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Dritter Abschnitt.

Arabien.

Mekka und die Kaaba.

Nach Heinrich Freiherr von Maltzan, Meine Wallfahrt nach Mekka.

Das Heiligtum des Islam, die Kaaba, zu sehen, ist für einen Christen ein Verbrechen, worauf nach den Gesetzen des Islam die Todesstrafe steht. Nur wenigen ist es deswegen gelungen, an das Ziel zu kommen, meist nur, indem sie das gefährliche, schwierige und sittlich bedenkliche Mittel anwendeten, sich als Mohammedaner auszugeben. So unternahm der deutsche Reisende Maltzan nach langjährigem Aufenthalt in dem mohammedanischen Nordafrika im Jahre 1860, wohlbekannt mit Sprache und Religion, verkleidet als algerischer Maghrebi, d. h. als Mohammedaner, eine Pilgerreise nach Mekka. Er suchte sich in Algerien zunächst einen Mohammedaner heraus, unter dessen Namen er reisen wollte. Der etwas heruntergekommene Mann mußte während der Zeit Algier verlassen, nachdem er seinen Paß an Maltzan abgetreten hatte, und für ein halbes Jahr auf Maltzans Kosten in Tunis leben. Indessen trat Maltzan, nachdem er sich in Malta möglichst in einen dem Paß entsprechenden Araber verwandelt hatte, unter dem Namen Sidi Abd-er-Rahman ben Mohammed es Skikdi, als Hadsch, d. h. Mekkapilger, seine Pilgerreise an. Es Skikdi nannte er sich, d. h. Einwohner von Philippeville, weil in dieser algerischen Stadt nur Franzosen wohnen und er daher, wenn er unterwegs algerische Pilger traf, die ihn nicht kannten und vor denen er sich am meisten fürchten mußte, sagen konnte, er sei der einzige Araber in Philippeville. Von Malta fuhr er auf einem Platz dritter Klasse, da seine Landsleute so fahren und er auch in dem Paß als Bedienter bezeichnet war, nach Alexandrien und von dort mit der Bahn nach Kairo. Schon unterwegs traf er mit andern Pilgern zusammen und verabredete mit ihnen auf dem Nil aufwärts bis Kene zu fahren und von dort durch die Wüste nach Kosseir zu wandern, um von hier nach der arabischen Küste überzusetzen. Diesen Weg zog er dem bequemeren über Suez vor, weil er gefährlichen Begegnungen hier leichter ausweichen konnte. Am 23. April fuhren sie von Kairo ab und erreichten am 10. Mai Kene. Der nur etwa 24 Meilen weite Wüstenweg wurde in sieben Tagen zurückgelegt. Am 21. Mai wurde auf einer Kandscha, einem Fahrzeug, das den schönen Namen »Mutter des Friedens« führte, in Wahrheit aber nach Maltzans Urteil ungefähr das unzivilisierteste Fahrzeug war, welches je ein Meer befahren hat, die Überfahrt über das Meer angetreten. Nach langer, immer wieder unterbrochener Fahrt an der Küste Arabiens hin wurde endlich am 9. Juni Dschedda, der Hafen von Mekka, erreicht, schon eine heilige Stadt, da hier das Grab der Eva sich befindet (Dschedda bedeutet Großmutter). Eine ungeheure Menge von Pilgern war aus allen Gegenden der Welt in der kleinen Hafenstadt zusammengeströmt. Nachdem die Pilger die vorgeschriebene Wallfahrt zu dem etwa dreiviertel Stunden entfernten Grab der Mutter Eva, der die mohammedanische Sage die auffallende Länge von 150 Meter gibt, ausgeführt hatten, wurde am Abend des 15. Juni der letzte und wichtigste Teil der Pilgerreise, der Weg von Dschedda nach dem neun Meilen entfernten Mekka angetreten. Der Weg wird immer bei Nacht zurückgelegt, so daß eine nähere Beschreibung dem Pilger unmöglich war. Als der Tag anbrach, war Hadda, die Mittelstation, erreicht. Hier mußte der Tag zugebracht werden. Bis hierher ist es auch solchen, die keine Moslems sind, gestattet, vorzudringen. Der Weg nach Mekka, der unnahbaren heiligen Stadt, ist für jeden, der nicht Mohammedaner ist, unbetretbar. Mit Tagesanbruch näherten sich am folgenden Tag die Pilger durch eine Gegend, die halb Wüste, halb Hochebene mit Steppencharakter war, der heiligen Stadt. Im Morgengrauen erschien eine graue Masse mit undeutlichen Umrissen, bei deren Anblick ein fürchterlicher unaussprechlicher Jubel losbrach. Es war Mekka, die neunmal heilige Stadt, die Sehnsucht aller Muselmanen, Mekka, in dem jeder Stein heilig ist, in dem die Kaaba liegt, das Heiligste auf Erden.

