|
|
Wer möcht' ihm jetzt noch dräu'n,
Da er gesund den guten Leun
Aus dem Streite gebracht? – |
|
6870 |
Der er hülfreich vorhin gedacht,
Zu der nun kehrt' er zuhand;
Dahin wo er die Jungfrau fand,
Die ihre Niftel krank verließ,
Der er zum Kämpfer sich verhieß. |
|
6875 |
Die zeigt' ihm die viel rechten Wege;
Sie weilte noch in treuer Pflege.
Nun säumten sie nicht lange da,
Denn die Kampfzeit war schon also nah,
Daß ihnen der Frist zu ihrer Fahrt |
|
6880 |
Weder gebrach noch übrig ward,
Und kamen zur rechten Stunde an.
Die Schwester die den Streit begann,
Fanden sie an der Kampfesstatt.
Herr Gawein, der sich's von ihr erbat, |
|
6885 |
Hatte sich längst verhohlen
Vom Hof hinweg gestohlen,
Und Allen vorher erklärt,
Den Kampf zu schau'n sei ihm verwehrt,
Weil Andre schon ihm nachgefragt. |
|
6890 |
Also hatt' er sich losgesagt,
Und kam jetzt heimlich wieder an,
Mit fremden Waffen angethan,
Daß ihn Niemand außer der Magd
Erkannte; der hatt' er's gesagt. |
|
6895 |
Vor dem Palaste schon
Saß König Artus auf seinem Thron,
Und seines Hauses Massenie;
Denn gern erspähen wollte sie
Wie da wurde gestritten. |
|
6900 |
Nun kam zugleich auch hingeritten
Die Jungfrau und Herr Iwein.
Der Leu fuhr nicht mit ihnen zwein,
Den hatt' er weggethan,
(Er wollt' ihn nicht zum Kampfe ha'n,) |
|
6905 |
Und war noch Niemand da bekannt
Wie der Ritter wäre genannt.
In den Kreis nun ritten beide.
Da dachten alle mit Leide
Und viel sorglicher Schwere, |
|
6910 |
Ob noch deß Hülfe wäre
Daß nicht Einer von ihnen werd' erschlagen:
Den müsse man wohl ewig klagen,
Weil sie zwei Ritter nimmer gesehn
(Wie Alle eingestehn) |
|
6915 |
So schön daß nie des Wunsches Gewalt
Schüfe bessre Gestalt
Am Leibe wie an Sitten;
Und begonnen den König zu bitten,
Er möge die ält're noch bewegen, |
|
6920 |
Daß sie des Friedens wegen
Mit der Jüngern theilen wolle.
Das weigert sie mit solchem Grolle,
Daß er entmuthigt schwieg.
Sie hoffte zu gewiß, der Sieg |
|
6925 |
Werd' ihr nimmer entrafft,
Weil sie wohl ihres Ritters Kraft
Erkannt' und wollt' auf Nichts verzichten,
Noch irgend die Fehde schlichten.
Als der König Artus ersach |
|
6930 |
Daß Keiner die Sühn' ansprach,
Da hieß er räumen den Ring.
Nun war doch das ein schmerzlich Ding,
Anzusehen ein Fechten
Von zwein so guten Knechten: |
|
6935 |
(Denn es thut dem biedern Mann nicht wohl,
Der des Andern Tod sehen soll)
Wo mind'stens eine Schale sank,
Ob Einer auch erkämpft den Dank.
Erzählt' ich nun das Fechten |
|
6940 |
Von diesen edlen Knechten
Mit Worten kunstrecht und vollendet,
Hätt' ich der Rede Pracht verschwendet;
Denn Ihr vernahmt schon sonst die Mär'
Von beider Kühnheit und starker Wehr. |
|
6945 |
So will ich hier nur sagen,
Wie nimmer gleich zwei Zagen
Die beiden da gebahrt,
Und sich den Ruhm bewahrt
Daß nie der Welt ward offenbar |
|
6950 |
Ein also treffliches Paar,
Noch so entflammt nach weltlichem Lohne.
Drum trugen sie auch die Krone
Ritterlicher Ehren,
Die jeder von ihnen wollte mehren |
|
6955 |
Durch den Andern an dem Tage.
Darum wein' ich's und klage,
Daß die besten Gesellen
Zu solchem Kampf sich stellen,
Die edelsten von der Welt. |
|
6960 |
Denn wer von beiden fällt
Durch des andern Hand,
Und wird ihm dann bekannt
Wen er hat erschlagen,
Der wird auf ewig ihn klagen. |
|
6965 |
Möchten nun beide siegen,
Oder beide sieglos liegen,
Oder ohne Fluch und Schimpf
Vom Kampf abstehn in Glimpf,
Nachdem sich erkannt die beiden; |
|
6970 |
Das wäre nach allen Leiden
Beiden erwünscht und lieb.
Denn dem Auge nur des Andern blieb
Jeder fremd, doch nicht der Brust:
Jeder war sich's heimlich bewußt, |
|
6975 |
Ihn solle bestehen ein Mann
Der liebste, den er je gewann.
