laufen die Gedanken. Dies Verhältnis ist in mehr als einer Sache, zum Beispiel je schneller einem die Worte kommen, desto mehr stammelt die Zunge, je spärlicher die Ideen kommen, desto rascher geht die Feder, und je weniger es liebt, desto mehr küßt manches Weib. Es geht halt kurios zu in der Welt.
Im Wirtshaus war niemand; die Hudeln verdienen am Samstag für den Sonntag und die blauen Tage; die fleißigen Leute schaffen für einen arbeitsfreien Sonntag. Die Wirtstochter war alleine in der Gaststube und lismete. (Es war aber nicht die, welche, als sie endlich einen Strumpf ausgelismet hatte und ihn aufrollte, das Börtlein oben abgefaulet fand. Sie hatte nämlich zwei und ein halb Jahr daran gelismet, in der Zeit ihn nie aufgelöst, er mochte im Wein gelegen sein oder in andern Dingen.) Freundlich war sie, brachte den verlangten Schoppen, und zwar nicht Siebenunddreißiger Erlacher mit Picardan verblümt als zehnbatzigen, sondern recht guten und puren Lacoten, und fragte manierlich: «Bigehrst no neuis meh?» «Öppis z'esse», sagte Jakobli. «Wottsch bifehle oder wottsch, was mr hey?» fragte das Meitschi; man wußte nicht, wars Ernst oder Spott, so daß es Jakobli fast lächerete, als er antwortete: «Was d öppe hest; aber viel bigehre ih nit.» «Häb nit Chummer!» sagte das Meitschi und lüpfte die Füße, als es hinausschoß; es wußte nichts von dem schmachtenden Schlärplen vieler zarten Gaststubenseelen. Jakobli stund unterdessen am Fenster und guckte in die leeren Storchennester hinauf und an die grauen Strohdächer, von denen die einen Naturfarbe trugen, die andern aber stattliche Perücken von grünbraunem Moos, und er dachte viel darüber nach, wie es doch in der Welt gehe, daß sogar die Strohdächer es bis zur Hoffart trieben und Perücken trügen, und zwar so schöne grüne, als ob sie erst jetzt ans Blühen und Schönwerden dächten. Während er so gründlich philosophierte über die Eitelkeit der Welt, hatte hinter ihm das Meitschi aufgetragen und sagte eben: «Du chast cho!» da sah er sein Meyeli vorübergehn, einen Blick nach den Fenstern tun, rot werden und dann davongehen wie auf Rädlene. Da stach ihn etwas, er hatte es noch nie gefühlt; er wußte nicht was es war; aber er mußte fragen, er mochte wollen oder nicht: «Chast du mir sägen, wem äys Meitschi ist?»
Wenn man ein Mädchen frägt, was dort für ein Mädchen gehe, kriegen alle geläufige Beine; manchmal ist aber die Antwort desto langsamer. Rasch war das Meitschi am Fenster. «Meinst das mit de wyße Züpfe?» frug es. «Ja», sagte Jakobli, «wo dert um e Egge geyht.» «Das ist Jungfräuli dert i äym Hus; es ist dr Götti, u es sött dr Gottswille byn ihm sy. Aber es het bös gnue drfür. Alle Tag muß es ghöre, er heygs dr Gottswille gno; git ihm ke Lohn u Kleidleni, daß er si schäme sött, u muß mache, was ke Jumpfere im ganzen Dorf macht, u gäb wien es springt, su macht es doch no nie gnue.» «Es wird niene angers hi wüsse», sagte Jakobli und wußte selbst nicht was er sagte. Es kam ihm vor, als sei er eine Orgelpfeife, und als blase jemand die Worte aus ihm heraus.
«Das fung Plätz gnue», sagte das Meitschi eifrig. «Ih bi mit ihm zum Herre gange, u mir hättes gern as Stubemeitli gha; es ist es Gleytigs u doch es Manierligs. Aber es het nit welle cho, gäb was men ihm gseit het. Si zürnte es an ihm, hets gseit, u es syg doch geng dr Götti. We men ihm scho gseit het, es syg e Narr, su hets glachet u gseit, es well lieber, mi säg, es syg e Narr, as mi säg, es syg e wüste Hung; selb bigehrs nüt. Es ist de gar son es Lächerigs drby u doch notti es Guts. Es ist is allesamt wert gsy, währet mr zUngerwysig gange sy, wos de o wieder dere gä het, wo me gern vrlochet hätt vo eyr Ostere zur angere.»
«Wo wottsch?» so frug das Mädchen, als Jakobli hinter dem Tische saß. Da fühlte Jakobli wieder seine Backen heiß werden. «Ho, nienehi», hatte er auf der Zunge, aber er sagte es doch nicht; er fühlte wohl, daß diese Antwort ihm bei einem solchen Meitschi nur zu einer tüchtigen Auslacheten verhülfe; er hätte einen Batzen gegeben, er hätte nicht gefragt, und doch hatte er die Antwort grusam gern gehört und sie nicht um einen Neutaler gegeben. Aber er fühlte, daß alles ein Küstchen kriegt, was nicht in ganz lauterer Pfanne gekocht wird. «Dert i äys Hus», sagte er endlich und zeigte auf die etwas entlegene First, wo Meyelis Götti wohnte. «So, was hast du dort zu tun? Zu wem wottsch? Wottsch ihms grad ga umesäge, was ih gseit ha, wie er e Götti syg?» So sagte das Mädchen und trat mit resoluten Augen, die Arme auf den Hüften, vor ihn, als ob es einen Hosenlupf mit ihm wagen wollte.
