Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Dreiunddreißigstes Capitel.

Rüstungen zu einem Feldzuge gegen Syrien. – Ränke Abdallah Ibn Obba's. – Beiträge der Treuen. – Ausmarsch der Armee. – Die verfluchte Gegend Hajar (Hadschar). – Lager bei Tabuc. – Unterjochung der benachbarten Provinzen. – Khaled überfällt Olaider und dessen Castell. – Rückkehr der Armee nach Medina.

Mohammed hatte sich jetzt entweder durch Bekehrung oder durch Eroberung zum Oberherrn von fast ganz Arabien gemacht. Die zerstreuten Stämme, vormals einander gefährlich, aber infolge ihrer Entzweiung machtlos gegen die übrige Welt, hatte er zu einer Nation vereinigt und dadurch zu auswärtigen Eroberungen befähigt. Sein prophetischer Charakter gab ihm über die furchtbare, in der Wüste also heraufbeschworne Macht unumschränkte Gewalt, und jetzt war er gerüstet, sie zur Verbreitung des Glaubens und zur Ausdehnung der moslemischen Herrschaft in fremde Länder hinauszuführen.

Die zahlreichen Siege und das neuliche Gefecht bei Muta hatten endlich, wie erzählt wird, die Aufmerksamkeit des Kaisers Heraklius erregt, welcher im Begriffe stand, auf Syriens Gränzen ein Heer zusammenzuziehen, um den neuen Feind zu zermalmen. Mohammed entschloß sich, den Feindseligkeiten desselben zuvorzukommen und die Fahne des Glaubens sogar in das Herz Syriens zu tragen.

Bisher hatte er die Kriegszüge im Geheimen unternommen, indem er Niemandem als den vertrautesten Officieren seine Pläne und Absichten mittheilte und seine Getreuen unvermerkt in gefährliche Unternehmungen führte. Der gegenwärtige Feldzug, so verschieden von den kurzen, räuberischen Streifereien der Araber, erforderte große Vorbereitungen; eine ungewöhnliche Streitkraft mußte zusammengebracht und alle Arten von Proviant mußten für weite Märsche und eine lange Abwesenheit beschafft werden. Daher verkündigte er öffentlich den Gegenstand und die Beschaffenheit des Unternehmens. Die gewöhnliche Bereitwilligkeit, sich um seine Fahne zu schaaren, war nicht vorhanden. Viele gedachten des verhängnißvollen Kampfes von Muta und fürchteten, mit den geschulten römischen Truppen abermals ins Gefecht zu kommen. Auch die Jahreszeit war solch einem weiten und langwierigen Zuge ungünstig. Es war die Zeit der Sommerhitze; das Land war versengt und die Brunnen und Bäche waren ausgetrocknet. Dazu stand die Dattelernte bevor, wo die Männer zur Einsammlung der Frucht vielmehr daheim als draußen auf Raubzügen sein sollten.

Alle diese Umstände brachte der Khazradite Abdallah Ibn Obba schlauerweise unter das Volk; er blieb Mohammeds verdeckter Feind und ergriff jede Gelegenheit, die Pläne desselben zu durchkreuzen. »Eine schöne Jahreszeit das«, pflegte er zu schreien, »um trotz des Mangels und der Dürre und der glühenden Hitze der Wüste solch einen weiten Marsch zu unternehmen! Mohammed scheint einen Krieg mit Griechen blos für eine Vergnügungspartie zu halten; verlaßt euch auf mich, ihr werdet ihn von einem Kriege der Araber unter einander ganz verschieden finden. Bei Allah! mich dünkt, ich sehe euch Alle schon in Ketten.« Durch diese und ähnliche Spöttereien und Einflüsterungen wirkte er auf die Befürchtungen und Gesinnungen der Khazraditen, seiner Parteigänger, ein und machte das Unternehmen im Allgemeinen unpopulär. Mohammed nahm, wie gewöhnlich, seine Zuflucht zur Offenbarung. »Diejenigen, welche zurückbleiben wollen«, sagte ein zeitgemäßes Capitel des Korans, »führen die Sommerhitze als Entschuldigungsgrund an. Saget ihnen, das Feuer der Hölle ist heißer! Sie mögen sich in dem Genusse gegenwärtiger Sicherheit gütlich thun, aber unaufhörliche Thränen werden ihre Strafe nachher sein.«

Einige von seinen ergebenen Anhängern offenbarten in dieser lauen Zeit ihren Eifer. Omar, Al Abbas und Abda'lrahman gaben große Summen Geldes; einige fromme Frauen brachten ihre Schmucksachen und Juwelen; Othman überlieferte Mohammed ein tausend, Manche sagen zehn tausend Denare und wurde von seinen vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Sünden losgesprochen; Abu Beker gab vier tausend Denare. Mohammed zögerte das Anerbieten anzunehmen, da er wußte, daß es Alles war, was er besaß. »Was wird für dich und deine Familie bleiben?« fragte er. »Gott und sein Prophet«, war die Antwort.