Da nun der Kampf beginnen soll,
So ziemt' auch beiden wohl
Daß sie nicht länger harrten. |
|
6980 |
Weß sollten sie auch warten?
Da ist die Wahlstatt und der Muth;
Auch waren die Rosse beide so gut,
Daß das sie nicht versäumte.
Jeder von ihnen räumte |
|
6985 |
Dem Andern seinen Puneis,
Und ritt bis an den Kreis,
Der war wohl eines Roßlaufs weit:
Zu Rosse nun begann der Streit.
Nun mochten die wohl streiten, |
|
6990 |
Die nicht zu jenen Zeiten
Kämpfens erst begonnten.
Wie wohl sie fechten konnten,
Zu Rosse und zu Fuße! –
Ihre Waffen hatten Muße |
|
6995 |
Nimmer gekannt und nie,
Das zeigten sie wohl hie.
Auch mögt Ihr für wahr das halten,
Es lehrt die Gewohnheit walten
Einen minder tapfern Mann, |
|
7000 |
Daß er besser fechten kann,
Als wer kühn und verwogen
Keiner Uebung gepflogen.
Hier aber war Kunst und Kraft;
Hier sah man edler Ritterschaft |
|
7005 |
Volle Schule gelehrt,
Und ward für beide bewährt
Der erste Preis im Streit
Unter allen Rittern zu jener Zeit.
Nun säumten sie auch nicht mehr, |
|
7010 |
Die Rosse wurden sehr
Mit dem Sporn genommen.
Man sah sie an einander kommen
Und feindlich beide gebahren
Die doch Gesellen waren. |
|
7015 |
Nun dünkt es andern wohl und mir,
Als sei unmöglich schier,
Daß jemahls Minne und Haß
Sollten fließen aus einem Faß,
Also daß Minne bei dem Hasse |
|
7020 |
Bleiben sollt' in demselben Fasse.
Ob zwar nun Minne und Haß
Nimmer wohnten in einem Faß,
Doch quoll in demselben Fasse
Minne neben dem Hasse, |
|
7025 |
Also daß weder Minne noch Haß
Eilig räumten das Faß.
Nun mein' ich, Freund Hartmann,
Du siehst es fälschlich an.
Wie kommt Dir in die Sinne |
|
7030 |
Daß beide, Haß und Minne,
Sollten wohnen in einem Raum?
Lieber, Du sprichst im Traum.
Es haben Minne und Haß
In einem Gefäße kein Gelaß. |
|
7035 |
Wenn der Haß wird inne
Ernstlicher ächter Minne,
Weicht sofort der Haß,
Und läßt Frau Minnen alles Gelaß;
Wo aber hauset der Haß, |
|
7040 |
Da wird die Minne laß.
Nun will ich Euch erklären das,
Wie herzliche Minn' und bittern Haß
Umschließen mocht' ein enges Faß.
Ihr Herz, das ist das enge Faß; |
|
7045 |
Da wohnten beisammen drinne
Haß neben der Minne.
Es hält aber in Frieden
Eine Wand die zwei geschieden,
Daß Haß von Minne nicht weiß, |
|
7050 |
Sonst machte sie ihm also heiß,
Daß mit Schimpf und Schande der Haß
Müßt' entfliehen dem Faß:
Und räumt' es auch Frau Minne,
Würde sie ihres Nachbars inne. |
|
7055 |
Das Nicht-Erkennen war die Wand,
Die zwischen den beiden stand,
So daß sie Herzensfreunde sind,
Und doch mit sehenden Augen blind.
Unkunde will, daß ein Geselle |
|
7060 |
Im Kampf den andern fälle;
Und wenn er ihn überwindet
Und dann ersieht und findet
Wen er hat überwunden,
So mag er nimmer gesunden, |
|
7065 |
Noch ferner Freude suchen;
Er muß dem Wunsche fluchen,
Und wenn das liebste ihm geschicht,
Verläßt ihn Qual und Vorwurf nicht.
Wer auch den Sieg erstritt, |
|
7070 |
Geht siegreich doch des Sieges quitt.
Ihn traf des Unglücks Bann,
Seit seines Glückes Wahn zerrann.
Er hasset was er minnet
Und entbehrt was er gewinnet. |
|
7075 |
Ansprengten die Roß' im selben Nu.
Nicht zu spät und nicht zu fruh
Neigte jeder den Speer,
Und stemmt' an die Brust ihn her,
Daß er wie festgewurzelt schien; |
|
7080 |
Weder hoben noch senkten sie ihn,
Nicht auf- noch abwärts wich er,
Sondern nach rechtem Maaß und sicher
Hielt jeder ihn wie er sollte,
Und zielt' als ob er wollte |
|
7085 |
Seinen Kampfgesellen
Auf das Grün hinfällen,
Daß jeder Stich gerieth
Wo Schild und Helm sich schied:
Denn dahin trifft den Mann |
|
7090 |
Wer mit dem Speer ihn fällen kann.
