Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band VIII
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Adī, der Sohn des Seid, und Hind.

Ferner erzählt man, daß En-Noomân, der Sohn des El-Munzir, der König der Araber, eine Tochter, Namens Hind, hatte, die an dem Passahtage, einem nazarenischen Festtage, ausgegangen war, um das Abendmahl in der weißen Kirche einzunehmen. Sie zählte damals elf Jahre und war das anmutigste Weib ihrer Zeit. An jenem Tage war aber gerade Adī, der Sohn des Seid, mit Geschenken vom Kisrā bei En-Noomân in El-Hîra eingetroffen und hatte sich ebenfalls in die weiße Kirche zum Abendmahl begeben. Adī, der Sohn des Seid, der von hohem Wuchs und anmutigem Wesen war, und schöne Augen und glatte Wangen hatte, war von einer Anzahl Leute aus seinem Volke begleitet, während Hind von einer Sklavin, Namens Mârija, begleitet wurde, welche Adī liebte, wiewohl es ihr bisher nicht möglich gewesen war mit ihm zusammenzukommen. Als sie ihn nun in der Kirche erblickte, sagte sie zu Hind: »Schau' dir jenen jungen Mann an; bei Gott, er ist hübscher als alle, die du siehst.« Da fragte Hind: »Wer ist's?« Und sie erwiderte: »Adī, der Sohn des Seid.« Nun sagte Hind, die Tochter En-Noomâns: »Ich fürchte, er erkennt mich, wenn ich nähertrete, um ihn deutlich zu sehen.« Mârija versetzte: »Woher sollte er dich erkennen, wo er dich nie zuvor gesehen hat?« Da näherte sie sich ihm, während er gerade mit den jungen Leuten, die ihn begleiteten, scherzte, alle durch seine Schönheit, seine gewählten Worte, seine beredte Zunge und seinen kostbaren Anzug übertreffend. Beim ersten Blick auf ihn verliebte sie sich sterblich in ihn, so daß sie ganz verstört wurde und die Farbe wechselte; als aber Mârija ihre Neigung für ihn bemerkte, sagte sie zu ihr: »Sprich zu ihm.« Da sprach sie ihn an und ging dann fort. Ebenso verliebte sich aber Adī, der Sohn des Seid, in sie, als er sie erblickte 86 und ihre Worte vernahm; seine Sinne verwirrten sich, sein Herz pochte, und seine Farbe wechselte, so daß seine Gefährten Verdacht schöpften. Da gab er einem von ihnen insgeheim den Auftrag ihr nachzufolgen und ausfindig zu machen, wer sie wäre; und der junge Mann ging ihr nach und kehrte zu ihm mit der Nachricht zurück, daß sie Hind, En-Noomâns Tochter, wäre. Hierauf verließ er die Kirche ohne in seiner Verliebtheit zu wissen, wohin er ging, bis er schließlich seine Wohnung aufsuchte und die Nacht unruhig verbrachte, ohne des Schlafes Süße zu kosten.

Vierhundertundsechste Nacht.

Am nächsten Morgen trat ihm Mârija in den Weg, und als er sie erblickte, empfing er sie freundlich, wiewohl er früher nicht auf sie geachtet hatte, und fragte sie: »Was ist dein Begehr?« Sie erwiderte: »Ich habe ein Anliegen an dich.« Er antwortete: »Sprich, und, bei Gott, du sollst nichts verlangen, das ich nicht gewähre.« Da sagte sie ihm, daß sie ihn liebte und um eine Zusammenkunft bäte, und er willigte unter der Bedingung ein, daß sie Hind zu einer Zusammenkunft mit ihm bestimmte. Hierauf kehrte sie wieder zu Hind zurück und fragte sie: »Trägst du kein Verlangen danach, Adī zu sehen?« Sie erwiderte: »Wie könnte dies geschehen? Doch meine Sehnsucht nach ihm hat mir die Ruhe geraubt, und seit gestern hab' ich allen Frieden verloren.« Da sagte Mârija: »Ich will ihn nach dem und dem Ort bestellen, wo du ihn vom Palast aus sehen kannst.« Hind erwiderte ihr darauf: »Thu', was du willst,« und verabredete mit ihr den Platz. Wie nun Adī kam und sie nach ihm ausschaute, wäre sie beinahe vom Dach des Schlosses heruntergefallen und sagte: »Mârija, wenn du ihn nicht heute Nacht zu mir bringst, so sterbe ich.« Alsdann sank sie in Ohnmacht, und die Mägde hoben sie auf und trugen sie in den Palast, während Mârija zu En-Noomân eilte und ihm den ganzen Vorfall wahrheitsgemäß berichtete, wobei sie 87 hervorhob, daß sie wahnsinnig in Adī verliebt wäre, und hinzufügte, daß, wenn er sie nicht mit ihm verheiratete, sie in Schande geriete und an ihrer Liebe stürbe, was ihn unter den Arabern entehren mußte, so daß es kein anderes Mittel gäbe als sie mit ihm zu verheiraten. Als En-Noomân ihren Bericht vernommen hatte, ließ er das Haupt nachdenklich eine Weile zu Boden hängen und rief wiederholentlich: »Wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir zurück!« Dann sagte er: »Wehe dir, wie soll die Heirat bewerkstelligt werden, wo ich keine Lust habe das erste Wort hierzu zu geben?« Mârija erwiderte: »Er ist noch verliebter in sie und verlangt noch heftiger nach ihr; ich will daher die Sache so zuwege bringen, daß er nichts von deinem Wissen um die Sache ahnt; verrate du nur dich nicht selbst, o König.« Hierauf ging sie zu Adī und sagte zu ihm, nachdem sie ihm alles mitgeteilt hatte: »Richte ein Mahl an, lade den König dazu ein und bewirb dich bei ihm um seine Tochter, wenn ihn der Wein überkommen hat; er wird sie dir nicht verweigern.« Adī versetzte: »Ich fürchte, er wird sich deshalb über mich erzürnen, und wird dies dann die Ursache zur Feindschaft zwischen uns beiden werden.« Mârija entgegnete ihm jedoch: »Ich kam nicht eher zu dir als bis ich die ganze Sache mit ihm ins reine gebracht hatte.« Dann kehrte sie wieder zu En-Noomân zurück und sagte zu ihm: »Fordere Adī auf, dich in seinem Hause zu bewirten.« Der König antwortete: »Darin liegt nichts Schlimmes.« Drei Tage später forderte er dann Adī auf, ihn und sein Gefolge in seinem Hause zu bewirten, worin Adī einwilligte. Als sich nun En-Noomân zu ihm begeben hatte, und der Wein seine Macht über ihn ausübte, erhob sich Adī und bewarb sich um seine Tochter; und der König willigte ein und vermählte ihn mit ihr. Nach drei Tagen führte er sie ihm zu, worauf sie drei Jahre bei ihm das angenehmste und glücklichste Leben führten, – 88

Vierhundertundsiebente Nacht.

bis der König sich wider Adī erzürnte und ihn tötete. Hind betrauerte ihn tief und baute sich ein Kloster außerhalb von El-Hîra, in dem sie der Welt entsagte und Adī bis zu ihrem Tode beklagte und beweinte. Und ihr Kloster ist noch heutigestags berühmt und außerhalb El-Hîras zu sehen.Hier ist eine Anekdote ausgefallen.

 


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