Mekka bietet durchaus keinen imponierenden Anblick dar. Es liegt in einem schmalen, einem vertrockneten Flußbett gleichenden Tal, das von niederen 120 – 210 Meter hohen Hügeln überragt ist. Kein Baum, kaum ein Strauch und nur hie und da spärliche Gemüsepflanzungen verbreiten ihr Grün über den Wüstenboden, welcher die Stadt umgibt. Diese selbst ist von innen und außen durchaus nicht imposant. Schon daß Ringmauern gänzlich fehlen, läßt die Stadt von außen wenig großartig erscheinen. Doch hat die Stadt im Innern einige ansehnlichere Gebäude. Alles Interesse konzentriert sich auf die große Moschee mit ihren sieben Minarets, mit den zahllosen Kuppeln ihrer Seitengänge und dem hoch aus der Mitte des Tempelraumes aufragenden Hause der Kaaba. Begleitet von dem unvermeidlichen Metuaf, einer Art geistlichem Führer, betraten sie das Innere der Moschee, die weltberühmte Mesdschid el Haram, gewöhnlich schlechthin El Haram (das Heiligtum) genannt. Sie gleicht einer eigentlichen Moschee wenig. Es ist ein großer, viereckiger, nach oben völlig offener Hof, ungefähr 210 Meter lang, nicht ganz 150 Meter breit, auf allen Seiten umgeben von einer Säulenhalle und die zehn oder zwölf Heiligtümer in sich schließend, welche neben der Kaaba die Zentralpunkte des Islam sind und von jedem Pilger besucht werden müssen. Lassen wir uns den Besuch der Kaaba von Maltzan erzählen.

Ehe ich weiter in den Tempelhof, wo sich die Kaaba und die anderen Heiligtümer befinden, vordringen durfte, mußte ich mich noch der Pflicht entledigen, zwei Rikats zu beten, welche gewissermaßen der erste Gruß des Pilgers an die Moschee im allgemeinen sind, während man die Kaaba im besonderen nachher an einem hierzu festgesetzten Orte noch durch zwei Verbeugungen begrüßen muß, ehe man in ihre nächste Nähe gehen darf. Dann nahm mich mein Metuaf, Schadak ben Hanifa, bei der rechten Hand, der dicke Haggi Omar begleitete mich zur linken und beide führten mich nun schnurstracks nach der Mitte des Moscheehofes, wo das wunderliche Heiligtum des Islam, die Kaaba, thronte.

Da lag sie, eine finstere, schwermütige Masse, von schlecht zubehauenen Steinen erbaut. Ein viereckiges, schwerfälliges Monstrum der Kunst, plump und roh in seiner Anlage und Ausführung, wie es das Kindheitsalter barbarischer Tempelarchitektur erzeugt hatte. Sie ragte über alles, was sie umgab, empor, höher als der die Moschee umgrenzende Portikus, höher, als alle das Gebäude umringenden Heiligtümer. Obgleich an und für sich eigentlich nicht sehr hoch, denn die Höhe der Kaaba beträgt nur vierzig Fuß, so nimmt sie sich doch, wegen der absichtlich niedrig gehaltenen Bauten neben ihr und um sie herum, imposant aus und ruft dem Pilger einen stolzen Willkomm zu. Ja es ist, als ob sie ihn aufforderte, niederzufallen und ihrer schwerfälligen Masse in tiefster Verehrung seine abgöttische Huldigung darzubringen.