Das ward da wohl erzeigt;
Denn es schwankt und neigt
Jeder von beiden also sehr,
Daß er zuvor nie mehr |
|
7095 |
Der Erde sich genaht,
Und fiel auch in der That.
Daß jeder im Sattel saß, deß war
Die Ursach' allein und offenbar
Weil die Speere nicht ganz geblieben. |
|
7100 |
Denn sie kamen daher getrieben
Mit also mannlicher Kraft,
Daß jedes Gesellen Schaft
Wohl in hundert Stücke brach;
Und männiglich bekannt' und sprach, |
|
7105 |
Schöner sei noch nie tjostirt.
Nun lief umher und kreiirt
Behender Garzun' ein Schwarm
Und jeder trug im Arm
Zween Speere oder drei. |
|
7110 |
Man hörte nichts als ein Geschrei:
Speere her! Speere her!
Der ist hin, ein andrer Speer! –
Da ward viel gestochen,
Und gar die Speere zerbrochen |
|
7115 |
Die sie erlangen mochten.
Hätten sie da gefochten
Zu Rosse mit den Schwerdten,
Deß sie nicht begehrten,
Das wär' der armen Hengste Tod; |
|
7120 |
Um die that ihnen Noth,
Damit sie sich erhohlen mochten,
Daß sie zu Fuße fochten;
Was hatten ihnen die Rosse gethan?
Nun gingen sie wieder einander an. |
|
7125 |
Ich sag' Euch was sie thaten,
Als sie zusammen traten,
Die zwei Kampfkundigen und Weisen.
Sie sparten beide das Eisen
Mit dem sie den Leib bewahrt, |
|
7130 |
Das Schwerdt ward aber nicht gespart:
Freigebig und mit Fleiß
Gab jeder den Schildrand preis;
Dem Schilde trugen sie Haß.
Beide bedachten sie das: |
|
7135 |
»Wir hau'n vergeblich heiß und wild;
So lange der Andre trägt den Schild,
Ist er ein sichrer Mann.«
Auf die Schilde hau'n sie dann,
Und keiner trachtete nie |
|
7140 |
Daß er niederhalb der Knie
Seine Hiebe streckte
Wo den Gegner der Schild nicht deckte.
Da wurden ausgelieh'n
Kräftige Schläge stark und kühn |
|
7145 |
Ohne Bürgschaft und Pfand,
Und wieder gezahlt zuhand.
Kann einer gelten, steht er sich gut;
Und hat er zu gelten Muth
So mag er kühnlich borgen. |
|
7150 |
Dagegen muß besorgen
Wer borget und nicht gelte,
Daß er's nachher entgelte.
Borgen und nicht gelten,
Das fürchteten beide zu entgelten; |
|
7155 |
Denn wer geborgtes nicht zahlt,
Schon oft das schwer entgalt.
Sie hätten's auch entgolten,
Drum ward das Darlehn flugs vergolten;
Jeder von ihnen pünktlich zahlt, |
|
7160 |
Daß er's am Leumund nicht entgalt.
Sie mußten fleißig gelten
Wollten sie entgehn dem Schelten;
Sie fürchteten die Schelter
Saumseliger Gelter. |
|
7165 |
Sie entliehen beid' aus voller Hand,
Und ward nach Zahlung nicht gesandt,
Denn sie brachten ins Feld
Baar und überzählig ihr Geld,
Und zinsten auf frischer That |
|
7170 |
Früher und mehr als man sie bat.
Unrühmliche Müssigkeit
Ist Gott und den Menschen leid:
Und steht auch Keinem an,
Als einem weibischen feigen Mann. |
|
7175 |
Wer gerne lebt nach Ehren,
Der soll viel eifrig kehren
Alle seine Sinne
Nach redlichem Gewinne,
Daß er guten Erfolg erringe, |
|
7180 |
Und wohl den Tag vollbringe.
So hatten die beiden stets gethan:
Ihr Leben war nie verthan
An keine Müssigkeit:
Ihnen beiden war viel leid |
|
7185 |
Wenn ihre Tage gingen hin,
Und sie keinen Gewinn
An dem Kaufe funden,
Deß sie sich unterwunden.
Zwei Wechslern, klugen und reichen |
|
7190 |
Mochte man sie vergleichen;
Die beid' ausliehn ihr fahrendes Gut
Nach einem seltsamen Muth.
Sie strebten nach Wucher und Beute,
Wie zwei geizige Handelsleute; |
|
7195 |
Doch stellten sie den Sinn
Auf seltnen fremden Gewinn.
Kein Kaufmann möcht' ihn erwerben,
Er müßte dabei verderben;
Ihnen aber trug es ein. |
|
7200 |
Wenn sie auf Borg das Ihre leihn
Nehmen sie Zahlung ungern hin:
Nun seht Ihr welcher Gewinn
Erwächst aus solchem Handel!
Da leih'n sie in stetem Wandel |
|
7205 |
Stich und Schlag mit Schwerten und Speeren;
Und mocht' Ersatz gewähren
Keiner auch nur den halben Theil:
Und damit mehren sie Ehr' und Heil.
