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Die Person, die in der folgenden Nacht vor dem Hause der Van Burnams aus dem Wagen stieg und in das Haus eintrat, schien mir so gänzlich unbekannt, daß ich mich mit der Hoffnung zur Ruhe begab, diese Identifizierungsversuche würden erfolglos bleiben. Das sagte ich auch Herrn Gryce, als er am nächsten Morgen zu mir kam. Ahn beunruhigte das aber nicht, und er bat mich bloß, noch einen Versuch zu machen. Ich willigte ein, und er verließ mich gleich wieder.
Um zehn Uhr war ich wieder bei der Verhandlung. Im Saal war eine dichtgedrängte Menge, aber ganz andere Gesichter als am Tage vorher. Nur die zwölf Geschworenen waren natürlich dieselben, und sie erschienen mir schon wie alte Freunde.
Der zuerst aufgerufene Zeuge war Howard Van Burnam. Als er mit sorgloser Miene und ungezwungener Haltung vortrat, hatte die allgemeine Spannung schon einen Höhepunkt erreicht. Das selbstsichere Auftreten Howards schien seine Richter gegen ihn einzunehmen. Doch darum kümmerte er sich nicht, und die Ruhe, mit der er auf die Fragen des Coroners antwortete, stand im größten Gegensatz zu den erregten Mienen seines Vaters und seines Bruders, die sich im Hintergrund zurückhielten. Der Coroner beobachtete Howard erst einen Augenblick, ehe er das Wort an ihn richtete. Er fragte, ob er den Leichnam der Frau gesehen habe, die unter einem Möbel erdrückt im Hause seines Vaters aufgefunden worden war.
Er bejahte.
Haben Sie die Leiche erkannt? Glauben Sie, daß es die Leiche einer Ihnen bekannten Person ist?
Das glaube ich nicht.
Haben Sie etwas von Ihrer Frau gehört, seit sie Sie verlassen hat?
Nein!
Hat Ihre Frau nicht einen ähnlichen Teint wie die Tote?
Meine Frau hat eine sehr weiße Haut und braune Haare. Aber das kann man von vielen Frauen sagen, und darauf allein kann sich eine Identifizierung nicht gründen.
Und haben Sie kein anderes, weniger allgemeines Erkennungszeichen entdeckt? Ist Ihre Frau nicht schlank und zierlich gebaut, wie man es an der Toten sehen konnte?
Meine Frau ist schlank und zierlich gebaut. Aber das ist doch auch nichts Seltenes.
Ihre Frau hat doch eine Narbe?
Jawohl!
Am linken Fußknöchel?
Ja!
Hatte nicht die Tote dieselbe Narbe?
Das weiß ich nicht! Man sagte es mir, aber es interessierte mich nicht, und ich habe die Narbe gar nicht angesehen.
Weshalb nicht? Schien Ihnen diese Uebereinstimmung nicht auffällig?
Der junge Mann runzelte die Stirn. Ich hatte keinen Grund, anzunehmen, daß dieses Opfer der Brutalität eines Fremden meine Frau sein könnte; so erregte mich selbst solch eine merkwürdige Uebereinstimmung nicht weiter.
Sie hatten also keinen Grund, anzunehmen, daß die Tote Ihre Frau sei? wiederholte der Coroner. Hatten. Sie vielleicht einen Grund, anzunehmen, daß sie es nicht sein könnte?
Jawohl!
Sagen Sie uns diesen Grund.
Ich hatte sogar mehrere Gründe. Erstens würde meine Frau niemals solche Kleider tragen wie die an der Leiche gefundenen. Und zweitens würde sie nie zu einer Stunde, wie sie eine Zeugin angegeben hat, allein mit einem fremden Manne in ein fremdes Haus gehen.
Mit keinem Mann?
Ausgenommen mit mir, das ist selbstverständlich. Ich aber habe sie nicht nach Grammercy Park geführt, und so genügt die Tatsache, daß die tote Frau in Begleitung eines Mannes ein unbewohntes Haus betreten hat, um mich zu überzeugen, daß es sich nicht um meine Frau handeln kann.
Wann trennten Sie sich zuletzt von Ihrer Frau?
Montag früh in Haddam.
Wußten Sie, wohin Ihre Frau fuhr?
Jawohl!
Wohin fuhr sie denn?
Nach New York, wo sie meinen Vater sprechen wollte.
Ihr Vater war aber doch nicht in New York?
Er wurde täglich zurückerwartet. Der Dampfer, mit dem er von Southampton weggefahren war, sollte am Dienstag ankommen.
