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Die Wohnung des Herrn Grafen von Czrabowski war für den muthmaßlichen Erben des Stammschlosses Rachow mit großen Gütern in der Weichselgegend, reichen Waldungen mit Bärenjagden sehr einfach, fast allzu bescheiden; sie bestand aus einem einzigen Zimmer, welches durch einen finsteren Alkoven, in dem das Bett stand, zum Salon erhoben wurde. Die Wände dieses Zimmers waren mittels Anstrichs von Kalkfarbe in einem mattröthlichen Tone gehalten und schienen sich vollkommen selbst genug zu sein, denn nirgendwo sah man die Prätension, sich durch Bilder, Kupferstiche oder dergleichen schöner machen zu wollen. Da der edle Pole einen harmonischen Zusammenklang liebte, so bestanden die Möbel seines Appartements aus dem Allernothwendigsten, und dieses Allernothwendigste war aus gewöhnlichem Tannenholz gearbeitet. Das einzige Geräthe, welches die Aufmerksamkeit des Beschauers auf sich zog, und welches allein in gediegener Solidität glänzte, war ein neuer Reisekoffer, der auf zwei Stühlen in einer Ecke stand, dessen Decke geöffnet war und der einen ganz hübschen Inhalt von Kleidung und Wäsche zeigte. Neben ihm auf dem Boden befand sich eine Hutschachtel; an dem Bettpfosten am Alkoven bemerkte man eine ziemlich angeschwollene Reisetasche, und auf dem Tische lag ein sechsläufiger Revolver.
Um auf die für einen reichen polnischen Großen fast ärmliche Wohnung zurückzukommen, so hatten die zukünftigen Schwäger des Herrn Grafen, sowohl der Banquier als auch der Rechtsconsulent, zu verschiedenen Malen ihr Erstaunen darüber nicht verbergen können, daß Czrabowski sich kein besseres Appartement suche. Doch hatte dieser geantwortet: »Es macht mir nun einmal Vergnügen, so mit einem Male aus diesem in der That ärmlichen Zimmer bei meiner Verheirathung in eine glanzvolle Wohnung überzugehen. Es klebt mir immer noch etwas von dem Kriegerstande an, in dem die Czrabowski's seit undenklichen Zeilen excellirten; heute den freien Himmel über sich oder unter der durchnäßten Zeltdecke, morgen im prachtvollen Palaste; diese Abwechslungen sind es, welche dem Leben einen so eigenthümlichen Reiz verleihen.«
Zu Emilie Weibel hatte er gesagt, als sie ihn einst mit ihrer Mutter besuchte und dieselbe Frage an ihn stellte: »Glaubst du nicht, theures Mädchen, daß mir diese einfache Wohnung unendliche lieber ist als die reichsten Gemächer? Hier spricht mir jeder Winkel, jedes Möbel von den glücklichen Stunden, die ich hier zugebracht in liebender Erinnerung an dich, mein süßes Herz.« Darauf hatte sie ihren Kopf an seiner Brust verborgen, zitternd im Vorgefühl ihres künftigen Glücks, und Madame Weibel stand triumphirend dabei, neben ihrem zukünftigen gräflichen Schwiegersohn, und ihr fettes Gesicht glänzte wie ein gelber Kürbiß durch ein Gewinde rankender Rosen oder anderer zierlicher Schlingpflanzen.
Jetzt aber befand sich der Graf Czrabowski allein in seinem Zimmer; er stand an einem Fenster, hatte einen Brief in der Hand, und da wir im Interesse unserer Geschichte befugt sind, ihm über die Schultern zu schauen, auch obendrein bemerken, daß der Zettel gedruckt ist, so hindert uns nichts, denselben zu lesen. Auf ihm stand: »Madame Weibel gibt sich die Ehre, Herrn ... (der Name war ausgelassen) zu einem Frühstück auf Montag den 16. dieses einzuladen. U. A. w. g.«
Das, las auch der polnische Graf, ihm war von der Familie dieses Blatt zur Begutachtung zugeschickt worden; worauf er die Hand mit demselben sinken ließ, den rechten Arm gegen das Fensterkreuz stützte und den Kopf darauf legte.
Ich kann's nicht ändern, sprach er zu sich selber. Den Teufel auch! warum ist diese Familie so erpicht darauf gewesen, mich absolut zu heirathen? habe ich doch von Anfang an nie daran gedacht. Hätte sich das Mädchen nicht mit einer freundlichen Liebschaft begnügen können? Die Sache wäre viel länger gegangen und hätte ohne Eclat abgebrochen werden können. Hol' der Kukuk diese Sucht, einen Mann zu bekommen! Es ist das wahrhaftig wie eine ansteckende Krankheit, wie ein Delirium, in welchem sie nicht mehr hören noch sehen. Habe ich mir doch noch kürzlich alle Mühe gegeben, so unliebenswürdig wie möglich zu sein; habe ich doch und mit voller Wahrheit von meinem eigenen Ich aufs unschmeichelhafteste gesprochen. – Du wirst bei mir anders werden, hieß es, oder ich liebe dich auch mit allen deinen Fehlern. – Ja, meinen armen Grafen liebt man, setzte er höhnisch lachend hinzu.
Das ist auch eine Art Betrug, den man an mir verübt, sprach er nach einer Pause, indem er in die Höhe fuhr. Warum sollte ich mich geniren, es ihnen ebenso zu machen? Ich wollte, daß die Stunde dieses Frühstücks vorbei wäre; ich werde mich in weiter Entfernung alsdann eines gewissen unheimlichen Gefühles nicht erwehren können, wenn es mir auch anderntheils Vergnügen machte, das Gesicht der alten Weibel zu sehen; ich bin überzeugt, diese Person würde sich nicht das Geringste daraus machen, mich zu vergiften oder sonst auf eine Art umzubringen. – U. A. w. g. Um Antwort wird gebeten. Ja, sie werden alle antworten und werden kommen mit Neid im Herzen, daß es nicht noch ein paar Dutzend Grafen Czrabowski's für sich oder für die lieben Ihrigen gibt. – U. A. w. g. Und aus wär's gewesen. Ich kann mir nicht anders helfen; wär' ich wirklich schlecht genug, noch schlechter zu sein und dazubleiben, so müßte die Herrlichkeit doch in Kurzem über mir zusammenbrechen und mich und sie unter den Trümmern begraben.
