Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

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Vierte Szene

Werbel und Swemmel treten auf,

Werbel.
Mein Fürst, es flammt schon von den nächsten Bergen!
Die Nibelungen nahn!

Etzel (will hinunter).

Kriemhild (hält ihn zurück).
                                      Ich geh hinab
Und führ sie in den Saal. Du aber bleibst
Und wartest ihrer, mag die Treppe ihnen
Auch länger werden, als ganze Weg
Vom Rhein bis in die Heunenburg.

Etzel.                                                       Es sei.
Sie hatten auch ja Zeit. Ich will derweil
Die Helden durch das Fenster mir betrachten;
Komm, Swemmel, zeig mir einen jeden an. (Ab. Swemmel folgt.)

Fünfte Szene

Kriemhild.
Nun hab ich Vollmacht – Sie ist weit genug!
Er braucht mir nicht zu helfen, ich vollbringe
Es schon allein, wenn er mich nur nicht hindert,
Und daß er mich nicht hindert, weiß ich jetzt! (Ab.)

Sechste Szene

Schloßhof.
Die Nibelungen mit Dietrich, Rüdeger, Iring und Thüring treten auf.

Hagen.
Da sind wir denn! Hier sieht's ja prächtig aus!
Was ist das für ein Saal?

Rüdeger.                                 Der ist für euch,
Du wirst ihn noch vor Abend kennenlernen,
Er hat für mehr als tausend Gäste Raum.

Hagen.
Wir glaubten auch, in keiner Bärenhöhle
Zu sitzen, weil wir nicht vom Rauch mehr leiden,
Wie unsre Väter in der alten Zeit,
Doch das ist ganz was andres!
(Zu den Königen.)                     Hütet euch,
Den asiat'schen Schwäher einzuladen:
Der schickt sein Pferd in euer Prunkgemach
Und fragt euch dann, wo Obdach ist für ihn.

Rüdeger.
Herr Etzel sagt: Die Völker denken sich
Den König, wie das Haus, worin er wohnt!
Drum wendet er auf dieses all die Pracht,
Die er an seinem Leibe stolz verschmäht.

Hagen.
Dann denken sie sich ihn mit so viel Augen,
Als ihnen Fenster hier entgegen funkeln,
Und zittern schon von fern. Doch hat er redet!

Rüdeger.
Da kommt die Königin!

Siebente Szene

Kriemhild mit großem Gefolge tritt auf.

Hagen.                                   Noch immer schwarz!

Kriemhild (zu den Nibelungen).
Sei ihr es wirklich? Sind das meine Brüder?
Wir glaubten schon, es käm ein Feind gezogen,
So groß ist euer Troß. Doch seid gegrüßt!

(Bewillkommnung, aber ohne Kuß und Umarmung.)

Mein Giselher, den Herren von Burgund
Entbot die Heunenkönigin den Gruß,
Dich küßt die Schwester auf den treuen Mund.
Herr Dieterich, mir trug der König auf,
Euch Dank zu sagen, daß Ihr seine Gäste
Empfangen habt. Ich sag Euch diesen Dank!
(Reicht ihm die Hand.)

Hagen.
Man grüßt die Herren anders, als die Mannen,
Das ist ein Zeichen wunderlicher Art,
Das manchen dummen Traum zu Ehren bringt.
(Bindet seinen Helm fester.)

Kriemhild.
Auch du bist da? Wer hat denn dich geladen?

Hagen.
Wer meine Herren lud, der lud auch mich!
Und wem ich nicht willkommen bin, der hätte
Auch die Burgunden nicht entbieten sollen,
Denn ich gehör zu ihnen, wie ihr Schwert.

Kriemhild.
Dich grüße, wer dich gerne sehen mag:
Was bringst du mir, daß du's von mir erwartest?
Ich habe dich des Abschieds nicht gewürdigt,
Wie hoffst du jetzt auf freundlichen Empfang!

Hagen.
Was sollt ich dir wohl bringen, als mich selbst?
Ich trug noch niemals Wasser in das Meer
Und sollte neue Schätze bei dir häufen?
Du bist ja längst die Reichste von der Welt.

Kriemhild.
Ich will auch nichts, als das, was mir gehört,
Wo ist's? Wo blieb der Hort der Nibelungen?
Ihr kommt mit einem Heer! Es war wohl nötig,
Ihn herzuschaffen. Liefert ihn denn aus!

