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Hoch im Bergland von Arkadien

Hoch im Bergland von Arkadien,
das in Argos' Ebne blicket,
rauchen Feuer. Hoch im Bergland
opfern die Pelasger ihrem
unsichtbaren Gotte Zeus.
Sinnend steht der alte Priester
an dem roten Stein des Altars,
lauscht den Winden, lauscht dem Säuseln
gelber Blüten an der Felswand.
Und es lauschen die Pelasger –
lauschen nur und sind erhoben.
Aber einer tritt zum Priester,
einer, der des Windes Säuseln,
der der Wolken Bergversammlung
nicht bemerkte, auch die Stille
nicht empfand, und sprach zu ihm:
»Nie noch sah ich unsre Gottheit,
die uns schützt und die uns führet,
sage mir, wie denk' ich jenen
Gott mir? Zeige mir den Gott!«
Finster wandte sich der Priester:
»Leise rede, rede leise,
daß du deiner Brüder Busen

nicht mit gift'ger Saat entzündest!
Siehst du nicht, nun denn, so schweige!
Geh ins Tal und schweige, Jüngling!«
Doch es schwieg nicht lang der Jüngling,
fragte jeden seiner Brüder
nach der Gottheit, ob er je sie
sah, und wo er diese Frage
tat, so ward ihm eine Antwort:
ungesehen sei die Gottheit,
und in jedes Seele, den er
fragte, sank des Zweifels Saatkorn.

Seltner rauchten nun die Opfer.
Oft saß jetzt der alte Priester
einsam auf dem Felsenhaupte,
fühlte doppelt nun die Gottheit,
weinte, wenn sie ihn umfing.
Sieh, da zogen bunte Segel
in die Bucht, und bunte Waren
tauchten aus der Schiffe Leibern
und umsäumten licht den Strand.
Kamen handelnd die Phöniker.
Staunend standen die Pelasger
vor den unbekannten Schätzen,
schauten sie und wurden lüstern:
»Sagt, wer wies euch durch des Meeres
wüste Bahnen, sagt, wer tat es,
und wer gab euch solche Schätze?«
Zogen eilig die Phöniker
kleine Götter aus den Wämsern,
kleine, winzige Idole,
die sie immer bei sich trugen:
»Diese taten's, unsre Götter.« –
»Gebt uns Götter, diese Götter,
die uns leiten, die uns führen,
Gold uns schenken, so wie euch,
Götter, die uns sichtbar sind.«
Und bald trug ein jeder sorglich
in der hohlen Hand sein Göttlein,
in der hohlen Hand nach Hause.

Ach, der Gott war so gefügig,
konnte nachts am Herzen schlafen,
wurde warm in heißen Küssen,
konnte überredet werden
und gestraft, wo er versagte.

Hoch im Bergland von Arkadien
sprach mit seinem unsichtbaren,
großen Gotte noch der Priester.
Der ging atmend durch die Berge
noch und bildete die Wolken,
warf den Bach hinab zu Klüften,
donnerte und spielte leise
mit den gelben Bergesblumen,
fürchtete die neuen Götter
nicht und zürnte nicht den Menschen;
und der Priester kniete nieder
wieder vor dem höchsten Gotte.


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