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So war mein Herr Iwein
Von diesen Nöthen zwein |
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1725 |
Viel sehre bezwungen.
Wie wohl ihm alles gelungen,
Es hätt' ihm wenig Ruhm gewährt,
Wär' er an den Hof gekehrt
Ohne Pfand und Zeugniß seiner Geschichten; |
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1730 |
Man glaubt' ihm auf sein Wort mit nichten. –
Wieder erhub sich in ihm ein Streiten,
Und er sah von der andern Seiten
Wie ihm alle die Ehre
Gleichgültig und lästig wäre, |
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1735 |
Die wo immer ihm möchte geschehn,
Sollt' er die Fraue nicht mehr sehn,
Von der er war gefangen.
Eilend kam da gegangen
Die gute Jungfrau die sein pflag; |
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1740 |
Sie sprach: »Das nenn' ich schlimmen Tag,
Und böse Zeit die Ihr erfahren.«
Er sprach: »Die Klage mögt Ihr sparen,
Denn liebern Tag gewann ich nie.«
»Liebern Tag? Herr, sagt mir wie |
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1745 |
Mag sich das gefügen?
Wenn die Euch gern erschlügen
Ihr ringsum mögt erkennen?
Ich weiß nicht wer da sollte nennen
Lieben Tag und fröhliche Zeit, |
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1750 |
Die ihn mit Ketten und Tod bedräut,
Er wäre denn zu sterben froh?« –
Er sprach: »Mein Muth steht noch nicht so,
Daß ich gerne wäre todt;
Und freue mich doch in meiner Noth, |
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1755 |
Das hab' ich noch heut gethan,
Und meine, die Freude sei kein Wahn.«
Da er's halb ihr gesagt,
Da erkannte wohl die kluge Magd
Daß er ihre Frau im Herzen trug; |
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1760 |
Sie bewies ihm das seitdem genug.
Sie sprach: »Herr Ritter, seid froh,
Denn vielleicht noch füg' ich's so,
Mit List und gutem Gelingen
Euch von hinnen zu bringen |
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1765 |
Heut Nacht, oder früh vor Tage.«
Er sprach: »Sollt' ich wie ein Zage
Verstohlen schleichen von hinnen,
Deß müßt' ich wohl gewinnen
Tadel und Unehre! |
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1770 |
Wenn ich von dannen kehre,
Muß es erfahren das ganze Land.«
Sie sprach und nahm ihn bei der Hand:
»Fürwahr, ich will Euch zur Flucht nicht zwingen,
Und hoff' es soll mir gelingen |
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1775 |
Euch zu schützen, so gut ich kann.
Mein Herr Iwein, geht nun hindann
Wo ihr besser gesichert seid;« –
Und führt' ihn von da nicht weit,
Wo ihm alles Gute geschach. |
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1780 |
Sie schuf ihm alles Gemach,
Sorgfalt und Wartung auserlesen,
Und pflegt' ihn bis er wohl genesen.
Als er so gut Gemach gewann,
Da schied sie von ihm sodann: |
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1785 |
Das that sie nicht aus Ungefähr.
Denn all' ihr Trachten und Begehr
Rang, daß er als Burgherr bleibe dort.
Zu ihrer Fraue ging sie sofort,
Der war sie heimlich und lieb, |
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1790 |
So daß ihr nichts verborgen blieb.
Was jene nur im Herzen trägt,
Mit ihr ward alles überlegt;
Ihrem Rath und ihrer Lehre
Folgte sie lieber und mehre, |
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1795 |
Als allen ihren Frauen.
Sie sprach: »Nun mag man schauen
Eure Zucht und Festigkeit
Daran, daß Ihr Euer Leid
Verständig und mit Fassung traget. |
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1800 |
Es ist weiblich, daß Ihr klaget,
Doch mögt Ihr auch zu sehr verzagen.
Uns ist ein tapfrer Herr erschlagen:
Nun geschicht vielleicht daß Euch Gott gewährt
Einen der gleich tapfer und werth.« |
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1805 |
»Meinst Du das?« – »Ich mein' es so.«
»Wo gäb' es den?« – »Nun, irgendwo.«
»Du sprichst in Wahnsinn oder in Spott!
Und wendete unser Herre Gott
All' seinen Fleiß und Kunst daran, |
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1810 |
Er schüfe keinen tapfrer'n Mann.