Da fühlte Jakobli, daß er die Wahrheit sagen müsse, z'vrheimen sei da nichts. Zudem sei es ja eine gute Freundin, und wer weiß zudem auch nicht, daß, wenn das Eis einmal gebrochen ist, Verliebte gerne von den Geliebten schwatzen, gerne jemand ins Vertrauen ziehen, um von Zeit zu Zeit das Herz leeren zu können, das ja sonst zerspringen müßte. Zudem ist der Mensch, wie keck er scheint, ein unsicher Wesen; was er sich erwirbt, teuer oder wohlfeil, das hört er gerne rühmen; erst dieser Ruhm macht ihn sicher, daß er gut gekauft, keinen Fehlgriff getan.
Es gibt wenige Menschen, denen man durch nachhaltiges Ausführen von mehreren Seiten eine Sache nicht erleiden kann, daß sie noch die Kappe nachwerfen, wenn sie ihr loskommen können um jeglichen Preis. Es gibt wenige Menschen, die man nicht am Ende kann glauben machen, sie seien in keinen Schuh gut, sie seien dumm, ja sie seien verrückt. Freilich kostet dieses längeres Nachhalten und größere Mühe. Einen Menschen glauben zu machen, er sei die Weisheit selbst, das ist leicht gemacht; ja man kann einen Stock zur Überzeugung bringen und zwar noch geschwind genug, er sei kein Stock, sondern das Fundament, auf das Gott die Welt abgestellt. Kurz, der Mensch hat sehr selten ein selbständiges Urteil, weder über sich selbst noch über die Kühe, die er auf dem Markte kauft; er hört daher beides gerne rühmen, so wie ein Bursche das Meitschi gerne rühmen hört, mit dem ers probieren will.
«Häb nit Kummer!» sagte Jakobli endlich, «eigentlich ds Meitschis dwege wott ih hi; mr möchte hüt no ga ds Hochzyt agä, u da muß ih ga luege, was dr Götti drzu seyt.»
«Wie meinst?» fragte das Meitschi und trat mit eingestützten Armen noch näher. Jakobli wiederholte ganz treuherzig die frühere Rede. «Öppis Dumms eso! Ga ds Hochzyt agä!» sagte das Meitschi, «we d de e Narr ha witt, su bis ne selber. Ga ds Hochzyt agä, u het no nie kene ychegla! We de das geyht ga ds Hochzyt agä, su weiß ih de o öppis drvo.» «Wird nit höhn, wäger!» sagte Jakobli, «ih gibe dr dWahrheit a; aber säge hätts dr nüt chönne; erst vor e halb Stung hey mr dSach richtig gmacht dert i de Yschläge usse.» «Nei, jetz ist mr nüt meh z'helfe», sagte das Meitschi, «nun ist doch de o keim meh z'traue; nei, jetz säg me mr nüt meh! Das het chönne tue, wie wenns syr lebelang mit kem Mannevolch nüt wett u niemere chennti; erst no am vorige Sunnde hets so ghässelet gege dr junge Burscht u lat acht Tag druf vrkünte. Daß das si so vrstelle chönnt u sövli e Kalfakter wär, hätt ih nit glaubt; jetz han ih myr Lebtig nüt meh uf ihm.» «Nit», sagte Jakobli, «verred dich nicht; es vermag sich dessen nichts und hatte dir nichts sagen können», und erzählte ihm nun, wie alles zu- und hergegangen sei, punktum von Anfang bis ans Ende.
Das Mädchen schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte, von einer solchen Geschichte hätte es sein Lebtag nicht gehört; das sei ja ärger als man läs in den Büchern. «Also du bist ds Jowägers Bub, wo si ufem Zyberlihoger son e Freud und es Glärm gha hey u no meh Schulde gmacht hey uf ihn hi. Nu, dene man ihs gönne, daß es ne so geyht; das sy Meitli, wo si ds ganz Wybervolch muß schäme ihretwege. Uflät sys, un es ist dFrag, ob du nit für en Angere hättest zuchemüsse. Das gschieht dene afe i dSchuh yche recht! U ds Meyeli wottsch, un es di; das Dolders Täschli het mr nie e Ton drglycheta, daß es einist ume mit eme Bub gredt heyg. Wart das ume, dem will ihs säge! Aber gönne mag ihg ihms, u bös ha wirds nit müsse, wird nit sölle Hung sy. U du hest recht gha, hest nit ufs Geld gluegt; es lustigers u grangschierters Meitschi hätt ih dr nit gwüßt; du bist e gfellige Mönsch gsy, los, u sövli dumm, wie me di drfür het, mußt nit sy; los, sust wärs dr nit zSinn cho, di hinger das Meitschi z'mache. Aber seh, iß u gang, u chömit de hie dure, we dr zum Pfarrer göht, ghörst? Dem Täschli muß ih doch no öppis säge. Dr Alt wird welle wüst tue; aber acht di synere nüt; er ist e wüste Ma. Da chönnte es ihm zehn Jahre dFinger vor abwerche, u zletsch, wes e Stung krank würd, jagti ers ohni Lohn u ohni Kleider zum Hus us. Es ist aber no Narrs gnue u lat si erschrecke u wird meine, es müsse ihm folge, wenn er nit wott. Aber gib nit lugg, stell zBode u tue, we d chast, wie wenn se alli fresse wettisch; nache chast de scho wieder freyne sy.»
Das Mädchen hatte nicht Ruhe, nicht Rast, bis es ihn spediert hatte, nahm keine Üerti ab, um ihn zu zwingen, mit Meyeli herzukommen.
Schlecht war das Dach, worunter Meyeli wohnte; aber sauber war es ums Haus, vor dem ein grämlicher Mann Weidenzweige schälte, und so, wie man zuweilen ein Licht oder den Schein des Lichts in einem Hause herumfahren sieht, bald hier zwitzert es auf, bald dort, und wenn man recht hinsehen will, so ist es verschwunden, so schien ihm Meyeli oder sein Widerschein durchs Haus zu fahren; aber eigentlich zu Gesichte kriegte er es nicht.
