Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Achtes Capitel.

Abriß des mohammedanischen Glaubens.

Obgleich es hier nicht beabsichtigt wird, auf die von Mohammed verkündigten Lehren vollständig einzugehen, so ist es doch zur richtigen Würdigung seines Charakters und Verhaltens, sowie der in der nachfolgenden Erzählung mitgetheilten Ereignisse und Umstände wichtig, die Hauptzüge derselben darzustellen.

Es muß besonders zum vollkommnen Bewußtsein gebracht werden, daß Mohammed nicht bekannte, eine neue Religion gründen, sondern die von Gott selbst in den frühesten Zeiten ausgegangene wieder herstellen zu wollen. »Wir befolgen,« sagt der Koran, »die Religion des rechtgläubigen Abraham, welcher kein Götzendiener war. Wir glauben an Gott und das, was uns geoffenbart, und an das, was Abraham und Ismael, und Isaak und Jakob und den Stämmen geoffenbart, und an das, was Moses und Jesu, und an das, was den Propheten vom Herrn gegeben worden ist; wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen und wir sind Gott ergeben.«Koran, Sure II.

Der Koran, das große Buch seines Glaubens, wurde stückweise von Zeit zu Zeit, je nach der Erregung seiner Empfindungen oder nach dem Bedürfnisse der Umstände, mitgetheilt. Er wurde nicht als sein Werk, sondern als göttliche Offenbarung, als das Wort Gottes gegeben. Die Gottheit wird in jedem Falle redend eingeführt. »Wir haben dir das Buch der Wahrheit hinabgesendet, um die Schrift, welche vor demselben geoffenbart wurde, zu bestätigen und dieselbe in ihrer Reinheit zu bewahren«.Koran, Sure V.

Das Gesetz Mosis, wurde gesagt, wäre eine Zeit lang der Leiter und die Regel menschlichen Verhaltens gewesen. Bei der Ankunft Jesu Christi wäre es durch das Evangelium abgeschafft worden; beide müßten dem Koran weichen, weil dieser vollständiger und deutlicher wäre als die vorhergehenden Gesetzbücher und die Bestimmung hätte, die Mißbräuche, welche durch Sorglosigkeit oder Verdorbenheit ihrer Bekenner sich in dieselben eingeschlichen hätten, umzugestalten. Er wäre die Vollendung des Gesetzes; nach ihm würde es keine göttlichen Offenbarungen weiter geben. Mohammed wäre der letzte, weil der größte, in dem Geschlechte der Propheten, welche Gott gesandt hätte, um seinen Willen bekannt zu machen.

Die Einheit Gottes war der Eckstein dieser verbesserten Religion. »Es ist kein Gott außer Gott,« war der oberste Glaubenssatz derselben. Daher erhielt sie den Namen Religion des Islam, d. i. die Religion der Hingebung an Gott, der Gottergebenheit, oder des wahren Glaubens. Zu dieser Grundlehre wurde hinzugefügt: »Mohammed ist der Prophet Gottes«, ein berechtigter Zusatz, da er durch die göttliche Ankündigung gerechtfertigt wurde, und wichtig war, um zu einer bereitwilligen Annahme seiner Offenbarungen zu erwecken.

Außer der Einheit Gottes wurde auf den Glauben an seine Engel oder dienstbaren Geister, an seine Propheten, an die Auferstehung des Leibes, an das letzte Gericht und an einen künftigen Zustand der Belohnung und Bestrafung und an die Vorherbestimmung gedrungen. Vieles in dem Koran ist der Bibel und dem TalmudDer Talmud ist das Gesetzbuch der neueren Juden oder die zwischen dem zweiten und sechsten Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung veranstaltete Sammlung jüdischer Ueberlieferungen und Gesetze, welche die ganze Lehre und Wissenschaft der Juden, das göttliche und menschliche Recht enthält. der Juden nachgeahmt, besonders seine seltsamen, obgleich häufig schönen Auslassungen über die Engel, die Propheten, die Erzväter und die guten und bösen Genien. Für den jüdischen Glauben hatte er frühzeitig Ehrfurcht eingesogen, da seine Mutter, wie verlautet, dieser Religion angehört hat.