Aber, Teufel! wo bleibt diese alte Person? Ich Narr, daß ich mich genirte, gleich schon für die letzten zwei Tage, wo so viel zu besorgen war, den Bedienten mit seinen zwei flinken Füßen hier einziehen zu lassen! Man sollte sich nie um das Gerede der Welt kümmern. Schon zwei Uhr. Auf Vier habe ich einen Wagen bestellt, und jetzt fehlt mir noch dieses einzige verfluchte Paßvisa. – Ah, endlich! Dort schleicht sie die Treppen herauf. Alte Schnecke! Wie gern möchte ich ihr entgegen eilen und ihr das kostbare Papier auf der Treppe entreißen! aber ich darf meine Thür nicht eher öffnen, als bis ich durch das verabredete Zeichen überzeugt bin, daß Niemand anders davor steht. – Wie satt habe ich diese Irrgänge und Unheimlichkeiten!
Einmal, zweimal, drei-, viermal, zählte er das leise Klopfen, welches man jetzt an der Zimmerthür vernahm. – So, das wäre in Ordnung. Jetzt noch einen Stoß mit dem Fuße unten hin – es ist richtig, sie ist's. Er ließ das Papier aus seiner Hand auf den Boden fallen und eilte rasch nach der Thür, um die Riegel zurückzuschieben; auch drehte er den Schlüssel um und öffnete selbst.
– Wie war ihm aber zu Muthe, als er statt der erwarteten alten Frau nun auf einmal dicht vor sich das kalte, entschlossene Gesicht des Herrn von Tondern erblickte, über welches bei der augenscheinlichen Bestürzung des edlen Grafen ein leichtes Lächeln wie ein flüchtiger Sonnenstrahl hinzog.
»Sie hatten sich so fest bei sich verschlossen, verehrter Herr von Czrabowski,« sagte der Eintretende, dem Baron Fremont auf dem Fuße folgte, »daß ich alle List anwenden mußte, um zu Ihnen zu gelangen. Lassen Sie es die arme Person übrigens nicht entgelten, daß sie uns die verabredeten Zeichen verrieth. Ich zwang sie dazu,« fuhr er mit einem sehr langsamen und malitiösen Lächeln fort, »indem ich ihr sagte, Sie seien ein ungeheurer Spitzbube, und wenn sie uns nicht Zutritt zu Ihnen verschaffte, so würde das in sehr kurzer Zeit eine hochlöbliche Polizei mit viel weniger sanften Mitteln thun.«
Während Herr von Tondern also sprach, waren er und der Baron vollständig eingetreten, worauf der Erstere als ein sehr vorsichtiger Mann die Thür verschloß und den Schlüssel im Schlosse umdrehte.
Bei allen schlechten Eigenschaften, welche der Pole besaß, konnte man ihm übrigens Geistesgegenwart nicht absprechen. Wenn er auch nach dem Oeffnen der Thür erschrocken zurück gefahren war, so überschaute er doch, nachdem Herr von Tondern gesprochen, das Gefährliche seiner Lage, wenn er auch nicht wußte, worauf diese Reden eigentlich abzielten. Er trat deshalb rückwärts an seinen Tisch und wußte den Revolver, der dort lag, unvermerkt unter den Rock und in eine seiner Taschen zu bringen. Er that das, um für alle Fälle gerüstet zu sein.
»Sie werden sich wundern,« sprach Herr von Tondern, »uns bei sich zu sehen. Ich wundere mich selbst darüber, und ich hätte nicht geglaubt, daß es uns so bald gelingen würde, eine Audienz bei Ihnen zu erlangen. Da wir nun aber einmal so freundschaftlich bei einander sind, so wollen wir auch nicht länger zögern, eine angenehme und lehrreiche Unterhaltung zu beginnen. Sie werden erlauben, daß wir Platz nehmen.«
»Ich bitte darum,« sagte der edle Graf verbindlich und beeilte sich, zwei Stühle an den Tisch zu rücken, auf die sich die Beiden niederließen, während der Graf sich ihnen gegenüber an der untern Seite des Tisches setzte.
Herr von Tondern blickte in dem Zimmer umher, wobei seine Augen mit dem Ausdrucke der Befriedigung an dem wohlgefüllten, unverschlossenen Koffer und an der rundlichen Geldtasche hängen blieben. Dann begann er: »Wie ich aus den verschiedenen Anstalten hier sehe, so scheinen Sie mir gerade im Begriff zu sein, von uns scheiden zu wollen. Ich finde das Ihrerseits außerordentlich praktisch, bedaure aber nur, daß ich Ihrem gerechten Wunsche, diese Stadt so bald wie möglich zu verlassen, etwas hinderlich in den Weg treten dürfte. – – O, ich kenne Sie,« fuhr er fort, als er bemerkte, wie der Pole mit einer nicht zu mißdeutenden Geberde emporfuhr, »weiß auch ganz genau, daß Sie mir zu Liebe nicht bleiben werden. Wir müssen Sie also zwingen, und zu diesem Ende erlaubte ich mir, der alten Dame, die sich durch Drohungen veranlaßt sah, uns den Weg zu Ihnen zu erläutern, ein gewisses Papier abzunehmen, welches Sie, wie ich mir denken kann, sehnlich erwarteten.« – Dabei tippte er leicht mit zwei Fingern auf die Brusttasche seines Rockes.