Deß wird mein Sehnen und meine Noth
So Gott will bis an meinen Tod
Nie und nimmer enden:
Den wolle Gott mir senden, |
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1815 |
Daß ich zu meinem Herren fahr'. –
Du erzürnst mich ganz und gar,
Wenn Du irgendwen so ruhmesvoll
Nennst, als ihn: traun, Du bist toll!« –
Da erwiedert die Magd: |
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1820 |
»Nun sei Euch Eines nur gesagt,
Das solltet Ihr doch wohl erwägen,
Es dünk' Euch lieb oder ungelegen.
Es steht um Euch jetzt so bewandt,
Wollt Ihr nicht Burg und Bronnen und Land |
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1825 |
Und Eure Ehre verlieren,
Müßt Ihr Euch wen erkühren
Euch das Alles zu schirmen und wahren.
Manch guter Ritter kommt noch gefahren,
Der Euch den Bronnen verheert, |
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1830 |
Wenn Niemand da ist der ihm wehrt.
Und Eines ist Euch noch nicht kund:
Es kam ein Bote zu dieser Stund',
Der war an meinen Herrn gesandt:
Da er ihn lebend nicht mehr fand, |
|
1835 |
Und Euch in solcher Schwere,
Verschwieg er Euch die Märe,
Mich aber hieß er Euch sagen,
Daß nach diesen zwölf Tagen
Und in noch kürzerem Ziel |
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1840 |
Der König Artus will
Zum Bronnen kommen mit seinem Heere.
Hilft Euch dann Niemand, der ihm wehre,
So ist Eure Ehre verlohren;
Wofern Ihr aber erkohren |
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1845 |
Von Eurem Gesinde Einen Mann,
Da seid Ihr betrogen daran;
Denn wär' ihr' aller Tüchtigkeit
In Einem vereint zu gleicher Zeit,
Der zählte noch nicht Einen Mann. – |
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1850 |
Wer sich deß will maßen an,
Und wär's der beste hier im Haus,
Der wagt im Walde nicht den Strauß,
Und schafft dem Bronnen keine Wehr.
König Artus aber bringt ein Heer |
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1855 |
Von Helden auserkohren,
Die kühnsten die je gebohren.
Fraue, drum seht wohl zu:
Wollt' Ihr Bronnen und Land dazu
Nicht verlassen ohne Streit, |
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1860 |
So rüstet Euch auf Wehr bei Zeit,
Und laßt von Euerm schweren Muth,
Ich rath' Euch anders nicht als gut.«
Als ihr nun also die kluge Magd
Die Wahrheit recht und offen gesagt, |
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1865 |
Verstand sie's wohl; doch that sie nun
Wie die meisten Weiber es thun;
Sie sträuben sich oft und widersteh'n
Wo sie das beßre eingeseh'n.
Viel Manche wählt sich heute das, |
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1870 |
Was sie noch gestern verwarf mit Haß.
Und deshalb will sie mancher schelten;
Ich aber lasse die Weise gelten.
Der ist im Irrthum der sie zeiht
Um Schwäch' und Unbeständigkeit: |
|
1875 |
Ich weiß besser wodurchs geschieht,
Wenn man sie so häufig sieht
In schwankendem Gemüthe:
Es kommt von ihrer Güte.
Man mag vom bösen Gemüthe |
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1880 |
Oft sie bekehren zur Güte;
Nicht aber von der Güte
Bringen zu bösem Gemüthe.
Die Wandlung aber die ist gut,
Und kein' ist, die da anders thut. |
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1885 |
Wer drum als unstät sie verklagt,
Von dem hab' ich mich losgesagt;
Ich kann nur Gutes an ihnen sehn;
Alles Heil müss' ihnen gescheh'n.
Die Fraue mit Jammern sprach: |
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1890 |
»Nun klag' ich Gott mein Ungemach,
Daß ich jetzt nicht ersterben mag;
Ja, daß ich nur Einen Tag
Nach meinem Herren leben soll,
Damit geschieht mir nimmer wohl. |
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1895 |
Und könnt' ich um Tod mein Leben
Ohne Hauptsünde hingeben,
Der würde mir bald gewährt,
Ich fände dann weder Messer noch Schwert! –
Wenn ich nun des nicht entrathen kann, |
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1900 |
Und mit einem andern Mann
Muß vertauschen meinen Herrn, –
Die Welt betrachtet's nur von fern,
Gott aber ist das wohl bekannt,
Der weiß, daß ich allein mein Land |
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1905 |
Nimmer könne regieren,
Und müss' es sofort verliehren; –
So rath' mir, was thu' ich in dieser Frist,
Wenn hier ein Rath noch möglich ist?
