Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

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Dritter Akt

Morgen. Schloßhof. An der einen Seite der Dom.

Erste Szene

Rumolt und Dankwart treten gerüstet auf.

Rumolt.
Drei Tote!

Dankwart.         Nun, für gestern war's genug,
Es war ja nur ein Vorspiel! Heute wird's
Wohl anders kommen.

Rumolt.                                 Diese Nibelungen
Sind mit den Totenhemden gleich versehn,
Ein jeder führt es bei sich, wie sein Schwert.

Dankwart.
Man hat im Norden wunderliche Bräuche,
Denn, wie die Berge wilder werden, wie
Die muntren Eichen düstern Tannen weichen,
So wird der Mensch auch finstrer, bis er endlich
Sich ganz verliert, und nur das Tier noch haust!
Erst kommt ein Volk, das nicht mehr singen kann,
An dieses grenzt ein andres, das nicht lacht,
Dann folgt ein stummes, und so geht es fort.

Zweite Szene

Musik. Großer Zug. Wulf und Truchs unter den Recken.

Rumolt (indem er sich mit Dankwart anschließt).
Wird Hagen jetzt zufrieden sein?

Dankwart.                                           Ich denk's!
Das ist ein Aufgebot, wie für den Krieg!
Doch hat er recht, denn diese Königin
Braucht andre Morgenlieder, als die Lerche
Sie hören läßt, die in der Linde pfeift!

(Geben vorüber.)

Dritte Szene

Siegfried erscheint mit Kriemhild.

Kriemhild (auf ihr Gewand deutend).
Nun? Dankst du's mir?

Siegfried.                             Ich weiß nicht, was du meinst.

Kriemhild.
Sieh mich nur an!

Siegfried.                     Ich dank dir, daß du bist,
Daß du so lächelst, daß du blaue Augen
Und keine schwarze hast –

Kriemhild.                                   Du lobst den Herrn
In seiner Magd! Du Tor, hab ich mich selbst
Geschaffen, und die Augen, die du rühmst,
Mir ausgesucht?

Siegfried.                   Die Liebe, dünkt mich, könnte
So seltsam träumen! Ja, an einem Morgen,
Wo alles mailich funkelte, wie heut,
Hast du die beiden hellsten Tropfen Taus,
Die an den beiden blausten Glocken hingen,
Dir weggehascht, und trägst seitdem den Himmel
Zwiefach im Antlitz.

Kriemhild.                         Lieber dank's mir doch,
Daß ich als Kind so klug gefallen bin,
Denn diese Augen waren arg bedroht,
Als ich mir hier die Schläfe zeichnete.

Siegfried.
Laß mich die Narbe küssen!

Kriemhild.                                     Hitz'ger Arzt,
Verschwende deinen Balsam nicht, die Wunde
Ist längst geheilt! Nein, weiter!

Siegfried.                                           Nun, so danke
Ich deinem Mund –

Kriemhild.                       Mit Worten?

Siegfried (will sie umarmen).               Darf ich so?

Kriemhild (weicht zurück).
Glaubst du, ich fordre auf?

Siegfried.                                   Mit Worten denn
Für Worte! Nein, für Süßeres, als Worte,
Für dein Gelispel holder Heimlichkeiten,
Dem Ohr so Köstliche wie dein Kuß der Lippe,
Und für die Heimlichkeiten selbst, fürs Lauschen
Am Fenster, als wir in die Wette warfen,
Oh, hätte ich's geahnt! und für dein Höhnen
Und Spotten –

Kriemhild.               Um mit Ehren zu verweilen,
Nicht wahr, so legst du's aus? Wie boshaft, Freund!
Das sagt ich dir im Dunkeln! Willst du sehn,
Ob ich erröte, wenn du's jetzt bei Tage
Mir wiederholst? Mein Blut ist gar zu dumm,
Es steigt und fällt zu rasch, und meine Mutter
Vergleicht mich oft mit einem Rosenstock,
Der Rot und Weiß auf einem Stengel trägt.
Sonst hätt'st du nichts von alledem erfahren,
Doch fühlt ich's wohl, wie meine Wangen brannten,
Als mich mein Bruder gestern morgen neckte,
Da mußt ich dir die Missetat gestehn!

Siegfried.
Daß der den besteh Hirsch noch heute träfe!

Kriemhild.
Und ihn verfehlte! ja! Das wünsch ich auch. –
Du bist wohl einer, wie mein Ohm, der Tronjer,
Der einen neuen Rock, den man ihm stickt
Und heimlich vor sein Bette legt, nur dann
Bemerkt, wenn er zu eng geriet?

Siegfried.                                             Warum?

Kriemhild.
Du siehst nur das, was Gott und die Natur
An mir getan, mein eigenes Verdienst
Entgeht dir, das beginnt erst bei den Kleidern,
Und nicht einmal der Gürtel fällt dir auf.