Graf Czrabowski zuckte verächtlich mit den Achseln, worauf er zur Antwort gab: »Mit welchem Rechte Sie also gehandelt, will mir nicht ganz klar werden, wie ich überhaupt nicht begreife, aus welchem Grunde Sie belieben, sich in mein Thun und Lassen einzumischen. Es ist wahr, wir haben ein Geschäft zusammen abgeschlossen, ich erfüllte bei demselben gewissenhaft meine Bedingungen, Sie die Ihrigen; was wollen Sie also noch weiter von mir? Nehmen Sie mir nicht übel, Herr von Tondern, daß ich, was diesen Ueberfall in meiner Wohnung anbelangt, meine absonderlichen Gedanken habe.«
»Und wenn wir wünschen, dieselben kennen zu lernen?« fragte der Andere spöttisch.
»Sie sollen Ihnen nicht vorenthalten sein.« Als er das sagte, steckte er die rechte Hand unbemerkt in die hintere Tasche seines Rockes. »Vielleicht,« fuhr er alsdann fort, »gereut es Sie, einen gewissen Vertrag mit mir abgeschlossen, das heißt, mir den Preis dafür bezahlt zu haben, und jetzt, wo Sie das Geheimniß, welches ich Ihnen verkauft, wohl gehörig ausgenutzt, wollen Sie den Versuch machen, mit Güte oder Gewalt die mir bewilligte Summe, zurück zu erhalten. – Ich glaube, wir kennen uns.«
Für einen Augenblick entschwand die Ruhe zugleich mit dem malitiösen Lächeln vom Gesichte des Herrn von Tondern; er beugte sich über den Tisch gegen den Polen hin, um ihm scharf in die Augen zu schauen, dann aber lehnte er sich wieder in den Stuhl zurück, warf einen Blick auf Baron Fremont, der während des ganzen Gespräches mit affektirter Gleichgültigkeit an die Decke emporgeschaut hatte, und sagte hierauf, wobei er die rechte Faust vor sich hinstemmte: »Wir kennen Sie freilich und kannten Sie bereits, ehe wir jenes Geschäft, wie Sie es nennen, mit Ihnen abschlossen. Doch war ich unbefangen genug, einen Menschen wie Sie für fähig zu halten, wenigstens eine schlechte That consequent durchzuführen, das heißt, ich hielt Sie nicht für so gering, sich von uns einen Preis für irgend eine Sache bezahlen zu lassen, und diese uns alsdann durch eine unerhörte Verrätherei wieder aus den Händen zu reißen.«
»Herr von Tondern!« rief der Pole überrascht.
»Nennen Sie nicht meinen Namen,« sprach der Angeredete; »es kann mich vollständig wild machen, ihn in Ihrem Munde zu hören. Pfui der Erbärmlichkeit! Sie verkauften uns den Testamentsentwurf des Grafen Helfenberg, um gleich darauf den Grafen von diesem Handel in Kenntniß setzen zu lassen. – Er hat sein Testament annullirt, wir sind betrogen – durch Sie betrogen.«
»Betrogen,« wiederholte Baron Fremont, ohne den Blick von der Decke des Zimmers abzuwenden.
Czrabowski fuhr bei diesen Worten von seinem Stuhl in die Höhe; sein Auge flammte, sein Mund öffnete und schloß sich krampfhaft; doch fuhr es gleich darauf wie ein düsterer, trauriger Schatten über seine Züge, man hörte ihn mühsam Athem holen, dann stützte er beide Hände vor sich auf den Tisch und stieß mit leiser, aber vor Wuth zitternder Stimme die Worte hervor: »Was Sie da sagen, ist erlogen, ja, erlogen – erlogen! Ich habe meine Verbindlichkeit gegen Sie vollkommen erfüllt, ich handelte gegen Sie ehrlich, was aber Ihre Absicht ist, verdient vielleicht einen anderen Namen. Glauben Sie nicht, daß ich ein Kind bin oder wehrlos; nein, Herr von Tondern, machen Sie immerhin den Versuch, mit Ihrer bekannten Frechheit gegen mich aufzutreten, Sie werden mich gerüstet finden.«
Man hätte glauben sollen, Czrabowski's Worte würden eine sehr unangenehme Scene herbeiführen; doch blieb Herr von Tondern ruhig auf seinem Platze sitzen; ja, er wandte sich mit einem kalten Lächeln an Baron Fremont und sagte alsdann: »Es ist im Grunde lehrreich, solche Menschen kennen zu lernen. – Glauben Sie aber nicht,« wandte er sich darauf mit einem finstern Blick an den Polen, »daß wir hieher gekommen sind, um uns durch Rodomontaden einschüchtern oder uns gar aufbringen zu lassen. Die Waffe, die man führt, richtet sich immer nach dem Feinde; es war uns darum zu thun, uns mit Ihnen möglicher Weise zu vergleichen. Gut, Sie wollen das nicht, halten wir also die Sache vorderhand für abgemacht. Ihr Paß wird bei der Polizei deponirt, und wir Beide, Baron Fremont und ich, haben dann nichts Einfacheres zu thun, als gerichtlich Ihren Verkauf des Testaments-Concepts zu erzählen – o, ich weiß, was Ihr Lächeln bedeutet – den Ankauf unsererseits, zu dem wir durch den Grafen Helfenberg selbst ermächtigt waren.«
Der Pole hatte sich bei der Rede des Herrn von Tondern außerordentliche Mühe gegeben, seine Ruhe wieder vollkommen zu erlangen, und es schien ihm das gelungen zu sein, Er ließ sich auf seinen Stuhl nieder, er strich mit der linken Hand durch sein dünnes Haar, während er seine rechte unter dem Tische verborgen hielt.
