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Zu derselben Zeit hatte es fast eine Beschaffenheit mit den Gefängnussen in Egypten / wie mit den Zuchthäusern jetziger Zeit / der König hatte in jeder grossen Stadt oder Provinz seines Lands eins / rund herum mit hohen Mauren umgeben / daß kein Gefangner oder Gefangne ausreissen kunte; inwendig mit Werckstätten vor allerley Handwercksleut versehen; solche wurden den Kerckermeistern auf etliche Jahr um ein gewissen Zinß verliehen / wann nun Personen in solche geriethen / die reich: die Mißhandlungen aber nicht groß waren / so musten sie dem Kerckermeister Kostgeld geben / und dorfften nichts arbeiten; waren es aber Arme / deren sich niemand erbarmte / noch die Kost vor sie bezahlte / so musten sie dem Kerckermeister arbeiten / daß ihnen die Schwarte kracht / doch nach gestaltsam ihres Verbrechens / und nachdem sie verdammt waren / oder zu arbeiten vermochten; etliche Ubelthäter wurden auf ewig / etliche aber / die sich geringer versündigt hatten / nur auf etliche Jahr dahin verurthelt / wie auf eine Gallera; und weil dieses beydes dem König und Kerckermeister bey weitem mehr eintrug / als dem Scharffrichter / wurden wenig Ubelthäter mit dem Tod gestraft / es gieng aber in diesen Gefängnussen so scharff her / daß theils Gefangnen ein schneller Tod viel erträglicher gewest wäre / als ein so elende Verzögerung ihres Lebens; So bald ein Gefangner in ein solch Gefängnuß kam / so hatte der / so ihn setzen lassen / kein Gewalt mehr über ihn / sondern nur der König / der nach und nach das Verbrechen auf der Gefangnen Freund oder des Klägers Ansuchen examinirn / und ferner geschehen liesse / was recht war; und weil Joseph kein Handwerck kunte / muste er / als ein Schmiedknecht / den Hammer führen / seine Kost / biß zu Austrag der Sach / zu gewinnen; Er gedachte bey sich selbst / diß ist ein billich Urtheil GOttes / daß meine Schönheit in Kohlen / Rauch und Staub verderbe / und meine zarte Händ wie Horn werden; weil sie mich bißher in alles Unglück geführt.
Niemand verwundert sich mehr / daß Joseph dieser Ursachen halber solte gefangen gesetzt worden seyn / als eben die unvergleichliche Asaneth; weil sie selbst viel ein anders so wohl von der Selicha / als dem Joseph wuste! Sie kunte nicht ersinnen / wie es doch zugangen seyn müste / daß diese beyde so bald ihre Neigungen: nemlich die Selicha ihre hefftige Lieb in Haß: und hingegen Joseph seine Keuschheit in brünstige Geilheit verändert hätte / wiewohl sie ihres gleichen an scharpffen Verstand in Egypten nicht hatte; Die Begierde / den Verlauff zu wissen / trieben sie dahin / ihre Baaß / die Bettlägerige Selicha / zu besuchen; mehr unterm Schein / ihr schuldig Mitleiden zu bezeugen / als sich mercken zu lassen / warum sie mit ihrem verbundenen Finger und verwunden Hertzen hin käme.
