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Man spottet zuweilen über das Dummtun von Liebenden, lacht über ihr stetes Beisammensein, ihren Zug zueinander, das Vergessen der Menschen, welche um sie sind. Man tut sehr unrecht daran; denn nur, wo das Herz ganz flach getreten, tieferer Empfindung unfähig geworden ist, da fehlt dieser Zug; nur da, wo man dem menschlichen Urteil sich ganz unterworfen, den Brauch zu seinem Gott gemacht und den Anstand zu seiner Religion, da verbirgt man ihn, da wird er nicht sichtbar. Aber in allen liebefähigen Herzen regt es sich, und allenthalben, wo die Empfindungen nicht unter dem Anstand begraben sind wie unter dem schönen, weißen, aber kalten und einförmigen Schnee blühende Gärten, Wiesen und nährende Äcker, da wird es sichtbar.
Sage man mir doch, was ist, ich will nicht sagen menschlicher, nein, ich will sagen süßer, ja göttlicher als das Bewußtsein, einen Schatz gefunden zu haben, ihn sein nennen, ihn behalten zu dürfen sein Leben lang, ja übers Grab hinaus. Und dieser Schatz ist nicht gelbes Gold, ist nicht ein toter Diamantenschmuck, nein, es ist eine lebendige Seele, gestaltet nach Gottes Ebenbilde; ein lebendiger Schatz ist es, ein unendliches, herrliches Gebiet, in welchem gewaltig und Welten tragend die gewaltigen Ströme der Liebe und Treue fluten, wo in himmlischen Gärten die Blumen stehn, die Demut und Bescheidenheit, Heiterkeit und Fröhlichkeit wir nennen, wo in üppigen, reichen Gefilden die Kräfte sprossen, welche das Leben ordnen, die Welt gestalten, der Sinn für Ordnung, die Tätigkeit, die nie ermattet, die Besonnenheit, welche das Rechte immer weiß, die Ergebung, welche schaffet, nie entmutigt, ausharret in der Pflicht, wenn auch immer das Gedeihen fehlt, wo in heiligem Haine die Winde von oben rauschen, in seinem innersten Heiligtum ein klarer See sich birgt, in dem das Bild des himmlischen Vaters sich spiegelt. Wer, dem solcher Schatz geworden ist, sollte sich nicht gezogen fühlen zu ihm hin für und für?
Mensch, wenn du zu einem Schatze gelben Goldes kömmst und hast keines je gehabt, sehnlichst es gewünscht: wie oft des Tages zieht es dich hin zu dem Schubfache, worin es liegt? Du öffnest es dir fast unbewußt, lässest das Gold durch deine Finger gleiten wieder und immer wieder und zählst es immer neu und weißt doch, daß niemand davon genommen hat, und du bist doch kein Geizhals, kein Geldwurm, sondern daneben ein recht vernünftiger, christlicher Mensch. Und wenn man dieses mit dem Gelde tut, wieviel mehr sollte dieses Hingezogenwerden zum höchsten irdischen Schatz, zu einer gefundenen, menschlichen Seele nicht erlaubt sein? Einen Schatz nenne ich sie nicht umsonst. Ein Wort, das gemein geworden, über das man die vornehme Nase rümpft, und das doch so wahr und tief bezeichnend und allumfassend ist, möchte ich wieder zu Ehren bringen, das Wort Schatz. Ja, es ist gemein geworden, und man nennt es einen Handwerksburschenausdruck, und manches Dämchen würde gewaltige Augen machen, wenn ihr mon cher ihr Schatz sagen würde statt ma chère .
Aber ich möchte doch fragen, klingt es nicht bedeutsam mächtig, ja gewaltig wie mit Orgelton, fast wie die Stimme Gottes im Gewitter, wenn ein Mann, auf eine Jungfrau oder sein Weib deutend, spricht: «Das ist mein Schatz!» Und wenn er den Arm um ihren Leib ihr legt und aus Herzensgrund ihr sagt: «Du bist my Schatz!» bebt das Wort ihr nicht durch alle Glieder? Wallt die Liebe ihr nicht über? Klingt wohl einst Gottes Ruf ins ewige Leben viel süßer? My Schatz! In welchem Worte wohl kann höhere Anerkennung liegen, eine tiefere Bedeutsamkeit, eine mächtigere Kraft, die zu allem Herrlichen spornt? Wo soll des Mannes Schatz anders sein als eben in des Weibes Seele und wer anders des Weibes Schatz als der Mann? Und wo der Schatz anderswo ist, da ist auch das Herz anderswo, da ist das Glück dahin und der Friede. Wo aber noch eines des andern Schatz ist, da fehlt der Ehe das Glück nicht, dem Leben das Genügen nicht, der Liebe das Ziel nicht, der Treue die Krone nicht. Arm ist nur, wer keinen Schatz mehr hat; ach, es gibt so viele Arme in der Welt! Man glaube aber ja nicht, dieser Zug sei nur in jungen Herzen, und nur Mädchen könnten Schätze sein, nur junge Weiber; ist eben das nicht die Probe, ob ein Schatz ein echter und wirklicher oder nur ein vorübergehender, eine Täuschung sei, daß er einem alle Tage lieber wird und je älter, um so inniger lieb?
Habt ihr nie ein altes Mütterchen gesehen, wie das seinen alten Herrn liebt? Vom Morgen bis zum Abend füllt die Sorge für ihren Herrn ihr Leben. Beim Frühstück stellt sie ihm alles zweg, wie ers will, und den Kaffee, wie er ihn liebt; und fast wie für ein Kind wird für ihn gedacht und gesorget, daß alles bei der Hand sei, er mit Suchen und Holen, ja nicht einmal mit Fordern oder Wollen eine Mühe habe.
