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Ich fand niemals Veranlassung, meine eben angeführte Meinung zu ändern. In der Tat gelangte ich mit der Zeit im Verlauf der weiteren Nachforschungen über das Leben und den Charakter der beiden Brüder zu der Ueberzeugung, daß die unglückliche Veronika nicht nur die Person Wallace Pfeiffers fälschlich für die ihres Gatten William gehalten, sondern auch den Charakter der Bestellung und die Motive, durch die er sich dabei leiten ließ, mißdeutet hatte. Die Unterredung, die er in so bestimmtem Tone verlangte, ehe sie zur Trauung ginge, würde ihr, wenn sie sie richtig aufgefaßt hätte, eine unendliche Genugtuung bereitet haben, anstatt in ihrer aufgeregten Seele die verbrecherischen Instinkte ihres Geschlechts zu wecken. Ich bin fest davon überzeugt, daß Wallace Pfeiffer, im Besitz von Williams Geheimnis – einem Geheimnisse, das ihm sein Bruder in einem so kritischen Augenblicke wie dem ihrer Trennung in dem unwirtlichen Passe von Klondike natürlich anvertraut hatte – gekommen war, nicht um ihr wegen ihrer neuen Heirat Vorwürfe zu machen, sondern um ihr durch die Mitteilung, ihr Gatte sei tot und sie vollständig frei, eine Last von der Seele zu nehmen, falls sie noch den mindesten Zweifel an ihrem Recht, sich wieder zu vermählen, hegen sollte. Zudem mag er vielleicht noch beabsichtigt haben, einige letzte Versicherungen der Liebe und des Vertrauens von seiten des Mannes hinzuzufügen, den sie so leicht vergessen hatte, aber gewiß nichts Schlimmeres. Wallace Pfeiffer war zu allem Schlechten unfähig, und wenn sie sich nur in ihr anscheinendes Schicksal ergeben und sich entschlossen hätte, den Mann zu sprechen –
Aber kehren wir zu den Tatsachen zurück und überlassen wir die Grübeleien dem jetzt doppelt unglücklichen Jeffrey.
Am Abend des Tages, an dem die endgültige Feststellung des Selbstmordes Veronika Moores stattgefunden hatte, erschien die folgende Anzeige im »Star« und in allen anderen Tageszeitungen:
»Jedermann, der sich genau erinnert, am Abend des elften Mai um einviertel auf acht Uhr oder kurz vor- oder nachher durch die Waverley-Avenue zwischen der N.- und M.-Straße gegangen zu sein, würde der Detektivabteilung des Distrikts einen Dienst erweisen, wenn er dies dem Detektiv F. auf der Polizeiwache in der C.-Straße mitteilen wollte.«
Ich war dieser »F.« und bekam bald viel zu tun. Aber es wurde mir leicht, die Leute herauszufinden, die nur aus Neugier gekommen waren, und da nur wenige Personen allen in der Anzeige genannten Bedingungen entsprachen, so genügte die Arbeit eines Abends und eines Vormittags zur Sichtung der ganzen Masse; es blieb nur ein einziger Herr übrig, der mir genau das mitteilen konnte, was ich wissen wollte. Mit diesem Herrn begab ich mich zum Major, und die Folge davon war, daß wir alle drei zu einer späteren Tagesstunde an der Gartentür des alten Moore zusammentrafen.
Der alte Herr blickte sehr verwundert drein, als er die Anzahl und den Beruf seiner Gäste erkannte; aber sein vornehmes Wesen ließ ihn auch jetzt nicht im Stiche, und seine Begrüßung war sowohl würdevoll wie höflich; doch gefiel mir die Art und Weise nicht, in der er sein Auge auf mir ruhen ließ.
Aber der leichte Groll, der sich in diesem Augenblicke darin widerspiegelte, war nichts gegen den, welchen er später entfaltete, als ich auf ein leichtes Knurren Rudges, der angriffsbereit in dem Hauseingang drüben stand, die Aufmerksamkeit aller auf den Hund lenkte, indem ich scharf bemerkte:
Dies ist unser Zeuge, meine Herren. Dies ist der Hund, der nicht über die Straße gehen will, selbst wenn sein Herr ihn ruft, sondern sich am Rande des Trottoirs hinlegt und hier aufmerksamen Auges, aber unbeweglichen Körpers wartet, bis sein Herr zurückkommt. Ist es nicht so, Herr Moore? Habe ich Sie nicht mehr als einmal darüber klagen hören?
