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Da erzählt man sich, daß einst in der Stadt ein Ehepaar lebte. Der Mann hieß Londa und seine Frau Pa'ut. Sie waren schon lange miteinander verheiratet, doch hatten sie noch immer keine Nachkommen. Sie besprachen sich daher eines Tages miteinander und sagten: »Wie sollen wir es bloß anfangen, und was können wir tun, damit wir ein Kind bekommen, das für uns sorgt und uns pflegt, wenn wir alt geworden sind?« Londa meinte: »O, meine liebe Pa'ut, wenn du damit einverstanden bist, dann denke ich es mir folgendermaßen: Mein junger Bruder Lonto' kann ja, wenn du willst, bei dir schlafen. Wenn ihr zustimmt, bleibe ich dabei und bete. Und wenn uns dann der mächtige Gott gnädig gesonnen ist, wir mit einem Kinde gesegnet werden, so wollen wir sagen, es wäre unser eigenes Kind. Bekommen wir also durch die Gnade Gottes das Kind, das ihr zusammen zeugt, wollen wir es Towo (Betrüger) nennen.« Pa'ut antwortete: »O, mein guter Londa, wir Menschenkinder sind nun einmal so; wenn du fest beschlossen hast, was du dir ausdachtest, soll dein Verlangen erfüllt werden.« Londa sagte: »O, mein Liebling, Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, erweckte diesen Gedanken in meinem Herzen. Er hat mein Herz geöffnet, meine Lippen getrennt und meine Zunge bewogen, daß sie das sagte, was du gehört und für gut befunden hast.«
Ihr Plan wurde Lonto' vorgetragen. Lonto' antwortete und sprach: »Gut, aber laßt das kein Grund sein, daß mein älterer Bruder Londa mich tötet.« Londa erwiderte: »Muntuuntu, der neben dem mächtigen Gott sitzt, ist Zeuge dessen, was du gehört hast; beschäme und bringe uns nicht in Unehren. Erfülle meine Bitte, damit Gott uns segnet.«
Darauf tat Lonto' seinem Bruder den Gefallen. Und während all' der Tage betete Londa ununterbrochen zu Gott. Worauf er in seinem Gebete immer wieder zurückkam, war, daß Pa'ut, wenn er es vermöchte, mit einem Sohne gesegnet würde. So kam der Tag heran, wo Pa'ut eines Knäbleins genas. Londa war darüber sehr erfreut, war doch sein Gebet erhört worden, und überdies hatte Pa'ut ja einen Jungen geboren! Als dem Kinde die Nabelschnur abgeschnitten wurde, sagte Londa: »Dein Name, mein Sohn, sei Towo.«
Towo wurde groß und dick und fing an zu sprechen. Es dauerte gar nicht lange, da brauchte man dem Kinde keine Worte mehr zu lehren. Nun fingen die Untugenden und Unartigkeiten Towos an. Und es gefiel ihm durchaus nicht mehr, zu Hause zu bleiben und mit seinen Altersgenossen zu spielen.
Eines Tages spielte Towo mit seinen Altersgenossen. Da nahm er einem die Maultrommel fort und lief damit weg. Der Junge, dem das Spielzeug gehörte, weinte und lief zu seinen Eltern. Die fragten ihn: »Warum weinst du?« Der Knabe antwortete: »Towo hat mir meine Maultrommel weggenommen.« Als der Vater dies gehört hatte, wurde er böse; er holte sich einen Knüppel und sagte: »Ich werde dem Towo sofort eine Tracht Prügel verabreichen.« Mit den Worten eilte er nach dem Hause von Londa und Pa'ut. Als er da ankam, bemerkte er, daß Towo tatsächlich auf der Maultrommel spielte. Er wandte sich an Towo und sagte: »So, jetzt werde ich dich umbringen! Warum hast du meinem Jungen die Maultrommel gestohlen?« Ängstlich schaute der Sünder sich in der Runde um und glaubte wirklich sein letztes Stündlein gekommen, da erblickte er den König, der zufällig am Hause vorüberging. Als er ihn sah, bat er ihn um Hilfe und rief: »O, Herr König, sie wollen mich totschlagen.« Der König kam eilends herbei. Inzwischen tat der Vater des Jungen, dem Towo die Maultrommel weggenommen hatte, noch immer so, als ob er ihn umbringen wollte. Wie der König dies bemerkte, sprach er zur Wache, die ihm folgte: »Greift mir den Bösewicht da und führt ihn nach meinem Hause.« Sofort wurde er festgenommen. Dann wandte der König sich an Towo, beruhigte ihn und sagte: »Freundchen, sei still, weine nicht mehr, du sollst mit mir nach meinem Palaste gehen, da will ich dir Fleisch, Reis, Kleider und eine wunderschöne Maultrommel schenken.« Towo war sofort ruhig und folgte dem König. Als sie im Palaste waren, sagte der König zu einer der Prinzessinnen: »Geh' und schau' dich beim Koch nach Essen für diesen Jungen um.« Nachdem er gegessen hatte, schenkte ihm der König schöne Kleider. Und als er die angezogen hatte, sprach der König: »So, nun komm' mit, Freundchen, wir wollen nach dem Hause dort drüben gehen.« Das war das Gerichtshaus. Der Vater des Jungen, dem Towo die Maultrommel weggenommen hatte, war ebenfalls dorthin gebracht worden.
Als Towo mit dem König im Gerichtshause war, fragte der König den Vater von dem bestohlenen Jungen: »Was für Reden sind das, mit denen du Towo bange gemacht hast?« Der antwortete: »Das kommt von der Maultrommel, die er meinem Jungen fortgenommen hat.« Der König entgegnete: »Du bist ja ein ganz übler Bursche, wie wird man denn einen Menschen wegen einer Maultrommel totschlagen wollen? Und obendrein ist Towo noch ein Junge, und du bist erwachsen; soll nicht der Erwachsene einem Kinde zum Vorbild dienen? Du sollst neun Tage in den Block geschlossen werden.« Inzwischen war auch der Vater von Towo, der sein Kind suchte, angekommen. Der König fragte ihn: »Wohin willst du?« Er erwiderte: »Ich suche meinen Jungen.« Der König sprach: »Hier ist er!« Und nun erzählte ihm der König, was sich mit seinem Knaben zugetragen hatte und gab ihm zum Schluß die Ermahnung mit auf den Weg: »Paßt auf Euren Jungen, überlaßt ihn nicht sich selbst, denn der Bengel taugt nicht viel.« Darauf nahm der Vater Towo mit nach Hause.
Towo nahm zu an Größe, Untugenden und Ungezogenheiten; seine Eltern vermochten ihn nicht zu bessern. Er war übermütig geworden, weil ihm der König Reis, Fleisch, Kleider und eine Maultrommel geschenkt hatte. Deshalb ging er auch nicht mehr aus dem Palaste heraus und gewann dabei doch die Liebe und Zuneigung des Königs und der Hofleute. Sie mochten den Towo leiden, denn er war nicht verlegen, sondern gesprächig und fragte nach allem, was er noch nicht kannte. Mit der Zeit wurde Towo unter das Hofgesinde eingereiht; er wurde in dem Benehmen, Tun und der Sprechweise unterwiesen. Und war schließlich um nichts mehr verlegen. Eines Tages plauderte Towo mit den Prinzessinnen, und die Prinzessinnen sagten: »Also, Towo, wenn der König dich wirklich gern hat, dann lege doch einmal sein Wams an und gehe darin draußen auf und ab.« Towo erwiderte: »Schön, dann müßt ihr aber auch bestimmen, worum wir wetten wollen.« Die Prinzessinnen antworteten: »Du sollst die Prinzessin Wulangkau zur Frau bekommen, wenn der König dir nicht gram wird, weil du sein Wams anlegtest.« Towo versetzte: »Gut, wenn aber die Angelegenheit zwischen mir und Wulangkau nicht zustande kommt, dann schlage ich euch die Knochen im Leibe entzwei.« Die Prinzessinnen antworteten: »Jawohl!« Darauf schlich Towo ganz leise in den Palast und die Treppe hinauf und holte sich das Wams, das der König aufgehangen hatte, als er schlafen wollte. Er zog es an und ging damit nun auf der Straße auf und ab; und bald hatte sich eine unheimlich große Menge um ihn versammelt. Die Leute machten unsagbaren Lärm; die einen schrien, die andern lachten und sagten: »Da, schaut euch mal den Towo an, der hat das Wams des Königs an!« Weil der Lärm gar so groß war, erwachte der König und sagte: »Weshalb machen die Leute nur solchen Lärm?« Der König trat auf den Söller hinaus und sah nun, wie Towo sein Wams anhatte und damit gemächlich auf der Straße hin und her ging.
Der König rief: »Komm' einmal her, Towo!« Darauf ging Towo nach oben. Der König sprach zu ihm: »Sag', wie darfst du nur so unverschämt sein, mein Wams anzuziehen und damit auf der Straße herumzuprunken?« Towo antwortete: »Eigentlich dürfte das wohl nicht sein, aber die Prinzessinnen haben mich dazu angestiftet.« Der König fragte: »Wie haben sie das gemacht?« Darauf erzählte Towo, wie es gekommen war, und weshalb er es getan hatte.