Da ich ohn' einen tapfern Mann |
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1910 |
Mein Land nimmer vertheid'gen kann.
So gewänn' ich gern mir Einen,
Und anders keinen,
Den ich so kühn erfände,
Daß er den Krieg mir wende, |
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1915 |
Frieden mir brächt' und Ehre,
Und doch mein Mann nicht wäre.«
Sie sprach: »Fraue, da irrt Ihr weit.
Wo wär', der so viel Müh' und Streit
Euch zu Liebe sich sucht aus Wahl, |
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1920 |
Es sei denn Euer Gemahl?
Ihr urtheilt als ein Weib:
Gebt Ihr ihm Gut und Leib,
So mögt Ihr's dennoch heißen gut,
Wenn er's willig für Euch thut. |
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1925 |
Nun habt Ihr Schönheit und Jugend,
Geburt, Reichthum und Tugend,
Und mögt einen gleich tapfern Mann
Wohl gewinnen, wenn's Gott Euch gann.
Nun aber weint nicht mehre, |
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1930 |
Und gedenkt Eurer Ehre;
Und wahrlich, Fraue, deß ist Noth.
Mein Herr ist für sich allein nur todt;
Wähnt Ihr, daß alle Kraft und Macht
Mit ihm zu Grabe sei gebracht? |
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1935 |
Gewiß das sind sie nicht,
Wenn man noch hundert Ritter sicht,
Die alle tapfrer sind denn Er,
Mit Schwert, mit Schilde und mit Speer.«
»Das hast Du falsch gesagt.« |
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1940 |
»Ich rede die Wahrheit«, sprach die Magd.
»So zeige mir ihrer doch Einen!« –
»Ließet Ihr Euer Weinen,
Ich denke gewiß, ich fänd' ihn wohl.«
»Ich weiß nicht was ich Dir sagen soll, |
|
1945 |
Denn unmöglich dünkt es mich.
Sieh zu, und Gott gebessre Dich,
Wenn Du jetzt mir lügest,
Und mich gern betrügest.« –
»Frau, hab' ich Euch gelogen, |
|
1950 |
So bin ich selber betrogen.
Seit meiner Jugend folgt' ich Euch,
Und will mich retten mit Euch zugleich.
Verrieth ich Euch, was trüge mir's ein?
Nun sollt Ihr selbst mein Richter sein. |
|
1955 |
So sagt mir, seid Ihr auch nur ein Weib,
Wenn zwei fechten auf Leben und Leib,
Wer ist nun tapfrer? Der da siegt,
Oder der ihm unterliegt?« –
»Ich wähne, der den Sieg gewann.« |
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1960 |
»Frau, hier giebt's nicht Zweifel noch Wahn,
Denn es ist höchst gewiß und wahr.
Wie ich gesagt ganz offenbar,
Ward hier ein Mann gefunden
Der jenen überwunden. |
|
1965 |
Ihr läugnet mir das nimmer ab,
Denn wir legten ihn eben ins Grab.
Deshalb bezeug' ichs Euch genug,
Wie der ihn da verfolgt' und schlug,
Der Tapfrere gewesen sei; |
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1970 |
Mein Herr ist todt und er kam frei.«
Ihrem Herzen war das leid,
Daß sie an Muth und Tapferkeit
Einem andern den Preis zusprach.
Heftig hieß sie und jach |
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1975 |
Die Magd hinweg sich heben;
Sie wollt' in ihrem Leben
Sie nimmer vor Augen dulden.
Da sprach sie;»Mag ich verschulden
Schlimmen Dank und böse Zeit, |
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1980 |
Es ist mir doch im Herzen nicht leid,
Ich lass' es mit Freuden geschehn.
Viel lieber will ich mich sehn
Um meine Treu vertreiben,
Als hier in Untreu bleiben. |
|
1985 |
Gleich werd' ich meines Weges ziehn,
Und wenn ich von Euch verstoßen bin,
Erwägt nur wohl in Eurem Muth,
Was Euch heilsam sei und gut.