Ich kann es nicht leugnen, lautete die steife Antwort, aber was –
Ich wartete nicht, bis er seinen Satz beendigt hatte.
Herr Currean, fragte ich, ist dies das Tier, an dem Sie am Abend des elften Mai zwischen sieben und acht Uhr vorübergekommen sind, während es vor diesem Hause mit der Nase am Rande des Trottoirs lag?
Ja, es ist dasselbe; ich habe es ganz genau beobachtet; es schien das Haus gegenüber zu bewachen.
Sofort wandte ich mich zu Moore herum.
Tut Rudge dies, wenn sein Herr nicht drüben ist? Zweimal habe ich ihn selbst an demselben Platze und mit demselben Ausdruck gespannter Aufmerksamkeit gesehen, und beidemal waren Sie über die Straße zu dem Hause drüben gegangen, dem er, wie Sie zugeben, sich nicht weiter nähern will als bis zum Rande des Trottoirs auf dieser Seite der Straße.
Sie haben mich überlistet, lautete die kurze Antwort, mit welcher der alte Moore den Kampf aufgab. Rudge, geh an deinen Platz zurück. Wenn wir dich im Hofe brauchen, werde ich es dich wissen lassen.
Das Lächeln, mit dem er seine Worte begleitete, war ziemlich sarkastisch, aber sein Sarkasmus richtete sich hauptsächlich gegen seine eigene Person. Wir waren daher auch nicht weiter erstaunt, als er nach einer scharfen Ermahnung von seiten des Majors die folgende Darstellung seiner geheimen Beziehungen zu dem Ereignis, das er die letzte Tragödie nannte, die wahrscheinlich in der Familie Moore vorkommen dürfte, zum besten gab:
Ich habe es nie für unrecht gehalten, mich um das alte Haus und seine Geheimnisse zu kümmern. Ich hielt es nur für unrecht oder jedenfalls für übel angebracht, Veronika mit Fragen oder mit Bitten lästig zu fallen, mir den Eintritt in das Gebäude zu gestatten. So benutzte ich denn das mir zu Gebote stehende Mittel und sagte nichts.
Ich habe das alte Haus oftmals während meines Aufenthaltes in meiner kleinen Villa besucht. Das letztemal war dies, wie einer von Ihnen in so geschickter Weise festgestellt hat, an dem denkwürdigsten Abend seiner Geschichte der Fall, an dem Abend, an dem hier der plötzliche Tod Frau Jeffreys erfolgte. Das in mir durch die unerwartete Wiederkehr des alten Verhängnisses in betreff des Armstuhls in der Bibliothek erweckte Interesse erreichte seinen Höhepunkt, als ich eines Abends den Schein einer brennenden Kerze in dem südwestlichen Zimmer bemerkte. Ich wußte nicht, wer sich zu so später Stunde dort aufhielt, vermutete aber stark, es sei Herr Jeffrey; denn wer würde es sonst wagen, eine Kerze in diesem unbewohnten alten Hause anzuzünden, ohne sich vorher überzeugt zu haben, daß auch alle Läden fest geschlossen seien? Ich bestritt Herrn Jeffreys Recht, dies zu tun, nicht und fühlte auch keine Abneigung gegen ihn. Nichtsdestoweniger ärgerte ich mich darüber. Wenn er auch mit einer Moore verheiratet war, so war er doch kein Mitglied der Familie selbst, und ich regte mich über diese Verschiedenheit in unseren Befugnissen sehr auf. Infolgedessen wartete ich, bis er herauskam, und nachdem ich ihn ganz bestimmt erkannt hatte, faßte ich in meinem Zorn und meiner Eifersucht den festen Entschluß, am folgenden Abend selbst das alte Haus zu besuchen und einen letzten Versuch zu machen, hinter das Geheimnis zu kommen, um mich mit jenem Herrn wieder auf dieselbe Stufe zu stellen oder sogar einen Vorteil vor ihm vorauszuhaben.
