Grimmelshausen
Der keusche Joseph
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Ich will mich aber nicht lang mit diesen Proceß aufhalten / noch jeder Parthey Reden und Gegenreden beschreiben / dann der König und die Höchste des Reichs eilten selbst darvon / weil sie die Crönung gern bald ins Werck gesetzt sehen möchten / doch gebührt mir zu melden / daß auf einmal der Selicha Boßheit / (welche auch begehrt gehabt / man solte den Joseph zur Straff / als ein Ursacher ihres Tods / lebendig mit ihr vergraben /) und Josephs Unschuld / so wohl als des Kuchenmeisters Thorheit / aus allen Umständen und gewissen Zeugnussen Sonnen=klar an Tag kam: Dem Kuchenmeister ward ein grosser Verweiß geben / weil er den Joseph so lang um Unschuld sitzen lassen / ihm sein Ampt genommen / aber aus Vorbitt Josephs / weil er ihm viel guts gethan / ehe er die Selicha hatte / nicht weiter gestrafft / hierauf wurde dem Joseph sein Gewalt bestättiget / und sich sehr verwundert / daß er und Asaneth in Kleidern von einer Farb bey dieser wunderbarlichen Begebenheit aufziehen solten; Der König selbst sagte zum Hohenpriester Potiphar / diß wäre ein gut Omen / (wann sein / seiner Tochter und Josephs Will einstimmte /) ein Heyrath zwischen Beyden zu stifften / ja er sagte / es wäre nöthig / diesen edlen Frembdling durch einen solchen Heyrath dem Königreich Egypten zu verbinden / damit er ihm desto treuer verbliebe; Demnach nun Joseph solches angezeigt wurde / und er in allweg seinen unterthänigen Gehorsam erzeigte / auch Potiphar nichts liebers / als Josephs Verwandschaft und Freundschafft wünschte; Asaneth aber sich lieber / als lang Heu laden liesse / als wurde der Heurath also gleich beschlossen / mit höchster Zufriedenheit des Königs / des Obristen Priesters Potiphars / aller Reichsfürsten / und insonderheit des unvergleichlichen schönen jungen Paars / so Eheleut werden solten.

Hierauf erklungen die Trompeten / und erschalleten alle andere Musicalische Instrumenten / die man bey Königl. Höfen zu solchen Festen zu gebrauchen pflegt / mit höchster Freud=Bezeugung des Volcks! In Summa / alles war frölich bey dieser Crönung / nur der gewesene Kuchenmeister Potiphar nicht; der gieng herum / wie Hanrey zu thun pflegen / wann sie innen werden / daß sie ihre Weiber mit Hirschgewey bekrönet / und sich doch nicht rächen können; dann erst damahl verstund er das Oracul, und konte doch nichts anders / als dem Joseph in seinem Hertzen Danck sagen / und ihm Glück wünschen: Derselbe war damal nicht gegen dem Musai gesinnet / wie der Mundschenck gegen ihm Joseph gewesen; dann er liesse ihn alsobald aus dem Gefängnuß holen / erbarlich bekleiden / und ihme aufwarten; Ihn so wohl gegenwärtiger Freud / als künftigen Glücks theilhaftig zu machen.

Mithin gieng die Königliche Crönung fort / bey welcher unter andern Zierlichkeiten / diese nicht die geringste war / daß man dem neuen König / (nach dem man ihn auf den Thron gesetzt / sein Haubt mit dem Diadema geziert / und mit Uberreichung des Königstabs / den Namen Pharao gegeben hatte /) auch des Reichs Sigill an Hals henckte; Wie dann noch heutiges Tags bey den Königen in Persia üblich. Als solches geschehen / ruffte Pharao in seiner Majestät sitzend / den Joseph zu sich / (welcher mit den allerwolständigsten Geberden vor ihme niederkniet /) Pharao sagte / wir haben dir des Reichs Sigill / samt allem Gewalt anvertraut / derowegen wird dirs hiemit solenniter übergeben; nahm darauf die güldene / oder vielmehr Edelgesteinerne Ketten / an welchem das Sigill hienge / vom Hals / und henckte es dem Joseph an / sagende / gleich wie ich fürohin Pharao heisse / also solst du künfftig Psonthom Phanechon genennt werden; Befleisse dich derowegen / deiner Weißheit nach / so regieren zu helffen / daß weder die Götter / noch die Völcker der Egyptischen Cron an uns etwas zu tadelen finden mögen.