Auch war das ihres Wechsels Art, |
|
7210 |
Daß er Keinem verweigert ward,
Weder Mann, noch Frau, noch Greis.
Sie tauschten auf ihr Geheiß
Müh' und Arbeit um Ehre.
Nimmer hatten sie mehre |
|
7215 |
In also kurzen Stunden
Wiedererstattung funden:
Denn nie entliehn sie einen Schlag,
Daß nicht die Zahlung fertig lag.
Da wurden die Schilde gegeben |
|
7220 |
Zum Nothpfande für das Leben:
Die hieben sie bald sich von der Hand.
Nun hatten sie kein andres Pfand
Als das Eisen blank und baar;
Das boten sie zum Pfande dar. |
|
7225 |
Auch mochte der Leib dem nicht entgehn,
Er mußte da zum Pfande stehn,
Und ward als Zahlung eingesetzt.
Die Helme wurden zuletzt
Hier und dort zerhau'n; |
|
7230 |
Die Ringe mochte man schau'n
Von Blute roth gefärbt,
Und von Hieben zerkerbt
Die sie in kurzer Zeit empfangen,
Doch bis ans Mark nicht drangen. |
|
7235 |
Es erhub sich gegen Morgen
Mit mannlichen Sorgen
Dieser Gefahr drohende Streit,
Und währte fort lange Zeit,
Bis voll nach mittem Tage, |
|
7240 |
Daß Keinem von des Andern Schlage
Ein Schaden mochte kommen.
Ihnen hatt' Ermüdung genommen
Völlig und gar die Kraft;
Es däucht' sie ihre Ritterschaft |
|
7245 |
Ohne Ruhm und Ehre,
Und kämpften zuletzt nicht mehre:
Da gönnten sich die beiden
Ein viel willkommnes Scheiden,
Und setzten sich nieder auf den Grieß, |
|
7250 |
Bis die Erschöpfung sie verließ.
Die Ruhe währte nicht lang,
Bis jedweder aufsprang,
Und liefen aber einander an.
Jeder war nun ein frischer Mann, |
|
7255 |
Beides an Willen wie an Kraft.
Es war ihre frühre Ritterschaft
Gegen diese nur ein Stroh,
Die sich neu anhub also.
Ihre Schläge waren kräftig vorher: |
|
7260 |
Jetzt kräft'ger und es fielen mehr.
Ihr Fechten sah sich an
Mancher kampfkundige Mann,
Doch keines Auge war fürwahr,
Weder so kundig noch so klar, |
|
7265 |
Daß nähm' er auf seinen Eid
Auszusagen die Wahrheit,
Welchem von beiden an dem Tage
Neige des Sieges Wage
Also breit nur als ein Haar, |
|
7270 |
So konnt' er, das ist wahr,
Keinem ein Quentlein zugestehn:
Nie war so gleicher Kampf gesehn.
Nun sorgten allda Mann und Weib
Um ihre Ehr' und ihren Leib, |
|
7275 |
Und möchten sie die beiden
Mit Ehren feiedlich scheiden,
Das hätten sie gern gethan,
Und sprachen drum den König an.
Denn wer verschmerzte die Klagen |
|
7280 |
Wenn Einer würd' erschlagen
Oder gekränkt an seinen Ehren?
Da hub der König an zu kehren
Seine Bitten und seine Sinne,
Ob er nicht Güt' und Minne |
|
7285 |
Erfände an der ältern Magd,
Die so völlig versagt
Der Jüngern all' ihr Erbe.
Umsonst war, wie er auch werbe;
Sie weigert's mit so schnöden Sitten, |
|
7290 |
Daß er nicht länger wollte bitten.
Als aber die Junge ersach
Der guten Ritter Ungemach,
Da trübt es ihr die Sinnen;
Und da sie mit Huld und Minnen |
|
7295 |
Des Zweikampfs Ende nicht erreicht,
Da that sie wie ihr's ziemlich däucht.
Die schöne, edle, gute,
Die verständ'ge, sanftgemuthe,
Die süße Maid, die reine, |
|
7300 |
Die demüthige, feine,
Die nur von Güte hatte Kunde, –
Mit süßem rothen Munde
Lächelte sie die Schwester an.
Sie sprach: »Eh ein so wertherMann |
|
7305 |
Den Tod in meinem Namen kührt,
Oder seinen Ruhm verliehrt,
Eh' sei mein Leib und unser Land
Zehnmal beide verbrannt.
Zieh' Du in Frieden und Heil |
|
7310 |
In mein Erbetheil,
Aufgeben will ich ohne Neid
Beides, Land und Streit,
Und wenn ich's doch entbehren soll,
Gönn' ich's Keinem also wohl. |
|
7315 |
Stellt das Kämpfen ein,
Ihr Leben ist nützer als das mein'.
Ich bleibe lieber ein' arme Maid,
Als daß Einer durch seinen Eid
Um mich verliehre das Leben: |
|
7320 |
Dir will ich vergessen und vergeben.«
Als sie das Wort erprobt,
War Keiner, der sie nicht preist und lobt,
Und nicht den König bat,
Daß er nach bestem Rath |
|
7325 |
Und um Gott das thäte,
Und die Schwester bäte,
Sie möge der Jüngern doch
Das Drittheil oder minder noch
Von ihrem Erbtheil geben; |
|
7330 |
Es ginge den Rittern an das Leben,
Ihrer Einem oder Beiden,
Möchte man sie nicht scheiden.