Nun sagte der König: »Wenn sie dich zum Stehlen oder Morden angestiftet hätten, hättest du das tun dürfen? Du sollst in den Block geschlossen werden.« Towo erwiderte: »Schön, Herr König, aber wie soll ich bloß meine Füße in den Block stecken, die Löcher sind ja so klein?« Der König sagte: »Ich werde es dir schon zeigen.« Towo fragte dann: »Gut, Herr König, Ihr wollt es mich also lehren? Und wieviele Tage soll ich in den Block geschlossen werden?« Der König antwortete: »Neun Tage.«
Der König nahm seinen Stab und sein Schwert und sagte: »Vorwärts, Towo, ich werde dich jetzt in den Block schließen.« Sie gingen also dorthin; und als sie da waren, meinte Towo: »Wie wird es denn gemacht, wenn man in den sogenannten Block geschlossen wird, der Herr König sagte doch, er wolle es mich lehren?« Der König erwiderte: »Schau einmal her, wie der Block geöffnet und geschlossen wird, nachdem die Beine hineingesteckt sind.« Towo sagte: »Herr König, macht es mir bitte einmal vor.« Der König versetzte: »So muß man es machen.« Darauf schloß Towo den Block fest zu und sagte: »Gut, also so muß es gemacht werden, Herr König?« Der König antwortete: »Natürlich!« Nun log Towo ihm etwas vor und sagte: »Herr König, entschuldigt mich einen Augenblick, ich muß einen Augenblick verschwinden und komme gleich wieder.« Der König sprach: »Laß mich erst aus dem Block heraus, dann kannst du einen Augenblick verschwinden.« Das tat Towo jedoch nicht; je lauter der König rief, um so schneller lief er. Er nahm den Stab des Königs, sein Schwert, zog wieder das Wams des Königs an und stellte sich in die Tür des Gefängnisses. Der König rief fortwährend: »Towo, wo steckst du? Komm' her und laß mich heraus!« Towo antwortete dann: »Herr König, ich bin hier. Warum wollt Ihr denn aus dem Block heraus? Herr König will es mich doch lehren, dann muß der Herr König doch auch fühlen, wie angenehm es ist, im Block sitzen zu müssen.«
Inzwischen war es dunkel geworden, und die Königin suchte ihren Gemahl. Die da am Gefängnis vorübergingen, sagten: »Dort ist der König ja, er lehnt sich an die Tür des Gefängnisses.« Die Königin begab sich dorthin. Sie war noch ein ganzes Stück entfernt, da hörte sie den König um Hilfe rufen. Sie wurde bange und dachte bei sich: »Wie ist es nur möglich, dass der König solch' Geschrei macht?« Als sie ihn aber in der Tür erblickte, freute sie sich und sagte: »Ach, der König hat gar nicht geschrien, er steht dort ja in der Tür.« Als sie nun ganz nahe war, meinten die Leute: »Das Wams ist allerdings das Wams des Königs, aber sonst sieht er wie Towo aus.« Und wie sie sah, dass es Towo war, fragte die Königin: »Towo, wo ist der König?« Towo antwortete: »Ach, der Herr König lehrt mich gerade, wie es einem geht, wenn man im Block sitzen muß.« Da sah die Königin sich ihren Gemahl an. Die Füße waren dick geschwollen. So weinte die Königin und sagte: »Wenn du damit einverstanden bist, dann rede ich einmal mit Towo, dass er dich frei gibt.« Darauf rief der König Towo herbei und sagte: »Towo, wo bist du?« Towo antwortete: »Hier, Herr König!« Der König sprach: »Towo, ich will dir alles schenken, was du haben willst, wenn du mich wieder befreist.« Towo erwiderte: »Ich begehre nichts anders, als dass die Prinzessinnen, die mich dazu angestiftet haben, dass ich Euer Wams anzog, auf neun Tage in den Block geschlossen werden. Und obendrein will ich den Lohn für meine Wette haben, Prinzessin Wulangkau soll meine Gemahlin werden.« Der König entgegnete: »Gut! Die Prinzessinnen sollen neun Tage in den Block kommen, und du sollst Wulangkau zur Frau haben.« Towo sagte: »Und dann müsst Ihr mich noch in allem unterweisen lassen, was ein richtiger Fürst wissen muß.« Der König antwortete: »Ja, wenn du mich losmachst.«
Darauf erlöste Towo den König, und die Prinzessinnen wurden für neun Tage in den Block geschlossen.
Einstmals scherzte Towo mit seinen Spielgefährten. Sie sagten zu ihm: »Hör', Towo, wir wollen mit dir wetten. Geh' und zeige dem Könige deine Kehrseite, wenn er dann nicht böse wird, wollen wir jeder dir tausend Taler geben.« Towo erwiderte: »Gut, ich bin damit einverstanden.« Er ging nach Hause, um sich von seiner Mutter eine Jacke und eine Hose nähen zu lassen. Als er zu seiner Mutter kam, sagte er: »Mutter, sei so gut, und mache mir ein Wams und eine Hose, die müssen aber zusammen aus einem Stück sein, besetze sie hinten längs des Rückens mit einer Reihe Knöpfe und auf jede Hinterbacke nähe einen ganz großen, schönen Knopf. Willst du?« Die Mutter antwortete: »Gern, aber weshalb willst du denn solche Kleider haben. Das sind ja ganz dumme Dinger! Tu das nicht! Denn sonst machst du uns zum Narren.« Aber er sagte: »Tu es nur, Mutter, du wirst schon Nutzen davon haben.« Darauf erwiderte die Mutter: »Wenn es Nutzen bringt, mein Junge, dann ist es gut.«
D'rauf nähte die Mutter ihm ein Wams und eine Hose wie er gesagt hatte. Und als die Mutter sie fertig hatte, zog er sie an und ging damit vor dem Palaste des Königs auf und ab. Während er so vor dem Palaste umherging, sah ihn der König und ließ ihn hereinrufen. Als er vor ihm erschien, sagte der König: »Nun, Towo, sag' mal, weshalb hast du dir denn ein solches Gewand nähen lassen, mit so vielen schönen Knöpfen?« Er antwortete: »Ja, Herr König, aber da sind noch viel schönere d'ran, nur schäme ich mich, Euch die sehen zu lassen.« Da sagte der König: »Sei nur nicht so verlegen und furchtsam, ich werde nicht böse.« Nun bückte sich Towo, schob seine Hinterbacken vor dem König in die Höhe und sagte: »So, Herr König, schaut her, da könnt Ihr sie sehen!« Seine Gefährten, mit denen er die Wette eingegangen war, standen in der Nähe und hatten alles mit angesehen. Als er dem König alles gezeigt hatte, schickte der ihn wieder nach Hause. Er begab sich aber zu seinen Spielgefährten, mit denen er gewettet hatte, und die mußten ihm das Geld auszahlen.
Ein andermal wetteten sie wieder mit Towo und sagten: »Towo, du bist doch so tüchtig. Lauf' einmal nach dem Hause des Schmieds, niemand darf ja sein Haus betreten; höchstens der König, er wird ja stets böse und ärgerlich. Wenn du in das Haus gelangst dann schenken wir dir Geld.« Towo antwortete: »Gut!« Er ging alsdann hin. Wie er vor dem Hause stand, sagte er zum Schmied: »Herr, ich möchte Euch einmal etwas fragen: wollt Ihr einen Klumpen Gold kaufen, der so groß wie eine Kokosnuß ist?« Der Schmied sagte: »Gern, aber zunächst komm' mal herein, wir wollen erst einmal essen und trinken.« Darauf gingen sie hinein und aßen und tranken. Als sie damit fertig waren, sprach der Schmied: »Nun, zeige mir mal den Klumpen Gold, der so groß ist wie eine Kokosnuß.« Towo erwiderte: »Ach, Herr Schmied, ich wollte Euch doch fragen, ob Ihr nicht ein Stück Gold habt, das so groß ist wie eine Kokosnuß, um es mir zu verkaufen.« Darauf warf der Schmied den Towo die Treppe hinunter. Der holte sich aber das Geld, um das sie gewettet hatten.
Einige Tage später hatte Towo gestohlen und wurde vor den König gebracht. Der König bestimmte, daß er zur Strafe an einen Baum gebunden werden sollte, wo ihn jeder Vorübergehende sehen konnte. Als er nun festgebunden war, kam ein Buckliger vorbei und fragte Towo: »Na, dich haben sie ja festgebunden, was hast du denn ausgefressen, sag'!« Towo antwortete: »Ja, höre, ich hatte früher einen Buckel, und da ich niemanden fand, der mich behandeln konnte, habe ich mich hier am Baum festbinden lassen, und nun sieh' mal her, mein Buckel ist verschwunden. Also, wenn du willst, binde mich los, und dann wollen wir gemeinsam deinen Buckel wegbringen.« Der Bucklige fragte: »Ist das auch wirklich wahr?« Towo entgegnete: »Gewiß doch, weshalb soll ich denn dich betrügen?« Der Bucklige sagte: »Nun gut!« Darauf band er den Towo los. Und als er ihn losgemacht hatte, sagte Towo: »Komm' her, jetzt will ich dich anbinden.« Wie denn der Bucklige nun gut festgebunden war, fing er an zu schreien: »O, mach' mich wieder los, das kann ich nicht vertragen, das kann ich nicht aushalten!« Aber Towo erwiderte: »Schrei' doch nicht so, sonst wird nichts rechtes daraus.« D'rauf lief er fort.
Der Bucklige schrie aber weiter in einem fort, so daß schließlich die Leute in großer Anzahl herbeikamen und fragten: »Sag' mal, Buckliger, warum hat man dich denn hier angebunden?« Er erwiderte: »Der Mann, der hier zuvor festgebunden war, hat mich hier angebunden. Er hat mir erzählt, daß er früher einen Buckel gehabt habe, der wäre verschwunden, nachdem er sich an diesem Baum hätte festbinden lassen. Ich habe das geglaubt, und nun hat er mich gehörig belogen und betrogen.«
Darauf suchten sie Towo, bis sie ihn gefunden hatten. Und als sie ihn hatten, brachten sie ihn wieder vor den König. Der König verurteilte ihn, ins Meer geworfen zu werden. Und er befahl seinen Leuten, sich bereit zu machen, um den Towo ins Meer zu werfen. Als alles fertig war, setzten sie Towo ins Boot. Und wie er im Boote war, sagte Towo zu ihnen: »Laßt uns eins singen! Ich fange an, darum laßt mich in der Nähe des Steuers sitzen. Wenn wir singen, müßt ihr alle einfallen. Hört zu! Wir wollen singen:
»Ach, den Towo haben sie hineingeworfen,
so, nun ist er hineingeworfen!«
Sie ruderten los. Und sie waren noch keine zehn Meter vom Lande ab, da sprang Towo über Bord und flüchtete ans Land. Darauf sagte der Steuermann: »O, der Towo ist hineingesprungen.« Doch die Ruderer verstanden es anders und sangen nun:
»Ach, der Towo ist hineingesprungen,
so, nun ist er hineingesprungen!«
Dabei ruderten sie weiter, bis sie mitten im Meere angelangt waren, wo sie Towo über Bord werfen sollten. Da sagte der Steuermann: »Nun, das ist eine schöne Geschichte, ich sagte euch doch vorhin, daß Towo schon ins Wasser gesprungen ist.« Und sie beratschlagten darauf, was sie dem Könige erzählen wollten. Und sie beschlossen: »Wir wollen folgendes tun: wir wollen umkehren, und wenn der König uns fragt, dann sagen wir, daß er ins Wasser geworfen ist, denn sonst wird der König böse.«
Sie kehrten also um; und als sie ankamen, fragte der König: »Nun, habt ihr Towo über Bord geworfen?« Sie erwiderten: »O, wir haben ihn mitten auf dem Meere über Bord geworfen, die Fische werden ihn schon längst aufgefressen haben.« Da mußte der König annehmen, daß Towo ertrunken war.