Was wollte Ihre Frau von Ihrem Vater? Hatte sie einen besonderen Grund, um sich von Ihnen zu trennen und Ihren Vater zu sprechen?
Sie war solcher Ansicht. Sie glaubte, wenn mein Vater sie unvorbereitet sähe und spräche, würde er sie endlich als Schwiegertochter anerkennen.
Und Sie fürchteten, den günstigen Ausgang einer solchen Unterredung zu hindern, wenn Sie sie begleiteten?
Nein, denn ich zweifelte, daß es überhaupt zu einer Unterredung kommen könnte. Ich billigte ihre Pläne nicht, und ich wollte den Anschein vermeiden, daß ich ihr beistimmte, indem ich sie begleitete.
Ist das der Grund, weshalb Sie Ihre Frau allein nach New York fahren ließen?
Ja!
Einen andern Grund hatten Sie nicht?
Nein!
Warum also folgten Sie ihr innerhalb fünf Stunden doch nach?
Ich war unruhig. Auch wollte ich meinen Vater sehen. Ich bin gewöhnt, meinen plötzlichen Eingebungen nachzugeben, und ich folgte auch an diesem Tage meinem Impuls und fuhr meiner Frau nach.
Wußten Sie, wo Ihre Frau die Nacht zubringen wollte?
Das wußte ich nicht. Sie hat viele Bekannte in der Stadt, und ich dachte mir, daß sie zu einer von diesen gehen würde – was sie ja auch getan hat.
Wann kamen Sie in New York an? Vor zehn Uhr?
Jawohl, einige Minuten vor zehn Uhr.
Versuchten Sie, Ihre Frau aufzufinden?
Nein. Ich ging direkt in meinen Klub.
Versuchten Sie am nächsten Morgen, Ihre Frau zu finden?
Nein! Ich hatte gehört, daß der Dampfer, mit dem mein Vater kommen sollte, noch nicht von Fire Island signalisiert war, und hielt es daher für aussichtslos.
Wieso? In welchem Zusammenhange steht das mit dem Aufsuchen Ihrer Gattin?
Meine Frau war nach New York gekommen, um sich meinem Vater zu Füßen zu werfen. Sie konnte das aber nur auf dem Schiff tun, oder – –
Warum sprechen Sie nicht weiter, Herr Van Burnam?
Ja, ich weiß auch nicht, warum ich nicht weitersprechen soll. Ich wollte sagen, oder in seinem eigenen Hause.
In seinem eigenen Haus? Im Hause in Grammercy Park meinen Sie?
Ja, natürlich, er hat kein anderes.
Das Haus, in dem die tote Frau gefunden wurde?
Ja, sagte Howard, ungeduldig werdend.
Sie glaubten also, daß sie sich dort, in diesem Haus, ihm zu Füßen werfen wollte?
Sie hatte mir gesagt, daß sie das beabsichtigte. Und da sie eine etwas romantisch veranlagte Natur ist, hielt ich sie schon für fähig, ihr Vorhaben auszuführen.
Also am Morgen suchten Sie erst gar nicht nach Ihrer Frau?
Nein!
Und am Nachmittag?
Die Frage verwirrte ihn; wir sahen alle, wie bestürzt er war, obwohl er sich zusammennahm und es zu verbergen suchte.
Ich habe sie am Nachmittag auch nicht gesucht. Aber ich war sehr nervös und unruhig und verließ die Stadt.
Ah, wirklich? Und wohin gingen Sie denn?
Ich möchte darauf lieber nicht antworten, wenn ich nicht unbedingt muß.
Sie müssen alles sagen, alles beantworten.
Ich bin nach Coney Island gefahren!
Allein?
Ja!
Haben Sie dort jemanden getroffen, den Sie kannten?
Nein!
Und wann kamen Sie zurück?
Um Mitternacht.
Und wann kamen Sie wieder in Ihr Hotel?
Etwas später.
Wieviel später?
Nach zwei oder drei Stunden.
Wo waren Sie während dieser Zeit?
Ich ging spazieren.
Auffallend war, wie rasch und leicht er alle Fragen beantwortete. Die Geschworenen starrten ihn ganz verdutzt an, das Publikum lauschte mit verhaltenem Atem. Bei den letzten Worten brach im ganzen Saal ein Murren aus, so daß Howard Van Burnam mit erstaunter Miene auf die Versammelten blickte. Er wußte wohl dieses Murren zu deuten, doch er zitterte nicht und wurde nicht bleich. Mir schien er in diesem Augenblick ganz ungewöhnlich schön, und ich wußte wirklich nicht, was ich von ihm denken sollte.
