|
|
Nicht lange darnach, am Morgen fruh
Kam geritten herzu |
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3705 |
Der Graf Aliers mit seinem Heer.
Da sah man alsbald zur Wehr
Die Ritter im Land aufsitzen,
Sie kamen mit Fußknechten und Schützen,
Und mein Herr Iwein |
|
3710 |
War der Allererste in ihren Reihn.
Sie waren hart bedrängt vorher,
Vertheidigten schon die Burg nicht mehr,
Und waren durch Verlust und Leid
Von altgewohnter Tapferkeit |
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3715 |
Viel sehr herabgekommen.
Nun aber war ihnen die Furcht entnommen,
Als sie schauten den Gast
Wider den Feind anstürmen in Hast,
Und also kühn gebahren. |
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3720 |
Die früher verzaget waren
Die sahen alle nun auf ihn,
Und gewannen mannlichen Sinn.
Da ließ er die edle Frauen
Herab von der Veste schauen, |
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3725 |
Wie oft nach kurzer Frist
Alle Wohlthat vergolten ist,
Die man erwies einem tapfern Mann.
Nun erfreut sie sich daran
Wie sie den Ritter hergestellt: |
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3730 |
Denn er allein, der Held,
Drängt die Feinde bis sie entweichen,
Und suchen die Furt zu erreichen.
Da sammelten die Mannen sich;
Schlag folgt auf Schlag und Stich auf Stich. |
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3735 |
Hei, wer möchte zählen und nennen
Wie viel im wilden Kampf und Rennen
Herr Iwein Speere da zerbrach!
Er schlug und hieb und stach
Und desgleichen die Seinen alle, |
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3740 |
Bis jene nach manches Tapfern Falle
Unaufhaltsam weichen zurück,
Und verzichten auf Sieg und Glück.
Nur wenig entkamen auf der Straßen;
Die der Flucht vergaßen, |
|
3745 |
Die wurden ohne Zagen
Meistens alle erschlagen,
Und die andern gefangen.
Hier war der Streit ergangen
Zu Ruhm und Ehren für Herrn Iwein: |
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3750 |
Den Sieg verdankten sie ihm allein.
Sie erklärten zu seinem Lob und Preise
Er sei biderbe, höfisch und weise;
Und war keiner der nicht gern
Ihn dort behalten wollt' als Herrn, |
|
3755 |
Oder einen Helden ihm gleich:
Da wünschte Jeder im Reich
Es möge beiden gefallen zumahl,
Daß die Frau ihn nähme zum Gemahl.
Also ward dem Grafen Alier |
|
3760 |
Ohne Gnade sein Heer
Gefangen und erschlagen.
Er wollte drum nicht verzagen,
Und übte mit kleiner Mannschaft
So mannliche Wehr und Ritterschaft, |
|
3765 |
Daß keiner ihn durfte schmähn.
Als er länger nicht konnte widerstehn
Nahm er die Flucht zuhand,
Und ritt hinaus in's Land,
Einer festen Burg entgegen, |
|
3770 |
Die nah von dort ihm war gelegen.
Doch als er zum Schloßhof sprengt' in Eil',
Da war der Berg so hoch und steil,
Und der Weg zur Burg hinauf so lang,
Daß ihn ohne seinen Dank |
|
3775 |
Herr Iwein ereilte nah am Thor:
Er fängt ihn kurz davor,
Und nimmt deß seine Sicherheit,
Daß er sich als Gefangnen beut
In der Fraue Gewalt und Macht, |
|
3780 |
Der er so oft Verderben gebracht
Und hart verwüstet das Land.
Nun stellt er Geißel ihr und Pfand,
Zu ersetzen allen Schaden,
Und wieder zu suchen ihre Gnaden. |
|
3785 |
Einem Ritter ward nie mehre
Entboten größre Ehre,
Als meinem Herrn Iwein geschah,
Da man ihn heimreiten sah,
Und er den gefangnen Mann |
|
3790 |
Neben ihm führt' hindann.
Als die Gräfin ihn empfing,
Und ihm entgegen ging
Mit allen ihren Frauen,
Da mochte man erschauen |
|
3795 |
Viel freundliches Grüßen und Nicken.
Sie sah ihn an mit zärtlichen Blicken,
Und was er für Dank da hätte begehrt,
Das hätte sie alles ihm gewährt;
Sie versagt' ihm weder Hand noch Gut. |
|
3800 |
Dahin stand aber nicht sein Muth,
Und er wollte weiter keinen Lohn.