Die Kaaba, welche zwar Kubus oder Würfel genannt wird, aber kein Würfel ist, denn ihre Höhe beträgt beinahe das Doppelte ihrer Länge und Breite, erregt durch diese ihre einfache, aber dennoch seltsame Form beim ersten Anblick unsere Überraschung. Der Umstand, daß sie bei einer verhältnismäßig kurzen und schmalen Basis eine Höhe besitzt, welche man mit der eines abgeschnittenen Turmes vergleichen möchte, unterscheidet sie auffallend von anderen barbarischen Heiligtümern alter Zeiten, welche gewöhnlich fast immer von einer erdrückenden Niedrigkeit sind. Die Seltsamkeit dieser Form des Gebäudes, dazu sein finsteres Aussehen, seine bevorzugte Lage mitten im Tempelhofe, die Heiligtümer, welche es umringen, die ungezählten Scharen halbnackter Fanatiker, welche in wahnsinnigem Enthusiasmus bald vor ihr niedersinken, bald aufspringen, um sie und ihre Heiligtümer an Herz und Mund zu drücken, bald im verrücktesten Rennen um sie herumlaufen; dies alles verfehlt nicht, einen in seiner Seltenheit mächtigen, ich möchte sagen grauenerregenden Eindruck hervorzubringen. Auch bei mir war dieser Eindruck nicht von Grauen frei. Ich war von dem Schauspiel, welches ich vor mir hatte, tief ergriffen. In diesem Augenblick vergaß ich mein eigenes Ich gänzlich, ich dachte nicht im geringsten daran, mir Glück zu wünschen, daß ich nun am Ziele meiner Wünsche stand, daß ich einer der wenigen Europäer geworden war, welche dies Heiligtum sehen durften. Nein, meine Sinne und mein Geist waren ganz von dem vor mir liegenden, in seiner Art einzigen Schauspiel in Anspruch genommen, ich möchte sagen überwältigt. Eine finstere Dämonenburg erschien mir diese Kaaba. Auf einmal wurde mir die düstere Bedeutung dieses einstigen Götzentempels klar. Alles, was die Kaaba und ihren Pilgerdienst betrifft, ist so ganz dem reineren Monotheismus fremd, alles dies ist so durchaus und so unzweifelhaft heidnisch, daß man deutlich erkennt, daß Mohammed, welcher dieses götzendienerische Element, um seiner Lehre unter den fanatisch-heidnischen Arabern mehr Anhänger zu verschaffen, in seine Religion mit aufnahm, dadurch sie für ewig zu einem Kultus von barbarischer Roheit gestempelt hat.

Aber, was auch meine Betrachtungen beim Anblick des größten Heiligtums des Islam sein mochten, äußerlich war ich genötigt, davor die größte Ehrfurcht an den Tag zu legen. Mein Metuaf rüttelte mich bald aus dem Nachdenken auf, in welchem er mich einen Augenblick unbehelligt gelassen, und mahnte mich an die Pflichten der Pilgerschaft, welche ich jetzt zu erfüllen hatte. Die erste dieser Pflichten war, daß ich bei dem zweiten »Tor des Grußes« die zweimalige Verbeugung zu Ehren der Kaaba machen mußte. Dann schritt ich durch dies zweite Tor des Grußes, welches ein gänzlich freistehender, runder, etwa zwanzig Fuß hoher Bogen ist, nach den sogenannten »Fußstapfen Abrahams«, welche direkt auf dem Wege vom Tor des Grußes nach der Kanon liegen. Dort mußte ich das »Allahu Akbar« (Gott ist groß) und das »La Illaha Il Allah« (es gibt keinen Gott, außer Gott), das sogenannte Tahalil, sprechen. Kaum hatte ich diese Formeln gesprochen, als zwei Diener der Moschee mit Krügen voll Wasser, aus dem links von Abrahams Fußstapfen gelegenen Semsembrunnen, auf mich zukamen und mir von der heiligen Flüssigkeit zu trinken gaben, wofür sie natürlich eine Vergütung erhielten, denn nichts ist in der Mesdschid el Haram umsonst, selbst für die Luft, die man einatmet, muß gewissermaßen gezahlt werden. Dieses Wasser, welches sehr viel wunderbare Eigenschaften haben mag, besitzt jedoch nicht die dem Trinker willkommenere Eigenschaft, genießbar oder verdaulich zu sein. Es ist bitter, liegt einem schwer im Magen und hat viele mineralische Bestandteile, die ein anderes gutes Trinkwasser nicht zu haben pflegt. Aber es ist ein Wunderwasser; wer es trinkt, der ist des Paradieses gewiß und genießt auch auf Erden schon eine Menge Vorzüge. Indes dem Semsembrunnen selbst durfte mein Besuch jetzt noch nicht gelten. Zuerst mußte ich den schwarzen Stein küssen und den Tuaf, den Umlauf um die Kaaba, machen. Wir näherten uns also der Kaaba und zwar ihrer östlichen Ecke, wo der berühmte Hadschar el assuad, d. h. der schwarze Stein, sich eingemauert befindet. Anfangs konnte ich ihn jedoch wegen des dichten Gedränges von Pilgern, das ihn umringte, nicht sehen und mußte Ssadak aufs Wort glauben, daß er hier vorhanden sei. Da dieser Stein aber einige fünf Fuß über dem Boden eingemauert ist, und die ihn umringenden Hadschadsch meist klein waren, so bekam ich ihn nach kurzem Warten doch von Zeit zu Zeit zu Gesicht, wenn gerade ein besonders kleiner Pilger vor ihm stand. So viel ich jetzt unterscheiden konnte, so war er nur etwa acht Zoll lang, etwa ebenso breit, seine Farbe ein schmutziges schwarzbraun, außerdem schien er mit einem schwarzen Zement überzogen. Zu ihm zu gelangen war jedoch wegen der ihn umlagernden, ihn umknieenden und ihn küssenden Pilgerscharen vorderhand nicht möglich; diese Wartezeit war um so peinlicher, da der schwarze Stein nicht nur ein Sammelpunkt der Mohammedaner aus allen Weltteilen, sondern leider auch dessen, was sie mitbringen, nämlich des Ungeziefers aus allen Himmelsgegenden ist. Bekanntlich ist es nämlich dem Pilger unter Androhung der schwersten Strafen und Sühneopfer verboten, ein Schmarotzerinsekt auch nur zu berühren, um es zu entfernen, weil er es dabei verletzen könnte. Wir warteten also inmitten des Insektenkampfes wohl eine Viertelstunde in der Nähe des schwarzen Steines. Endlich fragte ich in meiner Ungeduld, ob es denn kein Mittel gebe, um die Hadschadsch zum Aufstehen zu bringen. Ssadak erwiderte, es gebe sogar zwei Mittel: ein gewaltsames, nämlich sie fortzustoßen, oder die List. Wir wählten die letztere, ich mußte ihm einen Rial (spanischen Taler) geben. Damit ging er nach dem etwa zwanzig Schritt entfernten Semsembrunnen und erschien bald darauf wieder in Gesellschaft von vier kräftigen Kerlen, welche auf ein Zeichen von ihm mit der vollen Kraft ihrer tieftönenden Baßstimmen zu rufen begannen: »O, ihr Pilger, ein frommer Hadsch, den Gott segnen möge, hat dem Heiligtum ein Opfer gebracht, damit ihr alle vom Wasser des geweihten Semsembrunnen trinken möchtet. Kommt herzu, ihr Pilger! Wer Wasser des heiligen Brunnens trinken will, der komme! Allah hat es euch gespendet.« Darauf sprangen die meisten Pilger herzu, und so kam ich nun fast ohne mein Zutun zu einem Platz dicht vor dem Stein.