Towo hatte sich jedoch nach Hause zu seiner Mutter begeben. Nun dachte er nach und sagte: »Wie soll ich es bloß anfangen: auszugehen, und doch nicht vom Könige bemerkt zu werden? Na, ich werde mal die Mutter fragen, vielleicht weiß sie noch, wie das Wams aussah, das der verstorbene König getragen hat.« So erkundigte er sich bei seiner Mutter und sagte: »Du, Mutter, weißt du noch, was für ein Wams der verstorbene Vater des Königs getragen hat?« Die Mutter antwortete: »Natürlich weiß ich mich darauf zu besinnen, ich habe es ja selber seinerzeit genäht.« Darauf sprach Towo: »Willst du mir bitte auch solch' ein Wams nähen, Mutter?« Die Mutter erwiderte: »Nanu, warum willst du denn solch' ein Wams haben?« Er versetzte: »Mach' es mir, Mutter, später sollst du erfahren, weshalb ich es nötig habe.« Darauf sagte die Mutter: »Gut.«
Sie machte ihm also das Wams. Towo zog es an und ging damit vor dem Palaste des Königs auf und nieder. Während er da umherging, bemerkte ihn der König; der erschrak nicht schlecht; er ließ ihn zu sich rufen und sprach: »Nanu, Towo, wie ist das nur möglich, wie bist du zurückgekommen?« Er antwortete: »Herr König, das kam so: Nachdem ich schätzungsweise zehn Faden tief hinabgesunken war, sah ich einen großen Weg, und als ich darauf weiter ging, erblickte ich eine große, schöne Stadt. Und wie ich nun so durch diese Stadt wandere, sah mich der König und fragte: Woher kommst du? Ich antwortete: Ich komme von der Oberwelt. D'rauf fragte er mich weiter: Sag', geht es dem König auf der Oberwelt gut? Ich erwiderte: Ja Dann sagte er wieder zu mir: Nun, dann bestelle ihm nur, daß ich hier ein Fest geben will, und ich möchte, daß dazu alle die Würdenträger und Vornehmen des Landes samt ihren Frauen hierher kommen, um das Fest mit zu feiern, denn der König der Oberwelt ist mein Sohn. Und damit niemand dir mißtraut, hast du hier mein Wams, zieh' es an und trag' es zur Schau Und nun, Herr König, bin ich hier und habe das Wams Eures Vaters angezogen.«
Als der König die Erzählung von Towo vernommen hatte, sprach er: »Gut, dann muß ich mich wohl mit den Würdenträgern und Großen des Landes samt ihren Frauen auf das Fest meines Vaters begeben.« Nachdem alle zusammengerufen waren, machte der König bekannt: »Merkt alle auf! Mein Vater ist wieder unter der Erde König geworden; er will d'rum ein Fest geben, aber er wünscht, daß wir alle daran teilnehmen. Deshalb müssen wir alle, und zwar so viel wie möglich, gehen, damit er nicht enttäuscht ist, wenn wir nicht kommen.«
Als der König dies den Anwesenden mitgeteilt hatte, sprach er weiter zu den Würdenträgern: »Laßt sogleich recht viele Boote fertig machen, in denen wir losfahren können, um uns mitten im Meer ins Wasser fallen zu lassen.« Sie machten sich also fahrtbereit. Und als alles fertig war, sagte der König: »Laßt uns an Bord gehen.« So gingen sie denn alle in die Boote und ließen sich mitten im Meer über Bord fallen. Als sie alle hineingefallen waren, sagte Towo: »So, nun bin ich der rechtmäßige König, denn der König, seine Würdenträger und die Großen des Landes, die hier befehlen konnten, sind alle ertrunken.« So wurde Towo König.
Wer pfiffig ist und listig, bekommt leicht ein Amt.
Dieser Towo war derartig listig, daß er selbst den König zu betrügen wagte. Da der König wußte, daß Towo ihn etliche Male hintergangen hatte, sann er auf ein Mittel, wie er ihn wohl fangen und töten lassen könnte. Er schickte daher etliche Leute aus und befahl ihnen folgendes: »Ich habe euch auserwählt, um mir als Spione für Towo zu dienen. Ich wünsche, daß ihr mir von heute ab genau auf Towo acht gebt; was ihr bei ihm seht und was er macht, das habt ihr mir mitzuteilen.« Was denn auch geschah.
Einige Tage später erkältete sich Towo; er bekam einen tüchtigen Schnupfen. Das wurde dem König mitgeteilt. Der König ließ Towo rufen. Towo erschien vorm König, und sieh' da, der Rotz rann ihm aus den Naslöchern über den Mund herunter. Deshalb schnob Towo den Rotz dauernd hoch. Der König sagte zu ihm: »Hör', Towo, du scheinst noch nicht zu wissen, wie man vor vornehmen Leuten zu erscheinen hat. Deshalb mußt du bestraft werden. Drei Tage lang darfst du dich nicht schneuzen.« Towo antwortete: »Gut, Herr König!« Er saß noch gar nicht lange auf seinem Platze; gerade dem Könige gegenüber, als es ihm doch Mühe verursachte, Atem zu holen; die Nase war von dem Rotz gar zu verstopft. Towo dachte so bei sich: »Wie soll ich es bloß anfangen, daß ich mich schneuzen kann?« Er sann eine Weile nach, dann sagte er sich: »Ich hab's, ich werde dem Könige einmal eine Geschichte erzählen.« Und er redete den König an: »Herr König, soll ich Euch eine Geschichte erzählen?« Der König antwortete: »Gewiß, gern!« Towo sagte: »Hört also zu! Gestern war ich auf der Jagd. Ich war noch nicht lange unterwegs, da sah ich einen Hirsch. Ich nahm mein Gewehr, legte an und zielte auf den Hirsch.« Und da er dem Könige vormachen wollte, wie er den Hirsch erlegt hatte, legte er seine Nase auf den Unterarm, und damit er den Knall des Gewehres nachahmte, schneuzte er sich auf den Arm. Dann hielt Towo ein. Und als er so seine Geschichte auserzählt hatte, schüttelte der König den Kopf, denn Towo hatte ihn ja wieder einmal hineingelegt. Er sagte zu Towo: »Towo, gehe nach Hause, die Strafe, die ich dir auferlegt habe, ist dir erlassen.«
Eines Tages saß der König auf dem Söller seines Palastes. Während er so saß, dachte er nur an Towo. Er sagte sich: »Wie behandelt mich doch dieser Towo immer!« Und da er von der schlechten Aufführung Towos genug hatte, ließ er Towo wieder rufen, denn er wollte ihn strafen. Towo erschien vorm Könige. Der König sagte: »Du bist ein Bösewicht, du hintergehst sogar mich, wieviel mehr also noch deinesgleichen! Deshalb werde ich dich wieder einmal bestrafen müssen. Drei Tage und drei Nächte sollst du nicht schlafen. Ich verbiete dir, zu schlafen. Bist du nicht gehorsam, lasse ich dich hinrichten.« Damit Towo nicht zum Schlafen kam, ließ der König ihn bewachen. Einen Tag und eine Nacht hatte er schon nicht geschlafen, da wurde er am zweiten Tage doch so müde, daß er einschlief. Als der König sah, daß Towo eingenickt war, freute er sich und sagte: »So, Towo, nun wirst du hingerichtet!« Towo erwiderte: »Nanu, weshalb soll ich denn hingerichtet werden?« Der König versetzte: »Weil du ungehorsam gewesen bist. Habe ich dir nicht gesagt, du dürftest drei Tage und drei Nächte nicht schlafen? Und nun? Am zweiten Tage bist du schon eingenickt!« Towo antwortete: »Herr König, mit Verlaub hört Ihr mich erst einmal an. Ich schlief nicht, ich neigte meinen Kopf nur und sann über den Kot nach, den die Ziegen machen; ich habe schon lange darüber nachgedacht, wie er wohl entstehen mag, aber ich begreife es noch immer nicht. Ich kann den Grund nicht einsehen, warum der Kot so ganz anders ist, als bei den übrigen Tieren; wenn die Ziegen 'was machen, dann machen sie allerliebst runde Kügelchen.« Als er dies erzählt hatte, mußte der König doch wieder über die Schlauheit des Towo lachen. Und er entließ ihn in Gnaden und nicht hinrichten.
Einstmals hatte Towo eine Strafe zu verbüßen, da bekam seine Büffelkuh ein Kalb. Und eines guten Tages legte sich das Kalb zwischen die Pferde des Königs, um dort zu schlafen. Da sagte der König zu seinen Leuten: »Paßt auf, daß das Büffelkalb nicht entwischt, jetzt ist es mein Büffel.« Der König wußte jedoch sehr wohl, daß das Büffelkalb von Towo war. Der König wollte hören, was Towo wohl sagen würde, wenn er behauptete, es wäre sein Büffelkalb. Während das Büffelkalb sich also bei den Pferden des Königs aufhielt und die Leute aufpaßten, daß es sich nicht entfernte, begab sich Towo zum König und sagte: »Das Büffelkalb, Herr König, gehört mir, es hat sich nur unter Eure Pferde verloren. Wenn der Herr König es erlaubt, darf das Kalb wohl zu seiner Mutter zurück.« Der König antwortete: »Towo, da irrst du dich. Das ist kein Büffelkalb, das ist eins meiner Füllen.« Ob dieser Antwort war Towo sehr niedergeschlagen.
Am selben Tage wollte der König sich aber auf eine Reise nach einem andern Dorf begeben. Towo erfuhr dies. Deshalb fragte er den König: »Mit Verlaub, Herr König, ich möchte um die Erlaubnis bitten, heute nach Hause gehen zu dürfen.« Der König sagte: »Jawohl.« Als er die Erlaubnis erhalten hatte, ging er die Treppe hinunter, begab sich nach Haus und holte sich ein Wams, um es zu waschen. Er wusch es in einem Bache, an dem der König vorbei mußte, wenn er in das Dorf ging. Während er so beim Waschen war, kam der König. Als er Towo bemerkte, war er einigermaßen verwundert und sagte: »Hast du mich gestern nicht gebeten, nach Hause gehen zu dürfen?« Towo erwiderte: »Ja, Herr König! Aber gestern erhielt ich die Nachricht, daß mein Vater von einem Sohne entbunden wurde.« Der König wunderte sich noch mehr und sprach: »Towo, du bist ein Narr. Ein Mann kann doch nicht entbunden werden? Das ist gar nicht möglich.« Towo erwiderte: »Herr König, Ihr habt wohl recht, aber ebensowenig kann eine Stute ein Kalb bekommen.« Als Towo das gesagt hatte, erwiderte der König: »Du hast recht, nun hol' dir dein Kalb wieder. Ich habe dich nur auf die Probe stellen wollen.« Und so bekam er sein Büffelkalb zurück.