Als nun die Fraue von Narison
Ihre Bedrängniß überwunden,
Und hülfreiche Hand gefunden, |
|
3805 |
Säumt' er nicht Urlaub zu begehren.
Den wollte sie ihm nicht gewähren,
Denn auf ihn stand all' ihr Sinn.
Es däuchte sie großer Gewinn,
Blieb' er als Herr in ihrem Lande: |
|
3810 |
Und fürchtete sie nicht die Schande,
Sie hätte geworben um ihn.
Trügt mich nun nicht mein Sinn,
Gehörte mehr Weisheit dazu
(Ob auch keine so leicht es thu') |
|
3815 |
Wollten Frauen um den werben,
Der ihnen nicht brächte Verderben,
Als daß sie von dem sich ließen erwerben
Durch den sie müssen verderben.
Sie bat ihn mit Gebehrden g'nug; |
|
3820 |
Gar wenig dem Ritter das verschlug.
Beides, Blick und Wort,
Und Bitten, er möge weilen dort,
War verlohrne Müh' zumahl,
Denn Urlaub nahm er und ritt zu Thal, |
|
3825 |
Und suchte sich zuhand
Den nächsten Weg den er fand,
Dem folgt' er in den Wald.
Laut und erschrecklich bald,
Kläglich und doch mit Grimme |
|
3830 |
Hört' er da eine Stimme.
Nun wußte nicht mein Herr Iwein,
Ob sie unter den Zwein,
Vom Drachen oder Thiere schallt.
Er erkannt' es aber gar bald, |
|
3835 |
Denn dieselbe Stimme leitet' ihn
Durch tiefe Schluchten im Walde hin,
Wo er in einer Lichtung sah
Einen grimmen Kampf der da geschah;
Mit unverzagter Kampfesgier |
|
3840 |
Stritten ein Drach' und ein Löwe hier.
Der Lindwurm war stark und groß;
Das Feuer ihm aus dem Rachen schoß.
Ihm half die Hitze und der Stank
Daß er den Löwen dadurch zwang, |
|
3845 |
Der überlaut zu schrein begann.
Herr Iwein zweifelnd sich besann,
Welchem er helfen solle?
Und bedachte sich, er wolle
Beistehn dem edlen Gethier: |
|
3850 |
Nur fürchtet' er, daß wie allhier
Der Drache gefunden seinen Tod,
Beginne für ihn selber die Noth,
Und werd' ihn der Leu bestehn zuhand.
Denn also ist es bewandt, |
|
3855 |
(Und wird an Menschen das oft erlebt),
Wenn einer mit bester Kraft gestrebt
Und half dem ungewissen Mann,
So hüte der Retter sich dann,
Daß nicht jener ihm lohne mit Trug. |
|
3860 |
Der Fall war ähnlich genug,
Doch dacht' er als ein tapfrer Mann,
Stieg vom Roß und lief den Lindwurm an,
Schlug viel bald ihn todt,
Und half dem Löwen aus der Noth. |
|
3865 |
Als er das edle Thier geborgen,
Begann er auf's Neu zu sorgen,
Der Löwe fall' ihn feindlich an:
Doch ward's ihm anders kund gethan.
Der Löwe schmiegt sich an seinen Fuß, |
|
3870 |
Beut ohne Wort ihm Ehr' und Gruß,
Mit Gebehrden und mit Stimme.
Er ließ von allem Grimme,
Und erwies ihm Treu' und Minne
Wie er nach seinem Sinne |
|
3875 |
Am beßten wußt' und verstand,
Und als ein Thier den Ausdruck fand.
Er übergab sich in seine Pflege,
Indem er fortan ihn allewege
In Treuen dienend ehrte, |
|
3880 |
Ihm folgte, wohin er kehrte,
Und ließ von ihm in keiner Noth,
Bis daß sie beide schied der Tod.
Der Löwe mit seinem Herrn
Die zogen zusammen nicht fern, |
|
3885 |
Als jener ein Reh aufspürt.
Nun ward er dazu geführt
Durch Hunger und angeborne Art,
Als er des Rehes inne ward,
Daß er's gerne wollt' erjagen. |
|
3890 |
Das konnt' er anders nicht ansagen,
Als daß er des Ritters Blick gewann,
Und zeigt's mit dem Munde an:
Damit that ers ihm kund.