«Bist flyßig?» fragte Jakobli. «Es wär si nötig, we geng ume alles vrheyt ist», antwortete das Mannli. «Ih hätt neuis möge frage, wes erlaubt wär.» «Das wird aber öppis sy. Ist dr öppe e Geiß lahmi worde oder dKatz übelghörig, u wottsch Stür?» fragte das Mannli. «Selb nit», sagte Jakobli, und daß ihn der Mann dafür ansah, machte ihn taub, so daß er ganz herzhaft sein Anliegen vorbrachte.
Sowie er anfing, hob das Männchen die Hand vor die Augen und grännete lange ihn an, und als Jakobli ausgeredet hatte, so sagte das Männchen, er solle sich auf der Stelle vom Hause weg packen, oder er nehme einen Stecken und jage ihn fort. Das sei ihm eine unerhörte Sache, und e uverschantere Kerli hätte er nicht gesehen; er solle machen, daß er fortkomme, sonst wolle er ihn usufer dännegä. Er hätte e Jumpfere nötig, aber sy Jumpfere ke Ma; er hätts ghört u söll si packe.
Jakobli stand da, als ob er das Öl verschüttet hätte, und wußte nicht, was machen; aber das Mannli nahm einen alten Besen und sagte: «Wottsch oder wottsch nit!» Da schoß Meyeli, das, Gott weiß wo, der ganzen Verhandlung zugesehen, zum Männchen hin und sagte: «Nit, nit, Götti!» rief es, «das ist ja dere Sohn, wo mi u dr Fritzli hey la ryte, won er nimme het möge laufe vo Solethurn hey, u hüt e morge ist er mr nahcho, won ih heycho bi, u het mi gfraget, wien ihs heyg, ob ih ne nähmti oder nit, u du han ih gseit, er soll Euch cho frage, es syg ungschicht jetz. Un es sy brav Lüt, wie me seyt.» «U syg er, wem er well, so soll er mr furt; es ist key Manier, eim dJungfraue am heiterhelle Tag cho z'vrsume; für was git me ne ds Fresse u dr Lohn, u gang mr jetz, hest ghört, u daß ih di nimme gseh!»
«Aber, Götti», sagte das Meitschi, «er wott mr nüt zleid tue; u wenn er mi zEhre führe will, su muß ih ja Gott danke, son es arms Meitli, wien ih o bi.» «Ja, we du für nüt Bessers Gott z'danke weißt weder fürn e sellige Schlingel, su nimmts mi nüt wunger, daß d sellig Gedanke hest; es duecht mi, du hättest z'danke gnue emel einist, daß de Lüt funge hest, die si dynere agno hey, daß d nit uf dGmein müsse hest, u die sövli zu dr gluegt hey u sövli a dr ta hey, du undankbari Täsche du; we d das sinne wettist, du hättist no lang nit dr Wyl, a ds Manne z'denke, e sellige Grieggel, wie du o bist!»
«Ih bi ds Dankes nüt ab, Götti, u hätt a mängem Ort chönne böser ha; daß ih nit feißer bi, chann ih nüt drfür, u gwerchet han ih geng, was mr müglich gsi ist; u dBase ist gut gege mr gsi, ih bis nüt ab, u dr lieb Gott wells fürgelte, was ih nit abvrdienet ha. Aber es Täschli bin ih doch de nit, Götti; nahglüffe de öppe wie mängs bin ih niemere.»
Jetzt ward der Götti noch böser über solches Pochen. Es werde meinen, er wäre ihm noch heraus schuldig und werde ihm wahrscheinlich noch dHochzeitskleider machen lassen sollen zTrinkgeld, sagte er.
Gäb wie Jakobli sagte, für das solle er sich nicht kümmern, und wenn Meyeli noch etwas schuldig sein sollte, so wolle er schaffen, bis es gut sei: er schüttete nur Öl ins Feuer und mußte vom Hause weg, wenn er nicht mit dem Alten ins Handgemenge kommen und einen öffentlichen Spektakel geben wollte. Schon stunden Weiber in den umliegenden Häusern vor den Küchentüren, und über die Misthaufen sah man den Kopf von manchem Köbi.
Als Jakobli alleine und traurig im Wirtshause erschien und erzählte, wie es ihm ergangen, da sagte das Meitschi: «Dä Donnstigs Uflat; das ist seine Geistlichkeit! Läuft in alle Versammlige und rühmt alle Leute, wie er dr Gottswille es arms King uf u agno heyg. Und das Kind ist eine Jumpfere, erspart ihm eine Haushältere; er braucht ihm keinen Lohn zu geben und kann dazu e gute Ma schiene, und wer weiß, was dä alt Bock no im Sinn hat. Gerade sellig sy die Schlimmste. Aber häb du ume Geduld; es soll keine Viertelstund gehen, so soll dein Meitschi da sein; dä alt Gränni soll de nadisch nit meine, daß er öppis zwänge und am ene arme King vor sym Glück sy chönnt, obschon ich ihm den himmlischen Lohn für sellig Streiche wohl gönne möcht.»
Es ging allerdings keine Viertelstunde, so war Meyeli da, aber weinend und mutlos. Während der Alte vor dem Hause Wydli schälte, um das Erdäpfelkörbli zu plätzen, dem vor Alter und Schwachheit der Boden ausgegangen war, und meinte, er hüte so das Haus so gut als weiland der Höllenhund Zerberus die Unterwelt, weinte Meyeli hinter dem Hause, sah aber doch, wie seine Freundin winkte und deutete. Anfangs schüttelte es wohl den Kopf, es wolle nicht kommen, aber es kam doch; denn welches Mädchen, das in solchem Jammer sitzet, würde dem Winken der besten Freundin widerstehen, sei es um ihr zu jammern, sei es um zu vernehmen, was hinter dem Winken steckt. Übrigens kann so ein alter Höllenhund, und wäre es selbst der ehemalige mit seinen drei Köpfen, lange vor einem Hause sitzen und es hüten; zwei Mädchen erhütet er nicht, am allerwenigsten, wenn er sie taub gemacht.