Gleich auf vollendte Crönungs=Ceremonien hat Potiphar / der Obriste Priester von Heliopolis / seine Wunderschöne Tochter / die unvergleichliche Asaneth / dem Joseph / in Gegenwart des Königs und aller Reichsständ offentlich vermählet / ohnangesehen diese beyde niemal kein Wort miteinander geredet; Es geschahe aber darum so schnell / damit man beydes dem Volck und dem Joseph selbst / des Königs zu ihm tragende allergnädigste Neigung bezeugen / und zumahlen auch diese hochzeitliche Freud das herrliche Fest der Königlichen Crönung verdoppeln helffen möchte;

Als nun Joseph / nach Vollendung dergleichen Geprängs / sich so wol in die Reichsgeschäffte / als sein eigne Haushaltung zu schicken begunte; Sagte er zu seinem Musai: Nun wolan / liebster Freund / du sahest mich in einer Wolffsgruben / jetzt sihest du mich in gröster Herrlichkeit! Du hast mich und die gantze Caravan von Räubern errettet; Ich aber hab dich aus deiner Gefangenschaft erlöset; Pharao hat mich wegen meiner Propheceyung groß gemacht / ich aber will dich um deiner Waarsagung halber nicht verachten / sondern nach Vermögen tractirn / und gleich wie mich Pharao mit einer Gemahlin versorgt / also will ich dir hingegen zwo geben / wann es dir anders gefällig ist; Ich werde / ob zwar unwürdig / ein Psonthom Phanechon Pharaonis genannt / wann du wilst meinem GOtt dienen / den ich ehre / so seye ein Psonthom Phanechon des Josephs; Sihe / ich gebe dir die Wahl / wilst du das Elend bauen helffen / und bey mir seyn / was ich bey dem König bin / so will ich bey dir seyn / wie ich gern hätte / daß mir der König wäre / biß ich dir zu höhern Dignitäten verhülfflich seyn kan / wilt du aber nicht / so will ich dich mit Zehr= und Verehrung also heimfertigen / daß du zufrieden seyn sollest.

Die Treuhertzigkeit Josephs gefiel dem Musai besser / als seine angebottene Gnade selbsten; Er sagte / liebster Herr / dessen danckbarliche Erkantnuß meiner wenigen Dienste / verbind mich eben so hoch / demselben getreulich zu dienen / als nöthig mir ist / die gnädig anerbottene Gnad und Gutthaten mit unterthäniger Danckbarkeit anzunehmen; Mein Herr schaffe mit mir nach seinem gnädigen Belieben / weil mein gehorsamer Vorsatz ist / ehender in seinen Diensten zu sterben / als ausserhalb denselben groß zu werden: Massen ich denselben unterthänig versichere / daß ich vestiglich glaube / mein höchste Glückseligkeit bestehe darinn / wann ich meinen Herrn getreulich diene; Weil ich gewißlich weiß / daß mich die unsterblichen Götter zu sonst nichts / als zu seinen Diensten gewidmet / wie sie dann auch ausser ihme mir kein Guts widerfahren zu lassen / vor längst beschlossen haben.

Demnach wurden dem Musai der Selich æ / jetzo der Asaneth beyde Kammer=Jungfern / (so damals / nach altem heidnischen Gebrauch / ein grosse Ehr war /) vermählt / und ihm zugleich Josephs Haußhaltung / samt der Wissenschafft und Erkäntnuß des wahren einigen GOttes anvertraut; Also / daß jetzo Musai beym Joseph war / was hiebevor Joseph bey Potipharn / dem gewesenen Königlichen Kuchenmeister / gewesen; Joseph selbst aber / behalf sich allein mit seiner lieben Asaneth / wiewol alle andere grosse Herren zur selbigen Zeit gantze Kuppel / so Ehe= als Kebs=Weiber zu nehmen pflegten; Welches ihm nicht allein bey der Asaneth ein grössere Liebe / sondern auch bey ihrem Vatter / und allem Volck ein grosse Gunst brachte.