Der sprach ihn an als seinen Hund, |
|
3895 |
Und folgt ihm von der Straße
Wohl eines Wurfes Maße,
Bis wo der Leu das Reh auffand,
Und fing sich's auch zuhand,
Und sog ihm aus das warme Blut: |
|
3900 |
Das war dem Ritter doch nicht gut.
Wo er's feist und am besten schaut,
Streift er ihm ab die Haut,
Und nimmt sich einen Braten dann.
Nun hub die Nacht auch an; |
|
3905 |
Er schürt ein Feuer aus trocknem Reise,
Und ißt die ungesalzne Speise
Ohne Brot und ohne Wein;
Künstlicher konnt's da eben nicht sein.
Was ihm übrig däuchte, das verzehrte |
|
3910 |
Bis auf die Knochen sein Gefährte.
Herr Iwein legte sich nieder und schlief.
Der Leu dagegen wacht' und lief
Um ihn und um sein Roß.
Wie ein kluger Freund und Genoß |
|
3915 |
Hütet er und bewacht
Mit treuer Sorg' ihn jede Nacht.
Ihr Tagwerk war also bestellt:
Auf Abentheuer ritt der Held
In vollen vierzehn Tagen, |
|
3920 |
Während mit solchem Jagen
Der wilde Löwe dem Mann
Seine Speise gewann.
Da führt' ihn des Zufalls Lauf
(Denn er achtete nicht darauf) |
|
3925 |
Recht mitten in seiner Frauen Land,
Bis er denselben Bronnen fand,
Allwo ihm früher geschehen war
Wie ich Euch deß berichtet klar,
Großes Heil und Ungemach. |
|
3930 |
Als er der Linde Wipfel sach
Und des Rubines hellen Schein,
Die Capelle und den Marmelstein,
Da fühlt' er plötzlich hellbewußt
Seiner Ehr' und seines Lands Verlust, |
|
3935 |
Und gedacht' an sein schönes Gemahl.
Nun erwacht' ihm auf's Neu die alte Qual;
Von Jammer ward ihm so weh und schwer,
Daß er beinahe wie vorher
Von Sinnen wäre kommen, |
|
3940 |
Und ihm da ward benommen
Des Herzens Kraft, daß gleich
Er zur Erde todtenbleich
Vom Rosse sank hernieder:
Und wie er vorwärts neigt die Glieder |
|
3945 |
Das Schwert ihm aus der Scheide schoß:
Deß Güte war so groß,
Daß es ihm durch den Halsberg brach
Und eine tiefe Wunde stach,
Daß ihm entströmt das Blut. |
|
3950 |
Deß grämt sich tief in seinem Muth
Der gute Leu, er wähnt ihn todt,
Und war ihm nach dem Tode noth.
Er richtet das Schwert an einen Strauch,
Und wollte sich stechen durch den Bauch, |
|
3955 |
Hätt' ihm der Ritter nicht eben
Ein Lebenszeichen gegeben.
Er richtete sich auf und saß,
Und verhütet' dem Löwen das,
Daß er sich nicht zu Tode stach. |
|
3960 |
Herr Iwein klagte und sprach:
»Unseliger Mann, wo findest Du Ruh!
Der Mühseligste bist Du
Der je zur Welt ist gebohren,
Wehe! wie hast Du verlohren |
|
3965 |
Deiner Frauen Huld!
Ja trüge solche Schuld
Ein Andrer als Du auf Erden,
Sie müßte sein Ende werden. –
Ich preise seliger noch den Mann, |
|
3970 |
Der nimmer sie gewann,
Als der Ehre gewinnt
Und sich nicht faßt und besinnt
Daß er sie festhalte und mehre.
Ich hatte Wonne und Ehre, |
|
3975 |
Mehr als genug von beiden;
Nun klag' ich Gott mein Leiden
Daß ich ihrer so viel gewann,
Und hielt nicht fester daran.
Wäre mir nicht geschehen Heil |
|
3980 |
Und Liebes ein viel köstlich Theil,
Ich wüßte nicht was es wäre;
Ohne Betrübniß und Schwere
Lebt' ich frei und frank,
Nun bin ich an Reue krank. – |
|
3985 |
Mußte mir das geschehn,
Daß ich jetzt sollte sehn
Schaden und Schande
In meiner Frauen Lande!