Siegfried.
Nun, der ist bunt! Doch lieber möcht ich noch
Den Regenbogen um den Leib dir winden,
Mir deucht, der paßt zu dir und du zu ihm.

Kriemhild.
Bring mir ihn nur zur Nacht, so wechsle ich,
Doch wirf ihn nicht so hin, wie diesen andern,
Ich hätte dein Geschenk fast übersehn!

Siegfried.
Was redest du?

Kriemhild.                 Wenn nicht die Steine wären,
So läge er wohl jetzt noch unterm Tisch,
Doch Feuer kann sich freilich nicht verstecken.

Siegfried.
Der wär von mir?

Kriemhild.                     Gewiß.

Siegfried.                                   Kriemhild, du träumst!

Kriemhild.
Ich fand ihn in der Kammer.

Siegfried.                                     Deine Mutter
Wird ihn verloren haben!

Kriemhild.                                 Meine Mutter!
O nein, ich kenne ihren Schmuck! Ich dachte,
Er stamme aus dem Nibelungenhort,
Und legt ihn eilig an, dich zu erfreun!

Siegfried.
Das dank ich dir, allein ich kenn ihn nicht!

Kriemhild (nimmt den Gürtel ab).
Dann mach der goldnen Borte wieder Platz,
Die du bedeckst! Ich war schon ganz geschmückt
Und schnallte ihn nur über, um die Mutter
Und dich zugleich zu ehren, denn die Borte
Ist von der Mutter!

Siegfried.                       Das ist wunderlich!
Du fandst ihn an der Erde?

Kriemhild.                                   Ja!

Siegfried.                                           Zerknüllt?

Kriemhild.
Siehst du, daß du ihn kennst! Der zweite Spaß
Gelang dir, wie der erste, und ich habe
Zwiefache Müh! (Sie will den Gürtel wieder umschnallen.)

Siegfried.                   Um Gottes willen, nein!

Kriemhild.
Ist das dein Ernst?

Siegfried (für sich).       Sie suchte mir die Hände
Zu binden.

Kriemhild. Lachst du nicht?

Siegfried (für sich).             Da ward ich wütend
Und brauchte meine Kraft.

Kriemhild.                                 Noch immer nicht?

Siegfried (für sich).
Ich riß ihr etwas weg!

Kriemhild.                           Bald werd ich's glauben.

Siegfried (für sich).
Das pfropft ich, weil sie wieder darnach griff,
Mir in den Busen, und – – Gib her, gib her,
Kein Brunnen ist so tief, den zu verbergen,
Ein Stein daran, und in den Rhein hinab!

Kriemhild.
Siegfried!

Siegfried.         Er ist mir dann entfallen! – Gib!

Kriemhild.
Wie kam er denn in deine Hand?

Siegfried.                                             Dies ist
Ein furchtbar unglückseliges Geheimnis,
Verlange keinen Teil daran.

Kriemhild.                                   Du hast
Mir doch ein größres anvertraut, ich kenne
Die Stelle, wo der Tod dich treffen kann.

Siegfried.
Das hüte ich allein!

Kriemhild.                       Das andre hüten
Wohl zwei!

Siegfried (für sich).
                      Verflucht! Ich eilte mich zu sehr!

Kriemhild (bedeckt sich das Gesicht).
Du schwurst mir etwas! Warum tatst du das?
Ich hatt es nicht verlangt.

Siegfried.                                 Bei meinem Leben,
Ich habe nie ein Weib erkannt!

Kriemhild (hält den Gürtel in die Höhe).

Siegfried.                                         Ich wurde
Damit gebunden!

Kriemhild.                   Wenn's ein Löwe sagte,
Es wäre glaublicher!

Siegfried.                           Und doch ist's wahr!

Kriemhild.
Dies schmerzt! Ein Mann, wie du, kann keinen Fehler
Begehn, der ihn, wie schlimm er immer sei,
Nicht doch noch besser kleidet, als die Lüge,
Womit er ihn bedecken will!

(Gunther und Brunhild treten auf.)

Siegfried.                                         Weg, weg!
Man kommt!

Kriemhild.           Wer kommt? Brunhild? Kennt die den Gürtel?

Siegfried.
Verbirg ihn doch!

Kriemhild.                   Nein, nein, ich zeige ihn!

Siegfried.
Verstecke ihn, so sollst du alles wissen.

Kriemhild (indem sie den Gürtel verbirgt).
Sie kennt ihn also wirklich?

Siegfried.                                     Hör mich an!

(Beide folgen dem Zuge.)

Vierte Szene

Brunhild.
War das nicht Kriemhild?

Gunther.                                   Ja.

Brunhild.                                         Wie lange bleibt
Sie noch am Rhein?

Gunther.                         Sie wird wohl nächstens ziehn,
Denn Siegfried muß zu Haus.