Doch kostete es, um die Wahrheit zu sagen, noch einige Mühe, ehe Meyeli im Wirtshause war. Es sagte, wenns so gemeint sei, so wolle es lieber von allem nichts mehr; es wolle sich nicht versündigen; sterben wolle es (es ist kurios, wie Mädchen unter gewissen Umständen gleich sterben wollen), der Alte könne es dann seinethalben verantworten. Aber die Freundin sagte, von Sterben sei einstweilen keine Rede; aber hier könne es nicht mit ihm reden, und gleich solle es kommen, ehe der Alte seine Schnupfnase um die Ecke strecke. Und so kam es zögernd, stand hinter jedem Baume, jedem Hause still und sagte: «Sag es mir hier, was du zu sagen hast; hier sieht uns der Alte nicht, und weiter darf ich nicht.» Aber wenn eine Freundin einen Schatz und eine Schätzin zämebringen will, so hilft keys Säge nüt, und wenn solche Freundinnen nicht wären, nicht die Halbe wüßten sich zu helfen, kämen ohne ihren Rat nie zusammen.
Jakobli und Meyeli waren da; das letztere weinte, und der erstere war trübselig und starch am Sinnen, was zu machen sei, aber es kam ihm nichts in Sinn, und Meyeli sagte eben: «Adie wohl u zürn nüt; du gsehst, wie es mr geyht; i Gottsname, ih lebe öppe nit meh lang», und dazu schluchzte es, daß man meinte, ds Herz well obsi. Und als es eben am herzbrechendsten zuging, kam das Wirtshausmeitschi mit einer Halbe, schenkte ein und sich auch, und sagte: «Chömit, machit Gsundheit; ja, ih wett o pläre, es ist si wohl dr wert; du bist ja da, u dSach ist gwunne!» «Ih ma nit trinke», sagte Meyeli, «ih muß gah. Adie wohl! U, u!» «Was wottsch! Ja, ih wett dr; chumm, nimm u los u la das Plär sy!» Meyeli nahm das Glas, aber schnüpfte immerzu. «Seh, trinkit!» sagte das Meitschi, «und geht dann enanderenah zum Pfarrer u gät ds Hochzyt a; wenns denn einmal angegeben ist, so wirds de wohl ha; dä alt Chieri wird de wohl müsse schwyge u si dSach la gfalle.»
«Warum nit gar!» sagte Meyeli, «nei, das tu ih nit; vrsünge wott mi nit; u was würde d Lüt säge, u was dr Pfarrer?» «Was ist das fürn es Vrsünge, we d dä ufrichtig u ehrlich nimmst, wo di will, u wo dr gfallt? Oder hest öppe em Alte vrsproche, du wellist kene, oder du wellist ihn?» «Gang mr mit selligem!» sagte Meyeli, «lieber sterbe; aber d Lüt werde säge u dr Pfarrer, we me am ene arme Ching si erbarm, su lahys eim im Stich, we mes am nötigiste hätti.» «Das ist mir es schöns Erbarme gsy! Si hey di as Kingemeitschi brucht, u am ene angere hätte sie müsse dr Lohn gä, u dir hey si kene gä; du bist ne e große Nutze gsi, u das hey d Lüt wohl gseh; u wenn si wey sinne, su werde sie säge, du heygist gar recht gha. U dr Pfarrer weiß wohl, wies ist; er het mängist Erbarme mit dr gha, wenn de di fast hest müsse zTod springe, für nit geng hingernachezcho, und de längs Stück fast nit Schuh u Strümpf gha hest u hest müsse dahercho, daß de fast nit vor dLüt hest dörfe. Das alles het er gseh; du bist ja ds einzige gsi, won er nie balget het, wenn es hingernachecho ist. U göht mr jetz; dr Pfarrer wird just jetz öppe vom Esse sy.» «Aber wie wett ih?» sagte Meyeli, «lue, wie ih daherchume; u hey, mi ga angers alegge, darf ih nit.» «Dem ist gleich abgeholfen», sagte das Meitschi, «wenns nur das ist, was mangelt. E Scheube un es Mänteli chönnt nüt schade, u de darfst, vor wem d witt.»
Gäb was Meyeli sagte, das Andere schoß davon, kam mit den Gegenständen, zog Meyeli ins Schenkstübchen, lachend sagend zu Jakobli: «Du bruchst nit z'wüsse, für was me das brucht.» Nach wenig Augenblicken zog es Meyeli wieder hervor, und das schien mit dem Wenigen aufgeputzt und in einem Staate, daß manche Andere, wenn sie Gold und Silber angehängt hätte z'pfündernweis und an ihrem Balg gestriegelt und gewaschen, geseift und gefegt hätte einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang, nur ein Südeltrögli oder ein Südeltrog geschienen hätte. «Jetzt göht mr», sagte es, «ehe öppe no dr Alt chunnt un es Spektakel git!»
«Ih darf nit, ih darf nit!» sagte Meyeli. «Das wär mr afe!» sagte das Meitschi, «du mußt zu dir luege, es luegt sust niemere zu dr. U wohl, du darfst; ih chume mit dr hingerdüre u gah nit vo dr, bis ih gseh, daß de unger dr Türe bist. Du geyhst ume da dr recht Weg u wartist am Gatter, bis mr nachesy!» sagte es zu Jakobli, «u we dr Alt dr ebchunnt u di asucht, su triff e ume mit em Stecke, bis er schwygt; es wär ihm scho lang gut si, es hätt dem öpper dr Marsch recht gmacht; wott geng besser sy als anger Lüt un ist, we mes säge dörft, viellicht dr schlechtist Ma im Dorf.»