Vielleicht auch hätte sie sich gefügt,
Wenn's dem König also genügt: |
|
7335 |
Der aber weigert's, als er's hört,
Denn ihn hatte der Zorn empört
Wider der Aeltern harten Muth.
Ihn dünkt die Jüngre also gut,
Daß er 's abschlug, zwar ungern, |
|
7340 |
Weil sie so sicher ihm als Herrn,
Vertraut' und seines Hofes Rechte.
Diese guten Knechte,
Die hatten dem langen Tage
Mit manchem ritterlichen Schlage |
|
7345 |
Nach Ehren Ende gegeben;
Und stund auf der Wage noch ihr Leben,
Bis die Nacht begann,
Und Dunkel wehrte dem Kampf fortan.
So schied sie beide die Nacht. |
|
7350 |
Nun ward des Einen Macht
Wohl dem Andern kund,
Daß beiden allda zur Stund'
An einander völlig genügte;
Und weil sich's also fügte |
|
7355 |
Daß sie's mit Ehren mochten enden,
So ließen sie's wohl bewenden
Bis an den andern Tag.
Sie thaten wie allzeit pflag
Wer je rechten Muth gewann; |
|
7360 |
Wie leid einem tapfern Mann
Von seinem Feinde geschicht,
Kommt es von Groll und Bosheit nicht,
Selbst wenn er den Willen trüge
Daß er ihn gern erschlüge, |
|
7365 |
Hegt er ihm doch keinen Haß;
Und jener behagt ihm baß
Als neben ihm ein geringer Mann,
Durch den er Schaden nie gewann.
Das zeigte sich wohl an diesen Zwein. |
|
7370 |
Wenig hoffte Herr Iwein,
So mächtig dünkt sein Gegner ihn.
Großer Gewinn da beiden schien
Den jeder preisen wollte,
Wenn er erfahren sollte |
|
7375 |
Wer der Andere wäre.
Seine Wechselmäre
Hub er mit dem Genossen an:
Er sprach: »Wir haben nun abgethan
Unser feindseliges Spiel; |
|
7380 |
Jetzt wag ich sprechen was ich will.
Ich minnte stets von ganzer Macht
Den lichten Tag vor der Nacht;
Ich hatte meine Freude dran,
Und freudig grüßen ihn Weib und Mann. |
|
7385 |
Der Tag ist fröhlich und hehr,
Die Nacht finster und schwer,
Weil sie die Herzen trübt;
Während das Licht Thaten übt,
Und ruft zu Kampf und Schlacht, |
|
7390 |
Hüllt in Schlaf die Nacht.
Ich minnte bis zu dieser Frist
Den Tag vor Allem was da ist:
Nun habt Ihr, edler Ritter gut,
Das ist gewiß, mir solchen Muth |
|
7395 |
Völlig und gar verkehrt.
Sei mir der Tag nicht länger geehrt!
Ich haß' ihn immer mehre,
Weil er mir alle Ehre
Viel nahe hat genommen. |
|
7400 |
Die Nacht sei Gott willkommen!
Soll ich mit Ehren alten,
So hat sie mir's erhalten.
Seht selbst, ob mir vom Tage
Nicht große Sorg' und Klage |
|
7405 |
Heut geworden sei?
Zwei Hiebe mehr noch oder drei,
Die hätten Euch den Sieg gegeben,
Und mir genommen das Leben:
Deß erlöst mich die liebe Nacht. |
|
7410 |
Die Ruhe giebt mir frische Macht.
Dann folgt ihr wieder ein Tag,
Der heiß und blutig werden mag.
Und mit erneuten Sorgen
Entgegen seh' ich dem Morgen. |
|
7415 |
Gott lasse mir's wohl ergehn!
So aber muß ich bestehn
Den allertapfersten Mann,
Von dem ich Kunde je gewann.
Da scheucht die Sorge wohl die Ruh: |
|
7420 |
Gott schenke mir Kraft dazu.
Den ich da meine, der seid Ihr:
Gott der bewahre mir
Meinen Leib und meine Ehre;
Mir bangte nie zuvor so sehre. |
|
7425 |
Wißt auch daß ich nimmer gewann
Fehde mit einem Mann,
Den mich mehr verlangt zu kennen! –
Ihr möchtet wohl mir nennen
Euern Namen ohne Schanden?« |
|
7430 |
»Der sei Euch gern gestanden,«
Sprach mein Herr Gawein:
»Wir stimmen beide darin ein,
Ihr nahmt das Wort vor mir,
Und schwiegt Ihr länger allhier, |
|
7435 |
So sei Euch das gesagt,
Das gleiche hätt' ich Euch gefragt.
Was Ihr da minnet, das minn' auch ich;
Und weß Ihr sorget, deß sorg' ich.