Eines Tages schaute Towo den Leuten zu, die gerade ein Schwein schlachteten. Towo sagte: »Seid so gut und schenkt mir den Schwanz.« Da schnitten sie den Schwanz ab und gaben ihn Towo. Towo ging darauf nach Haus und befestigte an dem Schweineschwanze ein Band. Dann steckte er ihn in die Wand seines Schweinestalles, und zwar so hoch, daß jeder denken mußte, es wäre der Schwanz eines Mastschweines. Er ließ den Schwanz nach draußen hängen, und das Band, an dem der Schwanz festsaß, machte er so lang, daß es bis in sein Haus reichte. Dann sagte er zu den Leuten im Hause: »Ich will mir nun jemand suchen, der Schweine aufkauft. Wenn ich mit einem komme, dann denkt daran, daß ihr stets an dem Bande ziehen müßt.« Darauf ging er auf die Suche nach Schweinehändlern. Bald hatte er einen gefunden. Sie begaben sich nach Towos Haus. Unterwegs besprachen sie den Kaufpreis. Als sie noch weit vom Hause ab waren, gab Towo seinen Leuten ein Zeichen, daß sie, sobald er da wäre, am Bande zögen. Die zogen denn auch am Bande. Towo stieß den Schweinehändler an, zeigte auf den Schweineschwanz und sagte: »So, nun glaubt Ihr doch, daß ich Euch ein Mastschwein verkaufen will? Da, seht Euch mal den Schwanz an, und wie hoch es den herausstreckt! Gebt mir also zwanzig Taler dafür.« Der Händler händigte ihm das Kaufgeld ein. Als er das Geld hatte, sagte Towo: »Nun krieg' es man bei den Beinen zu fassen, ich muß schnell weiter.« Damit lief Towo fort. Als der Händler das Schwein bei den Beinen fassen wollte, sah er, daß im Stalle nur ein Schwanz war. Er war jämmerlich verstimmt, weil Towo ihn betrogen hatte.
Einst machte sich der Eulenspiegel ein Boot aus Ebenholz. Als es fertig war, kamen etliche Händler zu ihm und wollten es kaufen. Nach langem Feilschen und Bieten wurde man endlich handelseinig. Taba erhielt die Kaufsumme, und als das Boot nun übernommen und ausprobiert werden sollte, meinte Taba: »Schön, setzt euch alle hinein, ich will das Boot dann zu Wasser lassen.« Er hatte das Boot nämlich auf einem abschüssigen Felsen an der See gebaut. Sie stiegen alle ins Boot und hielten die Paddeln bereit. Taba nahm die Klötze von dem Boote fort, hieb mit einem Schlag das Haltetau durch, mit dem es an dem Helling festsaß, und sofort schoß das Boot ins Wasser. Doch sank es sogleich unter, ist Ebenholz doch erheblich schwerer als Wasser, die Insassen mußten im Meere herumschwimmen, während Taba sich aus dem Staube machte.
Die Hineingefallenen kamen aber endlich wohlbehalten wieder ans Land und gingen auf die Suche nach dem Betrüger. Endlich fanden sie ihn. Er war gerade beim Sagoklopfen. »Ha, also haben wir dich endlich, Taba?« sagten sie. »Ach was,« antwortete er, »ich bin nicht Taba. Taba ist dort hinten beim Sagoklopfen.« Sie gingen nach seiner Anweisung weiter und fanden auch jemand, der ebenfalls beim Sagoklopfen war. Sie meinten, es wäre Taba und wollten ihm zu Leibe gehen. »Ach was!« sagte der Mann, »ich bin nicht Taba; ihr seid ja beim Taba vorübergekommen, ihr müßt ihn doch gesehen haben.« Darauf machten sie Kehrt und begaben sich zu dem Manne, der sie auf die falsche Fährte gewiesen hatte. Der hatte sich unterdessen die blutigen Eingeweide einer Wildsau auf den nackten Leib gebunden, einen Speer quer hindurch gesteckt und tat so, als ob er tot wäre. So fanden sie ihn, und es sah aus, als ob er von einem Speer durchbohrt worden und die Eingeweide herausgetreten waren. Seine Verfolger hielten ihn für tot und ließen ihn liegen. Als sie weg waren, machte er sich wieder auf die Beine.
Nach einigen Tagen erwischte man ihn aber doch, und nun sollte er, um den Kaufpreis für das Boot abzuarbeiten, als Ruderer auf einem Handelsfahrzeug Dienste tun. Es war ein großes Schiff, an dessen Längsseiten sich Ruderbänke befanden, von denen man herunterspringen konnte. Um etwas Leben unter die Leute zu bringen, schlug Taba vor, einen Rudergesang anzustimmen. Zuerst sollten die Vordermänner singen, darauf die zweite Strophe die Hintermänner. Er gab an: »Die ersten singen:
›Tege! o ma joga!‹
Rudert schnell! Ihr habt Eile!
und darauf antworten die zweiten:
›Taba o firi mara!‹
Taba ist schon fortgelaufen.«
Nachdem sie diese Verse eine Weile gesungen hatten und mit voller Kraft vorwärts ruderten, ließ Taba sich ins Wasser gleiten und entfloh an Land.
Taba streifte durch das Land und kam dabei zu einem Manne, der ein Boot bauen wollte. Der fragte ihn, wie er hieße: Taba antwortete: »Tjuki murari« (Beschlafe die Frau). Dabei spielte er ihm den Lochbohrer, den gogori, aus den Händen. Der Mann suchte danach, und als Taba dies bemerkte, sagte er: »Was suchst du denn?« »Nun, meinen Bohrer!« »O,« meinte der Eulenspiegel, »den hast du wohl vergessen; aber ich will ihn dir vom Hause holen.« Als er da ankam, fragte ihn die Frau, was er wollte. »Ich soll den gogori, den Bohrer deines Mannes holen!« »O, den hat er mitgenommen!« »Ja, dann hat er auch noch gesagt, daß ich Euch geschwind einmal beschlafen sollte.« »Kerl! Du bist verrückt! Denkst du, daß mein Mann so etwas sagen wird?« In diesem Augenblick rief der Mann, der auf den Bohrer wartete: »'Tjuki murari! Tjuki murari!« »Hörst du's wohl?« sagte Taba zu der Frau und nötigte sie, hineinzugehen, wo er nun schnell seine Lust an ihr befriedigte. Darauf machte er sich aus dem Staube. Bald hernach kam der Mann heim und fragte, wo sein Freund mit dem Bohrer geblieben wäre. Seine Frau schalt ihn aus, weil er ihr einen Kerl geschickt und dem befohlen hatte, sie zu belästigen. Das gab ein heftiges Wortgefecht, und zum Schluß sah der Mann auch ein, daß der Fremde ihn zum Besten gehabt hatte. Taba war aber längst über alle Berge, und niemand konnte ihn fassen.
Endlich ging die Sache schief. Sie kriegten ihn zu packen; wegen etlicher Ungehörigkeiten wurde er verurteilt, zur Strafe Sklavendienste im Palaste des Königs zu tun. Der König hatte einen Sohn und eine Tochter, denen mußte er zur Hand gehen. So ging er denn auch eines Tages hinter ihnen her, als sie mit einer Angel an den Strand zogen. Sie liefen auf dem Sande entlang und schleiften den Haken durch die Wellen, um so Fische zu fangen. Taba befestigte den Köder an dem Haken der Prinzessin, dabei bog er den krummen Haken gerade. Der Prinz fing hin und wieder einen Fisch, doch die Prinzessin fing mit dem geraden Haken natürlich nicht einen einzigen. Sie beklagte sich darob bei Taba, der ihr antwortete, daß er schon ein Mittel wüßte, damit sie auch Fische fangen könnte. Als sie darauf fragte, was für ein Mittel es wäre, gab er zur Antwort, sie müßte sich von ihm beschlafen lassen. Die einfältige Prinzessin glaubte es ihm, und sie entfernten sich für einen Augenblick ins Gebüsch. Darnach bog er den Haken wieder krumm, band den Köder daran und sieh' da! sie machte einen Fang nach dem andern. So machte er es zu verschiedenen Malen, wenn er mit des Königs Tochter zum Angeln ging.
Die Folgen blieben jedoch nicht aus, und beide waren in Angst, was ihrer wohl wartete, wenn sie entdeckt wurden. Sie wollten einander heiraten, aber wie sollten sie den König bestimmen, daß er seine Einwilligung gab? Taba sann auf eine List. Er hatte herausgefunden, daß der Hauptweg in großen Windungen und Biegungen nicht allzuweit von einem Banianenbaum vorüberführte. Er legte nun nach diesem Baume einen geraden Weg an. Darauf begab er sich ins Haus und stellte sich schwer krank. Er setzte sich in die Herdasche und ächzte und stöhnte, daß es einen Stein rühren konnte. Man fragte, was man für ihn tun könnte. »Ach,« sagte er, »wenn ihr mir einen Gefallen tun wollt, dann begebt euch doch nach dem Banianenbaum, der da nicht weit vom Hause entfernt am Wege steht; darin wohnt ein Geist, den verehre ich; wenn ihr den befragt, dann wird er euch wohl sagen, was für meine Krankheit gut ist.« Die Leute hatten mit ihm Mitleid und gingen also nach dem Banianenbaum. Taba war jedoch schneller, er lief den geraden Weg, stieg in den Baum hinein, und als die Leute fragten, was sie tun sollten, damit Taba wieder gesund würde, antwortete er: »Ihr müßt ihn mit der Tochter des Königs verheiraten.« Bevor die Leute, die den krummen Pfad gehen mußten, wieder bei ihm im Hause waren, war Taba schon da und saß wieder in der Asche und stöhnte. Sie erzählten ihm, was der Baumgeist gesagt hatte, und waren bereit, für die Erfüllung des Wunsches zu sorgen. So wurde Taba der Schwiegersohn des Königs, und sofort war er wieder gesund.
Der König wollte ihm jetzt Aufträge erteilen, damit er sich nützlich machte. Damit hatte aber Taba nicht viel im Sinn. Eines Tages trug der König ihm auf, Sagopalmblätter zu holen, um daraus Dachmatten zu nähen. Er blieb solange aus, bis schließlich der König selbst losging, um zu sehen, wo er abgeblieben war. Er sah wohl ein Bündel mit Sagopalmblättern liegen, aber Taba war nicht dort. Da trug der König das Bündel selber nach Hause; allerdings meinte er, daß es doch recht schwer war. Taba befand sich im Bündel, und nur eine dünne Lage Palmblätter war um ihn herum. Der König war natürlich verstimmt, weil Taba sich von ihm hatte nach Hause tragen lassen, doch ließ er sich nichts merken.