Nach dieser kurzen Unterbrechung wurde das Verhör gleich wieder fortgesetzt.
Herr Van Burnam, man hat mir gesagt, daß in dem Medaillon an Ihrer Uhrkette eine Haarlocke Ihrer Frau ist. Bin ich richtig orientiert?
Ja, ich habe eine Locke vom Haar meiner Frau im Medaillon.
Hier ist eine Locke vom Haar der toten Frau, deren Identität wir festzustellen versuchen. Ich möchte beide Locken vergleichen, wenn Sie nichts dagegen haben.
Sie stellen da merkwürdige und wenig angenehme Anforderungen an mich, antwortete Howard unbewegt. Aber ich habe schließlich nichts dagegen. Mit völlig ruhiger Miene löste er das Medaillon von seiner Uhrkette, öffnete es und reichte es dem Coroner. Bitte vergleichen Sie, sagte er höflich.
Der Coroner nahm das Medaillon, legte die beiden Haarlocken nebeneinander, blickte dann ernst und eindringlich auf Howard und sagte:
Die Haarfarbe ist genau dieselbe. Darf ich die Locken den Geschworenen zeigen?
Howard verneigte sich zustimmend. Man hätte meinen können, er befände sich in einem Salon und erwiese jemand eine Gefälligkeit. Ganz anders war die Haltung seines Bruders Franklin; und sein Vater hielt beständig die Hand vors Gesicht, so daß man den Ausdruck seiner Züge nicht sehen konnte.
Die Geschworenen reichten sich die beiden Haarproben von Hand zu Hand, schüttelten die Köpfe und flüsterten miteinander. Schließlich gab der Coroner das Medaillon Howard zurück, wobei er sagte:
Bitte, konstatieren Sie selbst die große Aehnlichkeit. Ich kann eigentlich nicht den geringsten Unterschied finden.
Danke, Ihre Ansicht genügt mir! antwortete der junge Mann mit bewundernswerter Sicherheit. Der Coroner und die Geschworenen sahen sich einen Augenblick bestürzt an, und Mr. Gryce sogar starrte verdutzt auf den Griff seines Stockes.
Es mußte aber doch weiter versucht werden, die Wahrheit herauszubekommen. Der Coroner fragte Howard in strengem Ton, ob er die Hände der Toten betrachtet hätte.
Er bejahte es. Der Arzt, der die Autopsie vornahm, bat mich, sie genau anzusehen. Sie waren den Händen meiner Frau sehr ähnlich.
Nur ähnlich?
Ich kann doch nicht sagen, daß es die Hände meiner Frau waren, wenn ich nicht annehme, daß die Tote mit meiner Frau identisch ist.
Können Sie beschwören, daß es nicht die Hände Ihrer Frau waren?
Ich bin bereit, zu schwören, daß ich es nicht glaube!
Ist das alles?
Ja, das ist alles!
Der Coroner runzelte ärgerlich die Stirn und warf dann den Geschworenen einen Blick zu, als wolle er sie ermutigen. Schließlich fragte er weiter:
Herr Van Burnam, gab Ihr Bruder Ihnen nicht auf Ihre Bitte hin den Schlüssel zum Hause Ihres Vaters, – gerade am Morgen des Tages, an dem der Mord begangen wurde?
Er gab mir den Schlüssel.
Haben Sie ihn noch?
Nein, ich habe ihn nicht mehr.
Was haben Sie mit dem Schlüssel getan? Haben Sie ihn Ihrem Bruder zurückgegeben?
Nein! Ich sehe, wo Sie mit Ihrem Verhör hinauswollen. Ich nehme gar nicht an, daß Sie meinen Worten Glauben schenken werden. Ich habe den Schlüssel am selben Tage, als ich ihn bekam, verloren, und deshalb – –
Warum unterbrechen Sie sich, Herr Van Burnam?
Ich habe nichts weiter zu sagen; der Satz braucht nicht vollendet zu werden.
Das Gemurmel im Saal drückte offenbare Entrüstung aus. Howard Van Burnam aber blieb unbewegt, als ob er es nicht hörte.
Sie haben den Schlüssel verloren, – ich will es glauben. Aber wo und wann verloren Sie ihn?
Das weiß ich nicht. Als ich ihn später suchte, war er nicht mehr in meiner Tasche.
Ah, und wann suchten Sie ihn denn?
Am nächsten Tage, – als ich von – von – dem, was in meines Vaters Haus geschehen war, hörte.
Er zögerte, wie einer, der seine Antwort abwägt. Sie machte auch auf die Geschworenen den entsprechenden Eindruck, und das Benehmen des Coroners verlor etwas von der Achtung, die es bis dahin ausdrückte.
