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Es war einmal ein König und eine Königin. Die waren schon alt und grau und bekamen auf ihre alten Tage noch einen Sohn, den sie Don Juan nannten.
Als er groß geworden war, ging er eines Tages zu seinen Eltern, um ihnen eine Bitte vorzutragen und sagte: »Lieber Vater und Mutter, wenn ihr einverstanden seid, möchte ich einmal auf die Reise gehen und sehen, wo der Horizont zu Ende ist.« Darauf erwiderten die Eltern: »Aber Kerlchen! Große Leute können schon nicht einmal an sein Ende gelangen, wie sollte es da dir nun gelingen?« Don Juan entgegnete: »Aber Vater und Mutter! Gemeine Leute gehen doch auch dorthin; ob sie ihr Ziel erreichen oder nicht, sie versuchen es allemal. Und dann wollt ihr mich nicht ziehen lassen? Einerlei, ob ihr nun wollt oder nicht, ich gehe doch!«
Die Eltern erwiderten: »Gut, wenn du es nicht anders willst, mag es sein. Aber wir zwingen dich nicht. Es ist dein eigener Wille.«
Nachdem die Eltern das gesagt hatten, gab Don Juan seinen Dienern den Befehl, sogleich sein Pferd zu satteln. Als sie es gesattelt hatten, holte er etliche mit gekochtem Reis gefüllte Taschen und hing sie an einem mit Wasser gefüllten Bambus über das Pferd, holte darauf seinen Säbel, gürtete ihn um, hing sein Gewehr über die Schulter, sprang auf sein Pferd und ritt ab. Morgens verließ er das elterliche Haus und ritt bis zum Nachmittag.
Unterwegs traf er Leute. Die hatten einen Hund bei sich, weil der die Ferkel und Zicklein biß. Deswegen zogen sie mit dem Hunde auf alle Dörfer und hießen ihn, selber seine Wünsche vorzubringen. Wenn sie in ein Dorf kamen, rief der Hund: »Hört an, Dörfer, große und kleine! Merkt auf! Wenn bei den Menschen der Topf mit Reis auf dem Feuer steht, dann dürft ihr ihn nicht abnehmen. Ungefragt darf keiner des andern Reiskorb forttragen, oder sich davon etwas nehmen und verbergen, und wenn jemand Ferkel und Zicklein sieht, dann soll er sich nicht an ihnen vergreifen. Niemand soll aus Übermut handeln, sonst widerfährt ihm eines Tages dieselbe Strafe wie mir.«
Als sie nun wieder einmal in ein Dorf gekommen waren, ließ der Hund seine Rede los. Einen Augenblick später war auch Don Juan da und fragte die Leute: »Freunde! Weshalb zieht ihr mit dem Hunde von einem Dorf zum andern und laßt ihn solche Reden halten? Was hat er euch getan?« Die versetzten darauf: »Freundchen! So müßt Ihr nicht fragen. Wenn die Oberen Euch fragen, was wollt Ihr dann antworten?«
Don Juan entgegnete: »Aber Freunde, ich frage ja nur, damit ich unter Umständen euch den Schaden ersetzen kann, den der Hund angerichtet hat; ich kann euch die durch den Hund vernichteten Sachen bezahlen; diejenigen, welche also irgendwie Verluste zu verzeichnen haben, mögen sich nun bei mir melden.«
Sogleich einigten sich die Geschädigten und sagten: »Wer will unsere Sachen bezahlen und Eigentümer des Hundes werden?« Don Juan sagte: »Ich werde ihn bezahlen. Wollt ihr nun euer Vieh und Gut zurück, oder wollt ihr Geld?«
Sie antworteten alle: »Wir wollen Geld haben, denn er hat uns um unseren Besitz gebracht. Jeden Tag jagten die Leute ihn fort, keinen andern Hund, sondern nur diesen und stets denselben. Ferkel und Zicklein kommen trotzdem mit Wunden nach Hause. Die Eigentümer folgen den Blutspuren. Aber inzwischen leckt er das Blut auf. Nun, Freund, überlegt einmal, wir sind der Ansicht, daß wir ihn totschlagen müßten. Aber Ihr wollt ja, daß er leben bleibt. Gebt uns also zweihundert Taler, dann soll es gut sein. Wir verlangen nicht viel; wenn Ihr sie hergebt, soll es gut sein.« Dabei sahen sie einander an, nickten einander zu und sagten: »Gut so!« Und Don Juan sagte auch: »Damit bin ich einverstanden. Wartet hier auf mich. Ich kehre um, um das Geld zu holen, meine Diener tragen es hinter mir her.