Was ich Euch rieth, das war kein Wahn; |
|
1990 |
Aus bester Einsicht hab' ichs gethan.
Und sollt' ich Euch nie wieder seh'n,
Gott lass Euch Ehr' und Heil gescheh'n.«
So stand sie auf und ging hindann
Zu dem verborgnen Mann. |
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1995 |
Dem brachte sie schlimme Märe,
Daß ihre Fraue wäre
Unversöhnt im Gemüthe,
Und wie man zu keiner Güte
Sie könne überwinden, |
|
2000 |
Und nichts an ihr erfinden
Als Dräu'n und zürnenden Haß;
Viel wehe that ihm das.
Beide nun überlegten
Wie sie ihr Herz bewegten. |
|
2005 |
Und es versuchten baß
Ihren tödtlichen Haß
Umzulenken in Güte
Zu sanfterem Gemüthe.
Als die Frau das Mägdlein vertrieben, |
|
2010 |
Und allein zurückgeblieben,
Empfand sie schwere Reue,
Daß sie ihre Treue
Mit so viel Zorn vergolten,
Als sie ihr flucht' und sie gescholten. |
|
2015 |
Sie gedacht': »Ich that unrecht;
Gedankt hab' ich ihr schlecht,
Daß sie mir wohl gedienet hat.
Ich weiß doch, daß sie ihren Rath
Mir nur aus Güt' und Treu gewährt: |
|
2020 |
Und that ich wie sie mich gelehrt,
Da hab' ichs nimmer noch bereut,
Und Wahrheit sprach sie auch heut.
Ich kenne ja längst schon ihren Muth,
Sie ist durchaus getreu und gut. |
|
2025 |
Mit großem Unrecht hieß ich sie gehn,
Viel gern jetzt macht' ich ungeschehn
Meine zornige Art,
Mit der sich keiner bewahrt
Vor Ungewinn und Schaden. |
|
2030 |
Ich sollte sie zurück mir laden,
Viel möglich brächte das mir Trost.
Sie hatte mich ohne Schuld erboßt:
Mein Herr war mächtig genug,
Aber jener der ihn da schlug |
|
2035 |
Der mußte tapfrer sein denn Er:
Er hätt' ihn sonst nicht bis hieher
Mit Gewalt zurück gejagt;
Sie hat mir daran wahr gesagt.
Wer Er auch sei, der ihn schlug, |
|
2040 |
An mir verging er sich zwar genug,
Als Todfeind ihn zu achten.
Doch wers recht will betrachten,
Wird schuldlos ihn erklären;
Er that's um sich zu wehren. |
|
2045 |
Mein Herr wollt' ihn erschlagen.
Hätt' er ihm das um mich vertragen,
Und hätt' ihn lassen genesen,
So wär' ich ihm zu lieb gewesen,
Denn trau'n, dann war er selber todt. |
|
2050 |
Daß er ihn schlug, geschah aus Noth.«
So lenkte sie's in ihrem Muth
Zur Sühn' und hielt es ihm zu Gut,
Und sprach ihn fast von Schulden frei.
Gewiß war im Spiel dabei |
|
2055 |
Frau Minne, die mächt'ge Königin,
Die ächte Versöhnerin
Zwischen dem Weibe und dem Mann.
Sie dachte: »Fürwahr ich kann
Nicht trotzen der Feinde Speeren; |
|
2060 |
Ein Held muß ihnen wehren,
Oder ich bin durchaus verlohr'n.
Weiß Gott, ich lasse meinen Zorn,
Und wenn sich's so gefügen kann,
Wend' ich mich zu demselben Mann, |
|
2065 |
Der mir den Wirth erschlagen thät.
Wenn es wirklich um ihn steht
So recht von Art und wohl,
Daß ich meine Hand ihm gönnen soll,
So muß er in Treuen und von Herzen |
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2070 |
Mein Leid mich lassen verschmerzen,
Und mich nur desto lieber ha'n
Weil er solch' Weh mir angethan.«
Daß sie die Magd so hart ansprach,
Deß war ihr nun solch' Ungemach, |
|
2075 |
Daß sie viel sehre klagte.