Und wenn er ausgeht, sieht sie ihm nach, und wenn er eine Minute länger ausbleibt, so hat sie Angst und keine Rast, und sieht sie ihn endlich von ferne, so klopft ihr das Herz, und hört sie ihn unten, so tut sie die Türe auf, damit es heiter sei draußen im Gang, und drinnen wartet alles auf ihn, und mit mütterlicher Ängstlichkeit hängt sie an seinem Gesichte, ob es heiter sei, ob ihn alles gut dünke; und ißt er weniger, so hat sie Angst, es sei ihm nicht wohl; und ißt er mehr als sonst, so hat sie Angst, es könnte ihm schaden; und hat er einen Spaß, so klärt es ihr Gemüt eine ganze Woche lang auf; und entfällt ihm ein hartes Wort, so kann es sie plagen, sie weiß nicht wie, und ruhen tut sie nicht, bis auf irgendeine Weise dasselbe erklärt und zurückgenommen ist. Sie bittet ab und um Verzeihung, bis alles gut wieder ist.
Kennt ihr solche Mütterchen nicht? Und meint ihr nicht, ein solches Mütterchen sei ein Schatz, und zwar einer, den man mit gelbem Golde nicht kauft? Und meint ihr nicht, dem Mütterchen sei sein Herr sein Schatz, und zwar einer, den es unverändert liebt, von ganzer Seele und ganzem Gemüt und aus allen Kräften? Und wenn Gott dieses Mütterchen zu sich rufet, empfindet der Mann es nicht alle Tage inniger, daß der Herr ihm seinen Schatz genommen? Daß sein Schatz bei Gott ist? Ist er nicht im eigentlichen Sinne verwaist? Am rechten Orte steht ihm nun nichts mehr den ganzen Tag über, und wenn er heimkömmt, so öffnet ihm Mütterchen die Türe nicht mehr; und wenn er zu Bette will, so ist alles anders gestellt oder gelegt, und niemand hat das Hauptkissen ihm zurechtgerückt, und niemand die Federn im Oberbett auf die rechte Seite gerüttelt. Und weiß er des Nachts sein Nastuch nicht, so sucht es ihm niemand mehr; und wenn er hustet, so fragt ihn niemand, ob er nicht schlafen könne; und wenn er aufstehen will, so hat niemand zum Aufstehen die Kleider ihm geordnet; und wenn er klagen will, so tröstet ihn Mütterli nicht mehr; und wenn er seine verglimmende Kraft noch anstrengt zu seinen Arbeiten, so hat kein Mütterli Freud an seiner Arbeit, keins rühmt mehr, wie kräftig ihr Herr noch sei und ganz anders als andere.
Alle Tage wird sein Sehnen nach seinem Schatz heißer und inniger, inniger, als es vor fünfzig Jahren war, inniger, als er es als Bräutigam empfand. Heimweh nach ihm schwillt sein Herz und macht es krank; er legt zu Bette sich, legt auf die Seite sich, auf welcher sein Mütterchen gestorben, und wartet da sehnsüchtig, bis der Herr es ihm verjüngt als Engel sendet, der die Erlösung ihm bringt aus des Leibes dunkel gewordener Hülle, der ihn mit neuen Banden umschlingt, die nie mehr sich lösen, die ein Einssein bringen in alle Ewigkeit. Und selten läßt Gott das getreue Herz lange vergeblich seines Schatzes harren; bald holt Mütterchen ihren Herrn ab in des höchsten Herrn Freude, wo nichts mehr, kein Schatz mehr verloren geht.
Ein solcher Zug, der, wenn er ein echter ist und einen echten Schatz gefunden hat, dauert durch die Stürme des Lebens bis übers Grab hinaus, der den achtzigjährigen Greis noch weit mächtiger nach seinem Mütterchen im Himmel zieht als den fünfundzwanzigjährigen Jüngling nach seiner blühenden Braut – ein solcher Zug, sollte der wohl zu verspotten sein? Sollte er zu verbergen sein? Sollte er nicht eine Kette sein, mit welcher Gott zwei Herzen verbinden und verbunden zum Himmel ziehen will?
Dieser wunderbare Zug erwachte bei Jakobli in seiner ganzen Macht, welche in dem Maße größer wird, je einsamer, wenn nicht ein Mensch, so doch ein Herz gewesen war.
Er war am Samstag spät und müde heimgekommen, hatte etwas Warms gefunden und hatte gesagt, die Sache sei richtig, und an zweien Orten werde er morgen schon verkündet; aber Mehreres war ihm nicht abgefragt worden. Anne Bäbi hatte bloß gesagt, dara hätte es öppe nit zwyflet, dä Weg z'wybe syg öppe ke Kunst. Wes gwüßt hätt, daß es dä Weg gah müß, su hätts kener Läuf u Gäng gä; der Gattig wäre all Tag zum Hus cho. Hansli fragte nicht, weil er dachte, es sei morgen auch noch ein Tag, und weil er schlafen konnte, er mochte etwas wissen oder nicht. Je minger er z'sinne heyg, u je minger ihm dLüt säge, desto bas schlafe er, sagte er oft. Mädi und Sami hielten sich natürlich in bescheidener Entfernung, so gwunderig sie waren, und soviel sie gefragt hätten, jedes auf seine Art, in der Küche, im Stall, ums Haus herum, in der Stube taten sie es nicht; das hatte sie niemand gelernt, das war eine angenommene Sache, die, so wie vieles, sich von selbst verstund. Sami war im Stall daheim, Mädi in der Küche, in der Stube waren sie zVisite, und in der Visite muß man höflich sein.
Als Jakobli am folgenden Morgen erwachte, da war es ihm gleich: «O wenn er doch bei seinem Meyeli wär!» Aber viel nachzusinnen hatte er keine Zeit.
Es blieben natürlich alle Hausgenossen daheim, da er verkündet wurde, und er mußte Bericht geben über den gestrigen Tag.
Anne Bäbi, froh, daß alles im Reinen war, ließ jetzt Kupen und Mauggern erst recht hervor und fötzelte das neue Sühniswyb aus. Mädi schwieg; es wollte es mit Jakobli nicht ganz verderben, und länger als zwei Tage konnte es mit Anne Bäbi nicht gleicher Meinung sein. Hansli hörte mit Behagen zu, bis Jakobli an den Auftritt mit Seppli kam; da wurde doch sein kaltes Blut in Lauf gebracht.