Die im Koran niedergelegten Glaubenssätze wurden jedoch wesentlich auf die christlichen Lehren, welche im Neuen Testamente vorgetragen sind, in der Weise gegründet, wie dieselben Mohammed von den christlichen Sectirern Arabiens ausgelegt und in verdorbener Gestalt und in verfälschter Fassung mitgetheilt worden waren. Vor dem Erlöser Jesu Christo hatte er zwar die höchste Ehrfurcht und bezeichnete ihn als einen gottbegeisterten, ja als den höchsten Propheten, welcher vor ihm erschienen wäre, um das Gesetz zu reformiren; aber die Lehre von seiner Gottheit verwarf er als eine gottlose und die von der heiligen Dreieinigkeit rügte er als eine grobe Versündigung an der Einheit Gottes. Beide Glaubenssätze erklärte er für Irrthümer und Einschiebsel der Ausleger.

Die Anbetung der Heiligen und die Einführung von Bildern und Gemälden, welche sie darstellten, wurden als abgöttischer Abfall von dem reinen christlichen Glauben verdammt, und das waren eben die Grundsätze der Nestorianer, mit welchen Mohammed bekanntlich vielen Verkehr hatte.

Alle Gemälde, welche lebende Wesen darstellten, wurden verboten. Mohammed pflegte zu sagen, daß die Engel ein Haus, in welchem sich solche Gemälde befänden, nicht betreten möchten, und daß diejenigen, welche sie verfertigten, in der andern Welt zur Strafe an ihren Plätzen Seelen finden würden.

Die meisten von den milden Sittenlehren unsers Erlösers wurden dem Koran einverleibt. Häufiges Almosengeben wurde als eine gebieterische Pflicht eingeschärft, und das unabänderliche Gesetz von Recht und Unrecht, »Thue einem Andern, was du wünschen würdest, daß er dir thun sollte«, wurde für das sittliche Verhalten des Gläubigen gegeben.

»Handelt nicht ungerecht gegen Andere«, sagt der Koran, »und ihr werdet nicht ungerecht behandelt werden. Wenn ein Schuldner Schwierigkeit hat, seine Schulden zu bezahlen, so mag der Gläubiger warten bis es für ihn leicht ist, es zu thun; aber wenn er es zu Almosen überläßt, so wird es besser für ihn sein.«

Mohammed drang auf edle Redlichkeit und Aufrichtigkeit im Handel. »O Kaufleute!« sagte er gewöhnlich, »Falschheit und Betrug pflegen im Handel zu herrschen, sühnt ihn daher mit Almosen; gebet Etwas in Liebe zur Genugthuung; denn Gott wird durch Hinterlist im Handel erzürnt, aber Barmherzigkeit sänftiget seinen Zorn. Derjenige, welcher eine schadhafte Sache verkauft und den Schaden verheimlicht, wird den Zorn Gottes und die Verwünschungen der Engel herausfordern.«

»Benutze nicht die Noth eines Andern, um Dinge zu einem Opfer zu kaufen; erleichtere vielmehr seine Dürftigkeit.«

»Speise den Hungrigen, besuche den Kranken, und befreie den Gefangenen, wenn er ungerechterweise eingekerkert ist.