Am andern Tag schickte der König den Taba wieder los, um Sagopalmblätter zu holen. Taba blieb wiederum lange fort, so daß der König sich nach ihm umtun mußte. Diesmal nahm er seine Lanze mit. Wiederum lag da ein Bündel mit Sagopalmblättern. »Oho!« dachte der König, »darin hat er sich wieder eingewickelt.« Er stach deshalb mit der Lanze in das Bündel hinein, holte sie heraus, und wirklich! die Scheide war rot, also klebte Blut daran. Was hatte jedoch Taba gemacht? Da er es sich denken konnte, daß der König sich rächen würde, hatte er diesmal das Bündel voll von roten Djambu-Früchten gepackt und war auf einem kürzeren Wege nach Hause geeilt. Der König nahm das Bündel auf die Schultern, schleppte es nach Hause, setzte es dort hin und sagte zu seiner Tochter: »So, dein Mann ist tot! Ich habe ihn erstochen.« »Mein Mann?« fragte die Prinzessin, »der ist schon längst im Hause und schläft.« Da untersuchte der König das Bündel und fand die Djambufrüchte. Da Taba den König so etliche Male gehänselt hatte, sann der König auf eine List, wie er ihn wohl ums Leben bringen könnte. Endlich fand er eine, die ihm Aussicht auf Erfolg zu haben schien. Er pflegte Reusen ins Meer zu setzen, um Fische zu fangen. Für gewöhnlich half ihm sein Sohn dabei. So besprach er sich denn mit seinem Sohne, daß sie Taba mitnehmen wollten, der ihnen helfen konnte. Taba mußte die große, übermannshohe Bambusreuse tragen. Als sie an den Strand kamen, überwältigten sie den Taba, banden und steckten ihn in die Reuse, die sie darauf ins Wasser lassen wollten, damit er ertränke. Bevor sie aber die Reuse in das Boot luden, um sie auszusetzen, gingen der König und sein Sohn nach Hause, da sie ein wenig essen wollten. Taba blieb in der Reuse am Strande liegen. Nach einer Weile kam ein Mann des Wegs, der einen krummen Rücken hatte. Er bemerkte Taba und fragte ihn, was er denn in der Reuse machte. Der antwortete: »Ich war so krumm, wie Ihr es jetzt seid. Nun hat man mich hier hineingesteckt, damit ich wieder gerade werde. Hol' mich mal heraus, dann kannst du sehen, wie ich gerade geworden bin.« Der Mann tat es und sah nun, daß Taba aufrecht wie eine Stange vor ihm stand. »Wenn das Mittel so vortrefflich hilft,« sagte der Mann, »dann seid so gut, bindet mich und steckt mich in die Reuse!« Gesagt, getan! Als der Mann darin saß, begab sich Taba fort und auf Umwegen nach Hause. Inzwischen waren der König und sein Sohn mit Essen fertig geworden und wieder an den Strand gegangen. Es begann schon zu dunkeln, so daß man nicht deutlich sehen konnte, wer in der Reuse war; sie gaben auch nicht weiter acht darauf. Sie hoben also die Reuse hoch, luden sie ins Boot, ruderten schnell aufs Meer und versenkten sie dort. Dann kehrten sie nach Hause zurück und sagten zu Tabas Frau: »Nun, diesmal kommt dein Mann nicht wieder; der liegt auf dem Grunde des Meeres, und die Fische werden ihn schon auffressen.« »Was?« sagte die Prinzessin, »mein Mann? Der liegt ja schon lange im Bett und schläft. Eben, nachdem ihr fort waret, kam er nach Hause.« Der König und sein Sohn überzeugten sich, daß er wirklich in seinem Gemache lag und schlief, und so waren sie zum andern Mal von ihm hineingelegt.
Es waren einmal ein alter Mann und eine alte Frau, die bekamen einen Sohn, den nannten sie Mau Loha. Die Eltern waren sehr nachsichtig mit ihm, denn es war ihr einziges Kind. Obwohl er allerhand Streiche ausführte, wurden seine Eltern doch nie böse, denn sie waren um den Jungen sehr besorgt.
Eines Tages sagte Mau Loha zu seinem Vater: »Vater, unser Dach hat Löcher; was meinst du, wenn wir es wieder in Ordnung brächten und neu deckten?« Der Vater antwortete: »Gut!«
Sie nahmen die alte Bedachung ab. Am folgenden Tage schlugen sie sich Sagopalmblattwedel. Und als sie eine Menge beisammen hatten, trugen sie die nach Hause. Mau Loha wollte auch welche tragen, doch sein Vater sagte: »Du sollst keine tragen, sonst schilt die Mutter mich aus.«
Mau Loha antwortete: »Gut, Vater.«
Als der Vater nun die Blätter forttrug, lief er hinterher. Der Vater hatte schon eine große Menge weggebracht, nur noch ein Bündel blieb liegen. Da sagte Mau Loha: »Vater, ich will vorausgehen und dich dort erwarten.« Und der Vater antwortete: »Gut.«
Mau Loha wollte aber seinen Vater hänseln. Er eilte also voraus und verkroch sich in das Bündel Sagoblätter. Als der Vater erschien, rief er ihn. Doch Mau Loha antwortete nicht. Da dachte der Vater, vielleicht ist er schon fortgegangen. So lud er sich denn das Bündel auf die Schulter, um es nach Hause zu tragen. Kaum hatte er das Bündel auf dem Buckel, da merkte er, daß es doch recht schwer war. So mußte er sich alle Augenblicke verschnaufen, aber er brachte es trotz seiner Schwere nach Haus. Er wollte es dort hinwerfen. Da schrie jedoch Mau Loha los: »Vater, Vater! Wirf es vorsichtig hin, denn ich bin darin.« Und der Vater sagte nur: »O, Mau Loha! Weshalb betrügst du mich?«
Trieb Mau Loha auch solche Dinge, der Vater wurde ihm darum nicht gram; wenn er ihn prügeln wollte, mußte er gleich denken: es ist ja mein einziger Junge.
Eines Tages wollte er seinen Vater wieder foppen. Er sagte zu ihm: »Vater, im Brunnen ist ein großer Aal.« Als der Vater hörte, daß im Brunnen ein Aal war, wollte er ihn fangen, denn Aal aß er für sein Leben gern. So fragte er denn Mau Loha: »Wie wollen wir es anfangen, um den Aal zu kriegen?«
»Den müssen wir uns angeln; der Köder muß aber Schweinefleisch sein, dann beißt der Aal gut an.«
Der Vater sagte: »Gut.«
Am andern Tag schlachtete der Vater ein Schwein, das als Köder dienen sollte. Und Mau Loha sprach zum Vater: »Schneide das Schwein in Stücke und koche sie.« Der Vater tat, was der Junge sagte. Und als das Schweinefleisch gar war, nahm der Vater es mit, um damit zu angeln. Mau Loha sagte zum Vater: »Vater, ich will erst noch mal meinen Freund besuchen. Wenn dir das Warten zu lange währt, dann geh' nur ruhig zum Angeln. Wenn ich zurück bin, komme ich dir nach.« Der Vater sagte: »Gut.«
Mau Loha ging also fort und nach dem Brunnen. Der Vater wartete und wartete, aber der Sohn kam nicht wieder. So ging er denn allein zum Angeln. Als er am Brunnen angekommen war, steckte er das Fleisch an einen Fischhaken und warf ihn in den Brunnen. Kaum war der Haken im Wasser, da zerrte auch Mau Loha schon daran; der Vater holte ihn sogleich in die Höhe; als er nach oben kam, sah er jedoch, daß sich kein Fleisch mehr daran befand. Da meinte er, der Aal ist wohl sehr groß; deshalb biß er auch sogleich an; er ahnte es ja nicht, daß Mau Loha da unten hockte. Er warf die Angel also wieder aus, und sogleich zerrte auch Mau Loha daran.
Wenn er die Angel in das Wasser warf, dann aß Mau Loha sogleich das Fleisch auf. Und Mau Loha aß alles Fleisch auf, so daß nur noch ein Stückchen übrig war. Da dachte der Vater, wenn der Aal nun wieder anbeißt, will ich ihn sofort mit einem Ruck in die Höhe holen und sogleich zu packen kriegen. Er steckte also wieder Fleisch an den Haken und warf ihn ins Wasser.
Sogleich faßte Mau Loha zu, aber gleichzeitig zerrte auch der Vater an dem Haken, so daß er Mau Lohas Hand aufriß. Mau Loha schrie: »O, Vater, ich bin ja hier!« Sprach der Vater: »O, Mau Loha, was machst du für Geschichten! Ich meinte, ich hätte ein Schwein geschlachtet, um einen Aal zu fangen, und nun hockst du da unten.«
Mau Loha heulte, denn der Haken hatte ihn gehörig zu fassen gekriegt, und er hatte tüchtige Schmerzen. Er lief voraus und zu seiner Mutter. Die Mutter hörte Mau Loha heulen und fragte: »Mau Loha, warum heulst du?« Mau Loha antwortete: »Vater hat einen Angelhaken ausgeworfen und mir damit die Hand aufgerissen.« Seine Mutter entgegnete: »Na, laß Vater man heimkommen. Ich werde ihn ausschelten und fragen, wie es nur angehen konnte, daß er dich beim Angeln nicht sah.«
Als dann der Vater nach Hause kam, schalt die Mutter ihn aus: »O, du Kerl, du, denkst du denn gar nicht daran, daß es unser einziges Kind ist?« D'rauf besänftigte der Vater den Jungen wieder.
Anderen Tags sagte Mau Loha zu seinem Vater: »Vater, was wollen wir eigentlich tagein tagaus hier im Hause? Wir täten besser und legten uns einen Garten an und pflanzten darin die verschiedenartigsten Früchte.« Der Vater antwortete: »Schön, wo wollen wir den Garten denn anlegen?« Mau Loha entgegnete: »Wir müssen uns eine abgelegene Stelle suchen, die schönen Boden hat, damit die Früchte, die wir anpflanzen, auch gut gedeihen.« Der Vater sagte: »Gut!«
Am nächsten Tage zog er mit dem Vater los, um eine geeignete Stelle für den Garten zu suchen. Endlich hatten sie einen passenden Platz gefunden. Sie jäteten das Unkraut aus und machten den Garten sehr schön. Dann pflanzten sie Bananen, Nüsse und Zuckerrohr. Es dauerte gar nicht lange, da waren alle Früchte vortrefflich angewachsen. Sie hatten eine reiche Ernte von reifen Bananen, Zuckerrohr und Nüssen. Mau Loha wollte gern alle Bananen verzehren, doch das wollte der Vater nicht und sagte: »Nein, die wollen wir verkaufen und Geld daran verdienen.« Als der Vater so sprach, schwieg Mau Loha still. Er wollte den Vater schon hineinlegen und sagte: »Vater, bleib' nur hier, ich will mal die Mutter besuchen, wir sind ja schon so lange hier.« Der Vater sagte: »Gut.«
Mau Loha ging jedoch nicht zur Mutter, er wollte den Vater anführen. Als er mitten in der Wildnis war, beschmierte er sich sein Gesicht mit roter Farbe, nahm einen Säbel in die Hand und zog ein verschlissenes Gewand über. Dann kehrte er zu seinem Vater zurück und tat, als ob er ihn töten wollte. Seinem Vater wurde angst und bange, denn er glaubte, daß vielleicht ein Narr in den Garten eingebrochen war. Mau Loha schlug aber die reifen Bananen herunter, und zwar die besten Büschel. Dann verschwand er und badete sich. Nach dem Bade besuchte er seine Mutter. Und auf dem Rückwege nahm er Essen für sich und den Vater mit. Als er wieder in dem Garten angelangt war, sagte er zu seinem Vater: »Nun, wollen wir hier essen?« Doch der Vater erzählte ihm: »O, Mau Loha, heut' morgen, als du zur Mutter gegangen warst, kam jemand hier in den Garten und wollte mich ermorden. Dann schlug er all' die Bananen ab. Schau einmal selber nach.«
Mau Loha sah sich denn auch alles an. Er sagte darauf: »Der Kerl, der da erst nach meinem Fortgang erschien, wollte uns sicherlich unsere Bananen stehlen. Wäre ich hier gewesen, ich hätte ihn totgeschlagen. Verdammt, daß der Kerl auch gerade kommen mußte, als ich nicht da war!«
Mau Loha führte seinen Vater aber weiter an und sagte: »Nun, Vater, was wollen wir mit all' den Bananen anfangen?«
Der Vater antwortete: »Iß sie nur alle auf.«
Und Mau Loha verzehrte die zehn Büschel Bananen allein.