«Hättisch ihm gä», sagte er, «hättisch! Wes öppis kost hätt, ih hätts gern welle zahle, bim Schieß! My Bub unger em Dach welle dännezgä, wenn er umen es Bettlermeitli fragt, jawolle! Hättisch ihm gä u sMeitschi grad mitbrunge, dert hättischs nit sölle la; das wirds jetz z'entgelte ha; das hättisch sölle mache; das hätti dr sölle zSinn cho. Aber ds Hürate git doch hützutag Umtriebe; ih hätts nit glaubt, we mrs öpper anger gseit hätt. Aber drus cha me gseh, daß dWelt geng vrhürscheter wird u me enangere je länger je minger vrstah cha. Es geyht afe fast, wie wo si dä Turm bauet hey, wo du en iedere witziger het welle sy als dr anger u si du hey afa weltsche u kene meh dr anger het chönne bigryffe.
Won ih ha welle wybe, han ih gfragt: ‹Wottsch?› U du hets gseit: ‹Mira›, u dSach ist richtig gsi, u de Alte ists recht gsi, u du hey si mitenangere gredt, was si tue welle; aber ih ha däycht, das gang mi nüt a. U jetz git das es Gstämpf, es het afe ke Gattig, u zletsch muß me doch no Chummer ha, es gang lätz. Gä hättisch ihm solle u ds Meitschi mitbringe, de wär dSach recht!» Besser gefiel ihm Rösli. «Das sött Hose aha», sagte er, «selb gfiel mr; hättist das nit o übercho?» frug er. «Ja, ebeso mähr dr Tüfel!» sagte Anne Bäbi, «die wüstiste Uflät gfalle dr geng am baasten. (Daß Sami lachte, achtete niemand.) We e selligi is Hus chäm, ih dräyti ihm dr Gring um dr erst Tag. Wes eini sy muß, no lieber e Gfötzleti as e selligi Ungschämti.»
«Aber u jetz, wie muß de das gah?» frug Hansli, welchem der Chummer ums Meitschi sich tiefer grub, «wenn chunnts?»; und als er vernahm, daß es drunten bleiben solle bis zur Hochzeit, so frug er: «Und dKleider? Dä Hung wird ihm öppe la mache, daß Gott erbarmi!» Mit klopfendem Herzen gab Jakobli Bericht über die Abrede; und sein Herz hatte recht, daß es klopfete, denn Anne Bäbi begehrte gar jämmerlich auf, nicht sowohl übers viele Geld, als daß jemand anders die Sache mache. Das sehe es schon, wie es gehen solle; nüt meh z'säge werde es sölle ha zu ker Sach. Daß es Lisi nicht nur die Herrschaft abtreten, sondern auch den Löffel übergeben wollte, daran dachte es nicht mehr. Und was die Leute doch sagen werden, was er für eine Alte habe, daß sie nicht einmal mehr Hochzeitkleider kaufen könne, nit emal für es selligs Bettelmönsch! Das hätte es nicht um ihn verdient, und es wollte, es wäre gestorben, ehe es ihn auf die Welt gesetzt, so hätte es sich dr Vrdruß un ihm dSüng erspart, sy Mutter sövli z'vrachte.
«Du mußt wieder hin», sagte Hansli, «das tut nit gut, und ds Meitschi bringe u gah ge luege, wies mit ihm geyht.» «Das wär lustig, we dä jetz all Tag da abelaufe wett, o Jere nei! Drby möcht ih o sy, jetz, wo mr no sövli z'tue hey!» räsonierte Anne Bäbi. «He nu, so geyht öpper anger», sagte Hansli und schritt in den Stall hinaus und dachte der Sache nach, je länger je mehr. Anne Bäbi wurde je länger je böser, je näher die Zeit kam, wo es dachte, daß die Verkündigung vor sich gehe, und wie da die Leute ds Glächter und ds Gspött haben würden, und namentlich mit ihm, daß es nicht nach seinem Gring gegangen. Jakobli einzig dachte nicht daran, wie es sonst auch bräuchlich ist bei einem Bräutigam, sondern all sein Sinnen und Trachten war zu Raxigen bei Meyeli. Mit Sinnen und Denken ward er nicht fertig, und wer ihm zugesehen, hätte sich üben können im Erraten der Gedanken, was noch dazu keine unkommode Kunst ist. Bald lächerete es ihn still, bald sann er tiefsinnig nach, bald machte er ein finster Gesicht, als wolle er sich selbst eine Ohrfeige geben, und bald hob er sich, als ob er einen Anlauf, einen langen, langen Satz bis nach Raxigen nehmen wollte. In diesen Manövers ward er aber beständig gestört, bald durch einen Menschen, bald durch ein Huhn oder eine Taube. Darum schlich er sich, um ruhig zu sein, vom Hause weg und legte sich hinter einen Hag ins Grüne. Die Kirchleute waren heimgezogen, und sonst waren die ein Zeichen, daß man essen konnte. Wenn aber Anne Bäbi taub war oder kupete, so ließ es seine Leute eine Stunde oder zwei aufs Essen warten und sorgte redlich dafür, daß das, was sie bekamen, nicht von der besten Sorte war.
Während man so in Geduld wartete, sah Sami zwei Männer das Feld auf kommen und erkannte sie als Zyberlihogerbauer und dessen Vetter. Hansli, als er hörte, wer komme, sagte, er däych, er gang e wenig nebe us, die werden wohl einist wieder furt welle, und machte sich auf die Reyti, wie Sami sein Lebtag noch nie so schnell ihn eine Leiter hatte hinaufgehen sehen. Dort postierte er sich hinter einen Strohhaufen und lag bald im allerschönsten Schlaf.
Sami sah noch eine Weile in großer Burgerlust zu, wie sie dahersegelten in zornigem Lauf, drückte sich dann in den Kuhstall und dachte, es sei am natürlichsten, daß das Weibervolk ausfechte, was es angesponnen habe.
