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33. Rakian

Einst stand im Land ein Mangobaum, in dem befanden sich große Bienennester. War genügend Honig eingesammelt worden, dann kam ein Mann, namens Rakian, zum Baume und trieb in ihn Bambusstücke hinein, um darauf den Baum besteigen zu können.

Die Sonne wollte schon untergehen, als er damit anfing.

Nun befanden sich eine große Menge Bienennester im Baume, und als Rakian sah, daß die Bienen des Stockes, der am höchsten im Baume saß, weiß waren, wollte er hier den Honig holen. »Denn,« meinte er, »bisher habe ich noch keine weißen Bienen gesehen.« Er stieg also auf den Bambusstufen am Baume hinauf, und als er ganz nahe beim Stocke war, zog er sein Schwert heraus, um ihn abzuschneiden. Die Bienen schwärmten aber nicht aus ihrem Bau heraus. Und als er da an dem Aste herumschnitt, an dem das Nest hing, hörte er die Bienen sagen: »O, das tut weh!« Rakian wunderte sich darüber, steckte das Schwert ein, und die Bienen redeten zu ihm: »Willst du das Nest haben, dann mußt du es vorsichtig abnehmen, nicht abschneiden.« So nahm er denn das Nest mit den Bienen vorsichtig herunter, tat es in seine Tragtasche, kletterte wieder hinunter und ging nach Hause. Zu Hause setzte er die Tasche mit den Bienen in seinem Gemache hin.

Am andern Morgen begab sich Rakian schon früh aufs Feld hinaus und kehrte erst heim, als es beinahe ganz dunkel war. Wie er aber nach Hause kam, fand er Fisch und Reis fertig gekocht auf dem Herde vor. »Nanu,« dachte Rakian, »wer hat hier für mich gekocht, ich bin doch ganz allein in diesem Hause? Der Fisch gehört mir nicht, der Reis allerdings. Der Reis ist kalt und muß schon vor einer ganzen Weile gekocht sein. Vielleicht hat sich jemand hier eingeschlichen, hat gekocht und mir meinen Bienenstock gestohlen.« Er sah in seiner Tasche nach, aber das Bienennest war noch da. Darauf setzte sich Rakian zum Essen hin. »Fein!« dachte er, »wenn hier jemand für mich kochen will, um so besser für mich.« Am nächsten Morgen aß er, was am Abend übrig geblieben war und ging darauf wieder auf das Feld hinaus. Wie gestern kam er erst gegen Einbruch der Nacht nach Hause. Und wieder stand das Essen fertig da. »Wer mag es bloß sein?« überlegte sich Rakian, »der hier in mein Haus kommt und für mich kocht?« Wieder sah er nach, ob auch niemand seine Bienen gestohlen hatte. So ging es jeden Tag. Immer, wenn er nach Hause kam, war sein Essen fertig gekocht.

Da beschloß er eines Tages, früher heimzukommen, um einmal zu sehen, wer da für ihn kochte. Wieder ging er frühmorgens aufs Feld; als er jedoch eine kleine Strecke vom Hause entfernt war, kehrte er um und versteckte sich in der Nähe. Er wartete eine ganze Weile, doch nichts ereignete sich; dann knarrte mit einem Male die Haustür, und eine wunderschöne Frau kam heraus, die trug ein Bambusrohr und ging zum Fluß hinunter, um Wasser zu holen. Währenddessen schlich sich Rakian in das Gemach die Frau sah ihn nicht und wollte nach seinen Bienen sehen. Er öffnete die Tasche, fand aber keine Bienen darin, sondern nur das Nest. Da nahm er das Nest aus der Tasche heraus, versteckte es und verbarg sich selber im Hause.

Nach einem Weilchen kam die Frau zurück und ging an die Tasche, um nach dem Neste zu schauen. »O,« sagte sie da, »wer hat mir meine Kleiderkiste gestohlen?« Sie suchte überall; schließlich fing sie an zu weinen und klagte: »Wer mag sie nur fortgenommen haben? Rakian kann es nicht gewesen sein, der ist aufs Feld gegangen. Ich fürchte, er kommt heim und findet mich hier.« Als es nahezu dunkel war, schlich Rakian aus dem Versteck heraus und tat, als ob er vom Felde heimkäme. Die Frau war sprachlos. »Weshalb bist du denn hier?« fragte Rakian, »willst du mir etwa meine Bienen stehlen?«

»Ich weiß nichts von deinen Bienen,« antwortete die Frau. Er ging an die Tasche, um nach den Bienen zu sehen, die natürlich nicht da waren, denn er hatte ja selbst das Nest versteckt.

»O,« sagte er, »mein Bienennest ist nicht mehr da, hast du es mir vielleicht fortgenommen?«

»Was weiß ich von deinem Bienennest?« fragte die Frau.

»Nun, es schadet nichts,« entgegnete Rakian, »aber willst du für mich kochen? Ich bin sehr hungrig!«

»Nein, ich will nicht kochen,« versetzte die Frau, »denn ich bin gar sehr betrübt.«

Rakian bat die Frau immer und immer wieder, sie möchte doch für ihn kochen; sie lehnte beharrlich ab und fragte schließlich: »Wo ist mein Gewand?«

»Ich habe es nicht weggenommen,« antwortete Rakian.