Es ist heut vergangen ein Tag |
|
7440 |
Den ich wohl immer hassen mag,
Denn er brachte fürwahr
Nie erlebte Gefahr;
Mir benahm bei Gott nie mehre
Je ein Kämpfer so sehre |
|
7445 |
Alle mannliche Macht;
Und konntet Ihr vor der Nacht
Nur zwei Hiebe noch führen,
Mußt' Euch der Sieg gebühren.
Ich habe sehnlich die Nacht erharrt; |
|
7450 |
Was auch von mir gestritten ward,
Noch gewann ich nie so große Noth.
Ich fürchte Schande oder den Tod
Von Euch zu leiden morgen;
Wir sind in gleichen Sorgen; |
|
7455 |
Und glaubt mir, bei meinem Eid,
Wie gern ich Eurer Tapferkeit
Allen Ruhm errungen wüßte,
Den ich nicht selbst entgelten müßte.
Mein Herz ist Leides überladen, |
|
7460 |
Daß ich auf Euern Schaden
Immerdar soll denken.
Kann ichs zum Heil mir lenken,
So gescheh' alles deß Ihr begehrt,
Deß seid Ihr weiß Gott wohl werth. |
|
7465 |
Ich wünscht' es ständ' also,
Daß diese Jungfrau'n zwo
Hätten was jeder dünkte gut,
Und daß wir dienstwilligen Muth
Einander dürften tragen. |
|
7470 |
Ich will Euch meinen Namen sagen.
Ich bin genannt Gawein.«
»Gawein?« – »Ja.« – »O heller Schein!
Wie licht wird mir der finstre Tag!
Manchen feindlichen Schlag |
|
7475 |
Hab' ich von Euch empfangen.
Euer Haß ist ergangen
Ueber Euern getreusten Dienstmann,
Und ich zweifle nicht daran,
Was ich Leides von Euch erfahren, |
|
7480 |
Das alles mocht' ich ersparen,
Hätt' ich bei Zeiten mich genannt.
Wir waren sonst uns besser bekannt:
Herr, ich bins, Iwein.«
Da wohnte unter ihnen zwein |
|
7485 |
Liebe bei Leide.
Sie freuten sich beide
Daß sie zusammen waren kommen;
Daß keiner dem andern abgenommen
Seine Müh' und schwere Zeit, |
|
7490 |
Das war beider herzliches Leid.
Beide, Trauer und Haß
Räumten nun schnell das Faß,
Und herrschten drinne
Freude und Minne. |
|
7495 |
Jeder, entzückt in seinem Sinn,
Warf sein Schwerdt dahin,
Und lief dem Freund entgegen.
Nie haben tapfre Degen
Erlebt so lieben Tag, |
|
7500 |
Und weiß ich nicht ob jemand mag
Liebern je erleben,
Als Gott den beiden da gegeben.
Sie hielten sich umfangen,
Und küßten sich Augen, Mund und Wangen. |
|
7505 |
Als der König solche Minne
Und die Königinne
Unter den Kämpfern sahn,
Und wie sie als Freund' einander umfah'n,
Wundert sie deß viel sehr; |
|
7510 |
Sie säumten auch nicht mehr,
Und eilten sich zu nah'n
Weil sie erfreut die beiden sahn
So liebreich da gebaren.
Wer jene Degen waren, |
|
7515 |
Das war Keinem noch bekannt,
Bis man's später erfand.
Auch war von Helm und Nacht
Ihr Angesicht bedacht,
Und in des Kampfes Grimme |
|
7520 |
Verwandelt ihre Stimme,
Daß keiner je sie hätt' erkannt,
Hätten sie selbst sich nicht genannt.
»Ei«, sprach mein Herr Iwein,
»Dieses Tages Licht und Schein, |
|
7525 |
Das Schwerdt, das ich getragen,
Und jeder Hieb den ich geschlagen,
Die sollen verwünscht mir sein.
Herr Gawein, lieber Herre mein,
Was mag ich sprechen mehre, |
|
7530 |
Als daß ich Euch ehre
Als Euer Ritter und Euer Knecht?
Das ist mein Wille und mein Recht.
Ihr habt so oft mich geehrt,
Und zum Sieg gekehrt |
|
7535 |
Was ich irgend begann,
Daß ich größeren Ruhm gewann
In allen Landen und Reichen,
Als ich allein je mocht' erreichen.
Könnt' ich Euch das entgegnen, |
|
7540 |
Mit höchsten Ehren Euch segnen,
Deß wollt' ich allzeit werden froh:
Nun kann ichs anders nicht als so,
Daß ich Eu'r Iwein
Stets bin und war und werde sein, |
|
7545 |
Bis auf heut, den einen Tag,
Den ich mit Recht wohl nennen mag
Die Galle in diesem Jahr.
Auch halt' ich, das ist wahr,
Weder die Hand mir, noch mein Schwerdt |
|
7550 |
Solches Unheils werth
Daß sie auf Euch geführt den Streich.