Und Sie wissen wirklich nicht, wo der Schlüssel hingekommen ist?
Nein!
Oder in wessen Hände er gefallen ist?
Nein! Aber vermutlich in die Hände des Schurken – Zum allgemeinen Erstaunen war seine Stimme heftig geworden. Er bemerkte es und nahm sich zusammen, änderte den Ton aber so plötzlich, daß das Erstaunen noch größer wurde.
Machen Sie doch den Mörder der jungen Frau ausfindig, sagte er ganz ruhig, und fragen Sie ihn, wo er den Schlüssel her hatte, mit dem er die Tür des Hauses meines Vaters aufschloß.
War das eine Herausforderung oder bloß die harmlose Aeußerung eines Unschuldigen? Weder der Coroner noch die Geschworenen wußten recht, was sie davon denken sollten. Doch schienen sie eher das erstere anzunehmen. Mr. Gryce, der sich langsam genähert hatte, streichelte den Griff seines Stockes geradezu liebevoll.
Wir werden gewiß alles tun, um Ihrem Rate zu folgen, antwortete der Coroner, als er sich von seiner Verblüffung erholt hatte. Jetzt aber sagen Sie uns noch, wie viele Ringe Ihre Frau gewöhnlich trug.
Sie trägt fünf Ringe. Zwei an der linken Hand und drei an der rechten.
Kennen Sie die Ringe genau?
Ganz genau.
Genauer als die Hände Ihrer Frau?
Ebenso genau.
Hatte sie die Ringe an den Fingern, als sie sich in Haddam von Ihnen trennte?
Ja, sie hatte sie an.
Trug sie die Ringe immer?
Fast immer. Ich erinnere mich in der Tat nicht, gesehen zu haben, daß sie jemals mehr als einen bestimmten Ring ablegte.
Wie sah dieser Ring aus?
Es ist ein Goldreif mit einem von mehreren Diamanten umfaßten Rubin.
Als Sie die Tote sahen, hatte sie da Ringe an den Händen?
Nein!
Haben Sie darauf besonders geachtet?
Ich tat es in der Ueberraschung des ersten Eindruckes.
Und Sie schlossen daraus, daß die Tote nicht Ihre Frau war?
Daraus, und aus anderen Umständen.
Und doch mußten Sie auch bemerken, daß die Tote gewöhnlich Ringe trug, selbst wenn sie keine an den Fingern hatte.
Ja wieso denn? Wie konnte ich denn etwas von ihren Gewohnheiten wissen?
Ziehen Sie doch den Ring ab, den Sie an Ihrem kleinen Finger tragen.
Weshalb?
Bitte, tun Sie es. Vielleicht kann ich Ihnen dann etwas zeigen.
Der Zeuge sah erstaunt drein, zog aber den Ring sofort vom Finger. Hier haben Sie den Ring, sagte er.
Danke, ich brauche ihn nicht. Ich möchte nur, daß Sie jetzt Ihren Finger ansehen.
Der Zeuge tat es. Augenscheinlich erstaunte ihn diese Aufforderung mehr, als sie ihn beunruhigte.
Sehen Sie keinen Unterschied zwischen diesem Finger und den anderen?
Ja; am kleinen Finger sieht man einen vom Druck des Ringes herrührenden Streifen.
Ganz recht. Solche Streifen sah man auch an den Fingern der Toten. Haben Sie die Streifen nicht bemerkt?
Ich habe sie nicht gesehen; ich schaute nicht so genau hin.
Diese Streifen waren am kleinen Finger der rechten Hand, und am Ringfinger und Zeigefinger der linken Hand zu sehen. An welchen Fingern trug Ihre Frau die Ringe?
Sie trägt sie an den gleichen Fingern, die Sie eben nannten. Aber diese Tatsache beweist nicht ihre Identität mit der Toten. Die meisten Frauen tragen ihre Ringe an denselben Fingern.
Der Coroner schien ärgerlich aber nicht entmutigt zu sein. Er wechselte Blicke mit Mr. Gryce, sagte aber nichts zu ihm, und wir konnten uns den Sinn der Blicke nach Belieben deuten. Der Zeuge, den weder die Art der Fragestellung noch der Verdacht, der sich doch allmählich immer sichtbarer zeigte, irgendwie berührte, bewahrte seine ganze Selbstbeherrschung. Furchtlos, nur etwas ungeduldig sah er auf den Coroner, obgleich er ahnen mußte, wie der Verdacht gegen ihn von Minute zu Minute bei allen Anwesenden größer wurde.