Hagen.
Was fällt dir ein? Der Hort ist wohl bewahrt,
Wir wählten einen sichren Ort für ihn,
Den einzigen, wo's keine Diebe gibt,
Er liegt im Rhein, wo er am tiefsten ist.

Kriemhild.
So habt ihr das nicht einmal gutgemacht,
Was doch noch heut in eurem Willen steht?
Dich, sagst du, hielt man nötig für die Fahrt,
Und nicht den Hort? Ist das die neue Treu?

Hagen.
Wir wurden auf das Fest der Sonnenwende
Geladen, aber nicht zum jüngsten Tag,
Wenn wir mit Tod und Teufel tanzen sollen,
So sagte man's uns nicht zur rechten Zeit.

Kriemhild.
Ich frage nicht für mich nach diesen Schätzen,
Ich hab an meinem Fingerhut genug,
Doch Königinnen werden schlecht geachtet,
Wenn ihre Morgengabe gar nicht kommt.

Hagen.
Wir trugen allzu schwer an unserm Eisen,
Um uns auch noch mit deinem Gold zu schleppen,
Wer meinen Schild und meinen Panzer wiegt,
Der bläst das Sandkorn ab und nicht hinzu.

Kriemhild.
Ich bin hier noch die Brautgeschenke schuldig,
Doch das ist Etzels Sache, meine nicht,
So legt denn ab und folgt mir in den Saal,
Er wartet längst mit Ungeduld auf euch.

Hagen.
Nein, Königin, die Waffen nehm ich mit,
Dir ständen Kämmrerdienste übel an!

(Zu Werbel, der auf Kriemhilds Wink Hagens Schild ergreift.)

Auch du bist gar zu höflich, süßer Bote,
Die Klauen sind dem Adler nie zur Last.

Kriemhild.
Ihr wollt in Waffen vor den König treten?
So hat euch ein Verräter auch gewarnt,
Und kennt ich ihn, so sollt er selbst erleiden,
Womit er euch aus Hinterlist bedroht.

Dietrich (tritt ihr gegenüber).
Ich bin der Mann, ich, Dietrich, Vogt von Bern!

Kriemhild.
Das würd ich keinem glauben, als Euch selbst!
Euch nennt die Welt den edlen Dieterich,
Und blickt auf Euch, als wärt Ihr dazu da,
Um Feuer und Wasser einen Damm zu setzen
Und Sonne und Mond den rechten Weg zu zeigen,
Wenn sie einmal verirrten auf der Bahn:
Sind das die Tugenden, für die's der Zunge
An Namen fehlt, weil sie kein Mensch vor Euch
Besessen haben soll, daß Ihr Verwandte,
Die sich versöhnen wollen, neu verhetzt
Und Euren Mund zum Blasebalg erniedrigt,
Der tote Kohlen anzufachen sucht?

Dietrich.
Ich weiß, worauf du sinnst, und bin gegangen,
Es zu verhüten.

Kriemhild.                 Und was wär denn das?
Wenn du den Wunsch in meiner Seele kennst,
Den du als Mann und Held verdammen darfst,
So nenn ihn mir und schilt mich, wie du magst.
Doch, wenn du schweigen mußt, weil du nicht wagst,
Mich eines Unrechts zu beschuldigen,
So fordre diesen ihre Waffen ab.

Hagen.
Das braucht er nur zu tun, so hat er sie.

Dietrich.
Ich steh dir für sie ein!

Kriemhild.                             Für Etzel auch,
Daß er die Doppelschmach nicht grimmig rächt?
Mit meinen Perlen schmückt die Nixe sich,
Mit meinem Golde spielt der plumpe Fisch,
Und statt sich hier zum Pfand des Friedens jetzt
Den Arm zu binden, blitzt ihr Schwert als Gruß.

Hagen.
Herr Etzel war noch nimmer in Burgund,
Und wenn du selbst es ihm nur nicht verrätst,
So weiß er viel, was Brauch ist unter uns.

Kriemhild.
Ein jeder wählt sein Zeichen, wie er will,
Ihr tretet unter dem des Blutes ein,
Doch merkt euch: wer da trotzt auf eignen Schutz,
Der ist des fremden quitt, und damit gut.

Hagen.
Wir rechnen immer nur auf uns allein
Und achten alles übrige gering.

Dietrich.
Ich werde selbst das Salzfaß überwachen,
Damit kein Zank entsteht.