»Blicke nicht verächtlich auf deinen Nächsten; auch betritt nicht die Erde mit Uebermuth; denn Gott liebt nicht den Hochmüthigen und Ruhmredigen. Sei gemessen in deinem Schritte und sprich in einem gemäßigten Tone; denn die unangenehmste Stimme unter allen ist die Stimme von Eseln«.Die folgenden Worte Mohammeds, welche von einem seiner Schüler aufbewahrt worden sind, scheinen durch Matth. 25, 35–42 an die Hand gegeben worden zu sein:
»Wahrlich! Gott wird am Tage der Auferstehung sagen: O Söhne Adams! Ich war krank, und ihr besuchtet mich nicht. Dann werden sie sagen: Wie konnten wir dich besuchen? denn du bist der Herr des Weltalls und bist frei von Krankheit. Und Gott wird erwidern: Wußtet ihr nicht, daß einer von meinen Dienern krank war und ihr besuchtet ihn nicht? hättet ihr diesen Diener besucht, es würde euch zur Gerechtigkeit gerechnet worden sein. Und Gott wird sagen: O Söhne Adams! Ich bat euch um Speise, und ihr gabt mir sie nicht. Und die Söhne Adams werden sprechen: Wie konnten wir dir Speise geben, da wir sahen, daß du der Erhalter des Weltalls und frei von Hunger bist. Und Gott wird sprechen: Solch einer von meinen Dienern bat euch um Brod, und ihr verweigertet es ihm. Hättet ihr ihm zu essen gegeben, ihr würdet den Lohn von mir empfangen haben. Und Gott wird sagen: O Söhne Adams, ich bat euch um Wasser, und ihr gabt mir es nicht. Sie werden entgegnen: O unser Versorger, wie konnten wir dir Wasser geben, da wir sahen, daß du der Erhalter des Weltalls und dem Durste nicht ausgesetzt bist? Und Gott wird sprechen: Einer meiner Diener bat euch um Wasser und ihr gabt es ihm nicht. Hättet ihr es gethan, ihr würdet euren Lohn von mir erhalten haben.«

Abgötterei jeder Art wurde streng verboten; sie war in der That das, was Mohammed am meisten verabscheute. Viele von den religiösen Gebräuchen jedoch, welche seit undenklicher Zeit unter den Arabern herrschten, an welche er sich von Kindheit an gewöhnt hatte, und die mit der Lehre von der Einheit Gottes nicht unverträglich waren, wurden noch beibehalten. Dahin gehört die Wallfahrt nach Mekka einschließlich aller an die Kaaba, an die Quelle Zem Zem und andere geheiligte Orte in der Nähe geknüpften Gebräuche, abgesehen jedoch von jeglicher Verehrung der Götterbilder, durch welche sie entweiht worden wären.

Der alte arabische Gebrauch, nach welchem beim Gebete eine Waschung stattfand oder demselben voranging, wurde aufrecht erhalten. Gebete zu bestimmten Stunden des Tages und der Nacht wurden wirklich vorgeschrieben; sie waren einfach in Form und Ausdruck und wurden mit gewissen Verbeugungen oder zu Zeiten mit gänzlicher Niederwerfung des Körpers und mit dem Gesichte nach dem Kebla oder Anbetungspuncte gewendet, unmittelbar an Gott gerichtet.

Am Schlusse eines jeden Gebetes wurde die folgende Stelle aus der zweiten Sure des Korans wiederholt. Sie soll in der arabischen Urschrift große Schönheit haben und wird auf goldene und silberne Schmucksachen wie auf Edelsteine, welche man als Schutzmittel gegen Zauberei und Krankheit trägt, gravirt. »Gott ist Gott! Es ist kein Gott außer ihm, dem Lebendigen, dem Ewigen; er schläft nicht, noch schlummert er. Ihm gehört der Himmel und die Erde und Alles, was sie enthalten. Wer soll bei ihm Vermittler sein ohne seine Bewilligung? Er kennt das Vergangene und das Zukünftige, aber Niemand kann außer dem, was er offenbart, Etwas von seinem Wissen erfassen. Sein Thron ist über den Himmel und die Erde ausgespannt, und die Erhaltung Beider ist ihm keine Bürde. Er ist der Erhabene, der Mächtige!«

Mohammed war stets darauf bedacht, die Wichtigkeit und Wirksamkeit des Gebetes zu bekräftigen. »Engel«, sagte er, »kommen bei Nacht und Tag zu euch; hierauf steigen die der Nacht in den Himmel, und Gott fragt sie, wie sie seine Geschöpfe verließen. Wir fanden dieselben, sagen sie, bei ihren Gebeten und wir verließen sie bei ihren Gebeten.«

