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Mit Asien machen wir billig den Anfang, denn es ist die Geburtsstätte der Menschheit, die Wiege der Völker, der Ursitz aller Gesittung und der Mittelpunkt der ganzen Weltgeschichte; das Christentum hat in Asien seinen Ursprung und seinen Ausgang genommen. Die ganze alte Geschichte hat in Asien ihren Angelpunkt, von Asien aus sind die Völker vorgedrungen über Nordafrika und Europa und haben die Bildung westwärts getragen bis nach Amerika; wie die Kultur Amerikas eine Tochter der europäischen ist, so ist Europa eine Tochter von Asia. Ehe man noch wußte, daß ein Festland Europa als Anhängsel des großen asiatischen Kontinents vorhanden sei, vielleicht ehe noch ein Hirt oder Jäger über die Wolga und den Ural hinausgedrungen war, blühten im Orient schon Weltreiche, herrschten mächtige Könige in prächtigen Palästen und großen Städten über Millionen von Untertanen, forschten schon Weise in den Geheimnissen der Sterne, ließen schon Priester zur Ehre der Götter ober- und unterirdische Tempelhallen bauen, kämpften schon Völker mit Völkern auf Leben und Tod. Aber diese frühe und glänzende Bildung ist auf einem Punkte stehen geblieben, das Völkerleben hat sich unter dem Despotismus der Herrscher verknöchert, die Asiaten sind alte unmündige Kinder. Schon 400 Jahre vor Christo, als die mächtigen Perserkönige das kleine Griechenvolk mit dem Gewicht ihrer Heere zertrümmern wollten, zeigte sich's, daß asiatischer Glanz in seiner Hohlheit und Nichtigkeit zerrann vor europäischer Kraft. Der schönste, begabteste, kraftvollste Menschenstamm, die kaukasische Rasse, ist wohl in Asien geboren, aber erst in Europa zur Entwicklung seiner Kraft gelangt. Und das Christentum, das ein neues Leben in die versunkene Menschheit brachte, ist wohl auf asiatischem Boden entsprossen, aber das junge Pflänzchen mußte von Asien nach Europa getragen werden, um hier zum großen, schattigen Baum, mit Blüten und Früchten reich geschmückt, empor zu wachsen.
Der Bildungsstrom, der von Europa jetzt nach allen Gegenden der Erde sich ergießt, wendet sich aber auch nach Osten zu seinem Quellande zurück, und es scheinen zwei große Nationen, die Engländer und die Russen, von der Vorsehung dazu bestimmt, die asiatischen Völker aus ihrem geistigen Schlaf aufzurütteln und neues Leben in den starren Massen anzufachen. Freilich, zur Höhe des europäischen Lebens wird sich Asien nimmer emporschwingen, denn himmelhohe Berge, weite, ungeheure Steppen und Sandwüsten, unfruchtbare Hochflächen trennen hier die Menschen weit mehr als in Europa, wo die Nationen mehr und mehr zu einer großen Völkerfamilie zusammenschmelzen. Die Hochflächen der Tartarei und Mongolei werden immer von Nomadenhorden durchzogen werden, und das sibirische Tiefland, allein schon so groß als ganz Europa, ist nur in seiner Südzone kulturfähig, und der nördliche Teil leidet unter der strengen Kälte des langen Winters. Hinwieder nimmt das Wunderland Indien, das asiatische Italien, durch die Pracht und Üppigkeit seiner Natur die Sinne gefangen und versenkt den Geist in ein träumerisches Stilleben, während die reiche Inselwelt von Ceylon, Java, Sumatra, Borneo und den Gewürz-Inseln unter den Gluten der heißesten Sonne erseufzt, die alle Tatkraft lähmt. Die gemäßigteren Länder aber, wie die Türkei, Persien, das eigentliche China, sind trotz der günstigeren Natur nicht zu geistiger Entwicklung und bürgerlicher Freiheit fortgeschritten; von Westen bis Osten derselbe Despotismus der Herrscher, derselbe Sklavensinn der Beherrschten. Die Religion Mohammeds war ein loderndes Feuer, das eine Zeitlang von Arabien aus die angrenzenden Völkerstämme mit fieberhafter Tatkraft beseelte; aber es war vorübergehend und konnte den Funken wahrer Geistesbildung nicht entzünden. So sehen wir denn jetzt bei manchen asiatischen Völkern nur noch Üppigkeit und Schlaffheit. Das türkische Reich in Asien ist so morsch wie das in Europa. Das alte Indien ist tot, die Religionen haben ihre Heiligkeit, die alten Schriftwerke ihr Verständnis, die alten Sitten ihre Bedeutung verloren, obwohl der fein gebildete Hindu im Bunde mit dem fanatischen Muselman noch lange den europäischen Eindringlingen seinen zähen Widerstand entgegensetzen wird. Doch beginnt sich's in einzelnen fortschrittslustigen Geistern der Brahminenkaste zu regen, europäische Ideen und Einflüsse, auch Eisenbahnen finden allenthalben Eingang und wirken zersetzend auf indische Religionen und Zustände. Kräftiger noch und bildsamer als im Innern steht das Inselreich Japan da, das die Abgeschlossenheit gegen fremde Völker längst aufgegeben hat, Handelsverträge mit den Kulturstaaten Amerikas und Europas geschlossen, abendländische Kultur bei sich aufgenommen und in Regierung und Verwaltung, im Kriegs- und Bildungswesen fast mit überstürzter Hast das europäische Muster nachgeahmt hat. Viele Häfen und die Großstädte Tokio und Osaka sind den Fremden geöffnet. Der Mikado (Kaiser von Japan), der früher in tiefster Verborgenheit lebte, ist nach kurzem Bürgerkriege, welcher die Herrschaft des Schogun (Kronfeldherrn) stürzte, plötzlich hervorgetreten und hat die Zügel der Herrschaft in die Hand genommen, vor der sich nun auch die früher sehr übermütigen Lehensfürsten beugen. Eine Reform folgt der andern, Eisenbahnen und Dampfschiffe, Post und Telegraphen, viele Zweige der Industrie, das Zeitungswesen, die Staatsverfassung, alles ist nach europäischem Muster entwickelt. Schon hat Japan in einem glücklichen Krieg mit China (1894/95) dem Riesenstaat die Überlegenheit europäischer Kultur und Kriegskunst deutlich gemacht. Seite an Seite mit den europäischen Mächten hat es 1900-1901 gegen den Fremdenhaß Chinas gekämpft. Durch den siegreichen Krieg mit Rußland 1904/05 hat es sich die allgemein anerkannte Großmachtstellung und den Besitz Koreas erworben. Daß auch China aus seinem jahrtausendelangen Schlaf aufwacht, beweist die gründliche Umgestaltung seines Bildungswesens, mit der ein vielversprechender, allerdings für Europa nicht unbedenklicher Anfang gemacht worden ist. Wie wenig jedoch diesen Völkern mit einer rein verstandesmäßigen Aufklärung geholfen ist, zeigen die heutigen Wirren.