Von dem an beflisse er sich allein der Reichsgeschäfften / und liesse Musai sein eigne Haußhaltung verwalten / er kleidet sich nach Königlichem Befelch in Purpur / und reiset Egypten durch und durch / an bequemen Oertern Fruchthäuser zu bauen / und Getraid aufzuschütten / ohne das der gemeine Pöfel wuste / zu welchem End solches geschahe; Die fruchtbare Jahr erzeigten sich so reich und überflüssig / daß kaum Kornschütten genug vor den König gebaut werden konten / alles Getraid / so Joseph zusamm brachte / in Sicherheit zu bringen; Andere aber / so der Egyptischen Fruchtbarkeit alle Jahr versichert / oder vielmehr gewohnet waren / gedachten nicht daran / was dieses neuen Regenten Beginnen bedeuten möchte / weil sie jährlich ein gute Ernd zu hoffen / gewohnt hatten.

Also baute Joseph fort und fort Kornhäuser / kauffte Getraid / und spielte auf das künftige / so gar / daß er auch bey nahe des Königs Schatzkammer erödete / mit höchstem Mißfallen der alten Reichs=Rähte / als welche ein bessers zu wissen sich einbildeten: Er machte ein neue Ordnung im gantzen Land / daß nemlich bey Leibsstraff nicht die geringste Früchten / so der Mensch geniessen könte / und sich aufheben liessen / vor das Viehe verfüttert: Sondern aller Uberfluß in des Königs Scheuren / (deren er im Königreich genug aufrichten liese) um landläuffigen / und zwar damals sehr wolfeilen Preiß / geliefert werden musten / dardurch brachte er / neben den Königlichen Pfachten oder Güldfrüchten / in den sieben fruchtbaren Jahren ein solche Menge von allerhand Getraid zusammen / daß man gantz Egypten halb Elen hoch damit überstreuen mögen; Hingegen aber flohen die Königliche Schätze aus / also / daß schier kein Kleinod / oder etwas / das Seltzamkeit oder Alter halber hoch geschätzt wurde / geschweige der Gäng und Geben=Sorten / mehr übrig verbliebe; Und wie Joseph dem König hausete / also hauset hingegen Musai dem Joseph und seinem Schwervatter / dem alten Hohen=Priester Potiphar.

Damal hielte jedermann / dem die Fruchtbarkeit Egyptens bekant war / das Beginnen ihres Psonthom Phanechons vor ein eitele Thorheit; Ja / sagte der gemeine Pöfel unter sich selbsten / wir wollen gern sehen und erleben / zu was End der König seine / und des Reichs Schätze durch diesen Fremdling dergestalt vernarren läst? Er vermeint gewißlich / der Nilus werde austrocknen? Oder der Himmel werde dem Erdreich seine Fruchtbarkeit entziehen? Andere aber sagten: Er hat vielleicht im Sinn / Schlösser mit Früchten aufzubauen / und die Mauren an statt mit Stein / Sand und Kalchs / mit Getraid zu machen / damit man in Zeit der Faulheit oder der ohnnötigen Noht / von den Wänden Nahrung nehmen könnte! Noch waren andere / die schertzten höhnisch / man müste Leut haben / die das Geld wider unter den gemeinen Mann bringen / es möchte sonst vielleicht in des Königs Schatzkammer versporen; Ja / die Reden des Einen und des Andern lieffen so seltzam untereinander / daß es endlich zu einer Rebellion hinaus geloffen wäre / wann die wolfeile Zeit nicht bald aufgehöret hätte.

Aber schaue: Urplötzlich erschiene Mangel / sonst nirgens als an allen Orten; Welches ein schröcklich und sonst allerdings ungewöhnlich Ding im Lande war!