Man kann sich denken, was Lisi daheim für einen Rapport abgestattet hatte aus seinem verkratzeten Gesicht heraus; und wenn es seinem Willen nach gegangen wäre, so wäre man schon am folgenden Morgen aufgebrochen mit Schwertern und Stangen zu blutiger Rache. Mutter und Vater wollten gleich zu Anschicksmännern und Prozessen greifen; der Vetter aber riet zur Minne. Man wisse nicht, wer hinger dSach käme. Wenns etwa einen treffen sollte, der auf dem Gewinnen mehr hätte als auf dem Spicken, so sei der Tschupp bald aus, von wegem, we me nit mit Flattiere oder zFörchtemache dSach gwinne chönn, so sei sie verloren; gesetzlichen Griff hätte man keinen. Das Beste sei, man gehe am Sonntag zDorf; da könne man mit der einen Hand flattieren, daß es fry stink, und mit der andern Kläpfe drohen vom Tüfel. So wie er sich darauf verstehe, seien das Leute, die man damit so ling (weich) mache wie eine teigge Birne. Gesagt, getan. Am Sonntag kam man zDorf gefahren mit einem schönen grünen Wägeli, auf welchem zwei Sitze waren, und auf diesen Sitzen saßen der Bauer und die Bäurin, der Vetter und eine andere Tochter, namens Gret. Lisi hatte noch an Mädis Liebeszeichen zu salben, und die Versöhnung wird am besten eingeleitet, wenn die beleidigte Person bei den Verhandlungen nicht zugegen ist, von wegen die besitzt zuwenig diplomatischen Takt. Wenn dann zu der Versöhnung ein unumstößliches Fundament gelegt ist, dann gibt man ihr die Bekenntnisse des Beleidigers als Temperierpulver oder als besänftigendes Zuckerwasser ein und läßt sie zum Friedensschluß.
Sie hielten vor dem Wirtshause zu Gutmütigen und wollten fragen, ob sie hier das Roß einstellen müßten, oder ob Jowägers Platz hätten; zugleich übernahm sie der Glust nach etwas Rotem. Natürlich war heute die allgemeine Verhandlung Jakoblis unerwartet Verkünden mit einer gänzlich unbekannten Person; natürlich glaubte man, die Leute, welche zu ihnen zDorf wollten, müßten Braut und ihre Verwandtschaft sein, und die angefragte Wirtstochter sagte: «Ja, göht ume; Platzg hei si u werde wohl daheim sy; emel zChilche ist niemere gsi; we me lat vrchünde, su ist nit dr Bruch, daß me geyht ga lose, wie me achegheyt.»
Das Wort Verkünde fuhr wie eine Bombe unter die Leute und stöberte sie alle von ihren Sitzen auf. «Was? Verchündet? Wo? Mit wem?» Solche Fragen tönten aus allen Häuptern. Da merkte das Meitschi, daß es einen Stein unter Krähen geworfen, und sagte, es hätte es nicht recht verstanden weder neuis von Maria und Hudelbank, dato zu Raxigen wohnhaft. Jetzt stieg den Leuten das Blut in den Kopf wie Wasser im Hafen, wenn es kochen will; sie stiegen ab, hielten eine geheime Beratung, und darauf setzten sich die Weiber auf eine Bank, die Männer aber machten sich mit handlichen Gebärden auf den Weg.
Still wars ums Haus, als sie es endlich erreichten; und als sie an die Küchentüre klopften, pressierte es niemand, ihnen Bescheid zu geben. Endlich erschien Anne Bäbi mit seinem ärgsten Kuchigesicht, welches selbst die Katze so gut kannte, daß sie ihm zehn Schritte vom Leibe blieb, wenn es diese Flagge aufgezogen hatte. Es kam ihm wohl in Sinn, wer sie seien, und eben deswegen wurde es je länger je täuber, gab puckte Antwort und sandte Mädi, den Alten zu suchen. Mädi fand ihn begreiflich nicht, und als die Männer ein Wort mit dem Jungen reden wollten, so fand man den ebenso wenig. Trotz seiner himmlischen Träume hatte Jakobli die Männer vom Hag aus wohl gesehen, erkannt und meinte, es werde ihm wohl am wöhlsten sein, wenn er hier bleibe. Mädi stattete Bericht ab; die Männer schüttelten die Köpfe und wollten wissen, wo sie seien; das wollte niemand wissen. Sie werden nicht weit sein, meinten sie, und wenn man es sagen wollte, so könnte man es, sagten sie. «He, so sucht sie!» sagte Anne Bäbi, das nicht wußte, über wen es täuber sein sollte, über sein Mannevolk oder über das fremde. «Du wirst dFrau sy?» fragte der Zyberlihogerbauer Anne Bäbi. «Das geht dich nichts an!» antwortete Anne Bäbi und schlug die Küchentüre zu.
Der Vetter meinte, die wollten sie einstweilen machen lassen, ds Mannevolk werde nicht weit sein. Sie gingen ums Haus, ums Ofenhaus, in die Tenne, sahen auf die Bühne, untersuchten den Futtergang, endlich den Stall und fanden Sami da. Sami ließ sich wohlweislich nicht aus dem Dunkel des Stalles, in dem die Männer, ans helle Sonnenlicht gewöhnt, schlecht genug sahen. «Hey mr di endlig!» sagte der Vetter, «seh, chumm füre!» Sie lasen ihm nun ein fürchterliches Kapitel, und wie sie es ihm machen wollten, er solle nur daraufzählen, er hätte die Lätzen an der Hang. Und sie möchten doch wissen, was jetzt gehen solle. Ja, das wisse er nicht, sagte Sami. Aber sie wollten es wissen, ob er auf der Stelle die Verkündigung aufheben und mit Lisi fürfahren wolle oder nicht. «Ja», sagte Sami, «da müßt ihr öppere anger frage; das geyht mi nüt a.» «He, das wär gspässig!» sagten sie, «we di das nüt aging, wem wotts de agah?» «Emel mi nit», sagte Sami. «Wem bist du de?» «He, ih bi dr Knecht, u Sami seyt me mr.» «Du –», und die Schimpfwörter rollten über Sami her wie Hagelsteine; aber sie prätschten auch an ihm ab wie an einer Fluh, und mit Hohn und zweideutigen Redensarten wartete er ihnen so reichlich auf, daß sie erbitterter als nie wieder zur Küche sich wandten, ohne Komplimente die Küchentüre aufmachten und Anne Bäbi von neuem anrebelten. Längs Stück gab das ihnen keinen Bescheid; endlich sagte es ihnen, sie sollten ihns ruhig lassen; es wisse nicht, wo sie seien, und wenn sie ihm nicht glaubten, so sollten sie noch besser suchen; sie hätten schon lange zu den Fenstern eingegucket, sie sollten ebenso mähr grad yche. Als das noch nicht half, da fuhr es endlich los, hieß sie sich packen und sagte ihnen so wüst, als es nur konnte; aber auf alles, was sie sagten oder frugen, gab es ihnen keine Antwort.
