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Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Neunzehnte Nacht.

Die Geschichte von dem Tagelöhner und dem Mädchen.

»Wisse, o glückseliger König, in alten Zeiten war einmal in einem der Stämme der Araber eine Frau von ihrem Gatten schwanger, und sie hatten einen Tagelöhner von trefflicher Einsicht bei sich. Als nun die Frau von den Wehen befallen ward, gebar sie in der Nacht eine Tochter, worauf der Tagelöhner ausging von den Nachbarn Feuer zu holen. Nun befand sich in dem Stamm auch eine Wahrsagerin, die ihn nach dem Neugeborenen fragte, ob es ein Bube oder ein Mädchen wäre. Als er versetzte: »Ein Mädchen,« sagte sie zu ihm: »Sie wird mit hundert Mannsleuten buhlen, dann wird ein Tagelöhner sie heiraten und schließlich wird sie durch eine Spinne ihr Leben verlieren.« Als der Tagelöhner diese Prophezeiung vernahm, kehrte er geradeswegs wieder um und trat bei der Frau ein, worauf er ihr das Töchterchen entwendete und ihm den Leib aufschlitzte. Dann flüchtete er in die Steppen und weilte, so lange es Gott gefiel, in der Fremde. Nachdem er dort Geld erworben hatte, kehrte er nach Verlauf von zwanzig Jahren wieder heim und kehrte in der Nähe einer alten Frau ein, von der er durch gute Worte und Geschenke ein Mädchen zum Buhlen zu erhalten suchte. Die Alte versetzte: »Ich kenne nur ein Mädchen, das hierfür bereits bekannt ist.« Dann schilderte sie ihm ihre Schönheit und weckte 196 sein Verlangen nach ihr, so daß er zu ihr sagte: »Eile sogleich zu ihr und gieb ihr, was sie verlangt.« Da ging die Alte zu ihr und unterbreitete ihr sein Ansinnen, indem sie sie zu ihm einlud. Das Mädchen versetzte jedoch: »Wisse, früher war ich allerdings eine Buhldirne, jetzt aber habe ich mich reuig zu Gott, dem Erhabenen, gekehrt und trage kein Verlangen mehr danach. Will er mich jedoch in erlaubter Weise hinnehmen, so stehe ich ihm zur Verfügung.« Da kehrte die Alte wieder zu ihm zurück und berichtete ihm des Mädchens Worte; und um ihrer Anmut und Reue willen, begehrte er nach ihr und heiratete sie, worauf er sie heimsuchte; und beide gewannen einander lieb. Nach längerer Zeit fragte er sie einmal nach einer Narbe, die er an ihrem Leib gesehen hatte, und sie erwiderte ihm: »Ich weiß nichts davon als daß meine Mutter mir eine wunderbare Geschichte darüber erzählte.« Da fragte er sie: »Was ist's?« Und sie versetzte: »Sie erzählte, sie hätte mich in einer Winternacht geboren und einen Tagelöhner, den sie bei sich hatte, nach Feuer ausgeschickt, worauf derselbe nach kurzer Abwesenheit wieder zurückgekehrt wäre, mich ihr entrissen und mir den Leib aufgeschnitten hätte; und dann wäre er geflohen. Als sie dies gesehen hätte, hätte sie, von Mitleid und Erbarmen ergriffen, meinen Leib zugenäht und mich gepflegt, bis die Wunde durch Gottes, des Mächtigen und Herrlichen, Allmacht wieder geheilt wäre.« Da fragte sie ihr Mann: »Und wie ist dein Name, und der deiner Mutter und deines Vaters?« Wie sie ihm nun die Namen nannte, erkannte er, daß sie das Mädchen war, dem er den Leib aufgeschlitzt hatte, und fragte sie: »Wo sind deine Eltern?« Sie versetzte: »Sie sind beide gestorben.« Da sagte er zu ihr: »Siehe, ich bin jener Tagelöhner.« Nun fragte sie ihn: »Und weshalb thatest du das?« Er antwortete: »Wegen der Prophezeiung, die ich von der Wahrsagerin hörte; sie sagte nämlich, du würdest mit hundert Mannspersonen buhlen, und hernach würde ich dich heiraten.« Da versetzte sie: »So ist's; ich buhlte mit hundert 197 Mannspersonen, nicht mehr und nicht weniger, und nun hast du mich geheiratet.« Hierauf sagte er: »Siehe, die Wahrsagerin prophezeite noch, du würdest am Ende deiner Tage durch den Biß einer Spinne sterben. Ihr Spruch hat sich mit dem Buhlen und der Heirat bewahrheitet, und nun fürchte ich, daß sich auch das andre mit deinem Tode erfüllt.« Hierauf zogen sie nach einem Ort außerhalb der Stadt, wo sie ein Haus aus festem Stein und weißem Gips erbauten, und er weißte es im Innern und ließ kein Loch und keine Ritze übrig. Dann stellte er zwei Sklavinnen zum Fegen und Abwischen an, damit keine Spinnen hineinkämen. Nachdem er mit seiner Frau eine Weile in dem Hause gewohnt hatte, traf es sich eines Tages, daß der Mann eine Spinne gewahrte, worauf er sie von der Decke herunterwarf. Als aber seine Frau die Spinne sah, sagte sie zu ihm: »Das ist die Spinne, die mich nach der Prophezeiung der Wahrsagerin umbringen sollte. Bei deinem Leben, laß mich sie mit meiner eigenen Hand tot machen.« Er wehrte es ihr, doch beschwor sie ihn, es selber thun zu dürfen, und in ihrer Furcht und ihrem Eifer nahm sie ein Stück Holz und schlug damit nach ihr. Der Schlag war aber so heftig, daß das Stück Holz zerbrach und ihr ein Splitter in die Hand drang. Die Hand entzündete sich, und bald schwoll der Unterarm an, und von dort verbreitete sich die Geschwulst über ihre Seite bis sie zu ihrem Herzen drang und sie daran starb.

Jedoch ist diese Geschichte nicht wunderbarer und merkwürdiger als die Geschichte von dem Weber, der auf Befehl seiner Frau ein Arzt ward.«

Als der König diese Geschichte vernommen hatte, nahm seine Bewunderung zu, und er sprach bei sich: »Fürwahr, das Verhängnis steht für die Geschöpfe wahrhaft verzeichnet, und ich will auf kein Wort, das gegen meinen Wesir, den treuen Ratgeber, gesprochen wird, hören.« Alsdann entließ er ihn in seine Wohnung; am nächsten Abend entbot er ihn jedoch wieder zu sich und verlangte von ihm die neue Geschichte, 198 worauf der Wesir versetzte: »Ich höre und gehorche,« und also anhob:

 


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