Die Leute erwiderten: »Schön, aber kommt bald wieder.«
Don Juan entgegnete: »Ja! Wartet nur!«
Dann ging er seitwärts in den Busch. Dort befragte er seinen Zauberring: »Zauberring, merk auf! Meine Mutter brachte mich mit dir auf die Welt, nun bitte ich dich, gib mir fünfhundert Taler, damit ich mir den Hund kaufen kann und er mein Bruder wird.« Kaum hatte Don Juan die Worte ausgesprochen, da rollten auch fünfhundert Taler in einen Sack zu Füßen des Don Juan. Juan hob ihn auf und ging damit fort. Dann sagte er zu den Leuten: »Freunde! Ihr batet mich soeben um zweihundert Taler, ich biete euch nun fünfhundert Taler, wenn ihr mir den Hund gebt.« Darauf gab Don Juan ihnen das Geld und erhielt den Hund. Don Juan stieg zu Pferde und ritt sogleich weiter.
Er ritt bis gegen Abend. Dann legte er sich zum Schlafen hin. Am Morgen sattelte er wieder sein Pferd, stieg auf, zog den Hund hinter sich her und setzte seine Reise fort. Er ritt bis zum Nachmittag. Unterwegs begegnete er wiederum Leuten, die eine Katze bei sich hatten. Die Katze trug um den Hals eine Schelle, die beim Laufen bimmelte. Als sie Don Juan trafen, fragte er: »Sagt an, Freunde! Warum zieht ihr mit der Katze in allen Dörfern herum?« Die Leute erwiderten: »Freundchen, habt Ihr denn davon nichts vernommen? Freundchen, seht doch selber, warum sollten wir sie ohne weiteres umbringen? Weil sie eine Schuld zu tragen hat, hingen wir ihr die Schelle um den Hals und befahlen ihr, die anzurufen, denen wir hier begegnen würden.« Darauf entgegnete Don Juan: »Nein, Freunde! Ich habe nicht vernommen, daß ihr der Katze aufgetragen habt, die Leute anzurufen; vielleicht bin ich noch zu weit ab gewesen und habe es nicht gehört.« Die Leute sprachen darauf zu Don Juan: »Hör', Freund! Wenn wir in ein Dorf kommen, dann muß die Katze sofort rufen: »Halloh, ihr Dörfer, große und kleine! Merkt auf! Wenn jemand ausgeht und sieht eines andern Hühner mit schönem Fleisch vor der Türe zum Trocknen hängen, dann soll er es ihm nicht stehlen. Wenn er davon haben will, dann mag er bitten, und wenn der Eigentümer ihm davon gibt, soll er mit beiden Händen zufassen; wenn aber wieder jemand darum bittet, und der Mann gibt ihm nichts, und er nimmt sich dann etwas ohne Erlaubnis, der soll ebenso gestraft werden wie ich.«
Darauf fragte Don Juan: »Nun, Freunde, wollt ihr die Katze töten oder leben lassen?«
Die Leute antworteten: »Freundchen, Ihr seid wohl einer, der soeben das Sehen gelernt hat? Versteht Ihr dies denn nicht? Wenn wir Menschen etwas verbrochen haben und gerichtet werden, muß dann nicht einem Tiere das Gleiche geschehen?« Juan sagte: »Ach, Freunde! Ehe ihr sie tötet, laßt sie mich kaufen.«
Die Leute erwiderten: »Schön, Freundchen, wenn Ihr dies unnütze Ding nun kauft, was wollt Ihr denn damit anfangen? Wenn Ihr sie kauft, wird sie Euch an den Bettelstab bringen, denn so eine Katze richtet viel Unheil an und Ihr habt den Schaden zu bezahlen. Wenn sie etwas taugen würde, wären wir doch nicht so dumm und töteten sie. Weil sie eben zu nichts nütze ist, wollen wir sie um die Ecke bringen. Aber, wenn unser Freund sie kaufen will, dann kann er es ja. Doch wir haben ihn gewarnt. Und wenn sie nun eines Tages Unheil anrichtet, soll unser Freund uns dann Vorwürfe machen können? Soll unser Freund dann etwa behaupten können, daß wir ihm mit diesem Trödel das Geld aus der Tasche gelockt haben?«
Die Leute antworteten: »Nun, wir wollen nicht gerade viel fordern, höchstens hundert Taler.«
Juan erwiderte: »Gut, Freunde! Wartet hier; ich will das Geld holen, denn die Leute, welche das Geld tragen, sind noch hinter mir.«
Juan ging darauf fort und bat seinen Zauberring um Geld. Er bekam sogleich vierhundert Taler. Er trug sie zurück und gab sie den Leuten. Dann stieg er wieder zu Pferde, legte die Katze vor sich hin, führte den Hund an einem Seile hinterher und setzte seine Reise fort.
