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Eilftes Kapitel.

Niemand war in dem weitläuftigen Gebäude zurückgeblieben; Alle suchten noch auf verschiedenen Orten und Flecken Cornelien. Hermann zündete Licht an, eilte nach ihrem Zimmer, holte Kleider und Wäsche, ging dann in die Küche, entflammte dort ein mächtiges Feuer, und bereitete ein stärkendes Getränk aus Wein und wärmenden Gewürzen.

Erst nachdem er Cornelien umgekleidet und durch eine Tasse Glühwein erfrischt sah, dachte er an sich, und wechselte auch seinen triefenden Anzug. Corneliens Jugend und Gesundheit überwand solche Anstrengungen leicht. Sie versicherte Hermann, als er nach kurzer Weile in trocknen Kleidern erschien, daß ihr vollkommen wohl sei, und bat ihn, nun auch für sich zu sorgen. Sein Antlitz, von Mühe, Luft und Regen erhitzt, kam ihr gesundet vor, sie schlürfte schmerzlich-froh die süße Täuschung ein.

278 Er zog den Tisch mit dem Getränke vor das Sopha, und setzte sich zu ihr. Einige Kerzen, welche sie angezündet hatte, verbreiten durch den Raum ein liebliches Licht. Sie mußte ihm einschenken und bemerkte, daß er ihre Hand, wenn sie ihm die Tasse reichte, scheu und flüchtig, als solle es nur Zufall sein, berührte.

Draußen kam Jemand zur Hausthüre herein, öffnete das Zimmer, und rief: Gottlob da sind Sie ja! Es war Einer der Ausgeschickten, der nach lange fortgesetzter Mühe verzweifelt war, seinen Zweck zu erreichen.

Geht, guter Mann, rief Cornelie, versucht, die Andern, welche sich um mich bemühen, zu finden, und sagt ihnen, daß ich hier geborgen sei!

Nun wird bald wieder das Getöse entstehen, sagte Hermann, und ich wäre so gern noch mit Dir allein geblieben. Sie nahm ihn bei der Hand und blickte ihn liebevoll an. Ich will Dir wohl etwas entdecken, fuhr er fort. Seit ich erfuhr, daß Du bei mir bleiben wolltest, und darum so viele Drangsale von den Andern ausstehen mußtest, ist es mir, als werde ich vielleicht einmal wieder lachen oder weinen können. Vermuthlich irre ich mich darin, aber eine Veränderung spüre ich an mir, denn es ist auch wahrhaftig keine Kleinigkeit, daß ein so liebes schönes Mädchen es mit einem armen dummen Menschen, der zu nichts mehr nütze ist, aushalten will. Was hast Du davon?

Ihre Arme nmschlangen seinen Nacken, er legte sich wie ein Kind an ihren Hals. Wenn Du recht offen gegen mich wärst, mein Hermann, flüsterte sie, vielleicht könnte Dir geholfen werden.

Das ist nicht möglich, seufzte er, mir steht nicht zu helfen. Kannst Du aus Sünde Tugend, aus Ekel Lieblichkeit, aus Unrath Gold und Perlen machen? Nein, nein, ich bin ein ganz zerstörtes, um und umgekehrtes Bild, da ist auch kein Zug mehr ohne Schrammen, Brandmale und Flecken. Toll bin ich nicht, habe meinen Verstand und ach! ein nur zu gutes Gedächtniß. Aber wenn ich denke, das möchte ich wohl, oder jenes, oder den würde ich lieb haben können und den hassen, so liegt immer etwas dazwischen, worüber ich nicht hinweg kann, was mich in die Kälte und in das Nichts absperrt. Beschreiben läßt sich der Zustand nicht, schweigen wir davon! Mir wird schwindlicht, wenn ich da hinein blicke.

Du mußt sonderbare Schicksale erlebt haben, sagte Cornelie. – Sie erschrak und rief: Mein Gott, wie konnte ich das vergessen? Draußen auf der Wiese liegt ja . . .

279 Was liegt draußen auf der Wiese? fragte Hermann.

Nichts, versetzte sie, innehaltend, weil sie befürchtete, ihn mit der Erzählung aufzuregen. Aber eine Bekannte traf ich von Dir heute; sie gab mir den Ring für Dich.

Sie reichte ihm den Ring. Hermann sah ihn an, stutzte, hielt ihn gegen das Licht, rieb sich die Stirn, ging sinnend im Zimmer auf und nieder, und fragte dann, wie in einem wachen Traume: Wer, sagst Du, hat Dir den Ring gegeben?

Ein junges, krankes Frauenzimmer. Ihre alte Begleiterin nannte sie Flämmchen. Sie sagte, sie habe ihn einst von Dir bekommen.

Wie? fragte er, in einen Abgrund von Gedanken versenkt. Er nahm ein Licht, und ging auf sein Zimmer, den Ring immer vor sich hinhaltend, und der wirklichen Welt, so schien es, entrückt.



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