So ein ertaubet Weib, das man nicht prügeln darf, und das auf nichts mehr hört, ist imstande, eine ganze Armee Männer in Verlegenheit zu setzen, geschweige denn einen Zyberlihogerbauer und seinen Vetter, selbst wenn der Ratsherr wäre. Sie mochten tun, was sie wollten, mochten grobes Geschütz auffahren oder die Friedensfahne flattern lassen, sie mußten am Ende doch zur Küche aus, und hinter ihnen flog die Türe zu, daß des Vetters Kuttenfecken in der größten Gefahr war.
Draußen stunden die Männer lange und hielten Rat und fanden endlich keinen andern als wegzugehen. Wenn sie schon warten wollten, solange sie da wären, käme doch niemand zum Vorschein, und das Haus mit Gewalt aufzubrechen und zu erlesen, könnte nicht gut herauskommen, ratschlagten sie. Sie gingen also fort, und wie sie die Hände verwarfen und stehen blieben und sich umdrehten, war sehr schön zu sehen, und große Freude hatte Sami und noch andere Leute daran.
Es gibt nicht wohl eine strengere Sache, als wenn man zDorf will, und man muß im Wirtshaus essen für sein eigen Geld, und noch dazu mit Gift zum Voressen und Galle zum Dessert und am Ende eine Üerti fürs Bösleben, daß einem das Liegen wehtut.
Die zwei Weiber, welche zurückgeblieben waren, hatten viel zu vernehmen gesucht, waren aber nicht schlau genug gewesen, sich selbst zu verbergen. Wenn die Täubi und der ungeduldige Gwunder recht lebendig sind, so wird selten ein Weib das Brett vors Herzloch recht stellen können. Menschen, welche gewohnt sind, aus halben Worten alles zu erraten und aus Gebärden einen ganzen Handel zusammenzusetzen, merken auf der Stelle, was Trumpf ist, und beginnen aufzupassen.
Nun gibt es Gottlob noch unendlich viele Orte in der Welt, wo jahrelang keine Komödiantenbande hinkömmt, und die Leute leben doch; die spielen sich alle Tage selbst allerlei vor, Lust- und Trauerspiele und sogar Spektakelstücke in vielen Aufzügen, und, was das Lustigste dabei ist, ds Zusehen kostet nichts, und es kann mitspielen, wer will. Aber am lustigsten geht es doch, wenn eine fremde Familie ins Dorf kömmt, spektakelt vor den Leuten, sich nicht in acht nimmt und ds Maul nicht zuhält, bis sie wieder aus dem Dorfe ist. Und Lustigers kann es doch wohl nichts geben, als wenn eine Familie, bestehend aus vier Stück, einer dicken Mutter, einer mastigen, rot angeblasenen Tochter, einem vierschrötigen Vater und einem langen Vetter, zDorf will und im Wirtshaus bleiben muß, Vater und Vetter wie taub herumlaufen, während Mutter und Tochter fragen und in ihrer Täubi noch mehr verraten, und dann alle wieder zusammenkommen, keines seinen Kyb verbergen kann und eines jeden Kyb an des andern Kyb wächst und sie abraten und je länger je weniger Rat dazu haben; Lustigers kanns nicht wohl geben.
Wie ein Lauffeuer geht so etwas herum, und wers vernimmt, will die auch sehen, will luegen, wie ihnen die Nasen lang werden und länger, und was sie für Gesichter machen, daß der gehoffte Bräutigam ihnen entronnen. Wer kann, guckt in die Stube, wo sie essen; und wer drinnen war, bringt neue Nachricht hinaus, was sie gesagt, und was für Gesichter sie gemacht; die unerschöpfliche Quelle des Spottes ist aufgebrochen, umrauscht das Haus, und immer dicker fallen die Witze; und die drinnen merken nichts, aber kauen immer zorniger ihr zähes Kuhfleisch. Mutter und Tochter glühten in Kampflust; die erstere wollte hinauf und dem Donnstigs Kässchaber ds Mul vrmache für geng, daß es ufhöri d Lüt desumesprenge. Die Tochter wär gerne an Mädi geraten und hätte für ihr Leben gerne ihm das Zyberhliogerwappen, fünf grobe Finger mit langen Nägeln, ins Gesicht gemalt oder graviert. Sie erkannten aber, das trage nichts ab; ebenso ward verworfen, daß Vater und Vetter noch einmal hinaufgingen, wovon erst die Rede war. Man könne nirgends zum Hause, ohne daß man gesehen werde, hieß es, und sobald man sie merke, gehe es ihnen wieder wie früher. Anschicksmänner könnte man nicht senden, weil es Sonntag sei, und etwas sollte doch gehen.
Der Wirt ward endlich so hintenum ausgefragt, wie der Pfarrer einer sei, und ob sie keinen Fürsprech hätten. Der Wirt, ein Schalk, dessen Nutzen es war, die Leute spielen und spektakeln zu lassen so lang es möglich, gab ihnen Bescheid, der ihnen wohl gefiel. Sie beschlossen, erst dem Pfarrer einen Besuch abzustatten, um ihn zu bewegen, auf ihr Ansehen hin die Verkündigung einstweilen einzustellen, bis die Sache ausgemacht sei. Der Vetter, der alle Augenblicke in eine diplomatische Laufbahn berufen werden konnte, versuchte nicht ungerne, wieweit er es in diplomatischen Gebärden, in welchen er sich Tag und Nacht übte, gebracht, und hoffte, durch seinen Anstand und sein bedenkliches Gesicht, welches er in Bern einem alten Herrn abgeguckt so einem alten Pfarrer leicht zu imponieren. Und wenn es sein müsse, sagte der Zyberlihogerküng, su schlöy er dazu uf e Tisch, daß er abenangere fahr wie Dreck.