Hertzliebste Frau Schwester / sagte sie bey ihrer Ankunfft / unter andern zu Selicha: mir gehet dero Zustand um so viel desto mehr zu Hertzen / weil ich vernehme / daß sie nicht aus dem Bette kommen / seithero ich die Ehr gehabt / mir ihr neulich den Mittag=Imbs zu halten; ob ich zwar nicht hoffen will / daß unser Gegenwart deroselben zu Unmuth oder Zorn / und also auch zu dieser Kranckheit selbst Ursach gegeben habe. Ach nein / hertzliebste Jungfer Schwester / antwortet Selicha / unser Joseph ist die Ursach meiner Kranckheit / welcher mich dieser Tagen so hoch erzörnet / daß mir die Gall in alle Glieder geloffen! Wie so? sagte Asaneth / ich hatte vermeinet / ihr neulicher Discurs / den ich hinder den Tapeten vernommen / hatte mich genugsam versichert / daß mein geehrte Frau Schwester sich in Ewigkeit nicht über ihn erzürnen könte? Ich weiß nicht / wie ich die Sach verstehen soll? Was! verstehen? fuhr Selicha heraus; Last mich zu frieden / ich verstehe wohl / wie ihrs verstehen wollet? habt ihr damahl nicht selbst gesagt / ich solte aufhören ihn zu lieben / oder ihr wollet aufhören / meine Baaß zu seyn? Ey nun dann / weil ich derowegen euch gefolgt hab / und ihn / (euch meinen Haß gegen ihm zu bezeugen /) ins Gefängniß gebracht / so haltet euer Wort / bleibt meine Baaß / wie vor / bekümmert euch um keinen leibeignen Knecht / lasset das unnöthige Nachgrüblen bleiben / und helfft vielmehr durch stillschweigen / daß unserer Freundschafft kein Schandfleck angehänckt werden / wie ihr mich neulich selbst erinnert habt / das ich thun solte: Asaneth vernahm ohnschwer / was die Glock geschlagen / und wuste doch nicht eigentlich / wie es mit dem Joseph hergangen seyn möchte / dorffte auch nicht fragen / damit sie sich nicht argwöhnisch machte; Sie unterhielte vor dißmahl ihre Baaß mit andern angenehmen Reden / bis sie ihren freundlich Abschied nahm / und Josephs Unschuld halber / voll Kummer und Hertzenleid nach Hauß gieng.
Dieses Fräulein war so vermöglich / als schön und tugendreich; dann sie hatte / als ein eintzige Erbin / ihres Vattern Schätze / (der ein alter Witwer war /) in vollkommenen Gewalt; also / daß sie die Edelgestein / geschweige das Gold und Silber / mit Sesstern auszumessen vermochte; sie hielte sich in Thebe auf / ihres Vattern Reichthum zu hüten; der Vatter selbst aber wohnet / solche zu vermehren / als ein hoher Priester zu Heliopolis / und war bey dem Pharaone / als ein Mann / an dem viel gelegen / in höchsten Gnaden.
Dieses ihr Vermögen / oder besser zu sagen / den Uberfluß der verhandenen Schätz und Reichthum griff sie an / nicht zwar so grob und unbesonnen / als ein junges Ding von zwölff Jahren thun möchte / (wie sie damahl war /) das nicht weiß / worzu die Baarschafft nutzet / sondern so gesparsamlich / als ihr die Lieb zuliese / und so klüglich / als sie vermeinte / daß ihr / zu Erkundigung der Warheit / vonnöthen wäre; sie wolte einmahl wissen / wie Selicha mit dem Joseph gespielt hätte / deme sie ihr Hertz / wegen seiner scheinbarlichen Tugenden: wie Selicha ihm das ihrige / wegen seiner Schönheit / geschenckt hatte; immer Schad wäre es / sagte sie zu sich selbsten / wann der schönste Spiegel aller Tugenden / durch lästerliche Verleumbtungen solte untertruckt und zu Schanden werden / was? wann man das gestattet / so möchte es dahin kommen / daß die Tugenden endlich auch selbst durch die Laster zerscheidert würden; Nichts / ich will wagen / was mir die Götter hierzu verliehen haben / und nahm damit ein schön paar Armband vor die eine / und ein köstliche Stirnspange vor die andere / der Selich æ Kammer=Jungfern; mit denselben schmierte sie eine nach der andern / biß sie alles Haar=klein erfuhr / wie man mit ihrem geliebten / so frommen / als schönen Joseph / verfahren wäre; aber dessen Unschuld an Tag zu bringen / wolte ihr gleichwohl mit nichten geziemen / wieviel sie auch Kalender darüber machte / und die Sach überschlug / dann erstlich lag ihr die nahe Verwandschafft der Selich æ im Weg / deren sie sich schämen hätte müssen / wann die Warheit in jedermanns Ohr kommen wäre; So wolte ihr auch nicht gebühren / daß sie / als ein Fräulein von Königlichen Stammen / sich eines Sclavens annehme / drittens / wann sie gleich alles thät / was sie hätte thun können / ihn seiner Tugend wegen frey zu machen / so hätte doch jederman geurtheilt / solches wäre seiner Schönheit wegen beschehen; andern theils tribulirte sie die hertzliche Lieb und das Mitleiden / so sie wegen seiner Unschuld trug / also / daß sie nicht wuste / wessen sie sich entschliessen solte; Dergestalt wurde ihr Hertz gleichsam wie ein Schiff vom Nord= und Sudwind zugleich angegriffen und bestürmmt; Endlich verpetschierte sie hundert Tumain / neben einem Brieff an dem Kerckermeister / und liesse ihm denselben durch ein vierdte Person zu eignen Handen lieffern / der Inhalt dessen lautet also:
Wann du das Geschlecht Pharaonis / deiner Schuldigkeit nach / in Ehren hältst / so wirst du diesen Brief mit Unterthänigkeit empfahen / und demselben gehorsamist nachleben; als welcher von einer Person / aus Königlichem Geblüt erboren / dir zugeschickt wird / welche dich zu dem End ihres Grusses würdigt / daß du den gefangenen Joseph / Potiphars / des grossen Kuchenmeisters Knecht / in der Gefängniß also ehrlich halten sollest / daß weder er selber / noch jemand anders von seinetwegen / wann er seiner Unschuld halber künfftig wieder freygelassen wird / über dich zu klagen habe; dann solche Klage müstest du mit Hergebung deines Kopffs verantworten / weil dir hiebey hundert Tumain geschickt werden / damit du ihn desto besser verpflegen / und aller Arbeit entlassen köntest; doch solstu dieses vor jedermann / auch dem Gefangnen selbst heimlich halten / deme du also gehorsamlich nachzuleben wissen wirst.
