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Wie nun die Stadt Bactra mit samt dem Schloß / oberzehlter massen / in Nini Gewalt kommen / ist mein Vatter auch lebendig in dessen Hände gerathen / dieweil der König Ninus seinen Kriegsleuten bey Verlierung Leib und Lebens gebotten / daß sie ihn nit umbringen / sondern lebendig gefangen nehmen solten / dann er wolte die jenige junge Person sehen / dessen Ruhm wegen seiner Tapfferkeit und behenden Kriegs=Anschlägen in der gantzen Welt erschollen; Er hat ihn auch nicht allein nit als ein Feind tractirt / sondern ihn unter seine beste Freund gesetzt / mit Ermahnung / daß er ihm / wie hiebevor dem Zoroastre, gleiche Treu erweisen wolte; solcher massen nun ist mein Vatter in des Assyrischen Monarchen Nini Dienste / nach Ninive: nach dessen Tod aber mit der Königin Semiramis nach Babylon in Chald æam kommen; welches Reich Ninus von seiner vorigen Gemahlin / die eine Königin in Chald æa gewesen / und ihm einen Sohn Trebeta: und eine Tochter Sosanna geboren / erblich an sich gebracht.
Asaneth sagte / was hat es doch vor eine Beschaffenheit mit dem Tod dieses Königs? Ich hab mir lassen erzehlen / Semiramis hätte nur einen Tag den Königl. Gewalt begehrt / und als ihr solcher gegeben worden / an demselbigen den König umbringen lassen; Musai antwortet / diese mag ihr wohl zur Unehr nachgedichtet worden seyn / weil sie nicht allein sehr unkeusch / sondern auch über alle massen regiersichtig gewesen; Ninus hat in Belägerung der abgefallenen Stadt Ecbatana einen Pfeilschuß empfangen / und als er sich daran curiren lassen wolte / ist ein anderer Zustand darzu geschlagen / welcher ihm den Tod propheceyte / derowegen er mit Wissen und Einwilligung der alleredelsten Assyrier seiner Königin den Scepter samt dem Königlichen Kleid übergeben / und befohlen hat / das Regiment zu verwalten / biß sein Sohn Ninius Mannbar und zur Regierung tüchtig würde; hat also Semiramis noch bey Leben ihres krancken Manns zu herrschen und zu befehlen angefangen / gleich wohl aber nicht über fünff Tag / weil Ninus nach Ubergab des Königlichen Gewalts nicht länger gelebt; und lasse ich dahin gestellt seyn / ob Semiramis in solcher Zeit nicht mehr den Tod / als das Leben des Königs befürdert; Ist auch leicht zu glauben daß die Assyrier sie in der Regierung nicht hätten sitzen lassen / wann sie deswegen von ihrem natürlichen Herren nicht ausdrücklich befelcht worden; vornemlich wann sie den König selbst umgebracht hätte; Sie hat ihn zu Ninive gantz prächtig begraben lassen / und ihn ein grosen Damm von Erden 9. Stadia hoch / und 10. Stadia breit zu Ehren aufrichten lassen / samt einer Seulen / mit folgender Grabschrifft: Mein Vatter ist gewesen Jupiter Belus, mein Altvatter Saturnus Babylonius (Nimroth.) mein Uraltvatter Chus Saturnus Ægyptius, (Cham.) meines Uraltvatters Vatter war Cælus Phoenix Ogygies (Noach.) vom Ogyge biß zu meinem Altvatter hat die Sonn die Welt umlauffen 131. Mal / von meinem Altvatter biß zu meinem Vatter (Belo.) 56. mahl / von meinem Vatter biß zu meiner Zeit 62. mahl; besser unten stund geschrieben; diese Seul / Tempel und Bilde hab ich Semiramis meinem Schweher Jovi Belo. und Mutter Rheæ in diesem Olympo zugeäignet.