Welche Fülle von Unsinn im Islam von diesem Stein gefabelt wird! Im Anfang war er bewachender Engel im Paradies, wanderte sodann mit Adam als Stein aus und fand seinen Platz in der Kaaba, bis der Tempel durch die Sintflut zerstört wurde. Abraham mit Ismael bauten die Kaaba wieder auf, und der Engel Gabriel brachte den Stein vom Himmel herunter und fügte ihn in die Kaaba ein. Am jüngsten Tag aber wird er wieder seine Persönlichkeit erlangen und Zeugnis für diejenigen ablegen, welche während ihres Erdenlebens zu ihm gewallfahrtet sind, ihn mit Küssen bedeckt und ihm mit tiefster Verehrung gehuldigt haben. In Wahrheit ist es ein Stück vormohammedanischen Götzendienstes, das Mohammed mit diesem Stein in den Islam hereingenommen hat.

Der Stein war von schwarzbrauner Farbe, von einem gleichfarbigen Zement überzogen; seine Form schien elliptisch, seine größte Länge mag vielleicht neun, seine größte Breite sechs Zoll betragen. Die Oberfläche ist durch das viele Küssen von schmutzigen Pilgerlippen und das Daranreiben ihrer Hände ganz poliert und mit einer glänzenden Fettkruste überzogen, so daß er jetzt wie schön polierter schwarzer oder schwarzbrauner Marmor aussieht.

So ekelhaft es mir auch vorkommen mochte, mußte ich doch dieses schwarze Monstrum nun küssen, was ich nicht ohne großen Widerwillen tat. Dann mußte ich beide Hände daran reiben, ihn mit der Stirn, der Wange und dem Kinn berühren, was alles Ssadak mir vormachte, wobei ich ein kurzes Gebet zu sprechen hatte. Dann küßten wir nochmals den Stein, rieben nochmals Stirn und Hände daran und verließen ihn endlich, um den Tuaf, den vorgeschriebenen Umgang, um die Kaaba zu machen.

