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Wie kan ich den Unschuldigen straffen / und den Schuldigen ledig lassen? sagte Joseph; Ist euer Vatter ein so Tugendliebender Mann / wie ihr vorgebt / wo wird er wohl zufrieden seyn / wann die Laster an seinen ungerahtenen Kindern gestrafft werden; Indessen konte Ruben nicht aufhören zuschmehlen / und seinen Brüdern die That / am Joseph begangen / aufzurupffen / welche nichts anders / als Heulen konten; als er nun muthmassete / Joseph würde mit seinen Urtheil verfahren / sagte er zum Joseph: Herr! ich hab dir den Becher gestohlen / und denselben unserem Bruder heimlich aufgesattelt / in Meinung / ihn also unvermerckt davon zu bringen / darum / so straffe mich / und lasse den unschuldigen Jüngling lauffen! Da antwortet Joseph / so muß ich beyde aufhencken lassen / damit ich des Rechtschuldigen nicht verfehle / denn hinder jenem ist der Diebstahl gefunden worden / und du hast den Diebstahl gethan zu haben / selbst bekant. Der Häler ist so gut als der Stehler: da brach ihm doch sein Hertz / daß er sich nicht länger enthalten: noch einig Wort mehr reden konte / ausser / daß er noch seine Leut mochte abtretten heissen. Also solche hinweg / fieng er inniglich an zu weinen / und sagte auf Hebreisch zu ihnen.
Die Tugend und Gottesfurcht / die ihr / neben der Lieb zu eurem Bruder / scheinen lasset / ist grösser / als ich mir eingebildet hab! Ich bin Joseph / euer Bruder / den ihr den Ißmaeliten verkaufft habt / und hab wollen erfahren / ob ihr auch mit dem Benjamin / wie mit mir handlen / oder ihn sonst in Nöthen verlassen wollet; Weil ich euch aber redlich und aufrichtig gegen ihm zu seyn befunden / sehet! so vergeb ich euch alles das jenig / wormit ihr euch wider mich vergriffen zu haben vermeinet; Dann ich bin dessen nunmehr genugsam versichert / daß euer böser Rahtschlag / mich zu verderben / nicht aus Trieb angeborner bösen Eigenschafft entsprungen: Sondern durch die Göttliche Vorsehung also verordnet worden / damit ich zu dieser hohen Würde gelangen / und euch und die eurige in dieser grossen Theurung erhalten möge; Will derowegen / daß keiner von euch der vergangenen Zeit / und was ihr gethan habt / anderer Gestalt mehr gedencke / er wolle den GOtt darum dancken / daß er euch den Einfall / mich zu verkauffen / in Sinn geben habe; Daß mein Vatter noch lebe / habe ich bereits von euch mit hertzlicher Freud vernommen / derowegen sollet ihr morgen unverzüglich wiederum zu ihme ziehen / und ihm verkünden / was ihr bey mir gesehen und gehört habt / damit er sich / wegen euers langen Ausbleibens / nicht zu sehr bekümmere / sondern sich / wegen meiner Wolfahrt / erfreuen möge.
Als er solches gesagt / hat er seine Brüder nacheinander empfangen / und sonderlich den Benjamin hertzlich geküsset; Sie hingegen weineten / und giengen in sich selber / daß sie / mit Verkauffung eines so frommen Brudern / so übel gehandelt hätten; Keiner war frölicher / als Ruben und Benjamin: Joseph aber tröstete die übrige / und sagte / es solte sich keiner der geschehenen Ding mehr erinnern / weder sich damit zu betrüben / oder deßwegen zu schämen / noch sich darmit zu erschrecken; Weil alles aus gnädiger Ordnung und Vorsehung GOttes geschehen wäre: Sie solten vielmehr frölich seyn / und sich seines Glücks theilhafftig machen; Aus dem jenigen / was er ihnen und den ihrigen guts zu thun gedächte / würden wie ohnschwer verspüren / wie gründlich er ihre Mißhandlung vergessen hätte; Aber seine Gutwilligkeit war ihnen ein innerliche Pein / also / daß sie schier nicht aufhören kunten zu schluchsen / biß sie endlich Joseph damit stillen muste / als er sagte: Wann sie zu weinen nicht aufhöreten / so müste er daraus abnehmen / daß sie darumb sich übel gehüben / weil sie ihm sein Glück und Herrlichkeit mißgönneten.