Nach dem Tod Nini hat Semiramis meinen Vatter zu einem Kriegs=Obristen über ein hundert tausent Mann zu Fuß gemacht / dann sie war nicht vergnügt / mit den Ländern / die sie von ihrem Mann besasse / sondern hat noch darzu gantz Ætiopiam und ein groß Theil Libiæ unter sich gebracht / und die Perser / Meder / Araber / Bractianer und andere Völcker mehr / so offt sie an ihr abtrünnig worden / widerum zum Gehorsam gezwungen; sie rüstete sich drey gantzer Jahr mit Volck und Waffen wider die Indianer / und brachte dreisigmahl hundert tausend Mann zu Fuß / 500000. Reuter / 100000. Streitwägen / und eben so viel Männer auf Camelen sitzent / (deren Schwerter 4. Ehlen lang gewesen) zusammen; damit zog sie an den Fluß Indum / allwo sie die Indianer (deren König Staurobates viel ein grösser Heer beysammen hatte / als Semiramis) in einem Schiffstreit / und nachgehend auch zu Land überwunden / und in die Flucht geschlagen hat. Als sich aber die flüchtige Indianer bey ihrem König wieder gestellt / und den Assiriern tapffer widerstanden / haben sie endlich die nachjagende Feinde wieder umzukehren gelernet / und ihnen den bey nahe erhaltenen Sieg wiederum aus den Händen gerissen; Ja er hat sie gar wiederum über den Indum gejagt / an welches Gestatt der Friede geschlossen / und beyderseits Gefangene gegeneinander ausgewechselt worden; In diesem letzteren Treffen hat Semiramis kaum den dritten Theil ihres Kriegs=Heers davon gebracht / und ist noch darzu selbst von des Königs Staurobate äigner Person an zweyen Orten verwundet worden;
Nach diesem Streich verblieb sie im Frieden still sitzen / und legte sich auf das Bauen / nit nur der Mauren / Städte / Gärten und dergleichen; wie dann solches mit jedermans Verwunderung weltkündig; sondern sie hatte auch hohe Berge geebnet / und tieffe Thäler erhöhet; aber neben allen diesen lobwürdigen Verrichtungen ist sie den fleischlichen Wollüsten so gar ergeben / und darinn so unersättlich gewesen / daß sie auch ihrer äignen Stieffkinder nicht verschonet hat / weßwegen dann Trebeta ihr Stieff=Sohn und noch etliche mit ihm / die an ihren schändlichen Lastern ein Mißfallen gehabt / freywillig in das Elend gezogen; und demnach sie sich nit wieder vermählen wolte / aus Sorg / sie möchte um die Regierung kommen / gleichwohl aber ihre Begierden nicht im Zaum halten konte / hat sie die schönste Jüngling zu ihren Beyschläffern erwählet / gleichwohl aber solche / wie das Gemürmel gangen / nach gehabtem Wollust alsobalden heimlich hingerichtet / damit ihre Schand nicht an Tag käme. Wiewohl nun mein Vatter / als einer von den ansehenlichsten Jünglingen seiner Zeit / von ihro diß Orts nicht übersehen worden; so ist er doch ihren mörderischen Händen glücklich entronnen: dann als er unterschiedlich mahl bey finsterer Nacht zu einer Damen aus dem Königlichen Frauenzimmer abgeholet worden (wie man vorgeben und ihn überredet) hätt er endlich auch gern wissen mögen / mit was vor einer er dann zu schaffen habe; hat sie derowegen einsmahls mit einem Diamant / den er in einem Finger=Ring getragen / an der Stirn geritzt / gleichsam als ob es ihm ungefehr und also wider seinen Willen geschehen wäre / welches die sonst listige Königin vor andern damahl empfundenen Wollust entweder nicht wargenommen oder gefühlet / oder doch sonst / als eine wider meines Vattern Wissen und Willen beschehene Sach / stillschweigents hingehen: und ihn wie andere mahl mehr mit dem Leben an seinen Ort passiren lassen. Ob nun solches geschehen / sich keines so qualificirten Jünglings selbst zu berauben / sondern seines Verstands / seiner Tapfferkeit / seiner Künste und Wissenschafften / und seiner versicherten Treu zu schonen / oder ob er sie vor andern sonst wohl zu contentirn vermocht / lasse ich dahin gestellt seyn. Als er aber am andern Tag im Tempel Beli zu Babylonia das Zeichen an der Königin Stirn sahe / konte er sich leicht die Rechnung machen / daß es Zeit