Ich ging frühzeitig hin; in der Tat war es noch nicht ganz dunkel. Da ich aber die Düsterheit dieser alten Hallen und die fast undurchdringliche Finsternis kannte, die sich mit Anbruch der Dämmerung über die Bibliothek lagert, steckte ich mir zwei bis drei Kerzen ein, die Kerzen, meine Herren, von denen Sie ein solches Aufheben gemacht haben. Meine Absicht war eine doppelte. Erstens wollte ich mich vergewissern, womit sich Herr Jeffrey an dem Abend zuvor beschäftigt hätte, und zweitens eine Stunde der Lektüre einer Sammlung alter Memoiren widmen, die durch einen Rückblick auf die Vergangenheit vielleicht die Gegenwart erklären könnten. Sie erinnern sich, daß von dem hinteren Teil des Hauses aus eine Tür in die Bibliothek führt. Durch diese Tür trat ich ein und brachte dabei einen Küchenstuhl mit, den Sie später dort fanden.
Ich wußte, wo der Band mit den erwähnten Memoiren zu finden war – auch Sie wissen es, wie ich sehe – denn es war meine Hand, die ihn an seinem jetzigen Versteck untergebracht hatte. Fest entschlossen, einige Stellen noch einmal durchzulesen, die ich mir lange zuvor als wichtig für den Zweck, den ich verfolgte, angestrichen hatte, holte ich mir den Armleuchter aus dem Salon und rückte einen Tisch heran, auf den ich ihn stellte. Ich wartete aber noch einige Augenblicke, ehe ich das Buch selbst herunternahm. Ich wollte erst zusehen, was Herr Jeffrey am Abend zuvor oben im ersten Stock gemacht habe. So ließ ich das Licht in der Bibliothek brennen und begab mich nach dem südwestlichen Zimmer, mit einer unangezündeten Kerze in der Hand, da das durch die oberen Fenster in die Vorhalle eindringende schwache Licht mir noch gestattete, den Weg zu finden. Im Zimmer selbst war jedoch alles dunkel.
Der Wind hatte sich noch nicht erhoben, und der Laden, der sich eine halbe Stunde später so ruhelos in seinen knarrenden Angeln hin- und herbewegte, verschloß das Fenster so dicht, daß ich glaubte, Herr Jeffrey habe ihn am Abend zuvor festgehakt. Da ich beim Herumsuchen nach einem Behälter, in den ich die nunmehr angezündete Kerze stellen könnte, nur ein leeres Glas fand, benutzte ich dieses hierzu. Dann blickte ich mich um, bemerkte aber nichts, was meine Aufmerksamkeit hätte fesseln können – Frau Jeffreys Toilettengegenstände interessierten mich nicht, und sonst sah alles in dem Zimmer ganz wie früher aus, bis auf einen umgestürzten Stuhl, ein Umstand, dem ich aber keinerlei Bedeutung beimaß – und eilte wieder die Treppe hinunter, wobei ich die Kerze hinter mir für den Fall brennen ließ, daß ich nochmals nach oben zurückzukehren wünschen sollte, nachdem ich die Lektüre der Erzählungen über dieses alte Zimmer beendet hätte.
Nicht ein Laut unterbrach die Stille des Hauses, als ich mich vor die Bücherbretter der Bibliothek setzte, um zu lesen. Ich war so allein unter jenem öden Dach, wie es nur irgend ein Sterblicher in einer großen Stadt sein konnte. Ich freute mich über diese Einsamkeit und war eben dabei, mir auf einem Blatt Papier, das ich aus einem anderen alten Buche gerissen hatte, einige Aufzeichnungen zu machen, als plötzlich von der Straße her ein Geräusch entstand, das, so leicht es auch war, geübte Ohren nicht täuschen konnte. Es schloß jemand die Haustür auf.
Natürlich glaubte ich, es sei Herr Jeffrey, der zurückkehre, um dem Hause seiner Frau einen zweiten Besuch abzustatten, und da ich wußte, was ich zu erwarten hatte, wenn er mich in dem Zimmer anträfe, so stellte ich das Buch hastig an seinen Platz zurück und löschte ebenso hastig die Kerze. Dann zog ich mich in der Absicht, mich davonzumachen, in der Richtung der Tür zurück, durch die ich eingetreten war. Aber ein Impuls, der stärker war als der Gedanke an die Flucht, hemmte meinen Schritt, noch ehe ich die Tür erreicht hatte. Ich konnte nichts sehen, der Raum war stichdunkel, aber ich konnte lauschen. Die betreffende Person – Herr Jeffrey oder sonst jemand – kam mir entgegen, und zwar in völliger Dunkelheit. Ich konnte die unsicheren Schritte, die an den Wänden entlangtastenden Finger hören – dann das Rascheln eines Kleidersaumes, das bewies, daß der Ankömmling eine Frau sei – eine Tatsache, die mich sehr in Erstaunen setzte – dann ein langgezogenes Seufzen oder Stöhnen.
