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Klein-Elsbeths Zuflucht zum heiligen Antonius.

Seit einigen Monaten ist Klein-Elsbeth ein Schulkind und sie ist es voll Stolz. Die Augen gucken neugierig in die Welt. Baum und Strauch, Vogel und Mensch, alles sieht anders aus, ganz, ganz anders.

Der Baum der Erkenntnis ist mächtig emporgeschossen in der kleinen Seele. Und leise ziehen sich die bunten Kinderträume zurück in den kleinsten Winkel.

Dort aber hausen sie ungestört weiter, bis es ihnen plötzlich einfällt, mit tollem Lachen herauszustürzen und lustig an dem klugen Baum emporzuklettern. Dann schütteln und rütteln sie an allen Ästen und Zweigen, bis in der kleinen Seele alles drunter und drüber geht.

Klein-Elsbeth schaut wirr vor sich hin. Der Vater streicht weich über das Blondhaar und nennt sie seine kleine Träumerin. Der Bruder aber lacht laut und schreit:

»Guckt doch mal uns're Elsbeth an! Macht die ein dummes Gesicht!«

Sie kümmert sich nicht um's eine und nicht um's andere.

Sie ist eine Philosophin, wie der Großvater, und muß immerzu denken.

Da hatte sich nämlich wieder eine Blüte am Baum der Erkenntnis angesetzt, wunderbar süß.

Aber noch ehe sie gereift, war der Frost gekommen und hat sie getötet. Da ist Klein-Elsbeth ratlos gewesen – aber nicht allzulange.

Das kam so.

Elsbeth war eines Tages nach Hause gekommen. Und dann ging's gleich an die Aufgabe. Da fehlte das Wichtigste, das Buch.

Ein großer Schrecken zitterte im Kind. Die Mutter war gar streng. Und den Vater hätte es betrübt. Also nur nichts verraten, vielleicht findet man's wieder.

Die Nacht war schlimm. Das Traummännlein schüttelte seine häßlichsten Träume auf Klein-Elsbeths Lager und die stöhnte und weinte im Schlaf.

Immer waren es drei große schwarze Käfer, die das verlorene Buch zu ihr heranzerrten. Wenn aber dann die zitternden Hände es greifen wollten, krabbelten die häßlichen Tiere zurück.

Am Morgen ging Klein-Elsbeth ohne Buch zur Schule. Dafür schleppte sie eine große Traurigkeit mit. Die sah ihr laut aus den Augen.

Der großen Dora, einer zehnjährigen Freundin, vertraute sie ihr Leid.

Die war rasch mit Trost bereit.

»Dummes Kindl! Plagst dich so! Und ist doch so einfach. Brauchst ja nur zum heiligen Antonius zu beten. Der hilft alles finden, was man verloren hat. Ich hab's oft und oft probiert.«

Die Lippen Klein-Elsbeths zuckten.

»Und dann hast alles wiedergefunden?«

Die andere nickte stolz und sicher.

»So leicht, so leicht ist's? Nun bin ich aber froh!«

Alle Angst und Not flogen aus dem zitternden Herzen. Die Blüte trieb eine feine, zarte Wurzel ins weiche Erdreich.

Und nun der Heimweg.

Hat je ein Kind andächtiger die Hände gefaltet? Inbrünstiger gebetet? Inniger und hoffender zum Himmel geblickt?

Der ganze Weg war ein einziger Blütenweg und jede Blüte ein heißer Gebetsseufzer, der laut zum Himmel schrie.

Klein-Elsbeth hatte das Elternhaus erreicht und wußte nicht wie. Da merkte sie, daß ihr Buch noch nicht gefunden sei.

Also morgen! Dora soll sagen, wie lange es dauert, bis man das Verlorene findet.

Die hört und fragt und lacht.

»Ja Kindl! Immer hast zum Himmel geschaut? Gelt, der soll Dir's wohl runter werfen? Hansguckindieluft! Am Boden hast's doch verloren. Da mußt dann auch schauen.«

Klein-Elsbeth ist getröstet. Sie hat's falsch angefangen.

Der Heimweg ist derselbe. Immer gebetet und geschaut, gebetet und geschaut.

Und wieder nichts gefunden.

In der Nacht kommen die drei Käfer aufs neue ganz nahe heran und zeigen das Buch und krabbeln wieder weg.

Am Morgen hört Dora die gleiche hoffnungslose Geschichte.

Einen Augenblick besinnt sie sich. Dann mit gewohnter Sicherheit und altklugem Gesicht:

»Hast Du auch fest, ganz, ganz fest und immer, immerfort dran geglaubt, daß Du Dein Buch findest?«

Die Augen der Großen bohren sich förmlich in die Seele Klein-Elsbeths. Und langsam steigt aus der Tiefe eine heiße Röte bis in die weichen Kinderwangen.

»Am ersten Tag schon. Ganz gewiß. – Aber gestern – ich weiß nicht – gestern – da habe ich manchmal denken müssen, ob's wirklich was hilft? Da –«

Die andere im Triumph des Sieges.

»Da siehst Du's! Bist selber schuld! Ja – wenn Du's nicht fest glaubst, wer wird denn Dir da helfen?«

Elsbeth wirft schüchtern ein:

»Ich hab's doch gar nicht gewollt. Das ist von selber kommen! Kann ich denn da was dafür?«

Dora bringt unwiderlegliche Beweise, daß sie im Recht ist.

Klein-Elsbeth geht still nach Hause.

Dem Vater will sie's anvertrauen.

Der hilft ihr, das weiß sie sicher. Keinen Augenblick kommt ihr Glaube ins Wanken.

Und an der Gartentür steht der Vater und hält die eine Hand am Rücken versteckt.

»Was hab ich da gefunden?«

»Mein Buch, mein Buch!«

Ein einzig Jubellied sind die zwei Worte.

»Und was krieg ich als Finderlohn?«

»Tausend Küsse und noch einen!«

Das ist aber den beiden zuviel, da auch der kleine Mund von den letzten Tagen eine große Menge zu erzählen hat.

Und Klein-Elsbeth geht am Abend mit ihrem alten Kinderlachen zu Bett. Da sieht sie im Traum den hl. Antonius, der ihr mit mildem Lächeln das verlorene Buch gibt. Aber wie sie nochmal ihm dankbar zunickt, merkt sie auf einmal, daß dies Gesicht dem Vater gehört.

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