Dies ist ihr Erbe und ihr Land, |
|
3990 |
Das stand vorhin in meiner Hand;
Ich hatte, was mir der Wunsch ersann,
Nun bin ich ein heimathloser Mann.
Ich mag wohl klagen mein schönes Weib;
Warum denn spar' ich den Leib? |
|
3995 |
Ich bin nichts anders werth,
Als daß mein eignes Schwerdt
Zuhand sich an mir räche,
Und mir den Leib durchsteche.
Seit ich mir selbst solch' Leid gethan |
|
4000 |
Muß ich die gleiche Straf' empfahn;
(Deß zeigte mir schon ein Bild
Der edle Löwe wild,
Als er vor Herzeleide sich
Erstechen wollt' um mich, |
|
4005 |
Wie tief die rechte Treu empfinde),
Und büßen will ich meine Sünde,
Daß meiner Frau'n Langmuth und Huld
Ohn' ihren Fehl noch kleinste Schuld
Mich ohne Zwang und Noth verdarb, |
|
4010 |
Und Weinen statt Lachen mir erwarb.«
Da solch' großes Klagen geschah,
Da hörte das Alles und sah
Eine Jungfrau, die war bedroht
Von größ'rer Sorg' und Noth |
|
4015 |
Als jemahls irgend ein Weib,
Weil sie gefangen auf Leben und Leib
In der Kapelle lag mit Zagen;
Und als sie vernimmt sein Klagen
Sieht sie durch einen Spalt, |
|
4020 |
Und erschaut den Ritter im Wald.
Sie sprach: »Wer klagt da? wer?«
»Wer fragt das?« sprach hinwieder Er.
Sie sprach: »Herr, die hier klagt,
Das ist eine so arme Magd, |
|
4025 |
Daß in keiner Weis' und Gestalt
Durch Ungemach so mannigfalt
Je eine betrübtere mochte leben.«
Er sprach: »Wer hätt' Euch wohl gegeben
So großen Kummer, als ich ihn trage? |
|
4030 |
Laßt immer ab von Eurer Klage,
Denn der Verfluchte der bin ich.
«Sie sprach: »Unmöglich dünket mich
Daß Euer Kummer erreiche
Den meinen oder ihm gleiche: |
|
4035 |
Ich sehe doch, daß Ihr steht,
Und reitet oder geht
Wohin Euch Euer Willen trägt;
Mir aber ist auferlegt,
Daß man mich auf den Tod gefangen. |
|
4040 |
Verbrannt oder erhangen
Werd' ich morgen an dieser Stätte;
Und ist Keiner der mich errette,
So wird mir das Leben genommen.«
Er sprach: »Fraue, wie ist das kommen?« |
|
4045 |
Sie sprach: »Trag' ich irgend Schuld
So wolle Gott, daß ich seiner Huld
Nimmer habe Gewinn!
Als eine Verrätherin
Sperrten sie hier mich ein. |
|
4050 |
Das Landvolk will mich zeihn
Eines Vergehens schwere;
Und wenn ich schuldig wäre,
Verdient' ich große Strafe fürwahr.
Es nahm im vorigen Jahr |
|
4055 |
Des Landes Frau sich einen Mann:
Leider that sie nicht wohl daran,
Deß legt man die Schuld auf mich.
Nun Gott im Himmel, was konnt' ich,
Daß sie's mit ihm versah? – |
|
4060 |
Wahr ist's, ich rieth ihr's da;
Ich that's zu ihrer Ehre,
Auch wundert mich jetzt viel sehre,
Wie ein so edler Mann
So treulos mißgethan. |
|
4065 |
Denn er war auserkohren,
Der beste, den je ein Weib gebohren.
Auch ist die Sünde nicht sein,
Mein Unglück trägt die Schuld allein.
Also ring' ich mit Sorgen: |
|
4070 |
Sie lassen mir Frist bis morgen,
Dann nehmen sie mir den Leib.
Ich bin ja leider nur ein Weib,
Wie hülf' ich mir zu meinem Rechte? –
Wo find' ich den, der für mich fechte?« – |
|
4075 |
Er sprach. »So laß' ich Euch den Streit
Daß Ihr in größern Nöthen seid
Als ich, wenn es so um Euch steht,
Daß Euch's an Leib und Leben geht,
Wenn keiner Euch hilft in Euerm Rechte.« |
|
4080 |
Sie sprach;»Wer ist der für mich fechte?