Eines Tages sagte er zu seinem Vater: »Vater, bleib' hier. Ich will die Mutter besuchen.« Der Vater antwortete: »Gut.« Mau Loha ging also nach Haus. Als er da ankam, fragte die Mutter: »Mau Loha, bist du da?«
»Ja, Mutter! Mutter, ich muß dir etwas mitteilen.« Die Mutter fragte: »Was denn?«
Mau Loha sagte: »Mutter, ich muß dir erzählen, daß der Vater gestorben ist. Und Vater hat mir aufgetragen, ich sollte dir sagen, du möchtest dir nun das Haar abschneiden.«
Als die Mutter vernahm, daß ihr Mann gestorben war, weinte sie bitterlich. Doch Mau Loha tröstete seine Mutter und sagte: »Mutter, wein' man nicht mehr; wenn ich ihn begraben habe, dann sorge ich allein für dich, Mutter.«
Und er sprach weiter zu seiner Mutter: »Mutter, bleib' hier. Ich will erst mal nach unserm Garten sehen, ob nun auch niemand, wo Vater tot ist, sich an unserm Eigentum vergriffen hat.« Die Mutter antwortete: »Schön.« Mau Loha ging fort, um nach dem Garten zu sehen. Als er da angekommen war, rief der Vater ihm zu: »Mau Loha, bist du da?« »Ja, Vater.« »O, Mau Loha, du bist aber lange fortgeblieben.« Ja, Vater, ich mußte solange fortbleiben. Mutter war krank, und ich mußte sie pflegen. Nach zwei Tagen starb Mutter. Erst wollte ich dich holen, aber wer sollte dann bei Mutter bleiben, ich war ja ganz allein.« Als der Vater hörte, daß seine Frau gestorben war, weinte er bitterlich. Doch Mau Loha sagte: »Vater, weine nicht mehr. Wenn ich Mutter begraben habe, dann sorge ich allein für dich. Aber Mutter hat mir aufgetragen, ich sollte dir sagen, du möchtest dir das Haar abscheren.« Der Vater sagte: »Gut.« Am nächsten Tage sagte Mau Loha zu seinem Vater: »Vater, bleib' hier. Ich will erst mal nach unserm Haus sehen, ob nun auch niemand, wo Mutter tot ist, sich an unserm Eigentum vergriffen hat.« Der Vater antwortete: »Schön.«
Und Mau Loha ging nach Haus.
Als er da anlangte, rief die Mutter: »Mau Loha, bist du da?« »Ja, Mutter!«
Gegen Abend sagte Mau Loha zu seiner Mutter: »Wenn du willst, suche ich dir nun einen andern Mann.« Darauf meinte die Mutter: »Aber, Mau Loha! Ich bin doch schon viel zu alt, wie soll ich nun noch einen Mann bekommen?«
Doch Mau Loha erwiderte: »Der soll für dich sorgen. Denn ich bin jung und muß bald meiner Wege gehen. Wer soll dann für dich sorgen? Es ist schon besser, ich schau' mich nach einem neuen Vater um, der für dich sorgen kann.«
Die Mutter entgegnete: »Gut.« Und Mau Loha sagte: »Wenn du einverstanden bist, gehe ich heute abend noch auf die Suche.«
Darauf begab sich Mau Loha wieder nach dem Garten. Als er da anlangte, rief der Vater: »Mau Loha, bist du da?« »Ja, Vater.« »O, Mau Loha, du bist ja eine lange Zeit im Hause geblieben.« »Aber, Vater, wo Mutter nun tot ist, muß sich doch einer um die Schweine kümmern. Darum blieb ich so lange.«
Mau Loha schlief nun zwei Nächte bei seinem Vater; danach sagte er zu ihm: »Wenn du willst, suche ich dir eine andere Frau.« Als der Vater das vernahm, schalt er ihn: »Mau Loha, was fällt dir ein, willst du mich narren? Deshalb redest du wohl so?« Mau Loha entgegnete: »Aber, Vater, ich meine, es wäre schon besser, denn ich bin jung und muß bald meiner Wege gehen. Wer soll dir dann dein Essen kochen?« Darauf sagte der Vater: »Gut.«
Und Mau Loha sprach zum Vater: »Vater, ich will nun auf die Suche gehen.« Mau Loha ging nach Hause. Als er dort ankam, rief die Mutter ihm zu: »Mau Loha, bist du da?« »Ja, Mutter!«
Dann erzählte Mau Loha seiner Mutter: »Mutter, ich bin auf der Suche nach einem neuen Vater gewesen und habe auch schon einen gefunden. Ich will ihm entgegengehen. Heut' abend bring' ich ihn her. Mutter, du mußt dich ganz still verhalten, wenn ich mit Vater komme.« Die Mutter antwortete: »Ja.«
Nun sagte Mau Loha: »Mutter, um Mitternacht komme ich mit Vater.« Darauf begab er sich wieder nach dem Garten. Er ging sofort zu seinem Vater und sagte zu ihm: »Vater, ich habe dir eine Frau gesucht und sie auch schon gefunden. Heute abend will ich dich zu ihr bringen.«
Als es Abend geworden war, sprach Mau Loha zum Vater: »Vater, wir wollen gehen.« Dann gingen sie fort. Nahe beim Hause sagte Mau Loha zu seinem Vater: »Vater, ich will erst mal ins Haus gehen. Ich komme wieder heraus und hole dich dann.«
Mau Loha ging allein nach dem Hause weiter. Als er eintrat, rief die Mutter ihn an. Sofort sagte Mau Loha: »Still, Mutter!« und fuhr weiter fort: »Mutter, mach' das Licht aus und bleib' ruhig liegen. Gleich komme ich mit Vater.«
Darauf ging Mau Loha wieder zu seinem Vater und sagte: »Vater, geh' jetzt. Mutter habe ich schon ins Haus gebracht. Wenn du aber in das Haus trittst, mußt du ganz leise sein.« Mau Lohas Vater ging hinein. Als er überall herumtastete, erschrak die Mutter und rief: »Wer ist da?« Sofort antwortete der Vater: »Ich!« Da erkannten sie einander und die Mutter sprach: »Bist du das, bist du Mau Lohas Vater? Ich bin Mau Lohas Mutter.« Der Vater antwortete: »Mach' erst mal Licht an.« Als die Mutter das Licht angezündet hatte, sahen sie, daß beiden das Haar abgeschnitten war.
Da sagte der Vater: »O, Mau Loha hat uns beide zum Narren gehabt.« Und nun erzählten sie sich gegenseitig ihre Erlebnisse. Der Vater erzählte zuerst: »Mau Loha teilte mir im Garten mit, daß du gestorben wärest und log dabei, daß du ihm den Auftrag gegeben hättest, ich sollte meine Haare abschneiden.«
Danach kam die Mutter an die Reihe: »Mau Loha erzählte mir ebenfalls, du wärest gestorben und sagte, ich möchte mir das Haar abschneiden. Also hat er seinen Vater und seine Mutter arg betrogen und belogen.«
Und der Vater verwünschte ihn und sagte: »O, dies schlechte Kind! Ich will sein Gesicht nicht mehr sehen.«
Als der Vater ihm so fluchte, ging er nicht wieder ins Haus. Er lief davon und ward nicht mehr gesehen.
Es war einmal ein Mann, der hieß Saddhulla; der hatte eine Frau, die hieß Samena. Sie waren schon eine lange Zeit verheiratet, hatten aber noch immer kein Kind bekommen. Als eines Tages Mann und Frau wieder einmal beisammen saßen, rief die Frau: »Weshalb schenkt Gott mir denn kein Kind, einen Jungen, und wäre er noch so garstig und dumm, ich möchte ihn doch haben.« Der Mann erwiderte: »Nein, sag' das nicht zum zweiten Male! Wenn deine Bitte erhört würde, und wir bekämen ein Kind, und es wäre dumm, was sollten wir da mit ihm anfangen! Ich für mein Teil will solch' ein Kind nicht haben.« Die Frau antwortete: »Nun, wenn du es auch nicht haben willst, ich will es schon, wenn ich nur überhaupt ein Kind bekomme.«
Als die Frau eine Zeit lang so gerufen hatte, wurde sie schwanger und bekam einen Jungen, den nannten sie Kandhulok.
Als er heranwuchs und schon so groß war, daß er kleine Aufträge ausführen konnte, wollte sein Vater einmal ein Fest geben. Er befahl ihm, die Einladungen auszutragen. Als Kandhulok zum Vater kam, sagte der: »Hör' zu, geh' und lade den Kadi ein!« Kandhulok antwortete: »Wie sieht denn der Kadi aus, ich kenne ihn nicht.« Die Mutter erwiderte: »Wenn du jemanden triffst, der eine weiße Jacke an hat, dann ist es der Kadi.« Danach begab er sich fort.
Unterwegs kam er an einen Teich und sah dort einen weißen Reiher. Er dachte, das ist der Kadi; er ging auf ihn zu, um ihn aufzufordern. Als er aber beim Reiher war, flog dieser weg. Da rief er: »Du sollst eingeladen werden, du scheinst aber keine Lust zu haben, warum fliegst du denn sonst weg?« Darauf kehrte er heim. Als er nach Hause gekommen war, fragte ihn die Mutter: »Nun, hast du den Kadi nicht getroffen und herbegleitet?« Er antwortete: »Ich habe ihn mit vielen anderen beim Teiche getroffen, ich bin auf ihn zu gegangen, aber stets machte er, daß er wegkam, da bin ich denn umgekehrt, ich kann ihm doch nicht überallhin nachfolgen.« Die Mutter sagte: »Schnell, mach', daß du in die Moschee kommst, da wirst du ihn schon finden.« Er fragte weiter, und die Mutter erwiderte ihm: »Wenn du da jemand siehst, der in seinen Bart hineinbrummelt, dann geh' zu dem, das ist der Kadi; bestell' ihm, was ich dir gesagt habe und lade ihn zu uns ein. Nun geh'!« Darauf begab er sich fort.
Unterwegs traf er auf Bienen. Er ging auf sie zu. Und als er ganz in ihrer Nähe war, da zerstachen sie ihm sein ganzes Gesicht. Er konnte den Schmerz nicht aushalten, kehrte um, heulte, brüllte und schrie um Hilfe. Als der Vater das Gebrüll vernahm, erschrak er; er kam schnell herbeigelaufen und hatte ein großes Messer mitgenommen. Als er zur Stelle war, fragte er den Jungen aus und bekam zur Antwort: »Der Kadi hat mich verprügelt, er ist ein schlechter Kerl.« Der Vater sah sich das Gesicht an, glaubte ihm und ging mit ihm nach Hause. Als sie dort anlangten, kamen aber etliche Bienen zum Vorschein. Da wurde der Vater sehr böse und jagte ihn fort.