Während diesen Reden hatte es beide zur Türe aus gemustert, jedes seinen Weg, und geleitete Meyeli, das wegen den Leuten nicht Spektakel machen durfte, bis zur Ecke der Pfarrscheuer, von wo sie Jakobli bereits am Gatter stehen sahen. Dort gab es Meyeli, das zagend stand, einen tüchtigen Mupf über die Gasse. Jakobli tat den Gatter auf, schritt auf die Haustüre zu, Meyeli aus Furcht vor Spektakel nach. Das Meitschi wartete in der Ecke, bis geklopft war und beide in der Türe verschwanden und nicht wiederkamen. Hätte es eine Stockung gegeben oder Jakobli nicht klopfen dürfen, es hätte es selbst getan und wäre mit ihnen, wenn es hätte sein müssen, bis vor den Pfarrer. Das war eine von den Naturen, die nie etwas halb tun, sondern, was sie angefangen, durchführen bis ans Ende und wenig darnach fragen: «Was sagen die Leute, und ists bräuchlich oder nicht?» Was ihnen als Recht fällt in ihr kräftiges Gemüt, das wird alsobald lebendig und mit Macht zur Tat.
Diese weiblichen Naturen sind selten, selbst im freien Schweizerlande, und sonderbar, je weiter die politischen Zügel sind, desto ängstlicher sind die konventionellen Bande, desto fester der Gehorsam an das, was der Brauch ist; aber auch umgekehrt ists. Das ist halt so eine Art Gleichgewicht, das Wenige achten, das aber geordnet sein wird. Aber merkwürdig ist zu beachten, wie eine Regierung sittlich schlaffer wird, je ängstlicher sie wird in politischer Beziehung. Doch was geht die Politik solche Meitschi an, die kräftig durchführen, was recht sie dünkt; die sind gewiß nicht sittlich schlaff, und wenns zehnmal der Brauch würde; die sind mit Ohrfeigen zu rechter Zeit noch zur Hand und nehmen ds Blatt nicht vors Maul, wo die Wahrheit vertreten sein soll.
Sie sind aber auch nicht dick, diese Mädchen im Berner Land; da hat auch der Brauch sein allzu großes Recht, und was der Brauch ist, sei es christlich oder unchristlich, recht oder lätz, das regelt ihren Lebenslauf. Diese Brauchreligion, die namentlich von Müttern und Tanten gepflanzt wird, die tötet das Rechtsgefühl, pflanzt ein falsches Gewissen auf, und dieses Gewissen ist der niederträchtigste Feigling, den es auf Gottes Erdboden gibt. Es wäre eine Merkwürdigkeit, wenn jemand eine Musterkarte solcher Feiglingsarten verfertigen würde.
Zentnerschwer waren Meyeli seine Beine, als es die Treppe auf ging, und der Atem ging ihm aus, als es oben war; die ganze Mädchenbangigkeit drängte sich da fast in einen Augenblick zusammen; und wenn alle Wetter im ganzen Sommer in eines sich vereinigen würden oder aller Schnee eines Winters auf einmal herabwollte, es würde einem auch angst werden, meine ich. Als der Pfarrer, ohne näher von der Arbeit aufzusehen, fragte: «Was wär ech lieb?» und Jakobli antwortete: «Mr wey cho ds Hochzyt agä», fing es gar jämmerlich an zu weinen. Da sah der Pfarrer, als er diese beim Hochzeitangeben so seltenen Töne (die meisten möchten Hosianna singen, wenn es eben der Brauch wäre) hörte, erst genauer hin, sah einen unbekannten, blatterdüpfelten, halbblinden Burschen und Meyeli, das ihm als Unterweisungskind allerdings sehr lieb gewesen und als ein heiteres, fröhliches Kind bekannt war. Als es nun so weinte, wo Andere, wenigstens heimlich, voll Jubels sind, da meinte er etwas Verdächtiges zu wittern, glaubte, Meyeli habe die Heirat nicht gerne, sei nur gezwungen da, vielleicht auf eine Art verkauft, daß nämlich jemand dem Alten Geld versprochen, wenn das Meitschi ihn nehme, wie Fälle nicht selten sind.
Wenn nun ein Rechtsgelehrter ein Reglement über das Benehmen eines Pfarrers zu verfertigen hätte, so würde es wahrscheinlich darin heißen: «Wenn Zwei erscheinen, ihre Verkündigung zu begehren, so hat er lediglich nach ihren Namen und den gesetzlichen Scheinen zu fragen, anderer Fragen aber bei schwerer Ahndung sich zu enthalten.» Nun ist man glücklicherweise mit der Gesetzgebung noch nicht so ins Spezielle geraten, sondern noch viel weiter oben bstoche; es frug daher der Pfarrer: «Eh, bist dus, Meyeli? Was hest du? Was brieggist so?» Meyeli schluchzte und schnupfte, daß es ihns fast von dem Boden hob, und wenn es schon reden wollte, es konnte nicht. «Los, Bürschli, gang e wenig da übere!» sagte der Pfarrer und öffnete Jakobli ein Nebenzimmer; «ih möcht es Wort mit dem Meitschi rede.»
«Säg, los, chumm, sitz», sagte der Pfarrer, «und bricht mr, was brieggist! Bist unglücklich worde oder zwängt?» «Kes vo bede, Herr Pfarrer», schluchzte endlich Meyeli, «aber es duret mi gar; dr Götti tut gar wüst, und er weiß nit, daß ih da bi, u wenn ers vrnimmt, so tut ers nit, un ih ha niene ke Triftig meh. Un ih ha nit welle, aber ds Wirts Röseli hets zwängt u gseit, ih heyg mi dm Götti nüt z'achte u müß für mi luege.» «So», sagte der Pfarrer, «het dä Rifel dFinger drin? Ih ha öppis ganz anders glaubt. Nimmst ne gern?» «Ja, ja, Herr Pfarrer», schnupfte Meyeli, aber man verstund es fast nicht. «Aber warum will dr Götti nit? Es wird wohl o sy Grund ha; und wer ist dr Bursch? Gib vrnünftig Bricht; ih ha o keis Wörtli drvo ghört, daß de öppis unterhänds heygist.»