»Ich fange an, Sie vollkommen zu verstehen,« sagte er nach einer Pause; »Sie sind der Ansicht, ich hätte den Grafen Helfenberg von dem bewußten Handel in Kenntniß gesetzt und so den Nutzen, den Sie daraus zu ziehen gedacht, vereitelt. Welcher Grund aber hätte mich zu dieser Handlung bewegen können?«
»Ein sehr nahe liegender,« lachte Herr von Tondern; »Sie verkauften dem Grafen Helfenberg damit ein Geheimniß, welches für ihn schon von Wichtigkeit war und das er Ihnen theuer bezahlt haben wird.«
»Man könnte bei Ihnen in die Lehre gehen,« erwiderte der Pole nach einem augenblicklichen Nachdenken. »Es ist wahrhaftig schade, daß ich zu ehrlich war, es so zu machen. Aber wozu diese Reden?« fuhr er mit Erbitterung fort. Kommen wir zu Ende. Meine Zeit drängt; sagen Sie mit kurzen Worten, was wollen Sie von mir? und ich will alles Mögliche thun, um – Sie los zu werden.«
»Sie fangen an, vernünftig zu. sprechen,« versetzte Herr von Tondern mit eisiger Kälte. »Da es uns im Grunde kein Vergnügen macht, Sie in hiesiger Stadt zu halten, so geben Sie einfach die Verkaufssumme für das Testamentsconcept wieder heraus, wogegen Sie Ihren Paß erhalten, und dann mögen Sie abreisen und sich hängen lassen, wo es Ihnen beliebt.«
Baron Fremont nickte stumm mit dem Kopfe.
»Wenn ich Ihnen aber die feierliche Versicherung gebe, daß ich unsern Vertrag in keiner Weise gebrochen, daß ich weder den Grafen Helfenberg, noch sonst irgend Jemand von demselben in Kenntniß gesetzt; wenn ich bereit bin, Ihnen darüber einen körperlichen Eid abzulegen, so sollten Sie doch fast meinen Worten Glauben schenken, und dann wäre es ein förmlicher Raub, mir meinen wohl verdienten Preis wieder abzunehmen – mit Gewalt abzunehmen. Zwei gegen Einen,« setzte er mit einem eigenthümlichen Lächeln hinzu.
»Sie haben unser letztes Wort gehört,« gab Tondern zur Antwort, indem er seine Hände gemüthlich vor sich auf dem Tische faltete.
»So hören Sie denn nun auch mein letztes Wort,« sprach jetzt der Andere mit vollkommen verändertem Gesichtsausdruck und hierzu passendem, sehr entschlossenem Tone der Stimme. »Ob unsere beiderseitige Handlungsweise ehrlich oder nicht ehrlich war, das gehört nicht hieher; die Sache ist abgemacht; Sie erhielten die Waare, ich das Geld, und ich habe gute Lust, mit diesem wohl erworbenen Gelde der Stadt den Rücken zu kehren. Sie wollen mich daran hindern, indem Sie sich mit Gewalt in Besitz meines Passes setzen. – Gut denn. Wie Sie vorhin selbst sagten, danach der Feind ist, danach wählt man die Waffen. Ueberredung durch Worte hilft bei Ihnen nichts; ich muß mich also einer andern Ueberredung bedienen.«
Er hatte, während er so sprach, seine rechte Hand langsam erhoben und zeigte nun mit einem Male den erstaunten, fast erschrockenen Blicken der beiden Herren ihm gegenüber die sechs drohenden Mündungen seines Revolvers von sehr starkem Caliber. – »Sie sehen in mir einen Menschen,« fuhr er darauf mit tiefer Stimme fort, »der aufs Aeußerste gebracht und darum entschlossen ist, sich seine Freiheit, die Sie ihm nehmen wollen, wenigstens theuer bezahlen zu lassen. Es ist wahr, Sie haben meinen Paß in Händen. Dieser Paß ist der Schlüssel, der mir die Thore dieser Stadt, der mir ein angenehmes, freies Leben öffnen soll. Hören Sie mich also und halten Sie das, was ich sage, zu Ihrem eigenen Besten nicht für Scherz oder, nach Ihrem Ausdrucke von so eben, für Rodomontaden; entweder Sie legen meinen Paß hier auf diesen Tisch nieder, oder Sie verlassen dieses Zimmer nicht lebend; Sie beide nicht, ich alsdann vielleicht auch nicht, doch was thut's! ich mache dann eine Reise in sehr guter Gesellschaft. – Keine Bewegung, Herr von Tondern!« schrie er mit schrecklicher Stimme, als er sah, daß dieser sich rasch erheben wollte; »keine Bewegung, oder, beim Teufel, es ist Ihre letzte!«
Vielleicht sah Baron Fremont, der erschrocken auf die Seite gefahren war, daß sich die Finger des Polen, mit denen er den Revolver umspannt hielt, zusammenzogen, – genug, er faßte seinen Freund an den Schultern und zog ihn heftig auf den Stuhl zurück. Diese Bewegung entschied zu Gunsten des Herrn Grafen von Czrabowski.
Tondern's Gesichtsfarbe hatte sich eine Sekunde lang verändert; doch biß er entschlossen die Lippen auf einander, und unerschrocken, wie er war, wäre er ohne die Gegenwart seines neben ihm sitzenden weichmüthigeren Freundes seinem ersten Gedanken gefolgt, hätte er, sich plötzlich niederbückend, den Tisch auf den Polen geworfen und dann mit ihm auf alle Gefahr hin gerungen. Das wäre aber nur im ersten Momente möglich gewesen; jetzt war es zu spät.
»Es sind deine tausend Thaler,« sagte er mit einem Tone des bittersten Vorwurfes zu Fremont,« die uns dieser Schuft abermals stiehlt. Warum hast du mich gehalten? ich wäre mit ihm fertig geworden,« setzte er voll Unwillen hinzu. »Sei denn das Spiel verloren, hier ist das Papier.«
Mit großer Ruhe knöpfte Herr von Tondern seinen Rock auf, zog ein zusammengefaltetes Blatt hervor und wollte dasselbe gerade auf den Tisch werfen, als draußen vernehmlich an die Thür geklopft wurde.
