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Man führte ihn vor den Polizicommissarius zum Verhör. Der Beamte saß hinter einem Tische, auf welchem die Hermann abgenommenen Sachen lagen, Geld, die Doppelpistole und die Brieftasche. Ein kleiner Schreiber saß dem Beamten zur Linken, mit steilrecht erhobener Schreibefeder. Hinter den Polizeicommissarius standen zwei Häscher, ernst und regungslos, ihre Blicke ruhten auf dem Haupte des Vorgesetzten.
Dieser hatte das verletzte und bewickelte Bein seitwärts auf einen Sessel gelegt, sodaß er sein Gesicht bei Hermanns Eintreten von diesem abkehrte. Der kleine Schreiber fuhr den Gefangenen herkömmlich grimmig an, und bedrohte ihn mit den schlimmsten Dingen, wenn er nicht die reine Wahrheit sage. Jetzt wandte sich der Polizeicommissarius um, und wollte mit noch höherer Würde diese Gewissensschärfung vornehmen, kam jedoch nicht über das erste Wort hinaus, blieb vielmehr stocken und starrte seinen Inculpaten geöffneten Mundes an. Ein gleiches Erstaunen prägte sich in der Miene und Gebärde Hermanns aus; sie standen einander gegenüber wie die Salzsäulen.
Zuerst fand der Polizeicommissarius einige Laute wieder. Abtreten! rief er, dem Schreiber und den Häschern winkend. Betroffen verließ das Personal die Amtsstube. Hermann! Ernst! mit diesem Rufe fielen die beiden Freunde einander in die Arme.
Unglücklicher, so sehen wir uns wieder? sagte der Polizeicommissarius. Dasselbe möchte ich Dir entgegnen, erwiederte Hermann. Warum bist Du denn nicht in Hellas, warum steckst Du in dem Rocke da?
Achtung vor dem Könige, dessen Farbe ich trage, sagte der ehemalige Philhellene mit gebietender Haltung. Aber o ich Schwergeprüfter! rief er, außer Fassung gerathend. Meinen besten Freund, meinen Herzbruder finde ich unter Hochverräthern, als ihr Haupt, als ihren Rädelsführer wieder. Dahin führen verkehrte Grundsätze, das ist die Frucht einer unruhigen Sinnesart! Wie oft habe ich Dich gewarnt, wie oft sagte ich Dir: über das Gewöhnliche sich erheben wollen, führt zum Allerschlechtesten! Du vergeßlicher Mensch! rief Hermann, dieses sind ja eben meine Worte an 26 Dich, als Du den abenteuerlichen Zug nach Griechenland unternehmen wolltest.
Aber sein Freund hörte ihn nicht. Er war aufgestanden, hinkte feierlich mit steifem Knie auf und nieder und sagte: Pflicht! Du Polarstern des Beamten, Du Ankergrund der Diensttreue, stärke mich jetzt! Ein Mann, der mit blutendem Herzen thut, was ihm obliegt, ist ein Schauspiel für Götter. In diesem Zimmer hört der Mensch auf; er kennt nur den Diener des Staats.
Hermann fing den ausgestreckten Arm des Freundes, rüttelte ihn und sagte heftig: Die erste Deiner Pflichten ist, den Beschuldigten anzuhören. Ich bin kein Demagoge, geschweige ihr Oberhaupt und Rädelsführer. Ich bin ein so unschädlicher Mensch, wie nur Einer Brod ißt. Du hättest mich eher aus den Händen Deiner dummen Gensd'armen und Schaarwächter befreien sollen.
Bist Du nicht unter den Wüthenden betroffen worden? fragte der Polizeicommissarius. Liegen da nicht die Dolche, die Schriften voll der Theilung Deutschlands und des Mordes der Könige? Liegt dort nicht Dein eigenes Schießgewehr?
Hermann gab ihm mit der überzeugenden Kraft, welche der Wahrheit eigen zu sein pflegt, die Einsicht in den Hergang der Dinge. Der Polizeicommissarius wurde wankend, nachdenklich, erholte sich aber wieder und sagte: Und diese Brieftasche, hast Du die auch in der Absicht, zu bessern bei Dir geführt? Blick hinein, was siehst Du? Aufrührerische Tractätchen, freie Stimme frischer Jugend, den Bauerncatechismus, kurz den ganzen Arsenal der liberalen Propaganda. Wie willst Du dieses unumstößliche Beweismittel entkräften?
Mensch, hast Du denn aus der Lethe getrunken? rief Hermann. Sieh doch die Brieftasche genauer an. Es ist ja die Deinige, dieselbe, welche damals aus Irrthum in meiner Tasche blieb, mit diesem Deinen Freiheitsschwindel angefüllt, während Du mit meiner und mit meinem Gelde von dannen zogst.
Da nun die Brieftasche in einer Ecke des vordersten Blattes wirklich noch den Namen des ehemaligen Philhellenen führte, so konnte der Polizeicommissarius sie nicht verläugnen. Diese Entdeckung hatte die Wirkung auf ihn, daß er den Pflichtbegriff fahren ließ und sich den freundschaftlichen Empfindungen ganz hingab. Es verstand sich, daß er Hermann in seiner 27 Häuslichkeit bewirthen wollte, von deren Lobe er nun überströmte. Beide schüttelten einander herzlich die Hand und genossen die Freude des unverhofften Wiedersehens.
Was wird Fränzchen dazu sagen! rief er. Und mein Junge! Zwar der kann noch nichts sagen.
Er brachte ihn durch einen bedeckten Gang, welcher die Gefängnisse mit seiner Wohnung verband, nach dieser. Unterweges wurde er wieder still. Bei allem dem bleibt es doch ein eigenes Unglück, sagte er niedergeschlagen, daß ich mit der vielen Mühe, mit der Plage bei Tag und bei Nacht nichts anderes ausgerichtet habe, als mir das Knie zu zerfallen, meinen besten Freund gefangen zu nehmen und meine eigene Brieftasche wiederzufinden.