Da gab Meyeli ordentlich Bericht, der immer vollständiger ward bis ans Ende, einen kleinen Sprung im Einschlag ausgenommen, und über den Vetter berichtete es nicht pragmatisch, das heißt ohne allen innern Zusammenhang, sondern bloß, wie er nicht wolle und wüst tue, und wie ihm das grusam Kummer mache und es nicht gekommen, wenn Wirts Röseli nicht gewesen wäre.
«Aber sag mir, Meyeli», sagte der Pfarrer, «hangist a dem Bursch?» «Er ist mr lieb», sagte Meyeli, «er ist son e Stille u luegt eim so fründlig a; mänge, wenn er hundert Auge hätt, er chönnts nit eso. Zerst bin ih höhns über ihn gsi, ih ha nit gwüßt warum. Es sy hundert Bursche nit fründliger gsi, es het mr nüt gmacht; ih ha denkt, es syg ey Möff wie dr anger.»
«Dä Bursch ist rych?» fragte der Pfarrer. «Mi seyts, si syge wohl zweg, u allem a muß es sy.» «Ds Geld wird dr gfalle, u dr Vetter wird öppe wüsse, daß es wüst Lüt sy?» «Selb nit», sagte Meyeli, «allem Bricht a syn es still, altväterisch Lüt, die mit niemere viel hey.» «Aber Geld hey», ergänzte der Herr. «Mi seyts», sagte Meyeli, «aber deretwege hange ih nit a ihm. Nit, daß es mr ganz graglych ist! O Herr Pfarrer, we me syr Lebtig ke Krüzer Geld gha het, oder mi heyg ne bettlet, u nie het chönne la dSchuh plätze, oder mi heyg drümal müsse pläre, u nüt vor ihm gseh het als bösi Wort u Bösha, u we me chrank werde sött, kes Eggeli u ke Mönsch uf em ganzen Erdbode, dä si eim animmt, u dem me aghört, su duecht es eim mengist, we me doch öppis hätt, e Mönsch, es Eggeli, es Brösmeli Geld, es wär eim so wohl, so wohl, ih chas nit säge, u mi wett syr Lebtig zfriede sy, mög cho, was wett, u wett nie meh chlage, möge dLüt o sy, wie sie wette.»
«O Meyeli», sagte der Pfarrer, «weißt nit, daß geng die Bürde einem drückt, welche man auf den Achseln hat? Und kann man die auch abwerfen, so kömmt eine andere; einer Bürde wird man nicht los, solange wir im Leibe wallen, und gar oft gäbte man sein halbes Leben darum, wenn man die neue Bürde abwerfen könnte und die alte wieder nehmen. Du hast vorhin gesagt, es seien stille, altväterische Leute; passest du auch zu ihnen, du jung und lüftig Ding? Freilich hast du ein gutes Herz, aber es fragt sich, ob das Meister wird; bist demütig und gehorsam gewesen bis jetzt, aber wird das bleiben, wenn du reich wirst? Ist ja doch keine Schere, die schärfer schiert, als wenn aus einem Bettler ein Bauer wird. Wenn die alten Leute dir wunderlich vorkommen in ihren alten Sitten, dein Mann langweilig in seiner stillen Gutmütigkeit, wird da deine Lüftigi nicht das gute Herz überwinden und nicht das gute Herz die Lüftigi? Dann wirst du hässig und bös oder leichtsinnig und hoffärtig, und jedenfalls wirds dir vorkommen, wenn du noch das arme, ledige Meitschi wärest, vielleicht hättest du es noch weit besser machen können, oder mit einem lüftigen Burschen hättest du doch viel mehr Freude gehabt; und was helfe das Geld, wenn man damit nicht machen könnte, was einem gelüstet, es dem Geiger oder für Kleider geben könnte, je nachdem es einem ankäme?»
Als Meyeli von neuem zu weinen anfing, teils weil es aus der unabsichtlich strenger gewordenen Stimme des Pfarrers schloß, derselbe werde ihnen nicht helfen, teils weil es beschwerten Gemütern nur ganz wenig braucht, um von neuem unter Wasser zu gehen, so lenkte der Pfarrer tröstend ein dadurch, daß er Jakobli wieder die Türe öffnete. «Also das Hochzeit angeben wollt ihr?» fuhr er fort, «und beiden ists Ernst, wie ich höre? Nun, es freut mich; das Meitschi ist mir lieb, und halts in Ehren, so bekömmst eine gute Frau. Rechne ihm aber nie nach, daß es arm sei, sonst rechnet es dir andere Sachen vor; und wenn einst das Rechnen anfängt, so meint jedes, es käme zu kurz, und Liebe ist keine mehr da, die ausgleicht.
Mit Gott soll der Mensch nicht rechnen. Daß man untereinander nicht rechnen soll, das scheint man gar nicht zu wissen und tut es um so mehr; und wie das Rechnen mit Gott einen um die Seligkeit bringt, so bringt das Rechnen mit den Menschen einen um den Frieden; und wenn der Mann mit dem Weibe rechnet und das Weib mit dem Manne, so lockt das den Teufel herbei, und er wird Rechenmeister, bis er beide mit Leib und Seele sich in seine Klauen gerechnet hat. Sieh, Bürschli, das Mädchen bringt dir auch Reichtum zu, nicht Geld; aber eben das ist die Torheit der Welt, daß sie nur das Geld für einen Schatz hält und die andern großen Reichtümer, die Gott den Menschen gegeben hat, für nichts, für lauter Ghüder ansieht, das gar nicht zu achten ist. Das Mädchen bringt dir Liebe, heitern Sinn, guten Mut und Arbeitsamkeit; zu diesem reichen Weibergut trage Sorge und verhause ihm das nicht; mache, daß das die Kinder erben, und daß es dem ganzen Hause zu Nutz und Frommen gereicht. Wenn du aber damit nicht ordentlich umgehst, die Gemeinde wird dich deswegen nicht bevogten, deinen Kindern kann sie es nicht versichern lassen weder ganz noch halb; aber gedenke, daß du einst Gott davon Rechnung tun mußt! Es kömmt mancher auf der Welt unbevogtet davon, aber vor Gott wird er als ein ungetreuer Haushalter büßen müssen, und seinen Kindern geht es viel übler, als wenn ihr Vater keinen Kreuzer hinterlassen hätte.