Sie scheinen also fest entschlossen zu sein, sagte der Coroner nach einer kurzen Unterbrechung, keinen noch so überzeugenden Beweis für die Identität Ihrer Frau mit der Ermordeten anerkennen zu wollen. Aber ich bin nicht gewillt, den Kampf bereits aufzugeben, und so muß ich Sie noch fragen, ob Sie gehört haben, welche Beschreibung Miß Fergusson von den Kleidern Ihrer Frau gab, die sie trug, als sie Haddam verließ?
Ich habe es gehört.
War diese Beschreibung richtig? Hatte sie tatsächlich ein schwarz-weiß kariertes Seidenkleid an und einen Hut mit Bändern und Blumen in verschiedenen Farben?
Ja, sie war so gekleidet.
Erinnern Sie sich genau an den Hut? Waren Sie vielleicht dabei, als sie ihn kaufte, oder ist er Ihnen durch einen besonderen Umstand genau in Erinnerung?
Ich erinnere mich ganz genau an den Hut.
Ist es vielleicht dieser Hut?
Meine Augen waren auf Howard gerichtet, und so sah ich, wie er entsetzt auf den vorgezeigten Gegenstand starrte und eine furchtbare Erregung verriet, die zu seiner bis jetzt bewahrten Selbstbeherrschung in stärkstem Gegensatz stand. Vor Bestürzung darüber konnte ich zuerst gar nicht auf den Gegenstand blicken, den der Coroner ihm gezeigt hatte. Als ich aber den Kopf wandte, erkannte ich sofort den vielfarbigen Hut, den Mr. Gryce im Anrichtezimmer des Van Burnamschen Hauses gefunden und mir gezeigt hatte.
Wurde der Hut im Hause meines Vaters gefunden? Wo – wo wurde er gefunden? stammelte Howard, der alle Gewalt über sich verloren hatte und schreckerfüllt auf den Hut blickte.
Ja, in dem Hause Ihres Vaters wurde der Hut gefunden, kurze Zeit, nachdem die Tote aus dem Hause fortgebracht worden war.
Das kann ich nicht glauben! schrie der junge Mann, der vor Zorn bebte und ganz bleich wurde.
Soll Herr Gryce nochmals den Eid darauf leisten? fragte der Coroner.
Der junge Mann sah ihn verständnislos an. Die Bedeutung dieser Worte schien er augenscheinlich nicht zu fassen.
Ist das der Hut Ihrer Frau? fragte der Coroner erbarmungslos. Erkennen Sie den Hut wieder? Ist es der Hut, den Ihre Frau beim Fortfahren auf hatte?
Bei Gott, ich kann es nicht abstreiten! stöhnte der junge Mann fassungslos. Er schwankte und suchte nach einer Stütze. Franklin trat schnell vor und hielt ihn aufrecht. Das Publikum lärmte und schrie und war kaum zurückzuhalten. Endlich begann Howard wieder mühsam zu sprechen:
Wenn der Hut in meines Vaters Haus gefunden wurde, dann ist die Ermordete – meine Frau. Nach diesen Worten ging er schwankenden Schrittes der Tür zu.
Wo wollen Sie hin? fragte der Coroner ruhig, während ein Polizist sich ihm in den Weg stellte und sein Bruder ihn mitleidig am Arm zurückzog.
Ich will die Tote vom Schauhaus wegbringen lassen. Sie ist meine Frau. Vater, du willst doch nicht, daß sie noch einen Augenblick länger an diesem schrecklichen Ort bleibt, da wir jetzt wissen, daß es meine Frau ist?
Der alte Herr Van Burnam, der bis dahin sich ganz im Hintergrund gehalten hatte, erhob sich bei diesen Worten seines Sohnes, winkte ihm ermutigend zu und eilte aus dem Zimmer hinaus. Der junge Mann beruhigte sich jetzt etwas und bemühte sich, seinen Schmerz zu bemeistern, der allen, die Howard sehen konnten, sehr groß und echt schien.
Ich wollte nicht glauben, daß sie es ist, rief er, ohne sich um den Coroner und die Anwesenden zu kümmern. Ich wollte es nicht glauben; aber jetzt – – – Eine so traurige und verzweifelte Geste beendete diesen Satz, daß weder der Coroner noch die Geschworenen wußten, was sie tun oder sagen sollten. Das Verhalten des jungen Mannes verblüffte sie völlig; das hatten sie nicht erwartet.
Der Coroner sah ein, daß bei der tief erschütterten Geistesverfassung des Zeugen jetzt nichts von Bedeutung aus ihm herauszubekommen sein würde und vertagte die Verhandlung auf den Nachmittag.
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