Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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    Dasteht nun der Cid gerüstet!
Unwissend, was werden solle,
Schwört der Maure bei Mahoma.
Daß er Cid beleidigt habe,
Reuet jetzt König Alfonso;
Doch der Cid, er steht in Waffen;
Es geht nach Valencia.

    Dasteht nun der Cid gerüstet;
Aufgestützt auf seinen Degen,
Spricht zuletzt er mit Ximenen;
Babieça beißt die Zügel,
Heiß-erwartend ihren Reiter,
Und des Cids Paniere rauschen
In der Luft, erwartend ihn.

    »Warum weinet Ihr, Ximene?
Ist so schwach denn unsre Liebe,
Daß sie nicht ertragen könne
Einige Abwesenheit?
Jeder Edle ist dem König
Dienste schuldig; dem gerechten
Leistet man sie pflichtenmäßig,
Undankbaren schenkt man sie.

    Mut und Sinn ist Euer Erbteil,
Tochter eines Heldenstammes,
Die Gemahlin eines Kriegers,
Frei von jeder Weibesschwachheit,
So, Ximene, laß ich Euch.

    Jeden Augenblick des Tages
Wendet wohl an, nähend, stickend,
Singt am Abend mit den Töchtern,
Und, um Euer Haus zu ordnen,
Wachet mit Auroren auf!

    Zu Vergnügungen verlaß ich
Euch die Sorge für die Herden,
Für die Wolle, fürs Gefieder;
Nie, Ximene, nie seid müßig,
Arbeit ist des Blutes Balsam,
Arbeit ist der Tugend Quell.

    Eure reiche Kleidung schließet
Ein bis auf mein Wiederkommen;
Nicht, darin mir zu gefallen,
Sondern mir zur Ehre dann.
In Abwesenheit des Mannes
Kleidet einfach sich die Frau.

    Junge Mädchen – fern vom Feuer,
Wie den Werg! Doch laßt die Töchter,
Wenn Gefahren Ihr entfernet,
Sie nichts merken von Gefahr!
Lasset sie an Eurer Seite
Schlafen und hinaus ins Grüne
Nie ausgehen ohne Euch!
Töchter ohne ihre Mutter
Sind wie Lämmer ohne Hirt.

    Zeigt den Hausgenossen Würde,
Euren Frauen seid gesprächig;
Gegen Fremde seid bescheiden;
Gegen Euch und Eure Kinder
Unnachgebend-streng und fest!
Keiner Freundin, auch der besten,
Zeiget einen meiner Briefe,
Wie ich keinem meiner Freunde
Einen Eurer Briefe zeige;
Denn das Band der Ehgenossen
Ist ein zart-vertraulich Band.

    Nie erwirbt man sich Hochachtung,
Wo man alles von sich wissen,
Alles übersehen läßt.
Die geschwätzige Gemahlin
Zieht den Mann in ihr Geschwätz,
Macht dabei sich selbst verächtlich;
Und doch ruhet auf der Achtung
Eines Hauses seine Macht.

    Sollt es Euch bisweilen Mühe
Kosten, meiner Briefe Inhalt
Zu verbergen – denn der Freude
Botschaft, sie verbirgt sich schwer –,
So entdeckt es, sie zum Schweigen
Zu gewöhnen, Euren Töchtern;
Ihrem Vater zu gefallen,
Schweigen, weiß ich, sie gewiß.

    Nehmet Rat von keinem Manne;
Fragt, was ich Euch raten würde,
Wär ich da, und folgt dem Rat!
Und in schweren Dingen – schreibet!
Nie verläßt Euch meine Feder,
Wie mein Degen und mein Herz.

    Zweiundzwanzig Maravedis
Laß ich Euch zur Tagesausgab;
Haltet Euch darnach! Der wahre
Adel steht nicht im Ersparen,
Doch auch im Vergeuden nicht.
Seid Ihr geldbedürftig, lasset
Keinen als nur mich es wissen;
Keinen Eurer Leute setzet
Je zum Pfande; suchet lieber
Geldessummen auf mein Wort!

    Auf mein bloßes Wort, Ximene!
Dieses, wie des Himmels Feste,
Weiß man, ist fest und gewiß.
Wie ich mich für andre schlage,
Glaubt, so werden sich auch andre
Froh bemühn für mich und Euch.

    Lebet wohl! Und einen Kuß noch!
Einen nur; ich bringe keinen
Aus den Schlachten dir zurück.
Lebe wohl, meine Ximene ! –
Fort! Die Krieger möchten sagen,
Ich sei hier dein Bräutigam.«


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