wäre / aus ihren Augen zu verschwinden; weil es aber schwer war / einer so mächtigen Herrscherin zu entrinnen / er hätte gleich offentlich oder heimlich ausreissen wollen / sihe / so hat er sich zur List gewand / und sich in einen Priester Vulcani verstellet / zu welchem Ende er seine Haubt=Haar glatt auf der Haut hinweg schären: und ihm einen schneeweisen Habit machen lassen / wie es dann die erstgedachte Priester zu tragen pflegen; seine äigne Haut aber / machte er durch eine künstliche Salbe desto schwärtzer; und als er seine beste Cleinodia zu sich gepackt / hat er sich noch denselbigen Abend aus dem Staub gemacht / und in wenig Tagen die Vorgebürg der Persischen Gräntzen erlangt: aber so bald wurde er nicht gemangelt / so bald wurde sein hinterlassen Gesind durch Pein und Verheissung von der Königin angefochten / zu sagen / wohin ihr Herr kommen / warum? wohin / und in welcher Gestalt er entwichen; Sie schwiegen alle / und hätten sich ehender tod foltern lassen / ehe sie ihren Herrn verrathen; Aber der Barbirer konte das Maul nicht halten / wuste aber hingegen auch anders nichts zu sagen / als daß er ihn / wie einen Priester Vulcani geschoren; darauf giengen Befelch in alle Land / daß man alle dergleichen Priester aufffangen / und nach Babylon bringen solte; auch wurden überal mandata angeschlagen / und dardurch verkündet / wer oder welcher den ausgetrettenen Kriegs=General Zoroastrem tod oder lebendig nach Babylon liefern würde / dem oder denen solten 100. Talenta zum recompens und alle des Entwichenen hinterlassene Haab gegeben werden.
Mein Vatter hatte ihme zuvor wol eingebildet / daß die Königin bemelter Priester Heiligkeit nit schonen / sondern wann sie erfahren / daß er in ihrer Habit entgangen / solcher Gestalt procedirn würde / derowegen hat er / so bald er die Persische Berge erlangt / solches Kleid verwechselt / da er aber auch durch die offentliche angeschlagene mandata verstund / wieviel Gelts den Lieferern seiner Person versprochen worden / hat er gar nichts mehr getrauet / sondern sich in die eusserste Wüsteney des ungeheuren felsichten Gebürgs Ararat in Armeniam begeben / und daselbst von einem so zugerichten Käse zwantzig Jahr gelebt / daß er kein Kranckheit oder Beschwerlichkeit des Leibs gefühlet hat:
In solcher Zeit hat er aus der Cordyeer Geschlecht und nation eine Dirne von ihren Gespielen hinweg geraubt / als sie auf die Höhe des Gebürgs steigen wolten / von dem dasselbst befindlichen Schiff Noachi Pech zu holen / welches wider das Gifft gebraucht wird; selbige zu seinem Weib behalten / und erstlich eine Tochter (so aber gleich nach der Geburt gestorben) und nachgehents mich aus ihr erzeuget; mit der dritten Tracht aber ist mein Mutter / als sie bald gebären solte / samt der Frucht tod blieben / ich aber wurde von der Milch einer seugenden Wald=Eselin ernährt / welche mein Vatter / wie auch alle andere Thier / durch Pfeiffen und etliche Wörter zu sich beschwerden / und wieder von sich schafften konte / wann er wolte; Als ich nun das zehende Jahr erreichte / und mein Vatter des einsamen Lebens in seiner Höle müd: und zugleich auch aus seiner Kunst versichert war / daß seine Verfolgerin Semiramis nicht mehr im Leben; wolte er mich die Welt auch sehen lassen / nach deren ich ein grosses Verlangen trug; derowegen giengen wir einen beschwerlichen Weg durch rauhe Felsen des Vorgebürgs aus Armenia in Persiam / allwo sich mein Vatter anfänglich zu den Hirten auf dem Feld gesellete / und sie überredet / daß er und ich durch Krafft der Sonnen / aus einem Steinfelsen geboren und entsprungen wären / welches das albere Volck / weil wir beede nackend waren / leichtlich glaubte / und uns mit schlechten Kleidern versorgte / in welche mein Vatter seine köstliche Kleinoder und Edelgestein partirte und vernähet / die er bißhero in einem grossen Indianischen Biffelshorn / das er ohngefähr in seiner Einöde gefunden / verwahret hatte.