Wir wollen von der Unterhaltung im Pfarrhause nur anführen, daß sie mißlang. Vergeblich sagte der Vetter, wer er sei, und streckte sich lang und stellte einen Fuß schräg; vergeblich bemerkte er, es sei nur, um Kosten zu sparen einstweilen, und die Sache werde sich machen, und sein Wort werde genug sein; er nehme alles auf sich. Der Pfarrer war sehr höflich, blieb aber fest auf dem förmlichen Einspruch, durch den Richter bewilligt, indem kein Mensch, und wäre er sogar Schultheiß, ihn von einer gesetzlichen Bestimmung und gesetzlicher Verantwortlichkeit entbinden könne. Vergeblich stellte man ihm vor, er solle die Familie ansehen, die dadurch in Schanden käme, und er werde doch öppe wissen einen Unterschied zu machen; vergeblich ward man spitzig und halb grob; und ganz grob zu werden verhinderte nur des Pfarrers gelassene Ruhe. Das Gesetz sei für alle da, sagte er, und die Woche habe sieben Tage, und in so langer Zeit könne es füglich entschieden werden, ob die Sache richterlich werden müsse. Sobald der förmliche Einspruch komme, werde er ihm alles Genüge leisten. Vergeblich nahm der Vetter ein Gesicht nach dem andern zur Hand; sie waren alle fruchtlos, und schimpfend und grollend wandten sie sich zum Fürsprecher.
Was dort verhandelt wurde, ist nicht bekannt geworden; viel Tröstliches muß es nicht gewesen sein; denn Prozeß wurde keiner angehoben, bloß noch ein Versuch gemacht, Hansli zu einläßlichem Bescheid und zu einer Ausmacheten zu bewegen. Da derselbe aber rund erklärte, mit denen hätte er nichts und wolle er nichts, und wenn sie etwas von ihm wollten, so müßten sie richterlich kommen, und bei dieser Rede blieb, (denn Hansli verredete sich nicht, und wenn er einmal etwas gesagt, so sagte er über die gleiche Sache nichts anderes) so erlosch die ganze Sache, und was aus Lisi geworden, dem fragte man in Gutmütigen nichts nach.
Aber wie die Familie endlich von Gutmütigen fort fuhr, dem sah fast das halbe Dorf zu und sandte ihnen Witze nach, und lange blieb die Geschichte ein stehender Artikel in den Gutmütiger Abendunterhaltungen; und gar mancher Tochter, die man zDorf gehen sah, rief man nach, sie solle nicht machen, daß es ihr gehe wie ds Zyberlihogerbure Tochter, die hätte ins Wirtshaus zDorf müsse. Als das schöne grüne Wägeli längst aus dem Gesichte war, verwandelte sich der Spott in Neugierde, was für eine ds Jowägers Jakobli hätte. Niemand kannte sie; niemand hatte gehört, daß er zu einer gehe, und so vom Himmel herab, daß kein Mensch darum wußte, war in Gutmütigen noch niemand verkündet worden; noch lange hieß es daher, wenn eine Liebschaft unerwartet hervortrat: «Der hats machen wollen wie ds Jowägers Bub; aber bis zum Verkünden es heimlich halten, das konnte bis dato keiner mehr.»
Unterdessen war es anders zugegangen in Hanslis Haus, ja fast wie in einer Stadt, wenn ein Sturm abgeschlagen ist und man alle Augenblicke einen neuen erwartet; ja fast wie bei der Belagerung von Jerusalem, wo die Juden, sobald die Römer einen Augenblick innehielten, einander selbst bei den Haaren nahmen. Als die Feinde das Feld abgefahren waren, trieb die Neugierde den Jakobli herbei. Hansli ward durch Sami geweckt, und der letztere machte die Küchentüre auf und frug: «Was hey si gseit?» «Wärist da gsi, wes di wunger nimmt!»
Diese Worte waren so gleichsam der Zapfen in einem Bierkrug oder einer Champagnerflasche, wo, wenn er gesprungen ist, der ganze Inhalt nachströmt, daß dem Öffnenden fast Hören und Sehen vergeht. Das Mannevolk erfuhr jetzt in mannigfachen Bildern und vergleichenden Wörtern, was es war, und was Anne Bäbi war, und wie es nicht dafür da sei, um auszuessen, was sie eingebrocket; es wolle auch fort, schloß es endlich, und dann möchten sie selbst aneha; es komme ihnen dann vielleicht in Sinn, wie kommod ihnen Anne Bäbi wäre. Und richtig, durch den ganzen Nachmittag war Anne Bäbi verschwunden, kein Mensch wußte wohin, und mit bangem Herzen mußte das Mannevolk des Angriffes harren und stärkte sich mit dem Troste: je minger me säg, desto minger vrfehl me si, und zletsch werde si doch absetze, übernachte werde si nit welle.
Sami war als Vorposten postiert; Hansli stellte mit gleichgültigen Mienen die Mittelmacht vor, und Jakobli schlotterte als Nachhut. Wie bekanntlich bei dem Hintertreffen die Marketenderinnen sich aufhalten, so flankierte Mädi um den Jakobli herum mit dem betrübtesten Gesicht, das es auftreiben konnte, und aus welchem hintergangene Liebe greulich hervorleuchten sollte. Der und auch die Andern, sagte es bei sich selbst, sollten sich ein Gewissen machen, wie man mit ihm umgegangen, niemand auf dem Sterbebett vergessen können; und keinem Schnürfli sehe man das Mindest an. Und was das Ärgste war, es fand gar keine Gelegenheit, Jakobli privatim vorzustellen, wie sie wüst Hüng gegen ihns gewesen eys ums angere; denn, wie es bei verschiedenen, der Schlacht gewärtigen Heerhaufen Sitte ist, es fand eine beständige Verbindung statt, und kaum hatte Mädi zu einem vertraulichen Wort das Maul offen, so erschien Sami in einer Ecke, und dem Kerli hätte Mädi für alles in der Welt den Gefallen nicht getan, sein betrübtes Herz zu enthüllen.