Die Menschen werden sagen, Meyeli sei doch glücklich gewesen, unerhört; so redet man immer, wenn ein armer Mensch zu einem reichen Gatten kömmt; es geht mir dabei allemal ein Stich ins Herz, denn im Gelde liegt eben das Glück nicht, und eben weil die Menschen das meinen, so werden so viele unglücklich; und so viele haschen nach Glück, finden es nicht und gebärden sich, als ob sie mit verbundenen Augen eine Nadel suchten auf dem großen Weltenacker. Es freut mich von Herzen, wenn Meyeli glücklich wird; es ist mir lieb; aber es wird es nicht, weil du reich bist, sondern erst dann, wenn du mit rechter Treue das Weibergut, das es dir zubringt, wahrest und hütest und alle Tage es an Tag legst, daß es dich freut, und daß du es zu schätzen weißt.
Es ist also euch beiden Ernst, ich soll euch einschreiben und morgen verkünden? Du wirst deine Papiere bei dir haben?» Nun fand es sich, daß Jakobli an das nicht gedacht und von allem nichts hatte. Der Pfarrer mußte lachen und sagte, das gehe alles her bei ihnen wie bei rechten Liebesleuten, die an nichts Irdisches dächten und meinten, sie seien noch im Paradies, indessen, wenn sie das Rechte bedacht hätten, so seien die weltlichen Erfordernisse noch alle nachzuholen und nichts versäumt.
Nachdem er das Seine beschafft und die nötigen Anweisungen gegeben, fragte Meyeli, das sich unterdessen erholt hatte: «Aber und der Vetter, wenn der nicht will, so wird alles nüt sy?» Und das Wasser trat ihm von neuem in die Augen. «Vor dem Vetter fürchte dich nicht!» sagte der Pfarrer, «rechtliche Gewalt hat er keine über dich und muß der Sache ihren Fortgang lassen. Es tut mir herzlich leid um seine Kinder, wenn du fort kömmst, und es wird immer Leute geben, welche finden werden, du habest es ihm wüst gemacht. Aber der Vetter hat nie etwas für dich getan, sondern dich nur zu seinem Nutzen gehabt, und den ersten Augenblick, wo er seinen Nutzen dabei gesehen, hätte er dich aus seinem Hause gestoßen.
Ich würde es freilich nicht billigen, wenn du jetzt um bessern Lohn dich als Magd in ein ander Haus locken ließest; Plätze gibt es für rechte Menschen immer, aber jetzt, wo es sich um eine Ehe handelt, in die du mit Ehre und Freude trittst, ist es ein anderes; das kann ich vor Gott und Menschen verantworten. Rechtschaffene Eltern werden mit Freuden ihre Kinder in überdachte Ehen treten sehen, wie schwer ihnen auch deren Entbehren wird; ist ja doch die Ehe des Menschen höchster irdischer Stand. Nur eigennützige, selbstsüchtige Eltern lassen sich durch Rücksichten auf sich zum Verweigern bestimmen, sie tragen aber meist schwere Buße. Geht aber der Vetter in sich und tut wieder, wie es sich ziemt, wie er wohl wird, denn er ist ein Duckmäuser und weiß sich sehr scheinbar in das zu schicken, wo er nicht wehren kann, so tue auch ein Einsehen und bleibe bei ihm, bis er jemand Anständiges gefunden hat, der ihm die Haushaltung macht. Im übrigen fürchte dich nicht, und will dir jemand Angst machen, so weißt du, wo ich bin.»
Als das nun niedergeschrieben, fertig war, der Pfarrer mit einem frommen Wunsch sie entlassen hatte, da war es ihnen, als käme ihnen erst der freie Atem wieder, als tauchten sie aus der Meerestiefe und sähen den Himmel wieder und hätten festen, sichern Boden unter ihren Füßen, und viel hundert Zentner leichter gingen sie die Treppe ab und dem Gatter zu. Als sie jenseits in der Ecke Rösli stehen sahen, lächerete es beide, und heitern Gesichtes hörten sie sein Schelten, daß sie so lange gemacht, und wie es derweilen mit dem Götti Händel gehabt.
Als derselbe nämlich bei seinem Wydlischaben das Meitschi lange nicht merkte, fiel ihm doch endlich ein, das Ding könnte nicht richtig sein. Als er es vergeblich gesucht hatte hinterm Haus und vor dem Haus, da kam ihm in Sinn, wenn man einem Mädchen seinen Liebhaber wegjagt, so müsse man nicht ruhig Wydli schaben, als ob nichts geschehen wäre. Zwei Äste, wenn man sie auseinandergebogen, streben wieder zusammen, sobald die trennenden Hände weg sind, geschweige zwei Menschen. Er machte sich auf die Beine, das Pärchen zu suchen, guckte hinter alle Bäume, hinter jeden Wedelenhaufen.