Von diesen Hirten machte er sich in die Dörffer / und aus den Dörffern in die Städte / da er dann sich und mich anders kleiden liese / nemlich in einem langen Talar / der seiner Person ein sonderbar Ziert und Ansehens gab / und demnach von dem gemeinen Geschrey im gantzen Land geglaubt wurde / das die Hirten von unserer wunderbarlichen Ankunfft und Geburt ausgesprengt / hatten wir vom Volck einen grossen Zulauff / die uns sehen wolten / welche uns Söhne der Sonnen nannten; solches bewögte meinen Vatter / sie unterschiedliche Künste sehen zu lassen / welches verursachte / daß viel curiose Leut immerdar bey ihm seyn wolten; So / daß er endlich aus ihnen eine Gesellschafft zusammen brachte / die er in seinen Wissenschafften unterrichtete / aus welchen dann die Persische Magi endlich entsprungen.
Ich lernete von ihm / was mir damahl zu begreiffen müglich war / kam auch so weit / daß mir die Unterirrdische Götter gehorsamten / meine Befelch ausrichten musten / denen ich aber / seithero ich den einigen himmlischen GOtt erkennen lernen / ihre Dienste wiederum allerdings aufgekündet habe;
Asaneth sagte zum Musai / wo ist aber endlich die Semiramis hinkommen / sintemahl man bey uns gesagt: bey den Assyriern aber wie ich höre / vestiglich glaubt: sie seye zu einer unsterblichen Göttin worden?
Musai antwortet / man sagt und glaubt diese zwar bey den Assyriern / welche vorgeben / als sie zu den Göttern zu fahren sich entschlossen / seye sie unversehens aus den Augen der Menschen verschwunden; hingegen sagen aber auch andere / sie seye in eine Taube verwandelt worden / und mit einer Schaar solcher Vögel / die ungefehr in ihr Gemach gefallen / darvon geflogen; Ich aber glaube / daß sie ihr Sohn Ninyas, der auch Zameis genannt wird / heimlich umgebracht: und hernach dem Volck diese erdichte Gottwerdung vorgelogen habe / ohnezweiffel ist sie keines natürlichen Tods gestorben / weil man ihr (als so einer großmächtigen Königin billich gebührt hätte) nirgends kein Grabmahl aufgerichtet findet.
Diese des Musai Erzehlung stimmet mit Herodoto überein / welcher schreibt / daß erst lang nach der Semiramide ein andere Assyrische kluge Königin / Nitocris genannt / das jenige Grab bauen lassen / welches lang hernach König Darius zu seinem höchsten Schimpff öffnen lassen / der Hoffnung viel Golts daraus zu fischen.
Das sey dann nun genug von der Semiramide; antwortet Asaneth / du aber lasse uns deine Histori vollents hören; da fuhr Musai in seiner Erzehlung fort / und sagte: Demnach meines Vattern discipuli gäntzlich glaubten / daß er aus einem Stein von der Sonnen geboren worden wäre / haben die aberglaubige thörichte Leute angefangen zu zweiffeln / ob er ein irrdischer Mensch / oder vielleicht ein unsterblicher GOtt wäre / vornemlich / weil er durch natürliche und übernatürliche Künste viel verwunderliche und unglaubliche Sachen verübte und ins Werck setzte / deren Ursachen und Ursprung sie mit ihren sieben Sinnen nicht begreiffen konten / sondern alles aus eines absonderlichen Göttlichen Gewalts / der solches ins Werck stellen müste / sonst vor pure unmüglichkeiten hielten; damit sie dann nun aus solchem Zweiffel kämen / und wann er vielleicht ein Gott wäre / ihm desto grössere Ehr anthun könten / haben sie ihm den Koth eines Vögleins heimlich beygebracht / welcher die Art an sich hat / daß er einen jeden Menschen durch einen sanfften Tod schlaffent umbringt; welches Gift bey den Persern hoch gehalten / und als ein Schatz aufgehoben wird / solches auf allen Nothfall zu gebrauchen; Als sie nun hierauf meinen Vattern wider ihr bessers Verhoffen auf seiner Ligerstatt tod gefunden / seynd sie zwar aus ihrem getragenen Zweiffel gesetzt worden / haben aber hingegen ihre Thorheit / und den an ihrem lieben unschuldigen Lehrmeister begangenen Mord dergestalt bereuet / daß ich mit ihrem jämmerlichen Leidwesen selber ein Mitleiden tragen müssen; und zwar hatten sie hierzu genugsame Ursach / dann sie noch lang nit den zehenden Theil der jenigen Künste von ihm erlernet / die mein Vatter mit sich ins Grab genommen.