In dem kam die holdselige Asaneth mit ihren zweyen jungen Söhnen / ihre Schwäger willkommen zu heissen / welchen sie zugleich zwölff Feyerkleider / nemlich dem Benjamin zwey / und sonst jedem eins zum Willkomm verehrte; Nur diß manglet ihr / die Freud über ihre Ankunfft genugsam zu bezeugen / daß sie nicht selbst mit ihnen recht reden konte / aber ihr ältistes Söhnlein Manasses wuste gar artlich zu dolmetschen / als welches einen eigenen Pr æceptor hatte / die Hebreische und Chaldeische Sprachen zu lernen / kaum hatten sie ihre neue Kleider angezogen / da folgte der Imbis / und zwar viel Fürstlicher / als den vorigen Abend / dann als Pharao erfuhr / daß Josephs Brüder ankommen / hat er nicht allein viel Speissen und köstliche Getränck / so vor seine Königliche Tafel bereitet waren / sondern auch seine Musicanten hinschicken / und dem Joseph sagen lassen / daß er seinen Brüdern zusprechen wolle / solche Königliche Begnädigungs=Tractamenten frölich zu geniessen.
Dieser Potentat erfreuete sich rechtschaffen / daß ihm dermaleins die langgewünschte Gelegenheit zustunde / dem Joseph zu weisen / wie danckbarlich er seine gute Dienste erkennete; Und daß er sich nichts liesse tauren / wann er nur wüste / daß solches zu Josephs angenehmen Gefallen angewendet würde; Er ließ nicht allein etliche Wagen voll allerhand Proviant / sondern auch silbern und gülden Geschirr / und andere köstliche Sachen zurüsten / Josephs Brüder und seinen Vatter damit zu beschencken; Ja / er machte auch die Anordnung / daß zwölff Reuter von seiner Leibquardi solche Verehrungen / sampt den Söhnen Jacobs / nach Sicima begleiten solten; Den Jacob selbsten wünschte er / viel armer zu seyn / als er war / nur darum / damit er ihn / dem Joseph zu Ehren und Gefallen reich machen könte; Indessen ließ Joseph auch nicht unterwegen seinen Brüdern gütlich zu thun / und sie seine Herrlichkeit und Hochheit sehen und geniessen zu lassen.
Zur selben Zeit war schier kein Hauß in Egypten / ja bey nahe kein Zimmer / in welchem nicht ihres Fürsten Psonthom Phanechons Bildnus / neben des Königs zu finden war / dann ein jeder ehrte und liebte den Joseph / wie den König selbst; Den König zwar / als ihr angebornes und erwehltes Oberhaupt / den Psonthom Phanechon aber als ihren Vatter / Heiland und Erhalter; Etliche / die da wissen / wie es zu unserer Zeit bey Hoff hergehet / möchten sich villeicht einbilden / Joseph seye aus Eifer und Mißgunst der andern hohen Häupter und Fürsten des Reichs beneidigt worden; Aber weit gefehlet / er verhielte sich gegen jederman dergestalten / daß niemand nichts anders könte / als ihn lieb haben; Ja die Egyptier / so zwar damals / neben den Phöniciern / vor die klügste Leut in der Welt gehalten worden / hätten ihn / mit Verwilligung Pharaonis / und aller grossen Herrn / vor einen Gott angebetet / worzu dann Potiphar sein Schwervatter zimlich geneigt war / und hierzu mit höchstem Fleiß anschierte / wann Joseph nicht mit allem Ernst darwider gewest wäre; Dann er sagte / man solte nur den jenigen GOtt ehren / der ihn offenbahrt hätte / wie Egypten / und die benachbarte Länder in diesen Miß=Jahren zu erhalten seyen.