Die Lehren des Korans über die Auferstehung und das letzte Gericht waren denen der christlichen Religion in manchen Beziehungen ähnlich; aber sie wurden mit seltsamen, aus andern Quellen hergeleiteten Begriffen vermischt. Denn die Freuden des moslemischen Himmels, obschon theilweise geistig, wurden durch die sinnlichen Genüsse der Erde belastet und unter die unaussprechliche Reinheit und geistige Glückseligkeit des Himmels, welcher von unserm Erlöser verheißen ist, unendlich tief hinabgedrückt.

Dessenungeachtet hat die Schilderung des letzten Tages, wie sie in der einundachtzigsten Sure des Korans enthalten ist, Erhabenheit; sie muß von Mohammed beim Anfange seines Auftretens in Mekka als eine seiner ersten Offenbarungen gegeben worden sein. »Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Ein Tag soll kommen, wo die Sonne sich verhüllen wird und die Sterne vom Himmel fallen werden, wo die gebärenden Kameele werden verlassen und wilde Thiere sich zu Heerden vereinigen werden aus Furcht; wo die Wogen des Meeres brausen und die Seelen der Todten mit den Leibern sich wieder vereinigen werden; wo das Mädchen, welches man lebendig begrub, fragen wird, um welches Verbrechens willen wurde ich geopfert? und die ewigen Bücher werden aufgeschlagen liegen; wo der Himmel wie eine Pergamentrolle vergehen und die Hölle lichterloh brennen wird, und die Freuden des Paradieses werden offenbar werden. An diesem Tage wird jede Seele erfahren, was sie gethan hat. Wahrlich, ich schwöre euch bei den Sternen, welche sich schnell bewegen und im Glanze der Sonne sich verlieren, und bei der Finsterniß der Nacht, und bei dem Aufgange des Tages: das sind nicht die Worte eines bösen Geistes, sondern eines Engels von Würde und Macht, welcher Allah's Vertrauen besitzt und von den Engeln unter seinem Befehle geehrt wird. Auch ist euer Gefährte Mohammed kein Besessener. Er sah den himmlischen Boten im Lichte des hellen Horizontes und die ihm geoffenbarten Worte sind zu einer Ermahnung an alle Creaturen bestimmt.«

Anmerkung. Zu Mohammeds Zeit hatten langwierige und heftige Streitigkeiten unter den Christen namentlich der morgenländischen Kirche den wahren Christenglauben vielfach verunstaltet. Parteien über Parteien waren entstanden, hatten einander verfolgt, verketzert und verdammt. Aus ihren, oft einander widersprechenden Ansichten hatte sich Mohammed seinen Begriff vom christlichen Glauben gebildet. Besonders die Lehre von der heiligen Dreieinigkeit und der Gottheit Christi hatte die Kirche erschüttert und zur Bildung von allerlei Secten geführt. Da gab es solche, welche die Gottheit des heiligen Geistes leugneten, andere, welche behaupteten, daß Christus vor der Menschwerdung gänzlich Gott, während seines Wandels auf Erden aber gänzlich Mensch gewesen sei; zu ihnen gehörten die in Arabien zahlreich wohnenden Jacobiten. Die Nazaräer oder Nazarener, eine judenchristliche Secte betrachteten Christum als den Messias, der von einer Jungfrau durch den heiligen Geist geboren wäre und Etwas vom göttlichen Wesen besäße. Von diesen waren die Ebioniten wenig unterschieden. Sie hielten Christum für einen puren Menschen, für den größten Propheten. Sowol diese als die Nazaräer hatten in Arabien viele Anhänger. Schon dieser kurze Hinweis auf die Meinungen, welche Christen von Christo hatten, wird genügen, um Mohammed von wissentlicher und absichtlicher Gotteslästerung frei zu sprechen. Aus einer trüben Quelle kann man kein klares Wasser schöpfen, und ein Blinder kann einem Blinden den Weg nicht weisen.


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