Ehe aber solche Theurung einrisse / hatte GOtt den Joseph mit zweyen jungen Söhnen: nemlich dem Manasse und Ephraim gesegnet / welche ihm zu Ehren also genennet wurden / weil ihr Vatter / vermittelst dessen Gnad seines überstandenen Leids / nunmehr vergessen: und wieder in seine vorige Freyheit gesetzt war; Derselbe hatte seiner Gemahlin die Warheit von dem einigen ewigen GOtt so wohl als seinem Musai offenbahrt / welche ihr Vatter / der Obriste Priester Potiphar / vor männiglich als ein hohe Geheimniß verborgen hielte / damit solche heilige Wissenschafft nicht unter das gemeine Volck käme / und also die Perlen vor die Säu geworffen würden; Dann damal war der Gebrauch / daß man das Volck im Gehorsam zu behalten / mit Abgötterey / falschem Gottesdienst und Aberglauben abspeisete; Derohalben gewan Asaneth ihren Joseph je länger je lieber / so wol darum / dieweil er sie zur Erkantnuß GOttes gebracht; als auch / daß sich ihre Reichthum und Barschafft wiederum mit tausendfaltigem Wucher / gleich im Anfang der Theurung vermehrte / welche Musai / aus Befelch Josephs / in der wolfeilen Zeit / um wolfeile Früchten / zu solchem End ausgesäet hatte.

Im Anfang solcher Theurung erschienen nicht nur die Egyptier zu Thebe vor ihrem Pharao / sondern auch alle benachbarte Völcker / Getraid zu kauffen / die der König alle zum Joseph schickte; Welcher das erst und ander Jahr der Theurung / um erkauffte Früchten / alles gemüntzte Gold und Silber zusammen brachte / so das gantze Land vermochte! Um dritten Jahr gieng es an die herrlichste Schätz und Kleinodia / die etwan / wie man zu sagen pflegt / hinter neun Schlossen verborgen lagen; Joseph hatte in der wolfeilen Zeit vier Einhörner / aus Mangel Gold und Silbers / zu Geld gemacht / und um erkauffte Frücht ausgeben / welche nicht die geringste Zier und Rarität des Königlichen Schatzes gewesen; Aber ehe vier Jahr herum giengen / liefferte er derselben 12. in die Schatzkammer; Und also geschahe es mit allen seltenen Sachen! Ja / er liefferte in dreyen Jahren in des Reichs und des Königs Schatz wieder hundertmal mehr / als er zuvor in sieben Jahren / seiner Neider Meinung nach / aus demselben vernarret hatte; Indessen wurde der Hunger je länger je grösser; Dann entweders ergosse sich der Nilus nicht / das Land zu befeuchtigen / oder er überschwembt und verderbte alles: In den benachtbarten Landen aber war weniger Stern / als in Egypten selbsten.

An einem Morgen frühe / als Joseph mit seiner Liebsten auf ihrer Ligerstatt sprachte / und mit seinen Söhnen schertzte / kam Musai eilends ins Zimmer geloffen / und sagte; Herr; die leichtfertige Vögel / Die Cald æer / die Schelmen / so meinen Herrn hiebevor in der Wolffsgrube gehabt / und der Caravan verkaufft haben / seynd all Neun und noch einer darzu vorhanden / Getraid zu kauffen; Will mein Herr / so will ich den Blutdieben allen mit einander die Häls zerbrechen / und dich an den Mäußköpffen dergestalt rächen / daß sie der Teufel holen soll.

Liebster Musai / antwortet Joseph / du hast dich bißher in allen deinen Wercken / als ein weiser Mann erwiesen / nun aber wilst du das Wiederspiel von dir bezeugen! Weist du nicht / daß sich ein Weiser nicht durch den Zorn: viel weniger durch ein gehlinge Rach überwinden lassen soll? Hast du nicht gehört / (als du mich zu einem Gott gemacht hattest) daß ich den Räubern keinen andern Befelch gegeben / als daß sie deren / so mich verkaufften / verschonen solten? Was hätten wir dann nun vor Ehr darvon / wann wir denen / durch Entziehung einer Hand voll Bluts / das Leben nehmen / die ich hiebevor zu dem End vor den Räubern erhalten; damit man die Vorsehung GOttes desto handgreifflicher spüren möge; Weist du nicht mehr / daß sie mich zu deiner und der Caravan Erhaltung verkaufft haben? Massen du gestehen must / wann ich damahl nicht bey der Caravan gewest / und durch dich zu einem GOtt gemacht worden wäre / daß euch alle die Arabische Räuber gefangen und in ewige Dienstbarkeit verkaufft hätten; Diß ist aber noch das geringste / das sie gethan haben / wann du bedencken wilst / daß sie mich / durch ihre Verkauffung / auch zu dieser meiner gegenwärtigen Hochheit / und dich zugleich zu deinem Glück befördert! Darum stehet uns besser an / ihnen zu dancken / als sie zu straffen;


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