Frühmorgens als es tagte
Kam jene wieder gegangen,
Und ward viel baß empfangen
Als da sie mußte scheiden: |
|
2080 |
Alle ihre Mühsal und Leiden
Macht' ihr die Frau vergessen.
Sie hatte nicht lang' gesessen,
Als jene zu fragen begann.
Sie sprach: »Um Gott, wer ist der Mann, |
|
2085 |
Den Du gestern mir lobtest, Kind?
Ich wähne jetzt Du warst nicht blind;
Denn gewiß nicht mochte verzagen
Wer meinen Herrn erschlagen.
Hat er Geburt und Jugend, |
|
2090 |
Und dazu andre Tugend,
Daß er zu meinem Herren ziemt,
Und daß, wenn's die Welt vernimmt,
Sie mich darum nicht tadeln kann,
Wenn ich den mir nahm zum Mann, |
|
2095 |
Der jenen Sieg davon getragen:
Kannst Du mir zusagen,
Daß der Ruhm den er errungen
Stumm mache alle Zungen,
Und find'st Du's wohlgethan |
|
2100 |
So nehm' ich ihn zum Mann.«
Sie sprach: »Es dünket mich gut,
Und gönn' ichs Euch, daß Ihr den Muth
So schön zum Bessern habt gekehrt.
Ihr seid mit ihm aufs Höchste geehrt, |
|
2105 |
Und dürft' nicht Sorge tragen.« –
»Kannst Du mir seinen Namen sagen?«
»Er heißt, Fraue, Iwein.«
Alsbald stimmte sie ein,
Sie sprach: »Ja, weit und breit |
|
2110 |
Hört' ich von ihm seit langer Zeit,
Er ist Sohn des Königs Urién. –
In Wahrheit noch mag ich verstehn
Von dem Allen nur ein Theil;
Doch würde mir der, deß hätt' ich Heil. |
|
2115 |
Weißt Du denn aber, mein Gespiel,
Recht sicher, ob er mich will?«
»Er denkt nur: wär' es schon gescheh'n!«
»Sage mir, wann mag ich ihn sehn?« –
»Fraue, in diesen vier Tagen.« |
|
2120 |
»O Weh! um Gott, was willst Du sagen?
Du machest die Frist zu lange,
Sag' lieber wie ich erlange
Ihn heut' oder morgen schon zu sehn?«
»Wie sollte, Fraue, das geschehn? – |
|
2125 |
Solchen Gedanken gebt nur auf
So schnell trägt keines Rosses Lauf,
Und Niemand ohne Gefieder
Mag von hinnen und wieder
Gelangen in so kurzer Frist; |
|
2130 |
Ihr wisset wohl wie fern es ist.«
»So hör' auf meinen Vorschlag nun:
Schnell und flink läuft mein Garzun,
Der legt zurück in Einem Tag,
Was Einer in zwei'n erreiten mag. |
|
2135 |
Auch fördert ihn des Mondes Schein;
Er lasse die Nacht wie Tag ihm sein,
Dazu sind die Tage jetzt überlang.
Sag' ihm deß hätt' er ewig Dank,
Und daß es ihm lange fromme, |
|
2140 |
Wenn er schon morgen komme.
Keine Stunde soll er verlieren,
Zwei Tage machen aus vieren;
Heut sei er flink und wach,
Und dann pfleg' er hernach, |
|
2145 |
So lang' er wolle, seiner Ruh;
Traute Gesellin, red' ihm zu.«
Sie sprach: »Fraue, das soll geschehn.
Auch müßt' Ihr Eins nicht übersehn:
Beschickt Eure Mannen und Leute |
|
2150 |
Morgens spätstens und heute;
Ihr dürft den Mann nicht nehmen,
Ohne sie erst zu vernehmen.
Wer guten Rath gehört vorher,
Nicht leicht mißlingt ihm sein Begehr; |
|
2155 |
Was Einer für sich alleine thut,
Ist der Erfolg hernach nicht gut,
So hat er zwiefach dann verlohrn:
Er duldet Schaden und Freundeszorn.«
Sie sprach: »Traute Gesellin o weh, |
|
2160 |
Ich fürchte, daß mir's schlimm ergeh';
Ihr Rath mag leicht ein andrer sein.«
»Edle Fraue, was fällt Euch ein?
Hier ist keiner der Euch drum grollt;
Sie lassen Euch wählen wen Ihr wollt, |
|
2165 |
Schirmt er Euch nur den Bronnen.