Jetzt wechselte Czrabowski die Farbe, als er sah, wie Herr von Tondern das Papier wieder an sich zog, sich nach der Thür umwandte und Miene machte, aufzustehen.
»Sie bleiben sitzen!« rief ihm der Graf mit heiserer Stimme zu. »Mag kommen, wer will, mag mein Verderben entschieden sein, ich reiße Sie mit hinein, das schwöre ich Ihnen zu.«
Es klopfte stärker.
»Herr Baron von Fremont wird mir den kleinen Dienst erzeigen, meine Thür zu öffnen, wird aber dabei die Gewogenheit haben, das Zimmer nicht zu verlassen.«
Tondern hatte sich mit affektirt gleichgültiger Miene in seinen Stuhl zurückgelehnt, und seine Finger spielten mit dem Papier, welches vor ihm auf dem Tische lag.
Baron Fremont erhob sich langsam, öffnete die Thür und sah einen ihm gänzlich unbekannten, sehr langen Mann eintreten.
Besser als die Anderen schien aber Graf Czrabowski diesen Mann zu kennen; denn er zwinkerte mit den Augen, und ein halb unterdrückter Fluch entfuhr seinem Munde.
Don Larioz trat mit gemessenen Schritten ins Zimmer; den uns wohlbekannten Mantel hatte er so um sich geschlungen, daß man von seinem linken Arme durchaus nichts sah, den der tapfere Spanier steif und ohne alle Bewegung hielt. Er machte den beiden ihm fremden Herren eine förmliche Verbeugung und zog alsdann ein Schreiben aus der Tasche, mit welchem er Miene machte, sich dem Grafen Czrabowski zu nähern.
Dieser aber rief ihm ein gebieterisches Halt! entgegen und sagte mit einem Anflug von Ironie: »Sie bemerken vielleicht, mein Herr, daß wir hier in einem etwas seltsamen Spiele begriffen sind. Lassen Sie uns diese Partie beendigen, und ich stehe alsdann ganz zu Ihren Diensten. – Herr von Tondern,« wandte er sich darauf mit scharfer Betonung an diesen, »Sie hätten vielleicht endlich die Güte, auszuspielen.«
»Gib ihm ins Henkers Namen sein Papier!« flüsterte Fremont seinem Freunde ins Ohr. »Ich sage dir, dieser Kerl hat ganz die Augen einer eingesperrten Katze. Lieber will ich mein Geld gutwillig verlieren, als die Zinsen einer blauen Bohne mit erhalten.«
Tondern schnellte das Blatt über den Tisch hin, wo es der Pole mit der linken Hand begierig aufgriff, es rasch entfaltete und alsdann, sobald er seinen Paß erkannt, ruhig den Revolver in die Tasche steckte.
»Nun zu Ihnen,« sagte er hierauf, indem er aufstand, sich dem langen Spanier näherte und das Schreiben in Empfang nahm, welches ihm Don Larioz mit den Worten überließ: »Von Seiner Erlaucht dem Herrn Grafen Helfenberg. Ich werde eine Antwort erhalten.«
Tondern warf einen wilden Blick auf Fremont, der sich achselzuckend auf seinen Stuhl niederließ.
Der Pole hielt den Brief leicht zwischen den Fingern, betrachtete Aufschrift und Siegel, und sagte alsdann, indem er ein paar Schritte gegen Herren von Tondern machte: »Im gegenwärtigen Augenblicke, nach dem, was so eben zwischen uns vorgefallen ist, könnte mich die Lesung dieses Schreibens vor Ihnen compromittiren, und ich wünsche in der That, daß Sie mit einer guten Meinung von mir scheiden. Ich ersuche Sie deßhalb ergebenst, das Couvert zu öffnen und uns den Inhalt vorzulesen.«
Da Tondern durch vollständige Unbeweglichkeit anzeigte, er habe keine Lust, den Willen des Polen zu erfüllen, so wandte sich dieser an Baron Fremont, der nach einigem Zögern das Schreiben annahm, öffnete und las.
Graf Helfenberg schrieb:
»An den Herrn von Czrabowski!
»Durch meinen Geschäftsmann, den Herrn Rechtsconsulenten Doktor Plager, wurde ich in Kenntniß gesetzt von dem räthselhaften Verschwinden eines Entwurfes zu meinem Testamente. Der Verdacht, diesen Entwurf entwendet, zu haben, fiel auf einen Mann, von dem ich eben so sehr überzeugt bin, daß er unschuldig ist, wie ich durch Umstände, die mir bekannt geworden, annehmen zu können glaube, daß Sie dabei die Hand im Spiele gehabt. Ich bedarf darüber einer Gewißheit und ersuche Sie, mir die Wahrheit zu sagen. Daß ich dafür nicht undankbar sein werde, hoffe ich Ihnen zu beweisen. Bitte aber, mir zu glauben, daß andernfalls nach Verlauf einer Stunde die nöthigen Schritte geschehen werden, um ein Geständniß von Ihnen zu erlangen. Wählen Sie klug, da ich Ihnen die Versicherung gebe, daß die Worte, welche Sie mir schreiben, nicht zu Ihrem Schaden benutzt werden sollen.«
Nachdem Baron Fremont dies zu Ende gelesen, ließ er das Schreiben auf den Tisch fallen und warf einen forschenden Blick auf Herrn von Tondern, der aber einen Augenblick unbeweglich da saß und dann mit geringschätzendem Achselzucken sagte: »Eine abgeredete Sache! Wir sind nun einmal überlistet!«
Man sah wohl, daß nach diesen Worten die Röche des Zornes in das bis jetzt bleiche Gesicht des polnischen Grafen aufstieg. Ein unheimliches Zucken flog um seinen Mund, als er sagte: »Gut denn, denken Sie, was Sie wollen, und mag auch für mich und Andere daraus folgen, was will, ich werde Seiner Erlaucht die gewünschte Erklärung geben. Der Herr Graf Helfenberg,« setzte er nach einer Pause mit scharfer Betonung hinzu,« hat stets gegen mich gehandelt als ein vollkommener Cavalier, als ein Edelmann im wahren Sinne des Wortes. Ich gebe mich in seine Hand, mag er mit meiner Erklärung thun, was er will.«
»Ich glaube, wir sind ferner hier überflüssig,« meinte Baron Fremont halblaut, indem er sich an seinen Nachbar wandte. »Gehen wir, Tondern.«
»Ich schlage vor, noch einen Augenblick zu warten,« sagte Herr von Tondern mit derselben Ruhe wie vorhin. »Der Herr Graf Czrabowski wird wohl nichts dagegen haben, uns einen Blick in das fragliche Papier zu erlauben, nachdem er es geschrieben hat.«
»Gewiß nicht,« erwiderte der Pole, der aus seiner Reisemappe Papier und Feder nahm und sich an den Tisch setzte. »Vielleicht finden sich die beiden Herren sogar bewogen, meine Erklärung als unparteiische Zeugen zu unterschreiben.« – Darauf beugte er sich auf den Tisch nieder und fing an, emsig zu schreiben.