Was das Material ist, aus dem der schwarze Stein besteht, das ist bei der Decke von Schmutz und Fett, die ihn umgibt, schwer zu sagen. Der Reisende Burckardt hat ihn für ein Stück Lava erklärt, Burton dagegen behauptet, überzeugt zu sein, daß er ein Aerolith oder Luftstein sei. Fast möchte ich die Ansicht Burckhardts wieder hervorholen; vielleicht ist er aber ganz einfach Basalt, welcher ja in dem mit ausgebrannten Vulkanen gesegneten Arabien gefunden werden soll.

Mein Metuaf führte mich nun auf einen mit Granit gepflasterten Weg, der rings um das heilige Haus herumläuft und Matef (Gang des Tuaf) heißt. Auf diesem fast immer dicht an der Kaaba selbst hinführenden und nur an einzelnen Stellen sich unbedeutend von ihr entfernenden Weg mußte ich um das Heiligtum hergehen, wobei immer von Zeit zu Zeit bestimmte Gebete gesprochen werden müssen. So kam ich vorbei an dem Stein, wo Abraham stand, als er an der Kaaba baute; an der Tür der Kaaba, die ungefähr sieben Fuß über dem Boden angebracht ist und nur mittelst einer Leiter erreicht wird (die Kaaba ist nur dreimal des Jahres dem Publikum zugänglich, ihr Inneres ist aber kein besonderes Heiligtum); an den Fußstapfen Abrahams, einem außerordentlich großen Loch im Boden, das durch einen Fußtritt Abrahams nach Isaaks Opferung entstanden ist, übrigens durch einen erhabenen hölzernen Teckel, der mit einem rotseidenen Teppich bedeckt ist, verhüllt wird; an der goldenen Dachrinne, welche das Regenwasser vom Dach der Kaaba herableitet; an dem Grab des Patriarchen Ismael unterhalb der Dachrinne; an dem weißen Stein (Hadschar el Abiad), von dem die Mohammedaner selbst nicht sicher wissen, was er zu bedeuten hat.

Es müssen im ganzen sieben Umläufe um das Haus gemacht werden, und zwar die ersten drei in schnellem, beinahe laufendem Schritte, die anderen vier mit gemessener, bedächtiger Langsamkeit. Die Beschleunigung der drei ersten Umläufe geschieht zum Andenken an Mohammed und seine Gefährten, von welchen man erzählt, daß sie, nach mehrjährigem Aufenthalt in Medina von dort nach Mekka zurückgekehrt und von der langen Reise ermüdet, hinfällig und schwach aussehend, von den Mekkanern als kraftlos verspottet wurden, weshalb der Prophet, um zu beweisen, daß es ihm nicht an Kraft fehle, den Umlauf die ersten drei Male rasch zurücklegte, worauf sich viele seiner Widersacher bekehrten. Es genügt übrigens nicht, daß man bei diesen drei Umgängen schnell geht, man muß auch noch die Schultern auf- und abbewegen und dadurch anzeigen, daß man sich der größten Aktivität und Lebenskraft erfreut, ähnlich wie es der Prophet getan haben soll, um seine Feinde Lügen zu strafen. Auch ich legte den siebenmaligen, pflichtschuldigen Umgang zurück und war nun endlich von einer großen Last frei. Jetzt galt es noch einige Heiligtümer im Moscheenhof zu besuchen und dann sollte ich endlich dem heiligen Hause den Rücken kehren dürfen.

Wir können Maltzan nicht auf seinen Wanderungen durch die angeblich heilige, in der Tat bei näherer Kenntnisnahme recht unheilige Stadt begleiten. Auch die Wallfahrt nach dem großen Heiligtum außerhalb Mekkas, dem drei Meilen entfernten Berg Arafa, die von einer riesigen Pilgerschar gemeinsam ausgeführt wurde, konnte er noch mitmachen. Dieser Berg, eine fast völlig kahle Felsenmasse, der Bäume gänzlich fehlen, heißt Arafa, d. h. Berg der Erkenntnis oder des Wiederfindens, weil auf ihm Adam die Eva nach 120jähriger Trennung wiederfand; ein Heiligtum ist er zugleich, weil Gott sich hier dem Mohammed geoffenbart haben soll. Bald darauf nahm die Wallfahrt ein jähes Ende. Einige algerische Pilger tauchten auf, die über den Landsmann verwundert waren und offenbares Mißtrauen an den Tag legten. Erschreckt ließ Maltzan seine sämtliche Habe im Stich, verließ wie zu einem kurzen Gang seine Wohnung, mietete einen Esel und trabte nach Dschedda, das er in vierzehn Stunden glücklich erreichte. Zu seiner Freude lag eine englische Brigg vor Anker, auf die er sich alsbald begab, um über Bombay den Heimweg anzutreten.


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