Brunhild.                                         Ich geb ihm Urlaub
Und schenke ihm den Abschied obendrein.

Gunther.
Ist er dir so verhaßt?

Brunhild.                           Ich kann's nicht sehn,
Daß deine edle Schwester sich erniedrigt.

Gunther.
Sie tut, wie du.

Brunhild.                   Nein, nein, du bist ein Mann!
Und dieser Name, der mir sonst so feindlich
Erklang, erfüllt mich jetzt mit Stolz und Lust!
Ja, Gunther, ich bin wunderbar verwandelt:
Du siehst's ja wohl? Ich könnte dich was fragen
Und tu es nicht!

Gunther.                   Du bist mein edles Weib!

Brunhild.
Ich hör mich gern so nennen, und es kommt
Mir jetzt so seltsam vor, daß ich das Roß
Getummelt und den Speer geworfen habe,
Als säh ich dich den Bratenwender drehn!
Ich mag die Waffen nicht mehr sehn, auch ist
Mein eigner Schild mir jetzt zu schwer, ich wollte
Ihn auf die Seite stellen, und ich mußte
Die Magd um Beistand rufen! ja, ich möchte
Jetzt lieber lauschen, wie die Spinnen weben,
Und wie die Vögel ihre Nester baun,
Als dich begleiten!

Gunther.                         Diesmal muß es sein!

Brunhild.
Ich weiß, warum. Vergib mir! Großmut war's,
Was ich für Ohnmacht hielt. Du wolltest mich
Nur nicht beschämen, als ich auf dem Schiff
So unhold trotzte! Davon wohnte nichts
In meiner Brust, und darum ist die Kraft,
Die sich in einer Laune der Natur
Zu mir verirrte, heimgekehrt zu dir!

Gunther.
Versöhne dich, da du so milde bist,
Denn auch mit Siegfried!

Brunhild.                                 Diesen nenne nicht!

Gunther.
Doch hast du keinen Grund, ihm gram zu sein.

Brunhild.
Ich hab auch keinen! Wenn ein König sich
So weit erniedrigt, Führerdienst zu leisten
Und Boten abzulösen, ist es zwar
So wunderlich, als ließe sich der Mensch
Fürs Pferd den Sattel auf den Rücken schnallen
Und bellte oder jagte für den Hund,
Allein, wenn's ihm gefällt, was kümmert's mich!

Gunther.
So war es nicht.

Brunhild.                   Auch wird's nur um so lust'ger,
Wenn er dabei so hoch an Haupt und Gliedern
Hervorragt vor den andern, daß man glaubt,
Er sammle sich von allen Königen
Der Welt die Kronen ein, um eine einz'ge
Daraus zu schmieden und die Majestät
Zum erstenmal im vollen Glanz zu zeigen,
Denn, das ist wahr, so lange auf der Erde
Noch mehr, als eine, glänzt, ist keine rund,
Und statt des Sonnenringes trägst auch du
Nur einen blassen Halbmond auf der Stirn!

Gunther.
Siehst du, daß du ihn schon mit andern Augen
Betrachtet hast?

Brunhild.                   Ich habe ihn vor dir
Begrüßt! Das räche! Fordre – töte ihn!

Gunther.
Brunhild! Er ist der Gatte meiner Schwester,
Und sein Blut ist das meinige.

Brunhild.                                         So kämpfe
Mit ihm und wirf ihn nieder in den Staub
Und zeige mir, wie herrlich du erscheinst,
Wenn er der Schemel deiner Füße ist.

Gunther.
Auch das ist hier nicht Brauch.

Brunhild.                                         Ich laß nicht ab,
Ich muß es einmal sehn. Du hast den Kern,
Das Wesen, er den Schein und die Gestalt!
Zerblase diesen Zauber, der die Blicke
Der Toren an ihn fesselt. Wenn Kriemhild
Die Augen, die sie jetzt an seiner Seite
Doch fast zu kühn erhebt, auch senken muß,
So schadet's ja wohl nicht, ich aber werde
Dich noch ganz anders lieben, wenn du's tust.

Gunther.
Auch er ist stark!

Brunhild.                     Ob er den Lindwurm schlug
Und Alberich bezwang: das alles reicht
Noch nicht von fern an dich. In dir und mir
Hat Mann und Weib für alle Ewigkeit
Den letzten Kampf ums Vorrecht ausgekämpft.
Du bist der Sieger, und ich fordre nichts,
Als daß du dich nun selbst mit all den Ehren,
Wornach ich geizte, schmücken sollst. Du bist
Der Stärkste auf der Welt, drum peitsche ihn
Zu meiner Lust aus seiner goldnen Wolke
Heraus, damit er nackt und bloß erscheint,
Dann leb er hundert Jahre oder mehr.

(Beide ab.)


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