Ich verfluche Schwerdt und Tag zugleich,
Und soll die unverständ'ge Hand
Ihrer Buße selber sein ein Pfand, |
|
7555 |
Das ich als Bürgschaft gebe,
Euch zu dienen so lang ich lebe.
Herr Gawein, dennoch möchtet Ihr
Nicht besser gerochen sein an mir,
Denn mir nahm sie die Ehren |
|
7560 |
Um Euren Preis zu mehren.
Sie hat sich selbst so schwach gewehrt,
Daß Euch der Sieg ward bescheert.
Den sichr' ich Euch in Euer Gebot,
Denn das weiß unser Herr und Gott |
|
7565 |
Daß ich sieglos bin:
Ich geh' als Euer Gefang'ner hin.«
»Herr und liebster Geselle mein,«
Sprach da mein Herr Gawein,
»Nie sollten meine Ehren |
|
7570 |
Durch Eure Schmach sich mehren! –
Dem Ruhm frag' ich nimmer nach,
Der meinem Freunde brächte Schmach.
Was hülfe mir's mich selbst belügen?
Und wollt' ich um den Sieg Euch trügen, |
|
7575 |
So haben's alle hier gesehn,
Was unter uns ist geschehn.
Ich sichre und ergebe mich:
Der Sieglose, der bin Ich.«
Da entgegnet' ihm Herr Iwein: |
|
7580 |
»Nimmer unter uns Zwei'n
Mag solche Sicherheit geschehn,
Noch kann ich je das zugestehn.
Ja, kämt Ihr fremd und ungenannt
Aus dem fernen Russenland, |
|
7585 |
Ehe ich nochmals wagte mit Euch den Streit,
Fürwahr, eh böt' ich Sicherheit;
Drum stell' ich sie alsogleich.«
»Nein Herr Geselle, ich sichre mich Euch,«
Sprach mein Herr Gawein. |
|
7590 |
So währte unter den Zwein
Ohne Schmeicheln lange Zeit
Dieser freundliche Streit,
Bis der König und seine Massenie
Errieth und fragten wie |
|
7595 |
Unter diesen Leuten
Die Minne sei zu deuten
Dem Hasse also nah,
Den man zuvor an ihnen sah;
Da ward's ihm bald erklärt. |
|
7600 |
Sein Neffe sprach, der Degen werth:
»Herr, das woll'n wir gern Euch sagen,
Daß Ihr nicht denkt, wir seien Zagen,
Und Niemand hege den Wahn,
Es sei aus List von uns gethan, |
|
7605 |
Das Weiterkämpfen abzustellen.
Wir waren vorher Gesellen,
Und hatten deß nicht Kunde,
Bis jetzt auf diese Stunde;
Nun wohnt kein Haß mehr unter uns Zwein. |
|
7610 |
Ich, Euer Neffe Gawein,
Habe gestritten wider ihn,
Dem ich dienstgetreuer bin
Als in der Welt je einem Mann,
Bis er zu fragen begann |
|
7615 |
Wie ich wäre genannt.
Da ihm mein Nahme ward erkannt,
Da nannt' er gleichfalls sich,
Und aller Haß entwich,
Und soll uns nichts je wieder entzwein: |
|
7620 |
Es ist mein lieber Gesell' Iwein.
Was ich Euch sagen will, das glaubt:
Hätt' ihm die Nacht den Kampf erlaubt,
So brachte meine Tapferkeit
Und mein Unrecht mir Leid. |
|
7625 |
Die Jungfrau, für die ich fechte
Ist mit Nichten im Rechte;
Mit Recht steht ihre Schwester hie.
Nun half auch Gott dem Unrecht nie,
Drum mußt' ich fallen von seiner Hand, |
|
7630 |
Hätte mir's nicht die Nacht erwandt.
Weil nun also steht mein Spiel,
So ist mir's lieber viel
Nachdem ich schlechtes Glück gefunden,
Daß mein Gesell' mich überwunden, |
|
7635 |
Als daß er mich erschlagen.« –
Der Rede begann sein Freund zu klagen,
Und ward vor Scham und Schmerzen roth,
Als jener ihm Ehre bot
Und Ruhm mehr als genug. |
|
7640 |
Solch' Preisen Herr Iwein nicht ertrug,
Und überbot den Andern weit.
Ohne Haß war Zorn und Streit,
Und viel der Reden geschah,
Daß man Jeden der beiden sah |
|
7645 |
Des Andern Lob mehren,
Und selber zumeist ihn ehren.
Deß freute der König sich.
Er sprach: »Ihr müßt auf mich
Vertraun, den Kampf zu schlichten; |
|
7650 |
Ich hoff' ich werd ihn richten
Daß es Euch beiden wohl genüge,
Und meinem Wunsch sich füge.«
Dem Ausspruch neigten die beiden.
Da hieß er die Schwestern hin bescheiden, |
|
7655 |
Und sprach: »Wo ist nun die Magd,
Die ihrer Schwester widersagt
Durch störrischen Uebermuth
Ihr Erbestheil und fahrend Gut,
Das der Vater bestimmt für sie? |
|
7660 |
Da sprach sie hastig: »Ich bin hie.«
Als sie sich so versprach zuhand,
Und selbst ihr Unrecht gestand,
Das freute den König sehr.