Er lief auf gut Glück davon und kam nach dem Hause eines Diebes. Dort machte er Halt und sagte: »Habt Ihr nichts dagegen, wenn ich bei Euch unterkrieche?« Der Dieb antwortete: »Ja, das kannst du. Weshalb soll ich dich nicht bei mir aufnehmen? Tu nur, was ich dir sage.« So kam er denn bei dem Diebe unter.
Als er eine Weile dort gewesen war, wollte der Dieb ihn das Stehlen lehren und sagte: »Soll ich dir heute nacht einmal zeigen, wie man das Stehlen macht?« Kandhulok antwortete: »Gewiß, gern!« Als es nun Nacht geworden war, so ungefähr um Mitternacht, machten der Dieb und Kandhulok sich auf, um zu stehlen. Sie gingen nach dem Nachbarhause des Kandhulok. Als sie da ankamen, waren die Leute gerade schlafen gegangen. Sie untergruben das Haus. Als sie durchkommen konnten, erhielt Kandhulok den Auftrag, hineinzugehen. Der Dieb sagte zu ihm: »Geh' nun hinein und paß auf, daß du keinen Lärm machst, sonst hören dich die Leute.«
Kandhulok begab sich also ins Haus. Drinnen sah er große Kisten stehen; er suchte sich die größte aus. Als er sie aber aufhob, war sie doch recht schwer. Er ließ sie hinfallen und weckte dabei die Hausbewohner auf. Die erschraken nicht schlecht, als sie das Gepolter vernahmen. Sie nahmen ihre Speere und gingen auf die Suche. Als sie nun Kandhulok erblickten, legten sie die Speere hin und fragten: »Was? Kandhulok, darfst du nachts in mein Haus kommen?« Kandhulok antwortete: »Nein, Oheim, ich bin nicht hier hereingekommen, um etwas zu stehlen. Aber draußen vor der Tür, da bin ich einem Dieb begegnet; der hat mir befohlen, hier hereinzukriechen; ich war bange vor dir und habe tüchtig geschrien.«
Als der Besitzer des Hauses dies hörte, hatte er Mitleid mit ihm und sagte: »Na, wenn die Sache so ist, bleibe man bei mir. Die Muhme hat dann auch Gesellschaft, wenn ich nicht hier bin, aber lauf' nicht weg.« Einige Tage lang fühlte Kandhulok sich denn auch ganz wohl.
Nach dieser Zeit aber bat er den Oheim und sagte: »Wenn du nichts dagegen hast und es mir erlaubst, dann möchte ich weiterziehen.« Der Oheim erwiderte: »Nun, meinetwegen! Aber geh' heimlich, die Muhme braucht es nicht zu wissen.« Als es dunkel geworden war, machte er sich auf. Auf dem Wege traf er seine Genossen, die zu einer Hochzeit gehen wollten. Sie schlugen ihm vor, mitzugehen. Kandhulok antwortete: »Ich geh' mit, wenn es viel zu essen gibt.« Seine Gefährten sagten: »Hab' nur keine Angst, da gibt's mehr, als du vertragen kannst.« So ging denn Kandhulok mit auf die Hochzeit.
Als sie mit dem Bräutigam vor das Haus seines Schwiegervaters gekommen waren, nötigte man sie, hereinzukommen und sich auf der Galerie hinzusetzen. Nach einer Weile wurde das Essen herausgebracht, und zwar eine gewaltige Menge. Als Kandhulok das viele Essen sah, griff er zu; er überaß sich dermaßen, daß er nachts das ganze Bett vollmachte.
Am andern Tag badete er sich im Fluß und hatte seine liebe Not, sich zu säubern. Aber so machte er es immer, wenn er Hochzeit feiern ging.
Eines schönen Tages besuchte der Dorfschulze von Padangmatogu, der Pangebulu hieß, mit sieben Dienern den Djonaha. Djonaha sollte ihm eine Schuld bezahlen.
Der Eulenspiegel befand sich gerade im großen Gemeindehaus. So begab sich denn der Dorfschulze ebenfalls dorthin. Sie begrüßten sich, und nachdem sie zusammen Betel genossen hatten, fragte Djonaha, weshalb er zu ihm gekommen wäre. Da teilte Pangebulu ihm mit, daß er eine Schuldforderung von 120 Dukaten bei ihm geltend machen wollte. Sie müßte bis zum nächsten Morgen beglichen sein. Der Eulenspiegel war sich dieser Schuld sehr wohl bewußt, doch sagte er, er hätte kein Geld.
»Nun,« sagte der Dorfschulze, »gib uns erst einmal etwas zu essen.« »Da habt ihr recht,« antwortete Djonaha, »ganz recht, erst muß etwas zu essen gekocht werden.« Inzwischen hatte seine Mutter ein kärgliches Mahl angerichtet, und man setzte sich zu Tisch. Als die Mahlzeit beendet war, hielt der Gläubiger ihm vor, daß er ihnen kein Fleisch vorgesetzt hätte. »Es tut mir von Herzen leid,« entschuldigte sich Djonaha, »aber wie soll ich euch Fleisch vorsetzen, ich habe weder Hühner noch Schweine und bin ein ganz armer Schlucker.« Die ungebetenen Gäste verließen darauf die Hütte des Eulenspiegels und gingen wieder nach dem Gemeindehaus, wo sie die Nacht zubringen wollten.
Früh am andern Morgen schlich sich nun Djonaha in das Gemeindehaus, um sein Blasrohr zu holen, das dort aufbewahrt wurde. Er versteckte es in der Hinterwand und ging dann heim, um seine Mutter zu wecken.
»Mütterchen, du, Mütterchen! Hast du gestern abend gehört, wie empört Pangebulu und seine Gefolgschaft gewesen sind, weil ich ihnen kein Fleisch vorgesetzt hatte? Nun, heute sollen sie was bekommen. Schlachte sieben Küken, die schon so groß sind, daß sie über einen Reisstampfer hinwegschreiten können, und brate sie in Topfscherben. Halte sie auf dem Herde warm und bringe sie dann auf den Topfscherben und auf bambusgeflochtenen Untersätzen herein.«
»Gewiß, lieber Junge, das werde ich tun,« antwortete die Mutter.
Djonaha begab sich nun wieder nach dem Gemeindehaus und sagte zu seinem Gläubiger: Lieber Herr, befehlt doch bitte einem Diener, mit mir in den Wald zu gehen, ich will Vögel schießen.«
»Sehr gern, Djonaha,« bekam er zur Antwort; und dann ging der Eulenspiegel mit einem Diener und seinem Blasrohr in den Wald.
Sie erspähten bald einige junge Nashornvögel, die sich an den Beeren gütlich taten. Djonaha zielte mit dem Blasrohr auf die Vögel und tat so, als ob er einen Pfeil nach ihnen blies; dabei rief er: »Nashornvögelchen, fliege schön nach meinem Hause, damit die Mutter dich für die Gäste braten kann, die gestern bei mir eingekehrt sind.« »Aber, Djonaha! Was bedeutet denn das?« fragte ihn der Diener ganz erstaunt, »hast du den Vogel, nach dem du zieltest, auch getroffen? Mich dünkt's, als wäre er unverletzt davongeflogen.« »Nein, Freundchen,« antwortete der Eulenspiegel, »da irrst du dich; der liegt schon bei Muttern auf einer Topfscherbe und wird gebraten.« »Dann hast du ja ein ganz wundersames Blasrohr!« meinte der Diener. »Ei gewiß!« sagte Djonaha, »in diesem Augenblick wird er schon gebraten.«
Nach einer Weile blies Djonaha nach einer Taube.
»Geschwind, mein Vogel, geschwind, eile zur Mutter und laß dich braten!« Der Diener sperrte vor Staunen Augen und Ohren auf, als er die Tauben davonfliegen sah. Das tat er noch fünf Male; und allemal beauftragte er die Vögel, nach seinem Hause zu eilen.
»So, nun wollen wir heimgehen,« sagte er darauf zu seinem Begleiter, »jetzt haben wir genug erlegt.« Der war damit einverstanden, und sie begaben sich wieder in das Gemeindehaus, wo Djonaha sein Blasrohr aufbewahrte. Der Eulenspiegel verabschiedete sich alsdann von seinen Gästen und fragte seine Mutter, ob das Essen fertig wäre. Es war angerichtet. Nun breitete Djonaha für seine Tischgenossen Matten aus, goß in die Fingerschalen aus Kokosnüssen Wasser, häufte den Reis auf den Tellern zu kleinen Kegeln und holte dann die Gäste zum Essen herbei.
»Liebe Freunde,« sagte er, »es ist schon etwas spät; aber nehmt mir das bitte nicht übel; ich komme eben von der Jagd heim und habe allerlei erlegt, was euch jetzt hoffentlich munden wird.« Die Gäste ließen sich nicht lange nötigen. Während sie sich den Reis gut schmecken ließen, tat Djonahas Mutter ihnen das Fleisch von den Topfscherben auf die Teller.
Als das der Mann sah, der den Eulenspiegel auf der Jagd begleitet hatte, fand sein Staunen kein Ende und er rief: »Djonaha, jetzt sehe ich doch, daß dein Blasrohr ein wirkliches Wunderding ist, denn wir haben hier ja Fleisch in Hülle und Fülle.« »Ja, mein Lieber, da habt Ihr recht. Das ist eine Glückswaffe. Was da auch kommen mag, und wenn mir die Schulden auch über den Kopf wachsen, auf das Blasrohr werde ich nie und nimmer verzichten, denn seitdem der Vater tot ist, muß es mich ernähren. Lieber würde ich Sklave werden.«
Als das Mahl beendet war, sagte der Eulenspiegel die üblichen verbindlichen Redensarten und meinte: »Ja, meine liebwertesten Herren, mit dem Essen seid ihr wohl nicht ganz befriedigt; wenn ihr noch hungrig seid, rechnet es mir nicht an; ich bin nicht geizig oder mißgönne es euch gar; weil ich so arm bin, konnte ich euch nichts weiter anbieten.«
»Na, Djonaha,« meinte Pangebulu, »mit dem Essen sind wir sehr zufrieden gewesen; wir sind satt, ja, mehr als satt. Die wilden Vögel mundeten uns vortrefflich. Aber vergiß darüber nicht, daß wir wegen der 120 Dukaten gekommen sind. Gibst du mir dein Blasrohr, bist du deiner Schuld ledig.«
»Nein, Herr,« antwortete der Eulenspiegel, »das Blasrohr gebe ich nicht her, und wenn Ihr meine Mutter und mich auch als Sklaven wegführtet.«
»Und ich sage dir,« beharrte Pangebulu, »ich will das Blasrohr statt des Geldes haben, sonst bin ich nicht zufrieden.«
»Na,« sagte Djonaha, »wenn es denn gar nicht anders geht, dann nehmt das Blasrohr hin. Aber das sage ich Euch, damit ist meine Schuld getilgt. Schenken will ich es Euch nicht, es ist ein Stück von mir selbst, was ich hergebe.«
Damit übergab er Pangebulu das begehrte Blasrohr.