Dieses war dem Kerckermeister ein seltzam und verdecktes Gericht / dieweil keinem seiner Zunfft dergleichen niemal begegnet / er kunte nicht weniger thun / als gehorsamen / dann ein solch grosses Geld / so ihm geschickt worden / bezeugte genugsam / daß die Person / die ihm geschrieben / kein kleiner Hans sein müste; derowegen nahm er den Joseph wieder aus der Schmidten / und setzte ihn zu sich an seine Tafel / daß es weder Potiphar noch sein Ehrliche Frau niemal erfuhr.
Indessen lag Selicha noch zu Bett / und wurde in Ernst so kranck / als sie sich zuvor gestellt hatte; ja / es wurde mit ihr von Tag zu Tag je länger je ärger / weil sie der Zorn / die Lieb / der Eifer / die Rach / die Reu und die Furcht / daß ihre Schelmstuck an Tag kommen möchten / schröcklich ängstigten / und je länger je mehr schwächten; keinen andern / als diesen schlechten Trost hatte sie / daß Joseph sein Lebtag keinem andern Weibsbild zu theil werden könte / weil er so warm sasse; die Aerzt verzweiffelten allgemach an der Erhaltung ihres Lebens! Sie sahen zwar wohl / daß diese Kranckheit an einem innerlichen Anliegen des bekümmerten Gemüths hienge / Potiphar aber muste der Selicha glauben / da sie vorwandte / wie sie sich nemlich so greulich über Josephs unehrlichs Zumuthen erzörnet / und solches noch nicht vertauen könte; hierdurch wurde er gereitzt und erbittert / am Joseph unbilliche Rach zu üben / welchen er billicher hätte loß lassen sollen; Aber so sehr trachtet er nicht nach Josephs Leben / so sehr bemühet sich hingegen Asaneth / dasselbe zu erhalten; Als diese vom Potiphar vernahm / was er gesinnet war / kunte sie sich nicht enthalten / ihm unter Augen zu sagen / das sie vermercke / Joseph sey unschuldig; mit Bitt / er wolle sich nicht übereylen / damit er der spaten Reu und der Götter Zorn / so ihm das unschuldige Blut auf den Hals bürden würde / künfftig überhaben wäre; er solte die Sach stehen lassen / wie sie stünde / und noch ein Zeitlang zusehen; sie besorge ohne daß / wann er dem Joseph das Leben zu nehmen unterstehen würde / daß ein ander Facit heraus kommen dörffte; das Leben wäre edel / und solches zu erhalten / würde Joseph vor sich das beste reden.
Durch diese dunckele zweydeutige Sprach setzte Asaneth dem Potiphar ein Flohe ins Ohr / weil sein böses Gewissen sie anders verstunde und auslegte / also sie Asaneth gemeynet; dann er hatte zwar mit Josephs Wissen / aber doch mit dessen höchstem Mißfallen und Abwarnen / hiebevor etliche Königliche Güter zu sich gezwackt / davon bildet sich Potiphar ein / hätte Asaneth Wind / und mit ihrer Red dahin gedeutet / daß Joseph aus der Schul schwatzen: und ihn in Unglück bringen würde / wann er sehe / daß ihm ans Leben gieng; Was Raths dann? hertzliebste Fräulein Schwester / sagte er zur Asaneth; mir gebührt gleichwohl / ein als den andern Weg mein Ansehen zu erhalten / und kan man solche Laster / deren Joseph bezüchtigt wird / und worüber Selicha Tag und Nacht Rach schreyet / mit Ehren nicht ungestrafft hingehen lassen; Asaneth antwortet / er könte sie Sach verzögern / und sich doch stellen / als wann er Josephs Tod suchte / nur die Selicha zu befriedigen; sie wuste / das dem Joseph Unrecht geschehe / und besorgte / wie sie zuvor erinnert / daß der gantzen Freundschafft ein grosser Schimpff widerfahren möchte / wann es an den Bind=Riemen gehen werde.