Eure Rede war zu fein gesponnen;
Ei ja doch! sie sind des viel froh,
Wenn sie der Landwehr also
Quitt und ledig werden fortan; |
|
2170 |
Fußfällig flehen sie Euch an,
Wenn sie Euer Wort vernehmen,
Und bitten, Ihr wollt ihn nehmen.« –
Sie sprach: »Wohl, schicke Du den Garzun,
Ich will derweil des Gleichen thun, |
|
2175 |
Und jenen meine Botschaft senden,
Daß wir den Antrag beenden.«
Die Jungfrau balde ihn fand,
Denn er war da zu Hand.
Der Garzun thät wie sie's beschied, |
|
2180 |
Und hielt sich geheim, wie sie's ihm rieth:
Denn er war durchtrieben und gescheidt
In aller List und Verschlagenheit;
Er konnt' ihr helfen lügen,
Und ohne Bosheit trügen. |
|
2185 |
Als nun die Frau ihn nicht mehr sah,
Und sich gewißlich deß versah,
Der Garzun sei schon auf dem Wege,
Da begann die Magd des Ritters Pflege,
Wie Gott ihr's lohn' in Ewigkeit. |
|
2190 |
Sie hielt ihm ein Bad bereit;
Auch fand er da zu Hand
Dreierlei Gewand,
Grauwerk, Härmelin und bunt:
Denn damit war zu aller Stund' |
|
2195 |
Der Wirth versehn als ein höfischer Mann,
Der wohl sich pflegen kann,
Und hatte vollauf an Gut und Geld.
Gewande reich und auserwählt,
Legte sie da ihm an. |
|
2200 |
Des andern Abends ging sie dann
Wo sie die Frau alleine fand,
Und machte sie zuhand
Vor Freuden bleich und roth.
Sie sagt ihr: »Gebt mir das Botenbrod, |
|
2205 |
Euer Garzun ist kommen.«
»Welche Mär' hast Du vernommen?«
»Gute Märe« – »Sage doch, wie?«
»Denkt nur, Herr Iwein ist schon hie.«
»Wie mocht' er nur kommen also fruh?« |
|
2210 |
»Es trieb ihn seine Liebe dazu.«
»Wer weiß es? Das sag' um Gott mir doch.«
»Fraue, es weiß es Niemand noch,
Als der Garzun und wir.«
»Was führst Du ihn nicht her zu mir? |
|
2215 |
Geh nur gleich, ich warte sein.«
Als nun die Magd zu ihm hinein
Heimlich lachend gegangen kam,
Gebärd' und Wesen sie da annahm,
Als ob sie mit böser Märe |
|
2220 |
Zu ihm gesendet wäre:
Sie hing ihr Haupt und sprach
Trauernd als sie ihn sach:
»Was soll ich beginnen, rathet mir!
Meine Fraue weiß Euch hier, |
|
2225 |
Und ist auf mich in heftgem Zorn;
Ich hab' all' ihre Huld verlohrn,
Weil ich Euch hier behalten hab';
Und dennoch läßt sie davon nicht ab,
Daß sie selber Euch sehe.« |
|
2230 |
»Ei, ehe das nicht geschehe,
Ließ' ich mir nehmen den Leib.«
»Wie möcht' auch je Euch tödten ein Weib?«
»Sie hat doch Volkes ein Heer!«
»Ihr behütet Euch wohl ohne Wehr; |
|
2235 |
Deß hab' ich ihre Sicherheit,
Daß Euch in keiner Weis' ein Leid
Nimmer solle von ihr geschehn.
Sie will Euch ganz allein nur sehn,
Und ihr Gefangner müßt Ihr sein: |
|
2240 |
Für Euer Leben steh' ich ein.«
Er sprach: »Sei mir gebenedeit!
Ich will mit Freuden und allezeit
Gefangen mich ihr ergeben,
Mich selbst, mein Herz, mein Leben.« |
|
2245 |
So sprang er auf und eilt' hindann
Zu ihr, als ein vielseliger Mann:
Doch ward er kalt empfangen,
Denn als er kam gegangen,
Thät sie weder sich neigen, |
|
2250 |
Noch brach sie ihr stummes Schweigen;
Das verwirrt ihm die Sinnen,
Er wußte kein Wort zu gewinnen,
Sondern setzte sich fern hindann,
Und sah sie schüchtern an. |
|
2255 |
Da sie beide schwiegen, da sprach die Magd:
»Herr Iwein wie seid Ihr so verzagt?