Dieses letztere gab den Ausschlag. Die Situation war für mich zu spannend, als daß ich hätte fortgehen können, ohne in Erfahrung zu bringen, wer die Frau war, die es wagte, mit Angst und Zittern ihre halb widerstrebenden Füße durch diese öden Hallen und an einen Ort zu schleppen, auf dem der Fluch so unheimlicher Erinnerungen lastete. Ich dachte nicht an Veronika. Niemand sucht einen Schmetterling in der Tiefe eines Kerkers. Aber ich dachte an Fräulein Tuttle – dieses Mädchen voll unbeugsamer Willenskraft. Ohne mir erklären zu können, welche Veranlassung sie hierher führte, stand ich wie angewurzelt und lauschte, bis die schwere Mahagonitür am anderen Ende des Gemaches unter dem schwachen, zitternden Drucke einer zaghaften Hand stoßweise hin- und herzuschwingen begann. Dann trat Schweigen ein – ein lang anhaltendes Schweigen, dem dann ein so verzweiflungsvolles Stöhnen folgte, daß ich zu der Ueberzeugung gelangte, daß, was auch immer die Veranlassung zu der Anwesenheit dieser schwer atmenden Frau an diesem Orte sein mochte, es auf keinen Fall bloße Neugier war, die sie hierherführte. Dies bestärkte mich in meinem Entschlusse, zu bleiben. Alles, was in diesem Hause geschah, geschah gewissermaßen mir; so verhielt ich mich denn still und wartete. Aber die Töne, die ab und zu aus der entfernten Ecke drangen, auf die sich meine Aufmerksamkeit gerichtet, führten eine sehr beredte Sprache.
Ich hörte Seufzer und banges Stöhnen sowie ab und zu ein gemurmeltes und von leisen Klagen unterbrochenes Gebet, aus dem ich den Namen Francis heraushörte. Und noch immer hielt ich die Frau vor mir für Fräulein Tuttle – möglicherweise gerade wegen der Erwähnung dieses Namens – und ging in meinen Vermutungen soweit, daß ich die Ursache ihres Kummers und die Veranlassung ihrer Verzweiflung zu kennen glaubte. Den Worten folgten laute Aufschreie, und ich vernahm Reden, aus denen Angst und eine Art verzweifelten Zauderns herausklang. Auf einmal wurden diese abgerissenen Ausrufe durch ein dumpfes Geräusch unterbrochen. Irgend etwas mußte auf die bloße Diele gefallen sein, was, werden wir nie erfahren, aber ich zweifle keinen Augenblick, daß es die Pistole war, und daß die Staubflecke auf dem Bande, an dem sie festgebunden hing, von meiner Nichte selbst herrührten, als sie die Waffe wieder aufhob. (Sie werden sich erinnern, daß sie sich ein paar Minuten vorher mit ihrer Hand die Wände entlang getastet hatte.) Dann nahm ihre Stimme einen ganz fremdartigen Klang an, und ich konnte so unverständliche Reden wie folgende von ihren zum Teil gelähmten Lippen vernehmen:
»Ich muß! Ich kann ihm lebend nie wieder vor Augen treten. Er würde mich verachten – Mutig genug, eines anderen Blut, feige, wenn es das eigene – O Gott, vergib!« Dann trat abermals Schweigen ein, und ich hatte mich beinahe schon entschlossen, hervorzutreten und mich zu erkennen zu geben, als ein lauter Knall erfolgte und ein so plötzlicher, unerwarteter Blitz aufzuckte, daß ich zurückfuhr, während das ganze Zimmer mit einem Male hell erleuchtet wurde und ich Veronika mit ihrem Kinderantlitz erblickte, das aber jetzt den Ernst einer gereiften Frau angenommen hatte – unmittelbar darauf wieder Finsternis und ein schwerer Fall, der den ganzen Fußboden erzittern machte, ja sogar mein hartes altes Herz. Ich war soeben Zeuge des Selbstmordes meiner Nichte gewesen, des letzten Mitglieds der Familie Moore – außer mir selbst – eines Selbstmordes, auf den ich durch nichts vorbereitet gewesen war und den ich noch jetzt nicht verstehe.
