Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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13. Einige Zauberlieder

Aus Shakespears Sturm.

Aus Shakespear Tempest. Act. 5. Sc. III. Act. I. Sc. V. Ausser der Uebersezung Shakespears stehts noch in der Bibl. der sch. W. Th. 4. S. 646. übertragen. – Im Original ist ein Zauberton, wie aus einer Welt andrer Wesen.

(Der Sturm hat das Schif zertrümmert: alles scheint untergegangen: der entkommene Prinz Ferdinand sizt am Ufer: Ariel läst sich unsichtbar singend und spielend hören:)

Komm hinan den gelben Sand,
Dann wechsle Hand!
Hast geliebt du und geküst,
Sanft die Woge ist:
Wandl' umher und komm hervor!
Geisterchen, ihr singt im Chor:

Chor der Geister zerstreut.
Horch, horch, Wau – Wau!
Der Wachhund bellt – Wau – Wau!

Ariel.
Horch, horch, ich hör'
Der Hahn kräht; munter krähet er:
Kriki!

Ferdinand.
Wo sollte die Musik doch seyn? in der Luft?
auf Erden? – Und sie schweigt! Gewiß sie dient
ein'm Gotte dieser Insel. Ich saß da,
auf einer Sandbank, weinete ins Meer
zum König, mein'm ertrunknen Vater – da
schlich auf dem Wasser sie heran, mir bei,
und Meeres Wut, und Toben meiner Brust
ward stille mit dem süssen Sange. Da
zog sie mich fort, ich muste folgen, und
nun schweigt sie! – nun beginnt sie wieder: –

Ariel singt:
Fünf Faden tief der Vater dein
Liegt; sein Auge Perle ward,
Zu Korallen sein Gebein
Liegt im Meeresgrund' erstarrt;
Unversehret, reich und schön
Ist er verwandelt da zu sehn,
Stund' auf Stunde läuten ihm
Nymphen die Todtenglock' – ich hör sie – Bim!

Chor.
Bim! Bim!

Ferdinand.
Es denkt an mein'n ertrunknen Vater. Nein,
das ist nicht Menschenwerk, kein Erdenton! –
Nun hör' ichs droben mir –

Prospero.                                  Zieh, Tochter, auf
die weinend zugezognen Augenlieder!
Was siehst du dort?

Miranda.                          Was ists? ein Geist?
Gott, wie blickts vor sich hin! o glaubt mir, Herr,
es ist ein schönes Wesen – Ab'r ein Geist! –

Prospero.
Nein, Kind, es ißt und schläft und hat so Sinne
wie wir, grad so. Der Art'ge, den du siehst,
war auch im Schifbruch, und hätt' ihm nicht Gram,
(Gram ist der Krebs der Schönheit) seine Wange
gebleicht, du könntest schön ihn nennen. Er hat
verloren seine Kammeraden und sucht sie. –

Miranda.
Ich möcht' ihn göttlich nennen; denn fürwahr,
nichts sah ich in der Natur so Edles.

Prospero.                                                Wohl!
Das geht, wie ichs anlegte. – (zu Ariel:) Feiner Geist,
dafür sollt du auch in zwei Tagen frei seyn.

Ferdinand erblickt Miranda:
Gewiß die Göttin dieser Insel, die
die Musik ankündigte. Erlaube – du –
darf ichs erflehn zu wissen – wohnest du
auf dieser Insel, und wie soll ich mich
verhalten hier? – und meine Erste Frage
bring' ich zulezt hervor: o Wunder! Du!
Bist du geschaffen, oder nicht?

Miranda.                                          Kein Wunder!
Ein Mädchen bin ich, Herr.

Ferdinand.                                Gott! meine Sprache!
ich bin der Glücklichste, der je sie sprach. u. f.


Prospero bei der Auflösung:
Einst war ich Mailand. Hurtig, lieber Geist,
und du sollt frei seyn!

Ariel kleidet ihn an und singt:
Wo die Biene saugt, saug' ich,
Lagr' im Schlüsselblümchen mich,
Schlüpf hinein, wenn die Eulen schreyn,
Flattr' auf Fled'rmausschwingen fein.
Immer im Frühling, fröliglich,
Frölich, o frölich kann ich nun leb'n,
Unter den Blüthen der Zweige schweb'n.

– –  Mein wackrer Ariel! Ich werd' dich missen,
Doch sollt du frei seyn u.s.f.

 


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