Lebt Ihr? – verschloß sich Euer Mund?
Ihr war't noch eben frisch und gesund,
Seit wann denn wurdet Ihr stumm? |
|
2260 |
Sagt mir um Gott, warum
Fürchtet Ihr ein so schönes Weib?
Gott tröste nimmer dessen Leib,
Der ohne Dank einen tapfern Mann,
Und der sonst selber wohl reden kann, |
|
2265 |
Zu schöner Fraue führte her,
Daß er sie fliehe so sehr?
Ihr dürft nicht so gar verzagen,
Mögt gern Euch näher wagen.
Meine Fraue, Herr Ritter, beißt Euch nicht. |
|
2270 |
Wem von Jemand geschicht
So leid als sie erfuhr durch Euch,
Soll der dann Gnade finden sogleich,
Dazu gehört mehr Dank und Lohn.
Ihr habt den König Ascalon |
|
2275 |
Ihren lieben Mann erschlagen;
Soll man Euch dafür Gnade sagen?
Ihr habt viel schwere Schuld,
Nun sucht auch ihre Huld.
Laßt uns sie anflehn beide, |
|
2280 |
Daß sie ihr Leide
Geruhe zu vergessen!« –
Da ward nicht länger gesessen:
Auf sprang er, warf sich ihr zu Füßen,
Und sucht' ihre Huld und ihr Grüßen |
|
2285 |
Als ein schuldiger Mann.
Er sprach: »Ich weiß nicht noch kann
Ich Euch darbieten mehre
Vergütung oder Ehre,
Als richtet selber über mich: |
|
2290 |
Wie Ihr wollt, also will ich.«
»Wollt Ihr Alles was ich will?«
»Ja, mich dünket nichts zu viel.« –
»So möcht' ich vielleicht Euch nehmen den Leib!«
»Wie Ihrs gebietet, selig Weib.« |
|
2295 |
»Nun, was frommt da Reden lang?
Da Ihr einmahl Euch ohne Zwang
In meine Gewalt gegeben,
Nähm' ich Euch das Leben,
Unweiblich wäre das viel sehr. |
|
2300 |
Herr Iwein, denkt auch nimmermehr,
Es sei durch treulosen Unbestand,
Wenn ich geneigt mich fand
So bald Euch zu begnaden.
Ihr thatet mir solchen Schaden, |
|
2305 |
Daß stünde so frei mein Hab und Gut,
Wie es andern Frauen thut,
Nimmer hätt' ich gewollt
So eilig, noch gesollt
Euch Gnade lassen geschehn. |
|
2310 |
Nun muß ich leider gestehn,
Es ist mit mir also bewandt,
Ich möchte leicht verliehren mein Land
Heute oder auch morgen.
Deshalb muß ich's versorgen |
|
2315 |
Mit einem Mann zu Schutz und Wehr:
Ein solcher fehlt in meinem Heer,
Seit der König ward erschlagen;
Drum muß ich in den nächsten Tagen
Mir einen Herren kühren, |
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2320 |
Oder das Land verliehren.
Ich bitt' Euch, wollt noch nichts mir sagen.
Weil Ihr meinen Gemahl erschlagen
Seid Ihr wohl ein so tapfrer Mann,
Daß wenn mir Gott Euch gann, |
|
2325 |
Ich wäre wohl in sichrer Hut
Vor allem fremden Uebermuth;
Und glaubet mir die Märe, –
Eh ich Euer entbehre,
Verletzt' ich lieber des Weibes Sitte: |
|
2330 |
Wie selten ein Weib sich den Mann erbitte,
Euch erbät ich mir ehr: –
Eure tödtliche Feindin bin ich nicht mehr;
Ich will Euch gerne: wollt Ihr mich?« –
»Frau, spräch ich Nein jetzt, ewiglich |
|
2335 |
Wär' ich dann ein unselger Mann.
Der liebste Tag, den ich je gewann
Der ist mir heute widerfahren:
Gott wolle mir das Heil bewahren,
Daß ich gesellt Euch bleibe forthin!« |
|
2340 |
Da sprach zu ihm die Königin:
»Ei doch, mein Herr Iwein,
Wer hat unter uns zwein
Gefüget diese Minne?