»Eins muß ich noch sagen,« fügte er hinzu, »sorgt dafür, daß Euch auf dem Heimwege nicht der Wind hineinbläst oder eine Fliege über das Rohr läuft. Dann verliert es seine Wunderkraft. Kommt dann etwa nicht wieder zu mir her und verlangt, ich solle es zurücknehmen. Ich habe Euch gewarnt.«
»Sei unbesorgt, Djonaha, wir werden schon aufpassen.«
»Schön, dann nehmt es mir bloß nicht übel, daß ich euch das gesagt habe.«
»Ganz im Gegenteil,« und damit zogen die Gläubiger ab und nach Hause.
Sieben Tage später ging Pangebulu mit dem Blasrohr in den Wald, um es zu probieren.
Nachdem er eine ganze Weile umhergelaufen war, kam er an einen Baum, auf dem saß eine Schar Vögel, die sich die Früchte gut schmecken ließen. Pangebulu stellte sich unter den Baum und zielte auf einen Vogel: »Fort, Vogel, flieg' nach Hause, Mütterchen will dich braten.« Das tat er zehnmal hintereinander. Als er nach Hause kam, fragte er seine Mutter: »Nun, hast du die Vögel gebraten, die ich erlegt habe?«
»Welche Vögel? Ich habe keinen einzigen gesehen.«
»Was sagst du? Du hast keine Vögel bekommen? Also hat Djonaha mich betrogen, und ich werde ihm sein Blasrohr wieder hinbringen. Und doch hat er mir gesagt, als ich das Blasrohr für die geschuldeten 120 Dukaten von ihm forderte, ich brauchte nur damit zu zielen, dann würden die Vögel von selber in die Pfanne fliegen!« So machte er sich denn zum Djonaha auf. Er suchte ihn zwei Tage lang vergeblich, dann erst konnte er mit ihm reden.
»So, nun gib mir erst einmal etwas zu essen, und hier bringe ich dir dein dummes Blasrohr wieder,« sagte er.
»Essen, mein Lieber, sollt Ihr bekommen,« antwortete der Eulenspiegel, »denn der Anstand verlangt, daß man einen Gast bewirtet. Aus der Zurücknahme des Blasrohrs wird jedoch nichts. Gehe nur ruhig damit wieder nach Hause, denn unsere Verabredung ist sehr eindeutig gewesen.«
Pangebulu erwiderte: »Djonaha, wenn du nicht gesagt hast, daß die Vögel, auf die man zielt, von selber nach Hause fliegen, um gebraten zu werden, dann habe ich verloren; haben wir aber abgemacht, die Vögel, auf die man zielt, fliegen von selber nach Hause, dann mußt du das Geld bezahlen.«
»Na, hör' mal, mein Lieber,« entgegnete Djonaha, »Ihr habt schön reden! Wenn ich Euch nicht im voraus gewarnt hätte, ja keinen Wind ins Blasrohr wehen oder keine Fliege darüber laufen zu lassen, dann hätte ich verloren. Wenn Ihr aber zugeben müßt, daß ich es schon vorher gesagt habe, daß Ihr noch einmal wünschen würdet, mir das Blasrohr zurückzugeben, dann habt Ihr unrecht.«
»Gewiß hast du das gesagt. Aber ich kann doch nicht um dies Gerümpel, das offensichtlich keinen Vogel nach Hause treibt, l20 Dukaten einbüßen!«
»Schön, wenn Ihr so denkt, dann soll das Hühner-Orakel entscheiden. Erweist es sich, daß meine Zauberformel belanglos war, muß ich Euch 120 Dukaten bezahlen, andernfalls bekommt Ihr nichts.«
»Gut, damit bin ich einverstanden, Djonaha.«
Djonaha ging darauf auf den Markt und kaufte ein Huhn um zehn Pfennig, das er mit nach dem Gemeindehaus nahm. Er sagte dann zu den Leuten: »Freunde, wieviel ist dies Orakelhuhn wert, damit der Verlierer nachher dafür zahle?« »Zehn Pfennig,« antwortete die Versammlung. »Ihr habt recht,« erwiderte Djonaha, »mit wieviel soll es aber gebüßt werden?« »Jeder zahlt einen Taler, denn der Kläger ist ja ein Fremdling; sonst brauchtet Ihr nach uralter Sitte nur die Hälfte zu geben.« Dagegen wurde nichts eingewendet, und so zahlten beide das Geld.
Darauf beschaffte Djonaha die satti-satti, die Opferspeisen, die aus Zahnschwärze, Betelblättern und Blumen bestand, und setzte sie in einer Schale auf dem Platze vor dem Gemeindehause hin. Dann nahm er das Huhn und sagte: »Ihr sollt nun entscheiden und mir mein Recht werden lassen. Die rechte Seite des Huhnes gehört mir, die linke dem Pangebulu. Nun entscheidet, damit ich weiß, wonach ich mich zu richten habe, wenn ich das Huhn das Urteil sprechen lasse.« »Gut, Djonaha,« sagten sie, »dir gehört die rechte Hälfte des Huhnes, denn du bist hier zu Hause; dem andern gehört die linke Hälfte.«
Der Eulenspiegel weihte alsdann das Huhn den drei mächtigen Schutzgeistern des Hauses, Dorfes und den Ahnen: Boraspati-ni Tano, Tongung-ni-Huta und Sombaon Mogamogasi Borboran Pangaribuan. Und er richtete sein Gebet an die Flurgeister, die Boru Sanyang Naga und lud die drei Söhne des Obergottes Debata ein, mitzuhören und zuzuschauen:
»O Urväter, nun soll das Hühnerorakel entscheiden, hier auf geräumigem Dorfplatz!
Wenn er, der das Blasrohr zurückbrachte, es nicht behalten soll,
Wenn er es als Zahlung meiner Schuld erhalten soll,
Wenn ich nicht sagte, daß kein Wind hineinblasen, keine Fliege darüber laufen durfte,
So soll Pangebulu gewinnen,
Das Huhn falle auf die rechte Seite!
Wenn ich nun aber das Blasrohr gab in Zahlung,
Wenn er es nahm, als ich das Geld ihm schuldete,
Wenn ich ihn warnte, daß kein Wind hineinblasen, keine Fliege darüber laufen darf,
Wenn ich dies sage, die Wahrheit rede, und also der andere lügt,
So habe ich den Streit gewonnen.
Das Huhn falle auf die linke Seite!«
Damit schnitt Djonaha dem Huhn den Hals durch. Das Tier flatterte noch einige Augenblicke umher, fiel dann auf die linke Seite und starb. »Djonaha hat gewonnen,« erschollen ringsum die Rufe; Pangebulu mußte das Huhn und die Buße zahlen und ohne seine 120 Dukaten nach Hause abziehen.
Der Dumme wohnte bei seinen Eltern. Seine Mutter riet ihm, sich eine Frau zu nehmen, und gehorsam ging er auch auf die Suche. Er sollte sich, sagte seine Mutter, ein stilles Mädchen suchen, nicht eins, dessen Mund den ganzen Tag über nicht stillstünde, wie es doch bei den meisten Toradjamädels der Fall ist. Wenn der Dumme einem Mädchen begegnete, fragte er es höflich, doch erhielt er derartig beredte Antworten, daß er eilends das Land verließ, wo die Mädchen so schnell mit dem Mundwerk bei der Hand waren. Eines Tages gelangte er an ein Haus, wo gerade ein junges Mädchen gestorben war, und man die Totenwache hielt. Der Dumme setzte sich daneben, sprach es an, doch es schwieg. Also mußte es nach dem Rat seiner Mutter eine gute Frau für ihn sein. Er wartete nun, bis die wachenden Familienmitglieder eingeschlafen waren, dann hob er den Leichnam auf und trug seine schweigende Braut nach Haus. Er legte sie im Schlafgemach seiner Eltern nieder und bat darauf seine Mutter, etwas recht Schönes zu kochen; er hätte nun eine stille, zurückgezogen lebende Frau gefunden, sie wäre noch ein wenig verlegen und so wollte er zunächst mit ihr allein essen. Er steckte ihr den Reis in den offenstehenden Mund und wunderte sich, daß sie nicht zubiß. Inzwischen hatte sich der Leichengeruch schnell im Hause verbreitet, so daß die Eltern herbeieilten, um sich die neue Schwiegertochter anzuschauen. Als sie merkten, daß ihr dummer Sohn eine Leiche mitgebracht hatte, befahlen sie ihm mit kräftigen Worten, sie sofort zu begraben. Das tat der Dumme und kam zu dem Schluß: Wenn jemand stinkt, ist er tot.
Nach einer kleinen Weile ließ der Vater einen Wind streichen. »So,« sagte der Dumme, »nun bist du gestorben.«
»Aber, nein. Junge, ich ließ doch nur einen Wind.« »Nein, Vater, das weiß ich besser, ich werde dich begraben.« Alles Sträuben half nichts, der Dumme hob seinen Vater hoch, trug ihn hinaus und begrub ihn. Wiederum nach einer Weile ließ die Mutter einen Wind streichen; der Dumme trug sie ebenfalls hinaus und begrub sie. So wohnte er denn etliche Tage allein im Hause, bis auch ihm plötzlich ein Wind entfuhr. Er erklärte sich nun für tot, hob sein eigenes Grab aus und begrub sich bis an den Hals. Als es Abend geworden war, kamen ein paar Diebe vorüber, die wollten in einem Hause stehlen. Der Dumme rief sie an, sie erkannten ihn, gruben ihn aus, und er folgte ihnen. Schnell erreichten sie zwei Häuser. »Geh', Dummer, in das eine Haus, such' dir etwas, das recht schwer ist und lauf' damit weg, nimm nur keine leichten Sachen.« »Schön,« antwortete der Dumme, stieg die Treppe hinauf, ging in das Haus hinein und suchte darin herum; er hob alles auf, was er fand, aber er fand nichts, was schwer genug gewesen wäre. Schließlich gelangte er an den Herd und versuchte, den hölzernen Rand davon hoch zu heben, das gelang ihm aber nicht, denn er saß gehörig fest. Doch der Dumme meinte, solch' schweres Ding wäre gerade das rechte, das er haben müßte; dabei machte er so viel Lärm, daß die Hausbewohner erwachten, ihn griffen und am andern Tag totschlugen, da er nicht zur Familie gehörte. So wurde er dafür bestraft, daß er seine Eltern getötet hatte, und es war doch nicht umsonst gewesen, daß er sich sein eigenes Grab gegraben hatte.