Während dieser ganzen Zeit stand Don Larioz unbeweglich in der Mitte des Zimmers. Wenn er auch die beiden Herren früher nie gesehen hatte, so war er doch nicht lange unschlüssig, in ihnen den Baron Fremont und den Herrn von Tendern zu erkennen. Und dabei erinnerte er sich der Worte des Doktors, daß sie es seien, die mit Legaten im Testament bedacht worden und für die es deßhalb von großer Wichtigkeit gewesen, das Concept zu erhalten. Der Dickere, gutmüthiger Aussehende von den Beiden war ohne allen Zweifel Baron Fremont, der Andere mit dem finsteren Blick, der so unbeweglich saß und der nur von Zeit zu Zeit an seiner Unterlippe nagte, war gewiß jener Herr von Tondern, bei dem, nach dem Ausdrucke des Rechtsconsulenten, das ausgesetzte Legat wie ein Tropfen Wasser auf den heißen Stein seiner Schulden falle. – Gut, dachte der Spanier bei sich, es ist ein Verdienst, das ich mir um die ganze Menschheit erwerbe, wenn ich diesen Beiden zeige, daß ich sie kenne und mich nicht vor ihrem Anblick scheue. Er faßte darauf mit der rechten Hand bedeutsam an seinen linken Arm, wandte alsdann den Kopf nach dem oberen Ende des Tisches, wo die Beiden saßen, und fixierte sie anhaltend mit seinen scharfen grauen Augen.
Unterdessen hatte der Pole geschrieben, überlas das Blatt noch einmal und reichte es dann mit einem eigenthümlichen Lächeln dem langen Manne.
Dies war der Augenblick, wo den Herrn von Tondern seine Unbeweglichkeit verließ.
Erlauben Sie,« sagte er aufspringend, »daß ich mir das Recht nehme, einen Blick in die Schrift jenes Menschen zu werfen.«
Don Larioz, der gemessen einen Schritt zurücktrat, schaute auf den Polen, welcher ihm sagte: »Lesen Sie es gefälligst dem Herrn vor.«
Und der Spanier las:
»Der Unterzeichnete erklärt Seiner Erlaucht dem Herrn Grafen Helfenberg auf sein Verlangen, daß er ein Concept zu dessen Testamente heimlicher Weise aus der Mappe des Rechtsconsulenten Doktor Plager genommen, und daß er dieses Concept dem Herrn Baron von Fremont sowie dem Herrn von Tondern um die Summe von tausend Thalern verkauft, daß er aber nicht weiß, was aus dem Papiere geworden.
Czrabowski.«
»Dieses Blatt werden Sie eben so wenig mit hinweg nehmen, als es dem Grafen Helfenberg übergeben!« rief Tondern, indem er den Versuch machte, dicht an den langen Mann heran zu treten, welcher aber einen Schritt rückwärts gegen das Fenster that und lächelnd fragte: »Wer will mich daran hindern?« Zu gleicher Zeit schob er das Papier rasch unter seinen Mantel, warf diesen alsdann von der linken Schulter zurück und ließ zwei überaus lange Stoßdegen sehen, die er bis jetzt unter demselben verborgen gehalten. – »Was man mir übergeben,« fuhr er mit leuchtenden Blicken fort, »werde ich treu bewahren und es mir nur dann nehmen lassen, wenn das Glück der Waffen gegen mich entschieden. Wählen Sie einen von diesen Degen, wenn es Ihnen gefällig ist, sie sind beide gleich lang und ausgezeichnet zugespitzt.«
»Ich glaube, wir sind in eine Mörderhöhle gerathen,« sprach Herr von Tondern, indem er sich an Fremont wandte und zu lächeln versuchte. »Hast du je etwas Närrischeres gesehen, als dieses lange Gespenst mit seinen beiden Degen?«
»Hier ist weder von einer Mörderhöhle die Rede, noch von langen Gespenstern,« gab Don Larioz zur Antwort, indem er den Kopf erhob und seine Waffen vorstreckte. »Ich will so freundlich sein, Sie für einen Cavalier zu halten,« fuhr er fort, »mögen Sie auch, was dieses Papier anbelangt, nicht gerade wie ein Edelmann gehandelt haben. Da Sie nun wahrscheinlicher Weise den Brauch zwischen Cavalieren kennen, so biete ich Ihnen einen ehrlichen Zweikampf an, bei welchem, wie es von jeher Sitte und Brauch war, der Sieger Recht behalten soll. Falle ich, so haben Sie sich an Herrn von Czrabowski zu halten, ob er seine Erklärung Ihren Händen anvertrauen will; stoße ich Sie aber nieder, wie ich zuversichtlich von der Gerechtigkeit Gottes erwarte, so ist die Sache ohnehin zu Ende, und ich gehe ruhig meiner Wege.«
Herr von Tondern hatte bei dieser Anrede einen Augenblick unschlüssig gestanden, dann aber sagte er, nicht ohne einen sichtbaren Kampf mit sich selber: »Ein gescheidter Mann kann nichts Besseres thun, als solcher Narrheit das Feld zu räumen. Laß uns gehen, Fremont; mag dieser Czrabowski geschrieben haben, was er will, Helfenberg kennt uns und soll den wahren Sachverhalt durchaus erfahren.«
»So närrisch ist das Anerbieten dieses Herrn nicht,« meinte der Pole, der mit über einander geschlagenen Armen lächelnd am Tische stand. »Wir sind zufälliger Weise zu Vier: Zwei schlagen sich, Zwei dienen als Sekundanten, und wenn der erste Gang gemacht ist, stehe ich dem Herrn Baron Fremont ebenfalls mit Vergnügen zu Diensten.«
Der gute Baron war aber nicht der Mann, der eine auf sich gerichtete spitzige Klinge leidenschaftlich geliebt hätte. Um dies jedoch nicht kund zu geben, nahm er die Miene tiefer Verachtung an und sagte, wobei er auf den langen Mann, zeigte: »Weder Tondern noch ich haben das Vergnügen, jenen Herrn zu kennen. Sollte uns dieses Glück später durch eine gehörige Vorstellung zu Theil werden, so werde ich nach Befund der Umstände auf jede gebräuchliche Art und Weise recht gern Rede stehen.« – Bei diesen Worten hatte er seinen Hut genommen, öffnete die Thür und verschwand ziemlich eilig in dem dunkeln Gange draußen.