Es wundert meine Sinne |
|
2345 |
Wer Euch rieth zu solchem Wahn,
Daß die, der ihr solch Leid gethan,
Jemahls noch werden möcht' Euer Weib?«
»Das riethen mir Seel' und Leib.«
»Wer aber rieths den beiden, um Gott?« |
|
2350 |
»Das thät des Herzens Gebot.«
»Wer aber dem Herzen, wer?«
»Das lenkten wieder die Augen her.«
»Wer denn rieth den Augen also?«
»Ein Rath, deß mögt Ihr bleiben froh; |
|
2355 |
Eure Schönheit, sonst nichts in der Welt.«
»Wenn denn jeder von uns dem Andern gefällt,
Und bekennt, er sei nach seinem Sinn,
Sprach darauf die Königin,
Wer ist der uns deß wende, |
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2360 |
Daß unsre Rede sich ende?
Wir fügens doch nicht unter uns Drein;
Gehn wir drum zu den Mannen hinein.
Ich habe Botschaft gesandt
An die Besten rings im Land: |
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2365 |
Denen dürfen wirs nicht verschweigen.
Halb ließ ichs schon anzeigen
Meinen Mannen und Magen,
Die müssen drüber tagen,
Und besser ists, wir folgen dem Brauch.« |
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2370 |
Also geschah von ihnen das auch.
Als die zwei an der Hand sich nahmen
Und zur Halle kamen,
Und die Menge Herrn Iwein sah
Bekennen mußten sie's laut allda, |
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2375 |
Sie erblickten noch nie so schönen Mann:
Und traun, sie logen nicht daran.
Auch ward ein Ritter noch nie
Besser empfangen denn er allhie.
Sie betrachteten ihn staunend |
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2380 |
Und fragten sich heimlich raunend:
Wer brachte diesen Ritter her?
So Gott will, ist kein andrer als Er
Den meine Fraue nehmen soll:
Ihnen behagte nie ein Ritter so wohl. |
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2385 |
Also führten sie ihn
Durch die Mannen inmitten hin;
Und beide saßen einander nah.
Den Truchseß bat die Fraue da
Er möge für sie nehmen das Wort, |
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2390 |
Und die Versammlung bitten dort,
Daß sie's gewährte ohne Zorn:
Sie habe sich diesen Mann erkorn.
Die riefen: »Wir sinds zufrieden,
Kein Bessrer ist uns beschieden.« |
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2395 |
Ein Roß, das willig selbst schon geht,
Wer das mit Sporen auch besteht,
Dem rennts noch besser ein gutes Theil.
Sie mochten ihren Willen und ihr Heil
Leichtlich der Fraue rathen, |
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2400 |
Und mein' ich, daß sie wohl dran thaten,
Denn ob sie All' ihrs widersagt,
Sie hätt' es darum nicht vertagt.
Als nun der Truchseß sofort
Für seine Frau geführt das Wort, |
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2405 |
Und sie ihn hörten sagen
Es komm' in zehen Tagen
Der König Artus mit seinem Heer,
Und fänd' er den Bronnen ohne Wehr,
Sei er ohne Hülfe verlohren, |
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2410 |
Denn er habe die Fahrt beschworen;
Und pries des Ritters Adel,
Seine Kühnheit ohne Tadel,
Und seine Schönheit, die Jeder sah,
Mit Recht da riefen All' ihr Ja, |
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2415 |
Und nanntens Frommen und Ehre.
Was hilft noch längre Märe? –
Es konnte sich baß nicht fügen,
Da war an Pfaffen Genügen,
Die sprachen ihm den Segen zu Hand, |
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2420 |
Sie gaben die Frau ihm und das Land.
Frau Laudine, so hieß die Königin.
Sie konnt' ihm sein Leben fernerhin
Wohl erfreun mit ihrer Tugend:
Da war Geburt und Jugend, |
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2425 |
Reichthum und Schönheit.
Welchem Manne Gott verleiht
Treue und frommes Gemüthe
Und volle Tugend und Güte,
Und dem ein liebes Gemahl gewährt, |
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2430 |
Die nichts als seinen Willen begehrt,
Und läßt sie mit Lieb' und lange leben,
Dem hat er Freuden viel gegeben. |