»Ich glaube doch, daß du es versteckt hast,« meinte die Frau, »alle meine Kleider und Kostbarkeiten stecken darin.«

Endlich sagte Rakian: »Ich werde es dir nicht wiedergeben, denn ich fürchte, wenn du es einmal hast, ziehst du es wieder an und bist für mich verloren.«

»Ich will es nicht wieder haben,« erwiderte die Frau, »wenn du mich zum Weibe nimmst. Meine Mutter wollte, daß ich deine Gattin würde, denn du hast hier im Hause keine Frau, und ich habe in meiner Heimat keinen Gatten.«

Darauf holte Rakian das Bienennest und gab es der Frau.

»Was ist das?« fragte er.

»Das ist mein Geheimnis,« entgegnete die Frau. »Aber,« fuhr sie fort, »du darfst mich hinfort nicht Bienenfrau nennen, dann müßte ich mich schämen.«

Sie heirateten einander und bekamen bald ein Kind.

Eines Tages fand im Nachbarhause ein Fest statt. Rakian war eingeladen und beteiligte sich am Schmausen. »Woher stammt eigentlich deine schöne Frau?« fragte einer, »niemals habe ich eine schönere Frau gesehen.«

»Sie stammt aus diesem Dorfe,« antwortete Rakian. Als die Leute alle trunken waren, fragten sie wieder, woher er seine Frau hätte, und sagten, sie hätten nie eine schönere Frau zu sehen bekommen. Schließlich war auch Rakian, der bis dahin stets erwidert hatte, seine Frau stammte aus dem Dorfe, trunken geworden. Er vergaß sein Versprechen und sagte: »In Wirklichkeit ist meine Frau früher eine Biene gewesen.« Da hielten die Leute mit Fragen ein, und Rakian ging heim.

Als er nach Hause kam, wollte seine Frau nicht mit ihm sprechen.

»Warum sagst du nichts?« fragte Rakian.

»Was habe ich dir früher gesagt?« sprach sie. »Ich glaube, du solltest nichts erzählen, worüber ich mich schämen müßte.«

»Ich habe auch nichts gesagt,« erwiderte Rakian.

»Du lügst,« entgegnete seine Frau, »liegt das Haus auch weit ab, ich habe doch alles gehört. Als man dich fragte, woher ich stamme, hast du ihnen zuerst nichts erzählen wollen, aber nachher, als du trunken warst, hast du ihnen alles gesagt.«

Da schwieg Rakian.

»Ich will nach Hause,« sagte sie, »denn deinetwegen muß ich mich nun schämen. Doch das Kind darf bei dir bleiben. In sieben Tagen wird mein Vater stromaufwärts wandern, dann will ich mit ihm ziehen.«

Rakian weinte. Nach sieben Tagen sah Rakian eine weiße Biene über dem Hausgiebel schwirren. Seine Frau stieg die Treppe herab und sagte: »Da kommt mein Vater.« Damit wurde sie wieder zur Biene und flog hinter ihm her.

Rakian eilte ins Haus und holte das Kind. Er wollte seiner Frau und ihrem Vater folgen. »Denn,« sprach er, »wenn meine Frau nicht bei mir bleibt, muß das Kind sterben, es ist noch zu klein!« So jagte er hinter den Bienen her, die vor ihm über die Dschungeln entschwebten. Nach sieben Tagen verlor er sie aus den Augen, und noch immer war er an kein Dorf gelangt. Am achten Tage stieß er auf einen Badeplatz am Fluß. Da legten sie sich beide, Vater und Kind, hin und schliefen ein, denn sie waren gar zu hungrig und müde.

Aus dem nahen Dorfe erschien eine Frau, weckte Rakian und sagte: »Rakian, weshalb begibst du dich nicht in das Haus deiner Frau und schläfst dort mit deinem Kinde? Es ist gar nicht weit von hier.«

»Wenn ich gebadet habe,« erwiderte Rakian, »mußt du mir den Weg weisen.« Die Frau sagte: »Ja, gern!«

Da badete Rakian und folgte der Frau, und nach gar nicht langer Zeit kamen sie in ein Dorf. »Dort steht das Haus,« sagte die Führerin und zeigte auf ein Langhaus, »ihr Gemach liegt genau in der Mitte. Elf Kammern sind im Hause; wenn du dort eintrittst, darfst du dich nicht fürchten, denn das Dach sitzt voll von Bienen, doch die tun keinem Menschen etwas.« Rakian stieg zum Hause empor und fand es voller Bienen, großer und kleiner, doch in dem mittelsten Gemach waren keine. Menschen gab es nicht im Hause, nur Bienen.

Das Kind fing an zu schreien, und Rakian setzte sich hin.

»Otun, Liebling!« ließ sich nun eine Stimme aus dem mittelsten Gemach vernehmen. »Weshalb erscheinst du nicht? Hast du kein Mitleid mit deinem Kindchen, das so nach dir weint?« Und nach einem Weilchen trat Rakians Frau in das Gemach. Das Kind lief sofort auf sie zu. Nun wurde es Rakian leichter ums Herz, doch seine Frau sprach zu ihm: »Was sagte ich dir gleich das erste Mal? Solltest du jemals erzählen, wer ich bin? Hättest du mir nicht folgen können, wäre es dein Unglück gewesen.«

Nachdem sie das gesagt hatte, fielen die Bienen von der Decke zu Boden und wurden Menschen. Nakian und das Kind blieben fortan im Dorfe und kehrten nie wieder heim.


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