So ward es Abend und Zeit, mit den Hühnern zSädel; da kam Anne Bäbi heim, ganze Haufen Triumphes im Gesichte. Jetzt, dachte es, jetzt hätten sie erfahren, was Bescheid geben sei; und wenn es dachte, wie sie es werden gesucht haben im Keller und im Säustall, so mußte es hell auflachen; aber verflümeret wunder nahm es es doch, was gegangen, was sie angefangen ohne ihns. Eigentlich hatte es im Sinn gehabt, erst lange nach eingebrochener Nacht heimzukommen. Man sollte es erst suchen; es dachte, und wenn sie schon einmal Kummer hätten, daß es etwas Lätzes gemacht, so geschehe es ihnen nur recht; sie wüßten dann ein andermal, daß sie anders mit ihm umgehen sollten u nit wie dUflät.
Aber man weiß wohl, wie es mit dem Kupen geht. Wie manche Frau hatte sich nicht vorgenommen, zu kupen, und zu tubeln in alle Ewigkeit, hatte sich des Redens so verredet, sie würde nicht einmal dem lieben Gott Bescheid geben, selbst wenn er sie fragen würde, ob sie nichts zu klagen hätte, und so und so wollte sie sein und dieses so machen und jenes gar nicht, und machte dazu den Arm ganz gstabelig und schlug auf den Kuchitisch, daß man glaubte, er fahre entzwei, und machte ein Gesicht dazu, daß keine Fliege mehr darauf absaß, sondern daß es sie weit absprengte, wenn sie es in der Nähe sahen, und es einem akkurat mahnte an die Gesichter, welche im siebenjährigen Krieg die schwarzen Husaren machten sieben Jahre lang, daß die Kinder im Mutterleib zu weinen begannen und jedermann glaubte, wenn auch nicht in alle Ewigkeit, doch wenigstens sieben Jahre lang werde ein solches Gesicht dauern.
Aber wie laue Lüfte den Schnee schmelzen und freundliche Sonnenblicke das Eis brechen, der Rost das Eisen frißt und die Zeit alles, was sie vor ihren Rachen kriegt, so hält das Kupen auch nicht dar, widersteht der Zeit nicht, freundlichen Worten in die Länge nicht, dem Widerspruchsgeiste im eigenen Leibe nicht, aber auch nicht einer vaterländischen Abputzeten, wo alle Schwarten krachen. Es ist sehr merkwürdig, aber es ist ein gewisses Justemilieu in uns, und dieses Ding bricht bei den meisten Menschen allen Radikalitäten die Spitze ab; es macht, daß wir nicht so schlecht sein können, als wir gerne möchten, aber auch nicht so gut, als wir uns vornehmen. Es ist dieses ein kurios Ding; wir nehmen uns das Gräßlichste vor, zum Beispiel zu kupen sieben Jahre lang ununterbrochen, aber wir können nicht; wers auf sieben Tage bringt, meint, schon viel gemacht zu haben, und jene Frau, die es auf drei Wochen brachte, hat mehr verrichtet als die meisten. Aber als ihr Mann mit einem Stecken unter dem Ofen guselte und guselte und gar nicht aufhören wollte, so konnte sie doch dem Ärger und der Neugierde nicht widerstehen und schnauzte ihn an und frug: «Was suchst, du Stopfi?» «Eh Gottlob!» antwortete das Mannli, «dys Mul han ih gsucht u jetz Gottlob gfunge!«
Aber ebensogut bricht diese Kraft den guten Vorsätzen die Spitzen ab, daß sie nicht zu Taten werden, und oft, wenn man Menschen von sich reden hört, wie sie es gut meinen und so Schönes wollen, und man sieht dann ihr Tun und ihr Lassen, so kömmt es einem vor, als sehe man im Herbste eine Landschaft verhagelt und verwildert, die man im Frühling in Blumenduft und Blütenpracht gesehen. Dann meint man, diese Menschen hätten uns getäuscht, seien Heuchler und aller Falschheit voll; aber es ist nicht, sie meinten es aufrichtig, sie kannten aber den Feind im Innern nicht, der unsern besten Vorsätzen ist, was die Schnecken dem Roggen und Graswürmer dem Kabis. Darauf sollte daher der Mensch achten, sollte, wo diese Macht böse Kräfte lähmt, sündigem Willen entgegentritt, helfend ihr zur Seite treten, sollte aber mächtig gegen sie sich auflehnen, sie auf die Seite stellen, sie bannen ins dunkelste Kämmerlein, wo sie wie ein Stein oder wie eine Schlange seiner Seele im Wege liegt, wenn zum Guten sie sich einmal aufrafft.
So kam Anne Bäbi heim, das Herz voll Lachens, aber mit einem Gesichte, womit man Muheime hätte vergiften können, und erwartete, eins nach dem andern werde kommen und ihns fragen: «Aber Herr Jemer, wo bist doch gsi? U warum geyhst doch furt? O wärist du doch da gsi, es wär angers gange!» Aber niemand tat so; man achtete gar nicht, daß es wieder da war, und niemand zappelte oder weinte. Alle bis an Mädi machten fast lächerliche Gesichter; es wußte nicht, was das bedeuten solle. Endlich schnauzte Anne Bäbi Mädi an: «Was hets gä?» «Nüt, daß ih weiß», antwortete dieses. «Ist de niemere dagsi?» fragte Anne Bäbi noch einmal. «Ke Hung, vrschwyge de e Mönsch», antwortete Mädi.
Also, man hatte es nicht vermißt, nicht gesucht, es machen können ohne ihns; da war ihm nicht mehr zu helfen. Es hätte das Kupen gerne wieder angefangen; aber die Täubi ward Meister, und die Trümpfe flogen herum wie die Nüsse, wenn das Neujahrkindli kömmt. Niemand war sicher, und wie man sonst sagt: «Weit vom Geschütz gibt alte Kriegsleut», so hätte sich dieses Sprichwort nicht erwahret, wenn Anne Bäbis Worte Kugeln gewesen wären; es schlenggete sie mit sicherem Maul gerade denen am härtesten an den Kopf, die sich am weitesten von ihm hielten, weil sie am besten merkten, was für Wetter am Himmel war. Sogar die Schweine, welche sonst sicher blieben, wenn alle andern Hausgenossen darhalten mußten, kamen diesmal nicht ungeschlagen davon, sondern kriegten, als sie sich etwas ungebärdig einstellten, und zwar mit Recht, denn sie erhielten ihr Fressen eine Viertelstunde später als sonst, mit dem mutzen Besen gar wütig auf die Nasen.
