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Bergliese die Stirne ans Fenster drückt,
Mondsilber umgießet den Wald,
Bergliese hinaus in den Schimmer blickt,
er faßt sie mit stiller Gewalt.
Das Herz ist ihr weh und die Seele so bang,
lang starb ihr der Vater, die Mutter wie lang! –
Vergangen, vergessen, versunken.
»Du Faule, du Dirne, du bettelnde Brut,
was stehst du und stierst in die Welt!
Zum Nähren, da ist dir der Bauer wohl gut,
und gut zum Verprassen sein Geld?
Dein Vater ein Lump, eine Dirne wie du
deine Mutter und all ihre Mütter dazu,
sie legten dich mir in die Wiege!
Hinaus in die Wälder und rege den Fuß
und rege die Hände geschwind!
Und bringst du nicht Reisig im Überfluß,
so peitsche dich Hagel und Wind,
und hat dich nicht Wind und nicht Hagel zerzaust,
so will ich dich schlagen mit nerviger Faust,
viel schlimmer als Wetter und Winde.«
So rief sie der Pfleger, der zornige, an
und stieß ihr die Faust ins Genick;
er war ein entmenschter, ein grausamer Mann
und führte die Hölle im Blick.
Er warf sie hinab in das finstere Haus
und weiter zur krachenden Pforte hinaus
ins stille, verlaßne Gehöfte.
Bergliese die Füße, die müden, bewegt
hinein in die eisige Nacht;
licht glitzert das Eis, und der Schneesturm fegt
und heult um die Dächer mit Macht.
»Ja, ja, auf dem Dach bei dem rauchenden Schlot,
da ist man wohl näher bei ihm und bei Gott,
beim Leuchtenden, Schönen, am Himmel!«
Die Straße entlang, über Feld, über Rain
hinwallt sie im funkelnden Schnee;
wo die Föhre sich streckt in den Himmel hinein,
still hält sie und schaut in die Höh'.
»Du Schöner am Himmel, so matt und so bleich,
hoch, hoch in den Wipfeln, da hast du dein Reich,
hoch, hoch in den Wipfeln der Föhren!«
Sie beugt sich und sammelt das Reisig umher,
und mählich entschlummert der Wind;
die Bürde wird hart, und die Bürde wird schwer
und müde das zitternde Kind.
»Klar leuchtet der Mond und so eigen und still,
ach, was er wohl lächelt, und was er wohl will?
der Schöne, der Schöne am Himmel!«
Ermattet sinkt sie ins schneeige Moos,
halb träumend flüstert sie leis:
»Wie blickt er so rein, wie blickt er so groß,
ach, ob er mein Leiden wohl weiß?
Woher er wohl kommt, und wohin er wohl zieht,
und ob er wohl Vater und Mütterlein sieht?
der Schöne, der Schöne am Himmel!«
Die Föhren hinab und die Föhren hinan
Lichtschimmer gleitet und schwebt,
und was nicht im moosigen Grunde verrann,
die schwankenden Wipfel umwebt.
Rings triefen die Lüfte von heiligem Licht
so rein wie Demanten, Berglieses Gesicht
ist starr in den Schimmer gerichtet.
Und wie sie so schlummert, da neigt sich der Baum
mit flüsternder Krone zu ihr:
»Auf, Mondbraut, Mondbraut, wach aus dem Traum
und steig in die Wipfel zu mir!« –
»Auf, Mondbraut, Mondbraut!« tönt's aus der Luft,
»wir tragen dich hoch in den dämmernden Duft
zu Bräutigam, Vater und Mutter.«
»Wer ruft?« spricht leise die lauschende Maid,
»wer ruft, wer ruft mich empor?
Ich komme! – Doch dünkt mich, der Weg ist zu weit,
verschlossen das güldene Tor!
Schon wieder? Ich komme! – Du Schöner, halt ein,
ich will dir ja folgen, du nennst mich ja dein;
ich komme, ich komme, ich komme!«
Was krallt sich die düstere Föhre hinan?
Was rieselt hernieder der Schnee?
Was knistern die Zweige im hallenden Tann?
Was äugt das erwachende Reh?
Horch, wie es den Häher verscheucht aus dem Horst,
Bergliese nachtwandelt im eisigen Forst
und fliehet die drückende Erde.
Da schlingt sich ein Arm um die Hüfte ihr leis,
gewoben von Licht und von Glut,
da schwillt ihr das Herz, und da pocht ihr so heiß
im Busen das strömende Blut.
»Ich grüß' dich, du Schöner«, so lispelt sie hold,
»wie bist du so strahlend im Gürtel von Gold,
ich folge dir gerne, so gerne!«
Und aufwärts weht sie der nächtige Wind,
Bergliese, in Bräutigams Arm;
wie hält er das müde, das frierende Kind
am Busen so weich und so warm.
Er trägt sie hinauf in den silbernen Kahn,
ausbreitet die Flügel ein leuchtender Schwan
und zieht ihn gen Süden, gen Süden.
Noch rinnt ihr die Träne im seligen Weh,
noch bebt ihr im Kusse der Mund,
da tauchet, gewölbt von Demanten und Schnee,
ein Schloß aus dem dämmernden Grund.
Es türmt sich so licht, und es wölbt sich so rein:
»Wem mag es gehören, wem mag es wohl sein,
das hehre, das schöne, das reiche?«
Die Sterne umwandeln die Zinnen von Stahl
in heiligem, ewigem Gang,
und Gärten erblühen im duftenden Tal,
durchjubelt von Vogelgesang.
Und Mütterlein steht auf der Schwelle und winkt
und Väterlein auch, und der Nachen, – er sinkt –
er sinkt in die duftenden Gärten!
Was dröhnte der Grund, was scholl durch die Nacht?
Mir schien es ein klagender Ton:
Sie liegt an der Föhre, sie hat es vollbracht,
auf ewig dem Jammer entflohn!
Zerschmettert, verröchelnd im rieselnden Blut,
so hat er gebettet sie sicher und gut,
der Schöne, der Schöne am Himmel.