Kriemhild.                                 Du kennst sie nicht
Und wirst noch viel bereun!

Hagen (zu Rüdeger).                    Herr Markgraf, stellt
Euch doch als Blutsfreund vor. Da sieht sie gleich,
Daß wir ein friedliches Geschäft betreiben,
Denn Hochzeitsstifter suchen keinen Streit.
Ja, Königin, wir gehen zwar in Eisen,
Allein wir haben Minnewerk gepflogen
Und bitten dich, den neu geschloßnen Bund
Der Giselher vereinigt mit Gudrun,
Mit deinem Segen zu bekräftigen.

Kriemhild.
Ist's so, Herr Rüdeger, und kann's so sein?

Giselher.
Ja, Schwester, ja!

Kriemhild.                     Ihr seid vermählt?

Giselher.                                                     Verlobt.

Hagen.
Die Hochzeit erst, wenn du gesegnet hast!
(Zu Gunther.)
Jetzt aber, scheint mir, wird es endlich Zeit,
Zu Hof zu gehn! Was sollen wir uns länger
Begaffen lassen!

Dietrich.                     Ich geleite euch! (Ab mit den Nibelungen.)

Kriemhild (im Abgehen zu Rüdeger).
Herr Rüdeger, gedenkt Ihr Eures Schwurs?
Die Stunde naht, wo Ihr ihn lösen müßt.

(Beide ab, es erscheinen immer mehr Heunen.)

Achte Szene

Rumolt.
Wie dünkt Euch das?

Dankwart.                         Wir wollen unser Volk
Zusammenhalten und das übrige
Erwarten.

Rumolt.             Seltsam ist's, daß König Etzel
Uns nicht entgegenkam. Er soll doch sonst
Von feinen Sitten sein.

Dankwart.                           Und wie das glupt
Und stiert und heimlich an den Arm sich stößt
Und wispert! (Zu einigen Heunen, die zu nahe kommen.)
                      Halt! Der Platz ist schon besetzt!
Auch der! Und der! Schon zwanzig Schritt von hier
Fängt meine große Zehe an. Wer wagt's,
Mir draufzutreten?

Rumolt (nach hinten rufend).
                                Ebensoviel Raum
Brauch ich für meinen Buckel, und er ist
Empfindlich, wie ein Hühnerei.

Dankwart.                                         Das hilft! –
Sie knurren zwar, doch ziehn sie sich zurück;
Unheimliches Gesindel, klein und frech.

Rumolt.
Ich kukt einmal in eine finstre Höhle
Durch einen Felsenspalt hinein. Da glühten
Wohl dreißig Augenräder mir entgegen,
Grün, blau und feuergelb, aus allen Ecken
Und Winkeln, wo die Tiere kauerten,
Die Katzen und die Schlangen, die sie zwinkernd
In ihren Kreisen drehten. Schauerlich
Sah's aus, es kam mir vor, als hätt' sich eine
Gestirnte Hölle tief im Mittelpunkt
Der Erde aufgetan, wie all die Funken
So durcheinandertanzten, und ich fuhr
Zurück, weil ich nicht wußte, was es war.
Das kommt mir in den Sinn, nun ich dies Volk
So tückisch glupen sehe, und je dunkler
Der Abend wird, je besser trifft's.

Dankwart.                                             An Schlangen
Und Katzen fehlt's gewiß nicht. Ob auch Löwen
Darunter sind?

Rumolt.                   Die Probe muß es lehren,
In meiner Höhle fehlten sie. Ich suchte
Den Eingang auf, sobald ich mich besann,
Denn draußen war es hell, und schoß hinein.
Auch traf gar mancher Pfeil, wie das Geächz
Mir meldete, doch hört ich kein Gebrüll
Und kein Gebrumm, es war die Brut der Nacht,
Die dort beisammensaß, die feige Schar,
Die kratzt und sticht, anstatt zu offnem Kampf
Mit Tatze, Klau und Horn hervorzuspringen,
Und eben so erscheinen mir auch die.
Gib acht, wenn sie uns nicht beschleichen können,
So hat's noch keine Not.

Dankwart.                             Verachten möcht ich
Sie nicht, denn Etzel hat die Welt mit ihnen
Erobert.

Rumolt.           Hat er's auch bei uns versucht?
Er mähte Gras und ließ die Arme sinken,
Als er auf deutsche Eichen stieß!


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