Gegend Abend kam er in ein anderes Land. Das Land hatte wohl mehr als zehn Dörfer. Und in dem größten Dorfe wohnte der König. Juan begab sich nach dem größten Dorfe und vernahm, daß die Leute sich dort alle zusammengefunden hatten, um eine Feier abzuhalten.
Juan ging also weiter in das Dorf hinein. Und der König befahl den Leuten, Juan zu befragen, was er denn hier wollte. Juan fragte aber zurück: »Warum haltet ihr die Feier ab?« Die Leute antworteten: »Wir begehen hier eine Feier, weil die drei Söhne des Königs und seine Untertanen, wohl an zwei- bis dreitausend Menschen, in einem eisernen Stall gefangen gehalten werden. Unser König und unsere Königin wollen daher nichts genießen, Tag und Nacht essen sie nichts und trauern nur um ihre drei Kinder. Deshalb will der König diese Feier abhalten lassen, damit alle Untertanen, Erwachsene und Kinder, Alt und Jung sich hier einfinden. Wer die alte Zauberhexe zu töten vermag, soll König werden.«
Juan sagte: »O, das ist nicht weiter schwer, Freunde. Ich messe der ganzen Sache keine große Bedeutung bei.«
Die Leute entgegneten: »Aber Juan! Als die zwölf Leibwächter des Königs gegen die Zauberhexe losgingen, da wurde ihr nicht ein Härchen gekrümmt. Juan, was willst du denn gegen sie ausrichten?«
Juan erwiderte: »Freunde! Wir sind doch Männer, redet nicht so geringschätzig voneinander, dann müßte einer den andern ja mit einem dummen Gesicht ansehen. Freunde, ein anderer scheint es nicht zu können. Aber ich, der Juan, will es versuchen und sonst lieber sterben. Wenn ich nicht Sieger bleibe, kehre ich nicht heim. Wie ich, der Juan, aber die Sache ansehe, werde ich die Arbeit schon getan kriegen. Wenn ich sie suche, werde ich sie schon finden. Freunde, fragt doch euren König, nach wieviel Tagen soll ich die alte Zauberhexe aufsuchen?«
Da gingen die Leute zum Könige zurück und sagten zu ihm: »Herr König, ein Fremder ist erschienen, der heißt Don Juan, und als er bemerkt hatte, daß wir, Eure Diener, eine Feier abhielten, da fragte er uns aus, und da erzählten wir dem Don Juan von der alten Zauberhexe, welche die drei Söhne des Königs und deine Untertanen gefangen hält, und daß der Herr König gesagt hat, wer die alte Zauberhexe erschlägt, soll zum Dank das Land bekommen. Als wir dies alles dem Don Juan erzählt hatten, sagte er, das wäre nicht schwer, doch hoffe er, daß er, wenn er die alte Zauberhexe erschlagen hätte, nicht betrogen würde, daß der Herr König sein Versprechen hielte und nicht doppelzüngige Worte redete.« Als die Leute dem König die Worte Juans überbrachten, schämte er sich; er befahl den Leuten, Juan zu bestellen: »Morgen früh, so will es der König, sollt Ihr mit der alten Zauberhexe kämpfen. Wenn Ihr nicht geht, dann müßt Ihr sterben.« Abends ließ Juan gehörig zu essen auftragen und befahl, auch seinem Hunde und der Katze gehörig davon zu geben. Morgens in aller Frühe sattelte Juan sein Pferd, stieg auf, nahm die Katze vor sich in den Sattel, ließ den Hund hintenan laufen, gab dem Pferde einen Schlag und trabte davon.