Rösli hatte das erwartet, dem Spiel lange mit lachendem Herzen zugesehen und stund ihm endlich expreß zweg vors Haus. «Suchst neuis?» frug es. «Du wirst mir wohl sagen können, wo mein Jungfräuli ist!» antwortete er spitz. «Warum nicht?» sagte es. «Sie haben hier eine Halbe getrunken und sind jetzt beim Pfarrer und geben das Hochzeit an.» «Das wird öppe nit sy; sövli nütnutz wird das Möri öppe nit sy!» antwortete er. Da sagte ihm Rösli, wer schlechter sei, er oder das Meyeli. Er sei ein sauberer Götti an ihm, und die Leute hätten sich schon lange über seine Geistlichkeit verwundert, die das arme Meitli halbnackt laufen lasse. Wenn er dürfe, so solle er nur zum Pfarrer gehen; dort finde er sie und könne gleich sagen, was er zu sagen habe. Aber er dürfe nicht; er wisse wohl, der Pfarrer kenne ihn, und der noch nicht so gut als andere Leute. Das Mädchen solle er nicht plagen, wenn es heimkomme. «Seppli, ih weiß de no öppis u has niemere gseit; aber we d am Meyeli es bös Wort gist, su müsses dKilcher u dMäritlüt wüsse.» «He, Rösli», sagte darauf Seppli, «ich meine es ja nicht bös; häb nüt für ungut, u we Meyeli da dürechunnt, su säg ihm doch, es söll pressiere, es sött neuehi.»
Den hätte es gschweiget, sagte es fröhlich, und wäre fast vor ihnen hergesprungen mit Tanzen und Singen wie der König David vor dem Volke Israel her. Sie mußten mit ihm nach Hause, gäb wie Meyeli, dem das Herz wieder schwer geworden war, sagte, es müsse pressieren. Rösli rief das ganze Haus zusammen, erzählte jubelnd seine Heldentat, und wie es einmal dem alten Chieri den Marsch gemacht. Hier müßten sie Hochzeit halten, und ein Niedersinget müsse sein wie lang nie; Meyeli hätte es hier so lange bös haben müssen, und die Leute hätten es so armütig gesehen, es müsse drum hier auch einen Ehrentag haben. Wenn nur dä Gytnäpper ihm Kleider machen lasse, daß es sich öppe zeigen dürfe.
Dafür wolle er sorgen, sagte Jakobli und zog sein Bläterli hervor und wollte Meyeli ein Hämpfeli Gerändelte, die damals noch Mode waren, geben. Das machte aber die Spröde und sagte, es könnte noch von ihm etwas zwegmachen und etwas von der Mutter selig, das täte es wohl; sövli i dChöste bringe wolle es ihn nicht. Das seien Schneckentänze, sagte Rösli; wenn Jakobli eine hübsche Frau wolle, so müsse er ihr hübsche Kleider anschaffen; die liefen nicht davon, und einmal müsse es sie haben, wenn es eine Bäurin vorstellen solle. «Von Kopf bis zu den Füßen mußt du neu sein», sagte Rösli, «anders tue ichs nicht. Von deinen Sonntagsschuhen hat ja einer vornen ein Loch und der andere kein Hinterstück, und deine beste Kappe hat nur auf der einen Seite Spitzen, und der Plätz ist, als wenn man ihn von einem alten Dragonermantel genommen hätte, u de, was zwischinn ist, von dem ist gar nicht zu reden, ich wollte alles an e Hampfele näh.»
«Weißt du was», sagte Jakobli, «nimm du hier das Geld und laß ihm machen, was aständig und recht ist; und wenns mehr kostet, su sorg nit, es soll mi nit reue.» «Du hest no Vrstang», sagte Rösli, «es ist mehr mit dr, as ih glaubt ha. Seh, wieviel hest? Potz, fast vierzig Kronen. Nu, für das lat si öppis mache, un ih will dr gut Rechnig gä, häb nit Chummer, u ds Meitschi soll dr gfalle, no nie eso! Aber eys, dGöllerketteli, die mußt du selber kaufe; Meyeli het ume vo Krälli, u die schicke si nüt für e Hochzytere. Aber bring rechti, nit öppe die vo dyr Mutter, wo ke Fasson hey u grauet sy im Gänterli; es ist si wohl dr wert; we me es guldigs Meitschi überchunnt, su soll eim ds Silber nüt reue, we mes het nämlig!»
Meyeli schlug die Hände ob dem Kopf zusammen ob diesen Instruktionen, und auch der Wirtin fing es an zu scheinen, ihr Meitschi mache es wohl stark. «Du bist geng ds Uverschantisch, un es chönnt ihm doch de nit recht sy oder syne Lüte nit.» «Mutter, gredt ist gredt», sagte Rösli, «er hets so welle, u jetz blybts drby! Wenn ih nit gsi wär, si hätte lang chönne stürme, aber zum Pfarrer wären sie nie cho; drum will ih jetz o öppis drzu säge u my Freud ha. Oder bist du reuig?»
Jakobli war es nicht, sondern sehr dankbar; er selbst hätte sich nicht darauf verstanden und seine Mutter kaum etwas damit zu tun haben wollen. Aber jetzt mußte er fort, wenn er noch zum Pfarrer von Gutmütigen wollte. Das Scheiden war schwer; erst jetzt hätten sie gerne miteinander geredet. Als sie einander die Hände gaben, rief Rösli: «Es Müntschi! O es Müntschi! Oh, das wär me afe, ds Hochzyt agä un eangere no kes Müntschi gä!»
Da fiel Meyeli in der ganzen Innigkeit seines Herzens Jakobli um den Hals, und Jakobli wars, als läge der Himmel an seinem Herzen, und weit auf dem Wege war er schon, er meinte noch immer, seinen Himmel in den Armen zu halten; er irrte sich, bald stieß er an einem Baum, bald an einen Wandelnden. Aber das Gefühl glühte fort im Herzen, und in mächtigen, klaren Wogen sprudelte dort eine Quelle Wonne und Freude empor, von denen er keine Ahnung gehabt.