Wer auch den Willen hätte
Daß er gern mich errette,
Wie fühlt' er wohl die Kraft
Wider solche Meisterschaft? |
|
4085 |
Er müßte kämpfen mit Drein,
Die alle zugleich mich zeihn.
Ich weiß unter allen Rittern nur zween
Die so gewaltig und sicher stehn
Durch Tugend und Mannheit klar, |
|
4090 |
Daß sie so großer Gefahr
Um mich sich unterwänden;
Die möchten's wohl vollenden;
Jeder von ihnen ohne Wehr
Schlüge dieses Volkes ein Heer, |
|
4095 |
Und weiß ich auch wie meinen Tod,
Wüßt' Einer der beiden meine Noth,
Er käm' und föchte für mich.
Von beiden aber kann ich
Keinen erlangen zu dieser Zeit; |
|
4100 |
Drum ist mir's um mein Leben leid,
Und vertrau' ich keinem als nur den Zwein.«
Da sprach Herr Iwein:
»Nun nennt mir die drei Mann,
Die mit Kampf Euch sprechen an; |
|
4105 |
Und sagt mir ferner, wer ist das Paar
Also verwegen und streitbar,
Daß jeder von beiden sei
Willig zu kämpfen wider Drei?«
Sie sprach: »Ich sag' Euch von Allen – |
|
4110 |
Von den Drei'n, in deren Gewalt ich gefallen,
Ist Einer Truchseß im Palas;
Er und die Brüder tragen mir Haß,
Und waren stets mir Feind,
Weil's die Fraue wohl mit mir gemeint |
|
4115 |
Mehr als mir's gönnt' ihr Neid.
Und brachten sie jene so weit,
Daß sie jetzt nicht beachtet
Wie man mir nach dem Leben trachtet.
Als meine Frau in ihrem Wahn |
|
4120 |
Jene unselige Wahl gethan
Und ihr Mann sie nachher verließ,
War Keiner der mich erließ
Täglicher Noth und Pein.
Der Falschheit wollten sie mich zeihn; |
|
4125 |
Ich hab' ihr Unglück bereitet,
Durch List und Bosheit sie verleitet.
Was mir nun mag geschehn,
So muß ich eingestehn,
Es fügte mein Bitten und Rath zumahl, |
|
4130 |
Daß sie ihn nahm zum Gemahl,
Weil ich mich sicher deß versah,
Geschäh' es, (wie es denn geschah),
Es bring' ihr Frommen und Ehre.
Nun lästern sie mich sehre, |
|
4135 |
Ich habe die Frau verrathen;
Und seit sie da mir thaten
Großes Unrecht und Gewalt,
So ward mein Leid viel mannigfalt,
Und durch ein rasch gesprochnes Wort |
|
4140 |
Bracht' ich mich selbst um Schirm und Hort.
Denn das ist gar der tödtlichste Schlag,
So Jemand seinen Zorn nicht mag
Zwingen und spricht mit Unbedacht:
Das hat mich leider so weit gebracht. |
|
4145 |
Nun büß' ich meine Irrung!
Ich sprach in meines Zorns Verwirrung:
Ob auch drei tapfre Degen
Am Hof mir ständen entgegen,
Daß sie's ausföchten wider mich, |
|
4150 |
– Einen Ritter fänd' ich,
Der mit allen Drei'n aufnähme den Streit,
Hätt' ich nur vierzig Tage Zeit. –
Den Vorschlag nahmen sie an,
Doch hatt' ich zu hastig das gethan. |
|
4155 |
Ich durfte nicht widerrufen mein Wort,
Auch mußt' ich ihnen sofort
Geloben rechte Sicherheit,
Daß ich erfülle seiner Zeit
Was ich im Zorn versprochen, |
|
4160 |
Daß ich binnen sechs Wochen
Einen Streiter wolle stellen.
An die ich dachte, die zween Gesellen,
Die sucht' ich im ganzen Land.
Ohne daß ich sie fand. |
|
4165 |
Da ritt ich zum König Artus hinaus,
Und traf auch dort nicht Einen zu Haus
Der sich der Sache nähme an;
So schied ich ohne Ritter hindann.
Deß war mir Schimpf und Spott allhier, |
|
4170 |
Daß mir aller Muth vergangen schier;
Dann setzten sie mich gefangen,
Und nun erwart' ich mit Bangen
Mein Leben müsse sich enden;
Denn die mir's möchten wenden |
|
4175 |
Sind in der Ferne und weit.