Ich melde jetzt / wie die Egyptier den Joseph geschätzt und gehalten haben / da ich doch billich / zu folg einer ordentlichen Histori / erzehlen solte / wie er seiner Brüder gepflegt / welche ich dort beym Wolleben sitzen lasse / als wolte ich ihrer vergessen; Damit gib ich aber mein Unvermöglichkeit zu verstehen / ein Geschicht recht ordentlich zu beschreiben; Der Leser mag hieraus urtheilen / daß / gleich wie ich in diesem Stück fehle / also lasse ich auch viel andere merckwürdige Umständ aus / die zu der Histori taugen / sonderlich viel Sachen / davon die Persianer und andere Orientalische Völcker Nachricht haben; Ich gestehe es! Aber was soll mir so viel Dings / das so fabelhafftig lautet? Ich hab ohne das aus der Persianer Sachen mehr herein flicken müssen / als die Bibel in sich hält / aber ich hoffe / ich sey entschuldigt / weil ich vielmehr / was sie vom Joseph und seinem Leben vorgeben / ausgelassen: Als ich beschrieben habe; Indessen bilde ihm der günstige Leser selbst ein / wie es bey Joseph Imbis hergangen seyn möchte? Dann da mangelt nichts; daß man den grösten Monarchen von der Welt zu tractirn sich schämen dörffen: Man kan ja wol gedencken / daß sie bey dieser schönen Gelegenheit / so wohl Pharaonis als Jacobs Gesundheit getruncken haben werden; Item / nach dem die Brüder die Herrlichkeit Josephs / und sein treuhertziges Gemüt gesehen / auch durch den Schall der Trompeten und andere Musicalische Seitenspiel und Instrumenten (geschweige des guten Truncks / den sie hatten / und der Extra ordinari Freud / die sie aus ihrer und Josephs wunderbarlichen Begebenheit schöpfften) seynd belustigt worden / daß sie ohn Zweiffel auch ein erbares Täntzel gethan / darauf die Juden ohne das viel halten; Doch kan seyn / daß auch etliche das truncken Elend beweineten; Diß und anders mehr / wie es möchte hergangen seyn / bilde ihm ein jeder nur selbst ein / so gut er kan / und nach seinem Belieben / dann ich finde nichts darvon geschrieben / so bin ich ja auch nicht selbst darbey gewesen / daß ich alles so specificè hätte anmercken und beschreiben können; Und wann ich schon dabey gewest / und oben an gesessen wäre / so hätte ich mich doch ohn Zweifel so bald / als sonst einer / so blind Stern voll gesoffen / daß ich mich gleich des andern Tags alles dessen / was geschehen wäre / nicht mehr / geschweige jetzt / da schon über 3390. Jahr seither verflossen / zu erinnern gewust hätte; Dann ich kenne meine dürre Leber gar zu wol. Diß will ich einem jedem zum Beschluß dieser Mahlzeit noch eröffnen / daß Joseph mit seinen Brüdern überein kame / daß sie ihrem Vatter nicht sagen solten / was massen sie ihn verkaufft hätten / dann er sorgte / der Alte möchte sonst schellig über sie werden / und ihnen allen Vätterlichen Segen entziehen; Er wolte seines Orts fürbringen / nach dem er vom Pferd kommen und den wilden Thieren (so wol seine Brüder bedeuten mögen) entrunnen / seye er in der Ismaeliter Händ gerahten / so ihn in Egypten verkaufft hätten; Auf solche treuhertzige Erklärung stellten sich seine Brüder wie alle volle Kerl / die ihre Gutthäter vor Lieb fressen wollen; und weinten / wie alte Weiber. Den hellen Tag / so folgen würde / hatte die Morgenröthe so bald nicht angezeigt / als die Königliche Beschenckungen ankamen / damit Pharao Josephs Vattern und seine Brüder zu verehren beliebte; Da stunden Wägen / Cameel und Tromedari beladen / zusamt dem Königlichen Geleit / zur Reiß fertig / in Canaan / zu bezeugen / wie wol Egyptus dem Joseph geneigt wäre: Die vom gestrigen Trunck noch dämische Gebrüder ersuchten den Joseph demütig / er wolte sich ihres Vattern und ihrer selbst wegen / um solche hohe Königliche Gnad und reichliche Gaben bedancken / weil sie / als schlechte Hirtenleut / mit schlechter Höflichkeit versehen wären / und kein Kramanziß machen könten; Er nahm die Verrichtung gutwillig auf sich / und befahl hingegen seinen Brüdern beym Frühstück / als er ihnen sein eigne reichliche Geschenck überliefern liesse / daß sie ehistes / wegen der theuren Zeit / welche noch fünff Jahr tauren würde / mit Vatter und Mutter / sampt Weib und Kindern zu ihm kämen: und so wohl seiner Hochheit sich erfreuen: als seiner Reichthum geniessen solten; wordurch sie dem Hunger / der in solcher Zeit noch viel Leut aufreiben würde / am besten entfliehen könten.