Der Charakter des geistigen Lebens im Morgenlande war im allgemeinen bisher Einförmigkeit und Versumpfung; doch umso mannigfaltiger erscheint das natürliche Leben des Menschen, umso verschiedener sind seine Sitten, seine Körperbildung, seine Sprache, Lebensart und Betriebsamkeit – entsprechend dem asiatischen Kontinente selber, der in seinen natürlichen Verhältnissen von allen Erdteilen die größte Mannigfaltigkeit darbietet. In keinem Erdteile sind die klimatischen Verhältnisse so eigentümlich und verschiedenartig wie in Asien. Seine große Ausdehnung umfaßt alle Zonen. Der im hohen Norden wohnende Polarmensch, der Samojede, Tschuktsche, Ostjake, kleiner und breiter Gestalt, und wiederum der schwarze, wollhaarige Insulaner auf Borneo und Sumatra; dann die Kaukasusstämme der Armenier, die Afghanen, Perser mit regelmäßiger, schöner Gesichtsbildung, hoher Stirne, großem Auge, langer, etwas gebogener Nase, roten Wangen und weichem braunem oder schwarzem Haar, – welch ein Unterschied von dem dunkelfarbigen Tamilen und hellbraunen Hinterindier, der mit einem schwarzen lockigen Haar eine plattgedrückte Nase und einen großen, hervorstehenden Mund vereinigt; – und wiederum von dem Chinesen mit plattgedrückter Stirn, schiefliegenden, enggeschlitzten Augen und hervorstehenden Backenknochen!
Wie die Menschenwelt zeigt auch die Tier- und Pflanzenwelt die mannigfaltigsten Formen. Es ist, als ob die Natur ihren Erstgeborenen als Vorbild für alle anderen Weltteile ausgestattet und den Reichtum aller in Asien vereinigt hätte. Im hohen Norden, bei fast ewigem Winter, ist kaum noch ein Moos oder eine Flechte, weniger noch ein Strauch zu finden; nur Seehunde und Eisbären bewohnen die eisige Küste. Weiter ins innere Land des Nordens kommen die Pelztiere, welche als Jagdwild auch den Menschen in die unwirtlichen Gegenden locken und ihm Schutz vor dem Winterfrost gewähren. In Mittelasien wechseln Salzsteppen und Sandwüsten mit den schönsten Grasebenen, auf denen das wilde Pferd, oder vielmehr das Maultier mit hirschartigem Halse, Dschiggetai genannt, sich tummelt. In den schönen Hochtälern des Himalaja, des höchsten Gebirges der Erde, wachsen unsere Getreidearten wild. Steigt man dann aber bis zu den südlichen Halbinseln und Inseln hinab, so zeigt sich die üppigste Fülle der gewürzreichsten Früchte; in den dichtverschlungenen Wäldern brechen Elefantenherden sich Bahn, und im sumpfigen Rohr lauert der Tiger auf Beute. Asien hat uns Reis, Mais und Zuckerrohr geschenkt, welche dann, wie die Völker, nach Westen gewandert sind; die Glut der Sonne veredelt die Pflanzensäfte zu Gewürzen, Balsam und Heilmitteln aller Art. Kein Land bietet eine größere Auswahl von Fruchtbäumen dar; alle unsere edleren Obstsorten stammen aus Persien, Syrien, Kleinasien. In Hindostan und auf den Inseln an seinen Küsten blüht die Königin der Palmen, die Kokospalme, in einer Höhe von 18 bis 24 Metern und überschüttet die Menschen mit ihrem Segen. Neben dieser Fürstin stehen als Vasallen die Wein-, Areka-, Sago-, Dattel- und Schirmpalmen und die dem Hindu heilige Banane ( ficus bengalensis), deren Äste sich in einem rechten Winkel zur Erde senken und aus diesen wieder einen neuen Stamm treiben, so daß ein einziger Baum mit der Zeit einen ganzen Wald zu schaffen vermag.
So ist der große Erdteil, von dem ich dir jetzt einzelne charakteristische Bilder mitteilen will.