Tondern blieb noch einen Augenblick unschlüssig in der Mitte des Zimmers stehen, dann sprach er mit einer heiseren, seltsam klingenden Stimme: »Wir werden uns wiedersehen,« und folgte seinem Freunde.
Der Pole beeilte sich, die Thür zu schließen, dann zog er seine Uhr hervor und wandte sich, nachdem er einen Blick darauf geworfen, mit den Worten an Larioz: »Uebergeben Sie meine Erklärung dem Grafen Helfenberg, und wenn ich Sie bitten darf, sagen Sie ihm dazu: ich bedauere recht sehr, in dieser Angelegenheit gewirkt zu haben. Was Sie betrifft, mein Herr, so danke ich Ihnen für Ihre freundliche Unterstützung gegen jene beiden Herren. – Leben Sie wohl!«
Don Larioz war ruhig an seiner Stelle stehen geblieben; nachdem der Andere also gesprochen, drehte er leicht feinen aufwärts stehenden Schnurrbart und sagte: »Ihr Lebewohl kann ich noch nicht sogleich annehmen; meine Geschäfte im Auftrage des Herrn Grafen Helfenberg sind abgemacht; jetzt kommen meine eigenen.«
»Der Teufel auch! was wollen Sie von mir?«
»Ich bin der Mann, der Sie, wie Sie nicht vergessen haben werden, an jenem Abend in der Schreibstube sprach und den Sie sich unterstanden, ziemlich unwürdig zu behandeln. Ferner bin ich jener Mann, der durch Sie in den Verdacht kam, das bewußte Concept entwendet zu haben, und der nun gekommen ist, dafür eine vollständige Genugthuung zu verlangen, eine Genugthuung, die –«
»Ich Ihnen ja im vollsten Umfange durch meine Erklärung gegeben habe. Kann man ehrlicher verfahren, als ich es gethan?«
»Allerdings haben Sie diese Erklärung gegeben,« versetzte Don Larioz mit feierlicher Stimme; »aber wie Sie selbst wissen werden, war es von jeher der Brauch, daß der Sieger eine solche Erklärung nur alsdann entgegen nahm, wenn der Besiegte blutend am Boden lag und die Spitze des Schwertes an seiner Kehle fühlte. Ich für meine Person möchte nicht gern von diesen altehrwürdigen Gebräuchen abgehen.«
»Sind Sie des Teufels?« rief Czrabowski im höchsten Grade erstaunt. »Ich gab Ihnen freiwillig, was Sie verlangt; was kann es Ihnen nützen, ob Sie vorher mit Ihrer Degenspitze an meinem Halse herum kitzeln?«
»Obgleich das vielleicht im Ganzen keinen Unterschied macht, so kann mir solch ein regelrechtes Verfahren allerdings nützen. Sie haben, indem Sie mich eines Diebstahls beschuldigten, nicht nur mich allein beleidigt, sondern auch begreiflicher Weise eine Person gekränkt, der ich mit glühender Liebe anhänge und für welche ich ebenfalls eine Genugthuung fordern möchte.«
Der Graf Czrabowski blickte den langen Mann, der so eigenthümliche Sachen mit erschreckender Feierlichkeit und Ruhe sprach, mit höchster Verwunderung an; doch war dabei auf seinen Zügen eine gewisse Aengstlichkeit zu lesen, auch senkte er seine Hand langsam in die Rocktasche.
»Was wollen Sie also noch?« fragte er darauf.