Als er bei der alten Hexe angelangt war, klopfte er an ihre Tür. Sogleich kam die alte Zauberhexe heraus. Sie hatte ein warmes Kleid angezogen und ein Beil in der Hand. Als sie bei der Tür stand, öffnete sich diese und Juan trat ein. Die Alte zerkleinerte Holz und zitterte wie jemand, der Fieber hat, doch verstellte sie sich, sie hatte gar kein Fieber. Wenn sie jemand töten wollte, dann mußte sie stets so tun.
Juan fragte sie nun: »He, Alte! Weshalb zitterst du denn?« Er wußte aber sehr wohl, warum.
Die Alte erwiderte: »Nun, Prinz, was suchst du denn? Deine Dienerin hat Fieber.«
Juan sagte: »Wenn Ihr Fieber habt, weshalb zerkleinert Ihr dann Holz?« »Nun, Prinz, das tue ich, um dabei warm zu werden.« Juan versetzte: »Laß es mich nur tun.«
Die Alte sprach weiter: »Wenn du für mich das Holz klein machen willst, dann binde erst einmal deine Katze und den Hund an, denn deine Dienerin hat vor dem großen Hunde Angst.«
Als Juan sich nach einem Seil umschaute, um den Hund und die Katze damit anzubinden, zog die Alte sich zwei Haare aus, die verwandelten sich unter ihren Händen in Seile aus Sagopalmblättern. Die wollte sie Juan geben. Aber Juan hatte begriffen. Er nahm sie nicht an. Er faßte in seinen Sack, zog einen Bindfaden heraus, teilte ihn in zwei Stücke und band mit dem einen den Hund, mit dem andern die Katze an. Darauf nahm er das Beil der alten Zauberhexe und begann, das Holz zu zerkleinern. Zweimal war er schon fertig geworden, doch spürte er noch nichts. Als Juan nun den dritten Haufen zerkleinern wollte, da fiel die alte Hexe plötzlich über ihn her und wollte ihn umfassen. Sie kriegten einander zu packen. Die Alte wollte Juan zu Boden werfen. Das ging nicht. Juan wollte die Alte zu Boden werfen, das ging auch nicht. Sie griffen wieder nacheinander und packten einander, sie rangen, und bald konnte Juan nicht mehr. Schließlich machte er eine Wendung nach dem Hunde und der Katze. Die Seile wurden zerrissen. Der Hund biß die Alte in den Nacken, und die Katze zerkratzte ihr das Gesicht.
Wenig später fiel die Alte zu Boden, Juan zog im selben Augenblick sein Schwert und schlug der alten Zauberhexe den Kopf ab.
Darauf ging Juan nach dem eisernen Stall, öffnete die Tür und erlöste die drei Königskinder und die Untertanen. Dann ließ er die drei Königskinder vorauf gehen, hernach folgten die Untertanen; er selber stieg auf sein Pferd und machte den Beschluß.
Als sie vor dem Dorfe anlangten, bemerkten die Diener des Königs sie und eilten zum alten Königspaar, ihm die Nachricht zu bringen. Da zogen das alte Königspaar und alle Untertanen mit Trommeln und Gongs aus, um die drei Königskinder samt Juan und den Untertanen, die das Geschick der Königskinder geteilt hatten, festlich einzuholen. Und das alte Königspaar ließ durch Boten überall den Befehl hinbringen, daß alle Leute, die weiter entfernt wohnten, sich versammeln und erscheinen sollten, »denn,« so sagte das Paar, »als unsere drei Kinder verschwanden, waren sie noch klein, heute, wo wir sie zurückerhalten, tragen sie bereits einen stattlichen Schnurrbart. Deshalb haben alle zu erscheinen, denn wir wollen ein Fest, ihnen zu Ehren und zu ihrem Empfange, geben. Es ist ja, als wären sie gestorben und sind nun wieder lebendig geworden.«
So feierten sie ein großes Fest und riefen Don Juan zum Könige aus.