Asaneth machte hierdurch den Potiphar so verwirret / daß er nicht wuste / was er thun solte / dann ihn die entfremde Königliche Güter grausam ängstigten / darvor ihn Joseph so treulich gewarnet hatte; gleichwohl muste er / nach altem Gebrauch der Egyptier / ihme schrifftlich notificiren / aus was Ursach er ins Gefängniß gesetzt worden wäre; solches thät er durch folgenden Brieff.
Nach Herkommen und Gewonheit des Lands Egypten / wird dem undanckbaren gefangnen Joseph / Potiphars / des Königlichen Kuchenmeisters erkauften Knecht hiemit angedeutet / daß er angeklagt: und deßwegen in das Gefängniß geworffen worden seye / weil er durch Geilheit bewegt / seines Herrn Liebste zu nothzwängen / sich unterstanden / und durch solche Verfahrung dieselbe Ehrliebende zarte Frau dermassen erschröckt / erzörnt / und durch ihre gewaltige Gegenwehr abgemattet habe / das sie noch diese Stund zu Bett liegen: und sich ihres Lebens verwegen muß; weßwegen er dann vor nechtskünfftigen strengen Halsgericht / als ein Nothzwänger / Ehren=Dieb und Mörder angeklagt werden solle; zuvor aber kan er / nach angeregtem Lands=Brauch / hierauf seine schrifftliche Entschuldigung einschicke / damit er sich keiner Ubereilung zu beklagen habe.
Als dieser verfertigt war, zeigte er ihn der Asaneth / welche ihr belieben liesse / daß er dem Joseph geschickt würde; aber Josephs Antwort darauf war diese.
Was die Bezüchtigung anbelangt / damit Joseph / des Königlichen Kuchemeisters erkaufter Knecht / belegt wird / ist der Beklagte / solch Laster begangen zu haben / nicht geständig / sondern bezeugt beym höchsten Gott / daß er allerdings unschuldig seye; wie dann sein voriges Leben seine Neigung zur Keuschheit genugsam bezeuge; Daß er aber seine gnädige Frau erzörnt haben möchte / sey ihm leid / und hoffe nicht / daß sie deßwegen am Leben Schaden leiden solle; massen dem gantzen Haus Potiphars genugsam bekant sey / das sein gebietende Frau etliche Tag zuvor kranck gelegen / ehe sie den Nothzwang auf ihn ausgeben; Er befehle die Sach dem höchsten Gott / der werde seine Unschuld / und daß er sich allzeit wohl / ehrlich / treu und aufrichtig in seiner Herren Diensten gehalten / verhoffentlich genugsam an Tag thun / wann es vor dem strengen Halsgericht zur Verantwortung komment solte.
Potiphar communicirt der Asaneth diese Antwort / und fragte sie / was sie weiters bedeuchte; sie sagte / er könte wohl sehen / daß Joseph / sonderlich seiner Liebsten Kranckheit halber / eine gerechte Sach haben müste / als die zuvor schwach gewesen / ehe sie den Joseph angeklagt / Item / weil er um keine Gnad bete / sondern so getrost vor Gericht sich zu verthägigen entschlossen; Er solte wohl erwegen / was Joseph darunter verstehen möchte / daß er meldet / sein Unschuld: und daß er sich allzeit redlich gehalten / werde vor Gericht an Tag kommen; Ihre Meinung wäre / er solte die Sach auf die lange Banck schieben / so lang er könte / und den Göttern dancken / daß Joseph die Mittel / und solche Freund nicht hätte / dadurch er selbst zur Endschafft tringen möchte: indessen solte er / Potiphar / wegen seines Verzugs / die Selicha unterhalten / wie er könte; solchem Rath hat Potiphar zu folgen beschlossen.