Zu Zeugen rief er alle her, |
|
7665 |
Und sprach: »So habt Ihrs laut erklärt!
So viele haben's gehört,
Ihr könnt nicht mehr entkommen.
Und was Ihr habt genommen,
Müßt Ihr der Schwester wieder geben, |
|
7670 |
Wollt Ihr nach meinem Ausspruch leben.«
»Nein, Herr König, sprach sie, um Gott!
Hier ruht auf Euerm Gebot
Beides, Gut und Leib.
Es spricht ja leicht im Eifer ein Weib |
|
7675 |
Was sie nicht sprechen sollte.
Wer vergelten wollte
Was Weiber sprechen und schelten,
Der müßte viel vergelten.
Wir Frau'n bedürfen alle Tage |
|
7680 |
Daß man dumme Rede uns vertrage;
Sie klingt zuweilen hart und ist
Dennoch ohne gefährliche List;
Verfänglich und doch ohne Haß;
Wir halten nicht immer rechtes Maaß. |
|
7685 |
Hab' ichs in Worten auch verfahren,
Ihr solltet Eure Pflicht doch wahren
Daß Keiner Gewalt mir thut.«
Er sprach: »Ich laß' Euch Euer Gut,
So thut mit der Schwester Ihr. |
|
7690 |
Das Urtheil befahlt Ihr mir;
Auch hat die arme Gute
Mit arglosem Muthe
Auf mich gebaut ihr Heil,
Der gebührt nach allem Recht ihr Theil. |
|
7695 |
Stimmen wir beide ein,
(Es bekennt mein Neffe Gawein
Er sei besiegt im Streit,)
So bringt Euch des Gerichts Bescheid
Um Land und Gut und Ehre. |
|
7700 |
Drum mögt Ihr immer mehre
Ruhm und Heil gewinnen,
Gebt Ihr was sie verlangt mit Minnen.«
So sprach er, denn ihm war bewußt
Sie trag' in ihrer Brust |
|
7705 |
Also hartes Gemüthe,
Daß weder Recht noch Güte
Noch Bitten ihr das Mind'ste galt.
Hier braucht' es Furcht oder Gewalt;
Nun schreckte sie sein Wort. |
|
7710 |
»Gebt mir, sprach die Magd sofort,
Mehr noch minder nicht,
Als mir Euer Gebot zuspricht;
Ich will und muß gewähren
Was Ihr nicht wollt entbehren: |
|
7715 |
Ich theil' ihr Leute und Land,
Deß seid ihr Bürge für mich, und Pfand.«
Da sprach der König: »Das nehm' ich an.«
Weil er entschied als Obmann,
Ward alles wohl beendet, |
|
7720 |
Verbürget und verpfändet,
Daß sie ihr Erbetheil empfing.
Der König sprach, als dies erging:
»Neffe Gawein, entwaffne Dich:
Auch Herr Iwein entwaffne sich, |
|
7725 |
Denn Ruhe ist Euch beiden noth.«
Da thaten sie was er gebot.
Nun war der Leun entkommen
Aus der Haft von der Ihr vernommen,
Und hatte gesprengt sein Gitter. |
|
7730 |
Er folgt' auf seiner Spur dem Ritter
Bis er ihn erkannt,
Und kam in Sprüngen gerannt.
Da hielt keiner Stand,
Von Furcht war jeder übermannt: |
|
7735 |
Es flohen Mann und Weib
Zu retten Leben und Leib,
Bis daß Herr Iwein sprach:
»Er thut Keinem ein Ungemach,
Er ist mein Freund und suchet mich.« |
|
7740 |
Nun erst erklärten sie sich
Daß Er der Degen fehlesfrei
Mit dem Löwen sei,
Von dem sie Wunder hörten sagen,
Und der den Riesen hatt' erschlagen. |
|
7745 |
»Lieber Gesell', sprach Herr Gawein,
Nimmer werd' ich mirs verzeihn,
Daß ich solchergestalt
Eure Wohlthat Euch vergalt.
Ihr schlugt den Riesen treugesinnt; |
|
7750 |
Deß jubelte mein Schwesterkind,
Denn Ihr entbotet mirs durch sie.
Ihn hat für Euch, sprach sie allhie,
Der Ritter mit dem Leun erschlagen.
Ihr wolltet Ihr nicht sagen |
|
7755 |
Wie Ihr wärt genannt.
Da sucht' ich den ich nirgend fand,
Und dankt' ich wußte nicht wo noch wem;
Doch galt mein Segen dem
Der um mich bestand die Noth; |
|
7760 |
Und hindert mich nicht der Tod,
Vergelt' ich's einst noch wie ich soll:
Ich erkenn' Euch an dem Löwen wohl.«
Drauf lief der Löwe zu ihm her,
Seinem Herrn zeigt' er |
|
7765 |
Freude und Freundschaft
Mit aller Treu und Kraft,
Wie ein stummes Thier dem Mann
Freundschaft erzeigen kann. |