Ich ging nicht zu ihr hin. Sie war sofort tot, als sie zu Boden stürzte. In dem Aufblitzen des Pulvers hatte ich bemerkt, wohin sie die Pistole gerichtet hatte. Wozu sie also stören? Ebensowenig ging ich noch einmal die Treppe hinauf. Ich hatte jetzt nur noch Interesse an meinem Entkommen aus einer mich mehr oder weniger kompromittierenden Situation. Tadeln Sie mich deswegen? Ich war ihr Erbe und befand mich an einem Orte, an dem ich kein gesetzliches Recht hatte, mich aufzuhalten. Glauben Sie, daß ich verpflichtet war, meine Schande preiszugeben und zu erzählen, wie ich hier untätig stand, während sich meine eigene Nichte vor meinen Augen erschoß? Dieser Schuß machte mich zum Millionär. Für einen Tag war dies sicher Aufregung genug – außerdem habe ich sie ja auch nicht rücksichtslos dort drüben liegen lassen. Ich habe später Sie benachrichtigt, nachdem ich mich etwas erholt und auf eine Ausrede besonnen hatte. Genügte das nicht vollständig? Ah, ich sehe, Sie sind sämtlich Musterbilder von Mut und Hochherzigkeit. Sie würden sich selbst eher allen möglichen Vorwürfen ausgesetzt haben, als daß eine kleine Notlüge über Ihre Lippen gekommen wäre. Aber ich bin kein Musterbild. Ich bin einfach ein alter Mann, dem das Leben siebzig Jahre lang zu arg mitgespielt hat, als daß er im Besitze einer jeglichen Tugend sein könnte. Ich beging einen Fehler – das sehe ich jetzt ein – und vertraute einem Hunde, was ich nicht hätte tun sollen – aber wenn Rudge keine Gespenster gesehen hat – nun, was dann?
Wir hatten ihm alle in unwillkürlicher Regung den Rücken gewandt.
Was machen Sie denn da? fragte er heftig.
Nur das, was morgen ganz Washington und später die ganze Welt tun wird, erwiderte der Major mit ernster Stimme. Dann, als dem verblüfften Millionär ein Ausruf entfuhr, setzte er mit Nachdruck hinzu: Eine Notlüge, die zwei Unschuldige fünf Wochen lang unter dem Verdacht des Mordes beläßt, ist ein Meineid, den nicht nur das Gesetz ein Recht hat, zu bestrafen, sondern der auch von der gesamten bürgerlichen Gesellschaft verdammt werden wird. Vom heutigen Tage an werden Sie verfemt sein, Herr Moore!
Meine Geschichte ist hier zu Ende. Die Sache gelangte überhaupt nicht vor das Schwurgericht. Der Selbstmord war erwiesen, und die Angelegenheit verlief sich im Sande. Von mir selbst ist nur noch zu erwähnen, daß ich bei einem schwierigen Falle bisweilen Durbin zu Rate ziehe.
Hinsichtlich des alten Moore ist noch nachzutragen, daß die Prophezeiung des Majors in Erfüllung gegangen ist. Er lebt im Moorehause auf großem Fuße und besitzt Pferde, die selbst in Washington Aufsehen erregen. Allein niemand nimmt seine Einladungen an, und er lebt in seinem gegenwärtigen Hause ebenso einsam, wie er es in der kleinen Villa während der Tage seiner Armut stets gewesen ist.
Der alte Lehnstuhl ist trotz des entrüsteten Protestes Herrn David Moores von der Polizei beschlagnahmt worden und befindet sich gegenwärtig in dem Kriminalmuseum in Washington, zu dessen Hauptsehenswürdigkeiten er gehört. Er ist von einem geschickten Mechaniker auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt worden. Nur wurde dabei die todbringende Nadel durch eine andere ersetzt, nachdem man durch Versuche an Tieren festgestellt hatte, daß das Gift noch so wirksam war wie an dem Tage, an dem der Oberst Alpheus die Nadel mit ihm tränkte. In einiger Entfernung von dem Stuhle befindet sich in Mannshöhe ein Handgriff, durch den der Mechanismus genau so in Bewegung gesetzt werden kann, wie dies im Moorehause geschah. Daneben steht ein Tisch mit einem Glaskasten, in dem ein genauer Situationsplan der ganzen Anlage, genaue Nachbildungen des Filigran-Medaillons und der Lupe, eine Photographie des alten Porträts nebst einer Abschrift der in den Linien des letzteren enthaltenen Anweisung aufbewahrt werden.