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Es ist Herbst geworden. Der Garten liegt müd' und verträumt und sehnt sich nach der Winterruhe.
In der Laube sitzt Klein-Elsbeth und wartet mit mütterlichem Sorgenblick den Bruder, der nun schon auf festen Beinen steht und genau weiß, was er will.
Da geht ein leises Schauern durch die kahlen Zweige. Wird ihnen schon der letzte Schmuck entrissen?
Und Klein-Elsbeths Seele zittert in stillem Bangen mit. Ahnt sie die Nähe des Unerbittlichen, der seit langem schon das kleine Haus umschleicht und auf sein Opfer lauert?
Eines Tages macht er Ernst.
Die Abendsonne funkelt auf den Fensterscheiben und taucht das Haus und den umfriedeten Garten in ein rosig Licht. Dann senkt sich der feurige Ball im Westen langsam zur Ruhe. Der müde Mann drinnen im Krankenbett hat mit weit offenen Augen den Sonnengruß geschaut, als müsse er noch einmal mit vollen Zügen das holde Licht schlürfen.
Klein-Elsbeths Vater ist zum Abschied bereit. Er hat sein Haus bestellt und der finstere Gast draußen mag nun eintreten.
Aber bevor er den dunklen, einsamen Weg ins unbekannte Land geht, will er noch einmal das Leuchten der Kinderaugen schauen. Die sollen ihm die Seele hell machen.
Brüderlein aber wendet sich furchtsam von dem stillen Mann und schmiegt sich an die laut weinende Mutter.
Klein-Elsbeth sitzt auf dem Bettrand und läßt sich nimmer von diesem Platz vertreiben. Unverwandt schauen die ernsten Kinderaugen auf das verfallene Gesicht des Sterbenden. Der umfaßt mit einem langen Blick Weib und Kinder und die ganze Bitterkeit des letzten Abschieds kommt über ihn. Wie ein elektrischer Zickzackfunke, so fliegt sein abgelaufenes Leben in einem einzigen langen Augenblick an ihm vorüber. Und mit letzter Seelenkraft hält er ein Bild fest. Er sieht sich selbst am Sterbebette des Vaters. Da huscht ein schwaches Lächeln über sein Gesicht und eine zitternde Hand zieht Klein-Elsbeth näher zu sich.
»Weißt noch – Klein-Elsbeth? Was ich Dir – vom Großvater erzählt hab? – Nun kommt der Tod zu mir.«
Klein-Elsbeth will zornig aufspringen und ballt die Hände gegen die Tür.
»Ich lass' ihn nicht herein – Vater! Sollst sehen, wie ich mit ihm –«
»Es nützt Dich nichts, Kind! Er ist schon im Zimmer – schon ganz – nahe.« –
Da weiß das Kind in bitterer Not kein Wort zu finden. Träne um Träne rollt über die erblaßten Wangen.
»Nicht so, Elsbeth! Am besten ist's doch, wie's der Großvater gemacht hat. Mach mir's also nicht schwer. Wenn Du mein tapferes Mädel bist und Dich vor dem Tod nicht fürchtest, dann wird's auch mir leichter, mit ihm zu gehen. Gelt, Kind? Denk an den Großvater!«
Klein-Elsbeth hat verstanden. Ja, auch der Vater soll ein heilig Lachen festhalten, wenn ihn der Tod nun mit sich nimmt. Und wie die Sonne durch die nassen Nebelschleier sieghaft bricht, so leuchten die tränenschweren Kinderaugen in einem seltsamen Glanz.
Zwei andere Augen haben sich da noch einmal satt getrunken und sich dann stille, ganz still geschlossen – für immer.
Klein-Elsbeths Seele hat kein Grauen vor dem Tode. Wie sollte sie auch, wenn sie das lachende Antlitz des toten Vaters schaut! Und noch viel, viel später, da sie mit heißem Schmerz an den schwersten Verlust ihres jungen Lebens denkt, sieht sie vor sich das noch im Tode lachende Gesicht und hört die Worte aus längst verstummtem Munde: »Klein-Elsbeth, halt Dein Kinderlachen fest – fest bis ans Ende!«