»Ich bäte, einen Zweikampf mir freundlich zu genehmigen. Ist Ihnen das Glück günstig, so werde ich mit der Resignation eines Christen und Edelmannes sterben; bleibe ich aber Sieger, so werde ich Ihnen mit großem Vergnügen das Leben schenken, wenn Sie mir die Versicherung geben, daß Sie geneigt sind, Dolores für das schönste Weib der Erde zu erklären, und wenn Sie mir feierlich schwören wollen, dieser Dame vorkommenden Falles zu gestehen, daß ich Sie im ehrlichen Kampfe überwunden und daß Sie sich, wie es Brauch ist, als ihrem Dienst geweiht betrachten.«
Einen Moment schaute Czrabowski den Sprecher zweifelhaft an, ob er in Ernst oder Scherz rede. Als er aber die ruhigen, unbeweglichen Züge desselben sah und den starren Blick der Augen bemerkte, sagte er mit entschiedenen Zeichen der Ungeduld: »Zu alle dem, meine ich, bedarf es keines Zweikampfes; so gut wie ich Ihnen die Erklärung für den Grafen Helfenberg freiwillig gab, ebenso gern erkläre ich Ihnen auch alles, was Sie sonst noch wollen.«
Nach einigem Nachdenken gab Don Larioz hierauf zur Antwort: »Mag es denn nach Ihrem Wunsche geschehen; doch werden Sie mir erlauben, daß ich Ihnen die Spitze meines Degens auf die Gurgel setze, während Sie diese Erklärung von sich geben.« – Kaltblütig präsentirte er hierauf die eine Waffe seinem Gegner, während er die seinige zog und die Spitze des langen Rappiers gegen den Hals des Grafen richtete.
Dieser schien einen Augenblick unschlüssig, ob er seine Klinge ebenfalls entblößen solle oder den bewußten Revolver hervorziehen; doch begnügte er sich damit, seine rechte Hand in Bereitschaft zu halten, um den langen Stoßdegen bei der ersten verdächtigen Bewegung auf die Seite schlagen zu können.
»Sie erklären also,« sagte hierauf Don Larioz mit etwas bewegter Stimme, »daß Sie Dolores für das schönste und vortrefflichste Weib auf Erden halten?«
»Gewiß, und für das Vollkommenste, was es unter den Sternen gibt.«
»Sie erklären sich ferner für überwunden und geloben, dies der Dame Dolores zu bestätigen und derselben Ihre Dienste anzubieten?«
»Auch das gelobe ich. Und die Dame Dolores soll mit mir zufrieden sein. Sind wir jetzt fertig?«
»Wir sind fertig,« versetzte der lange Spanier mit gerührter Stimme, »und ich danke Ihnen.«
»So nehmen Sie mein Lebewohl an?« fragte der Andere hastig dagegen.
»Ich nehme es an und werde mich entfernen, nachdem ich mir vorher werde erlaubt haben, Ihnen ferner einen guten Rath zu geben.«
»So sprechen Sie denn ins –«
Man hörte drunten einen Wagen vor das Haus rollen, was den Grafen Czrabowski veranlaßte, einen Blick zum Fenster hinaus zu werfen.
»Sie sind ein Pole,« sagte Don Larioz mit unerschütterlicher Ruhe, »und deßhalb halte ich Sie für katholisch.«
»Wenn ich aber ein Jude wäre?«
»Treiben Sie keinen Scherz,« fuhr der Spanier sehr ernst fort. »In diesem Falle würde ich, wie es früher bei ähnlichen Veranlassungen der Brauch war, verlangen müssen, daß Sie sich, als von mir, einem christlichen Edelmann, überwunden, vor meinen Augen taufen ließen.«
»Hol' Sie der Teufel, ich bin katholisch.«
»Ich habe es mir gedacht. So hören Sie also schließlich meinen Rath. So jung Sie zu sein scheinen, so haben Sie doch schon Thaten begangen, die schwer auf Ihrem Gewissen lasten müssen. Um diesem Erleichterung zu verschaffen, müssen. Sie Ihrem rechtlosen und sündhaften Lebenswandel entsagen und Buße thun.«
»Ja, ich thue Buße!« rief der Andere mit den Zeichen der größten Ungeduld. »Ich sei verdammt, wenn ich nicht Buße thue!«
»Allerdings würden Sie in diesem Falle verdammt sein, da es aber etwas Schönes ist, eine Seele zu retten, so beschwöre ich Sie, büßen Sie gewissenhaft, und zwar in Sack und Asche – gehen Sie in ein Kloster.«
Der Pole that einen tiefen Athemzug und biß sich heftig auf die Lippen.
»Wollen Sie mir die Freundschaft erzeigen und in ein Kloster gehen?« fragte Don Larioz mit warmem Tone, wobei er seine Rechte dem Anderen darreichte.
»Wenn Sie es wollen, mit dem größten Vergnügen.«
»Sie geloben es?«
»So feierlich als alles Andere.«
»Nun denn, ich danke Ihnen,« gab der lange Mann zur Antwort und richtete seine Augen mit einem frohen Blick in die Höhe. »Ich fühle es, Ihre guten Eigenschaften sind noch wieder zu erwecken; Buße und Kasteiungen werden Wunder bei Ihnen verrichten. Und da nun Ihr Entschluß, in ein Kloster zu gehen, fest zu stehen scheint, so wählen Sie eines fern von den Menschen, in einem wilden, romantischen Thale gelegen. Vielleicht daß Sie eines Tages, am Fenster Ihrer Zelle lehnend, einen Reiter aus dem Grün der Bäume hervorkommen sehen, einen Reiter mit tiefgesenkter Lanze, den Kopf herabgebeugt. Eilen Sie ihm entgegen, und wenn er zu Ihnen spricht: Das Leben hat meine Erwartungen betrogen, Dolores war das schönste Weib der Erde, so reichen Sie diesem Reiter, wie ich jetzt Ihnen, die Bruderhand. – Leben Sie wohl!«
»Leben Sie wohl!« wiederholte der Pole, indem er die dargebotene Hand schüttelte, und dann mit eigenthümlichen Gefühlen dem langen Manne zuschaute, wie er die Klinge seines Degens auf dem Aermel abwischte, als sei sie blutig gewesen, dann dieselbe in die Scheide steckte und mit einem steifen Kopfnicken das Zimmer verließ.
Der Zurückbleibende fuhr mit der Hand über die Augen, that eitlen tiefen Athemzug, nahm seinen Paß aus der Tasche, und murmelte, nachdem er einen Blick in denselben geworfen: »Es ist Alles richtig – Finis Poloniae!«