Mir hülf' allein aus diesem Leid
Welcher es wüßte von den Zwein,
Herr Gawein oder Herr Iwein.«
»Welchen Iwein meint Ihr?« sprach er. |
|
4180 |
Sie sprach: »Herre, das ist Der,
Durch den ich all die Leiden fand.
Sein Vater ist genannt
Der König Urién.
Was für Unheil mir geschehn, |
|
4185 |
Das ist von seiner Schuld;
Mir war nach seiner Huld
All zu verlangend und jach,
Und eifrig rang ich danach,
Daß er Fürst hier werde, der edle Held, |
|
4190 |
Und leider ward es auch so bestellt.
Er behagte mir zu eilig wohl:
Wer recht den Mann erkennen soll,
Bedarf gar langer Weil' und Ruh'.
Ich liebt ihn leider zu fruh, |
|
4195 |
Ich wähnt', es solle mir besser frommen,
Daß meine Frau ihn angenommen
Auf meinen Rath, und ihre Hand
Ihm geschenkt und ihr Land.
Nun brach er seinen Eid |
|
4200 |
Ihm selber zu Schaden und Leid;
Und schuf sich Qual und Reue nur.
Denn deß thät ich wohl einen Schwur,
Meine Fraue hat so edlen Sinn,
Daß für den Ritter nimmerhin |
|
4205 |
Eine bess're Heirath auf Erden
Möchte befestigt werden.
Sie ist so schön und so reich,
Daß, wär' ihre Lieb einander gleich,
Er dankt' ihr's, daß sie ihn nahm zum Mann.« |
|
4210 |
Da sprach der Ritter: »Sagt an,
Heißt ihr Lunete?« – Sie sprach: »Ja, Ich.«
Er sprach: »Nun so erkennet mich,
Ich bin Iwein der Arme.
Daß es doch Gott erbarme! |
|
4215 |
Daß ich je ward gebohren!
O wie hab' ich verlohren
Meiner Frauen Lieb' und Huld! –
Weil aber deß die Schuld
Kein andrer trägt als ich allein, |
|
4220 |
Sei auch die Schande einzig mein.
Ich weiß nicht, wem ich sie anders gäbe!
Jetzt grämt mich nur, daß ich noch lebe;
Auch werd' ich bald begraben liegen.
Jetzt nun getrau' ich mirs wohl zu siegen, |
|
4225 |
Und fertig zu werden mit allen Drein,
Die Euch hier sperrten ein:
Und hab' ich Euch dann befreit,
Dann thu' ich selber mir ein Leid.
Meine Fraue wird doch den Kampf ansehn, |
|
4230 |
Denn ich muß ihn vor ihr bestehn.
Ich weiß nicht, was ich bess'res thu,
Als daß ich ihr morgen fruh
Zu Recht verhelf' und mich selber richte,
Und vor ihrem Angesichte |
|
4235 |
Um ihretwillen liege todt:
Denn es wird ja doch die bittre Noth
Sich enden zugleich mit meinem Leben.
Dieß alles soll sich begeben
Ohne daß sie wisse, wer ich sei, |
|
4240 |
Bis daß ich fiel und zugleich die Drei,
An denen ich Euch rächen soll.
Dann erfährt es meine Fraue wohl,
Und weiß, daß ich es bin,
Und daß ich Leben und Sinn |
|
4245 |
Verlohr um meiner Reue willen:
Die Rache soll sich vor ihr erfüllen.
Euch aber gebührt, daß ich Euch lohne
Für die ruhmwerthe Krone,
Die ich durch Euern Beistand trng. |
|
4250 |
Ich hatte Glück und Ehre genug:
Daß ich Gold gefunden, was half es mir?
Es bleibt nutzlos und vergeblich schier
Dem Thoren des Goldes Fund;
Er verliert sofort das köstliche Pfund. |
|
4255 |
Wie ich an mir nun auch gefehlt,
Das steht Euch fest, und darauf zählt,
Euch will ich Hülf' erwerben.
Denn als ich lag am Sterben,
Da rettetet Ihr mich von Sorgen: |
|
4260 |
Also thu' ich Euch morgen.«
Er entwappnete drauf sein Haupt;
Da ward's ihm auch geglaubt,
Daß er Herr Iwein wäre.