Also reisten sie / unter Königlichem Geleid / in GOttes Nahmen dahin / und brachten in kurtzer Zeit ihrem Vatter die fröhliche Pottschafft / daß Joseph nicht allein noch lebte / sondern auch / nach dem König / der größte Herr in Egipten seye; solches bezeugten / neben ihnen / nicht allein die ansehnliche Geschencke und mitkommende Convoy / sondern es hatte auch Jacob / seit seiner Söhne Hinreiß / seine Bekümmernus zu erleichtern und seine betrübte Täge zu passiren / das Nativitäten=Buch sein und seiner Kinder aufgeschlagen / und den Traum Josephs in bessers Bedencken gezogen; daraus er unschwer muthmassen konte / was mit ihm und seinem Haus vor eine Veränderung obhanden wäre; darumb glaubt er seinen Söhnen desto vester / und begab sich / nach dem sie ein paar Tag ausgerastet / auf die Reiß / seinen liebsten Sohn Joseph noch vor seinem End zu sehen; Jetzt sahe er erst / daß gleich wie eilff Stern / samt Sonn und Mond / dreyzehen machen / also auch / daß solche dreyzehen Jahr bedeutet hatten / nach welcher Verfliessung Joseph zu solcher Herrlichkeit gelangen solte; dann im siebenzehenden Jahr seines Alters wurde Joseph verlohren / und im dreissigsten wurde er Obrister Regent in Egypten / welche Würde er damahls / als Jacob zu ihm zog / schon neun Jahr getragen hatte.
Jacob verwundert sich über die grosse Güte und gnädige Vorsehung Gottes; welche in Zeit lang sich ansehen lassen / als hätte GOTT seiner gantz vergessen / und als er unter Wegs zum Brunnen des Eyds gelangte / hat er daselbst GOtt geopffert und gebetten / ihm anzuzeigen / ob diese seine Reiß nicht wider dessen gnädigsten Willen wäre / dann er besorgte / seinem Geschlecht möchte die Egyptische Fruchtbarkeit ins künfftig so hoch belieben / daß sie alldorten verbleiben: und das Land Canaan / so ihnen GOtt versprochen / nicht besitzen möchten.
Aber GOtt der Allmächtige erschiene ihm dieselbige Nacht im Traum / und nach dem Er ihm zweymahl mit Namen geruffen / offenbahrte Er ihme / daß Er darumb gegenwärtig seye / ihn und die Seinige in Egypten zum Joseph / den Er beynahe eben so groß / als den König selbst gemacht / zu begleiten; bey ihme Joseph würde er zu bestimmter Zeit mit Tod abgehen / und alsdann von seinen Kindern in seiner Vätter Begräbniß herrlich begraben werden; Josephs Geschlecht würde lange Zeit in Herrschafft und Gewalt schweben / aus welchem künfftig ein Fürst entspriessen werden / der das versprochene Land mit Kriegs=Gewalt einnehmen: und unter sein des Jacobs Geschlecht austheilen werde.