Man redete ehemals viel von Poltergeistern, und heutzutage wollen die Halbwitzigsten nicht mehr daran glauben und reden viel von Aberglauben. Ihr dummen Burschen ihr, habt ihr es nie in einer Küche rumoren hören, als ob man das sämtliche Kachelgeschirr an allen Wänden herumschlage, und am Morgen war alles noch ganz oder doch das meiste, und Türen krachten, und Fenster zitterten, und Besenstiele flogen ums Haus und vergatterte Gabeln hintendrein; wer war dies anders als der Poltergeist? Es ist eben ein Geist, der, wenn es ihm ankömmt, in einen Leib fährt; und genau nimmt ers nicht mit dem Leibe, in den er fährt, sei er gewaschen oder ungewaschen, schön oder häßlich; bald fährt er einem Stüdi in den Leib und bald einem Mädi, bald einer Klementine und bald einer Seraphine, auf die Namen kömmt ihm hell nichts an, bald einem Hansli, bald einem Charles; aber in allen tut er wüst vom Tüfel, und nichts ist am rechten Ort, und nichts will sich schicken und nichts aus der Hand wie üblich, sondern alles mit Gepolter.
Das ist der Poltergeist, der hat Macht über menschliche Leiber wie die Besessenen über die Gergesener Schweine, und wie er will, treibt er die menschlichen Leiber. Man hüte sich vor diesem Geiste; er macht ein Haus unghürig; man kann ihn mit Beten vertreiben, aber nicht mit Spotten und Verleugnen; wer ihn am meisten verspottet und verleugnet, dem fährt er am liebsten in den eigenen Leib. Darum wahret euch, ihr ungläubigen Bürschchen; wer weiß, vielleicht sitzt er euch bereits im Leibe. Allweg war er Anne Bäbi drin, und nichts war sicher, Menschen nicht, Kachelgeschirr nicht, Schweine nicht; ja es hätte den eigenen Kopf im Hause herumgeschossen, wenn er nicht so zäch auf dem Halse gesessen wäre.
Unglücklicherweise nun erwahret sich in Jakobli ein ander Sprüchwort, daß, wessen das Herz voll ist, der Mund überläuft. Er werde, denk wohl, morgen oder einen andern Tag auf Raxigen müssen, sagte er, gleichsam laut denkend, vor sich hin. Nun hatte endlich Anne Bäbi das Ding gefunden, an dem es seinen Zorn entladen konnte; das Wort entlud seine scharfgeladene Zornesbüchse. Von neuem los ging eine Sturmflut über Jakobli, die Heirat, die Braut, die ganze Hausgenossenschaft. Das Resultat war, daß er ihm nicht ds Herrgotts sein solle, vom Hause wegzugehen, bis er die Dolders Papier zämeramisieren müsse. Dere Bünteli Neutaler hätte er afe gnue vrkräzt; es sei Zyt, daß me afay Sorg ha.
Das dünkte Jakobli grusam; je strenger sein Bleiben geboten war, desto stärker zog ihn die Längizyti nach seinem Meyeli hin. Er konnte es fast nicht mehr ausstehen. Wenn jemand immer in gleicher Stellung verharren muß, entsteht eine Pein, die unausstehlich scheint. Doch größer noch muß die Pein des reichen Mannes gewesen sein, der in Höllenangst und Qual nichts wünschte, als daß die Spitze des kleinsten Fingers der arme Mann ins Wasser düpfen, damit ihm die Zunge netzen möchte.
Ob Jakoblis Pein kleiner war, wer ermißt es wohl? Er wußte, daß er nicht gehen durfte, und die Gewalt, welche das Flattieren einen oder zwei Tage nach einem harten Ausspruch und manchmal schon eine oder zwei Stunden nachher über eine Mutter übt, die kannte er nicht. Er war nicht eine der flattierigen Naturen, die mit Streicheln und Däselen die härtesten Streiche in weiche zu verwandeln vermögen. Es dünkte ihn, wenn nur ein Vögelein daherkäme und zwitscherte ihm zu, es hätte Meyeli gesehen und es ihns auch, oder wenn nur ein ganz klein Stäubchen daherkäme, welches der Wind aus Meyelis Roßhaarspitzen geweht, und dieses Stäubchen gebe kein Deutnis, keinen Wink, aber er könnte ihm nur ansehen, daß es aus Meyelis Kappe wäre, so würde es ihm wohlen auf unaussprechliche Weise. Aber kein Vögelein kam, kein Stäubchen zog vorüber; alles Grusame kam ihm in Sinn, das hätte begegnen können, und was Meyeli gedacht und gesagt, und ob es etwa reuig sei; das alles hätte er so unendlich gerne gewußt. Er erfuhr es, was das für Schmerzen gibt, wenn man an einen Felsen geschmiedet ist, und aus dem Leibe wird einem das Herz gezogen mit einem allgewaltigen Magnet. Anne Bäbi sah das; aber wenn man ihm den Kopf abgeschrissen hätte, es hätte nicht zu ihm gesagt: «Su ghey di meinetwegen!» Hansli sah es auch und noch besser als Anne Bäbi; denn Jakobli nahm sich vor ihm weniger in acht und verwerchete sein Weh und seine Trauer zumeist um die Ställe herum, wo Hansli auch am meisten war. Und mehr als einmal hatte Jakobli zum Vater gesagt, er wollte sich wohl noch leiden, wenn er nur öppis vrnähmti oder öppere gsächti, der Meyeli o gseh hätt. Auf solche Reden antwortete Hansli nichts als höchstens: «Lyd di, es ist grad für!» Aber so im Herzen duechte es ihn, ds Anne Bäbi sei doch das Wüstest, wo es geben könne; so uwatlig hätte es nie getan, und wenn das so kommen sollte, so wollte er, sie wären niemals zämecho.