Erleichtert ward ihr die Schwere; |
|
4265 |
Vor Freuden sie heftig weinte,
Und sprach, wie sie's auch meinte:
»Nun steht die Furcht mir fern,
Seit ich meinen lieben Herrn
Lebend mocht' erschaun. |
|
4270 |
Ich wähnte und dachte mit Graun
Ihr wärt im Kampf erschlagen:
Denn am Hof dort hört' ich sagen
Von Euch nie andre Mär,
Als daß es mit Euch zu Ende wär'.« |
|
4275 |
Er sprach: »Meine Frau Lunete,
Wo war denn, der noch stete
Und allezeit in Treuen that,
Um was eine schöne Fraue ihn bat,
Mein guter Herr Gawein, |
|
4280 |
Der nie einer Frau noch sagte Nein,
Und alles zu ihrem Dienste wagt?
Hättet Ihr dem Eu'r Leid gesagt,
Er hätt' Euch sicher gewährt
Was Ihr von ihm nur hättet begehrt.« |
|
4285 |
Sie sprach: »Hätt' ich den funden,
So hätt' ich überwunden
Meine Sorge zuhand!
Daß ich ihn nirgend fand,
Das war viel wunderlich gekommen. |
|
4290 |
Ihnen war die Königin genommen,
Weil ein Schalk die Ritter bethört:
Dem fluchten alle von Zorn empört,
Und war an demselben Tage
Als ich hinkam um meine Klage |
|
4295 |
Herr Gawein ihm nachgesprengt.
Da verließ ich sie versenkt
Um die Fraue in Kummer und Zagen;
Und auch um sein Nachjagen:
Sie fürchteten schlimmen Ungewinn |
|
4300 |
Für den Ritter wie für die Königin,
Denn er wollte nicht wiederkommen,
Er erführe denn, wie sie wäre genommen.«
Herr Iwein war in Sorgen
Bis er wußte den Freund geborgen. |
|
4305 |
Er sprach: »Nun mög' ihn Gott bewahren!
Fraue, ich muß von hinnen fahren,
Und mich bereiten dazu.
Erwartet mich morgen in der Fruh,
Ich komme zu guter Zeit. |
|
4310 |
Und klug und höfisch wie ihr seid,
Sagt Niemand wer ich sei.
Gewiß, ich schlage sie alle drei,
Ich helf' Euch aus dieser Noth,
Oder ich leide für Euch den Tod.« |
|
4315 |
Sie sprach: »Gott woll' Euch davor behüten
Sothanen Preis für mich zu bieten;
Euer werthes Leben sei nicht gewagt
Für eine also arme Magd:
Ihr zahltet mir allzuviel; |
|
4320 |
Und daß wir schneller kommen ans Ziel.
Mir genügt an Eurem guten Willen.
Ihr sollt Eu'r Wort mir nicht erfüllen,
Mein Leben ist arm und Eures reich:
Und stände die Wage gleich, |
|
4325 |
So dürft' ich Euch wohl bitten;
Das aber ist wider alle Sitten,
Daß Einer gegen Dreie fechte.
Die Leute sagen mit Rechte,
Zwei wider Einen sei zuviel; |
|
4330 |
So wär' dies ein verlornes Spiel.
Nähmen sie Euch den Leib,
Es wäre nimmer ein armes Weib
So gar mühselig als ich,
Und sie erschlügen hernach auch mich. |
|
4335 |
So ist doch besser mein Verderben
Als daß wir beide müssen sterben.«
Er sprach: »Die Rede bessre ich eben,
Denn beide sollen wir leben.
Ich will Euch getrösten Euern Muth; |
|
4340 |
Was ich gesagt, das mach' ich gut.
Ihr habt so viel für mich gethan;
Dünkt meine Treu' Euch zwar ein Wahn,
So will ich dafür doch stehn,
Daß Euch kein Schaden soll geschehn |
|
4345 |
So lang ichs kann erwenden.
Nun soll die Rede sich enden;
Sie müssen Euch lassen frei,
Oder ich erschlage sie alle Drei.«
Da ward der tugendlichen Maid |
|
4350 |
Ihre eigne Ehr' und Rettung leid:
Sie wäre gern befreit,
Hätte sie deß nur Sicherheit
Daß er sein Leben nicht müsse verliehren.
Weil er nun aber mit freiem Küren |
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4355 |
Den Vierkampf wollte bestehn,
Ergab sie sich und ließ es geschehn. |