Diese Beispiele von Ergebenheit hatten eine mächtige Wirkung; dennoch war es mit viel Schwierigkeit verbunden, eine Armee von zehn tausend Reitern und zwanzig tausend Fußgängern aufzustellen. Jetzt ernannte Mohammed Ali zum Statthalter in Medina während seiner Abwesenheit und zum Hüter ihrer beiden Familien. Mit großem Widerstreben nahm er dieses Amt an, da er gewohnt gewesen war, den Propheten stets zu begleiten und alle seine Gefahren zu theilen. Als alle Anordnungen getroffen waren, brach Mohammed zu dieser wichtigen Unternehmung von Medina auf. Ein Theil des Heeres bestand aus Khazraditen und deren Verbündeten; sie wurden von Abdallah Ibn Obba geführt. Dieser Mann, welchen Mohammed zum Befehlshaber »der Heuchler« ernannt hatte, lagerte sich Nachts mit seinen Anhängern abgesondert, in einiger Entfernung hinter der Hauptarmee, und als die letztere früh weiter marschirte, so blieb er zurück und führte seine Truppen wieder nach Medina. Er begab sich zu Ali, dessen Oberbefehl in der Stadt ihm und seinen Anhängern zuwider war, und suchte ihn zur Unzufriedenheit mit seiner Stellung zu reizen, indem er anführte, daß ihn Mohammed zur Bewachung Medinas lediglich deshalb zurückgelassen hätte, um sich selbst von einer Last zu befreien. Durch diese Einflüsterung aufgestachelt, eilte Ali Mohammed nach und fragte ihn, ob das, was Abdallah und dessen Leute sagten, wahr wäre?

»Diese Menschen«, entgegnete Mohammed, »sind Lügner. Sie sind die Partei der Heuchler und Zweifler, welche einen Aufstand in Medina hervorrufen möchten. Ich ließ dich zurück, um über sie zu wachen und der Hüter unserer beiden Familien zu sein. Ich wollte haben, daß du mir das wärest, was Aaron dem Moses war, ausgenommen, daß du nicht gleich ihm ein Prophet sein kannst, da ich der letzte der Propheten bin.« Durch diese Erklärung befriedigt, kehrte Ali nach Medina zurück. Viele haben aus dem Vorhergehenden gefolgert, daß Mohammed Ali zu seinem Kalifen oder Nachfolger haben wollte, weil dies die Bedeutung des arabischen Wortes wäre, welches gebraucht wurde, um Aarons Beziehung zu Moses zu bezeichnen.

Die Truppen, welche bei Mohammed geblieben waren, begannen bald die Schwierigkeit zu fühlen, in dieser heißen Jahreszeit der Wüste Trotz zu bieten. Viele kehrten am zweiten, und Andere am dritten und vierten Tage um. Wenn nun dem Propheten von ihrer Entweichung Nachricht gebracht wurde, so pflegte er zu erwidern: »Wenn sie zu Etwas gut sind, so wird sie Gott zu uns zurückbringen; wenn sie es nicht sind, so sind wir von so vielen Lasten befreit.«

Während auf diese Art Manche den Muth auf dem Marsche verloren: so bereuten Andere, welche in Medina zurückgeblieben waren, ihre Feigherzigkeit. Als Einer, Namens Abu Khaithama, während der brennenden Tageshitze seinen Garten betrat: so sahe er eine Mahlzeit Fleisch und frisches Wasser, welches von seinen beiden Frauen in dem kühlen Schatten eines Zeltes für ihn hingestellt worden war. An der Schwelle stehen bleibend rief er aus: »In diesem Augenblicke ist der Prophet Gottes dem Winde und der Hitze der Wüste ausgesetzt, und Khaithama soll hier im Schatten neben seinen schönen Frauen sitzen? Bei Allah! ich will das Zelt nicht betreten!« Unverzüglich bewaffnete er sich mit Schwert und Lanze, bestieg sein Kameel und eilte hinweg, um sich zur Fahne des Glaubens zu gesellen.

Mittlerweile betrat die Armee nach einem mühevollen Marsche von sieben Tagen den gebirgigen Distrikt Hajar (Hadschar), welcher in unvordenklichen Zeiten von den Thamuditen, einem der verlornen Stämme Arabiens, bewohnt wurde. Es war die verwünschte Gegend nach der Sage, was bereits erzählt worden ist. Der Vortrab der Armee, welcher von dieser Sage Nichts wußte und erhitzt und ermattet war, sahe mit Entzücken einen Bach, welcher durch ein grünendes Thal floß, und Höhlen, welche in die Seiten der benachbarten Höhen gehauen und einmal die Wohnungen der vom Himmel geschlagenen Thamuditen gewesen waren. Sie hielten links des Baches. Einige schickten sich an, ein Bad zu nehmen. Andere begannen zu kochen und Brod zu backen, während Alle sich kühle Nachtquartiere in den Höhlen versprachen. Mohammed hatte, wie es seine Gewohnheit war auf dem Marsche, in der Nachhut Platz genommen, um die Schwachen zu unterstützen, indem er gelegentlich einen vom Wege ermüdeten Nachzügler hinter sich aufsetzen ließ. Als er an dem Orte ankam, wo die Truppen Halt gemacht hatten, erinnerte er sich an die alte Zeit und an die sie betreffenden Sagen, welche ihm erzählt worden waren, als er in der Kindheit hier durchreiste. Aus Furcht, in den über die Umgegend verhängten Bann zu gerathen, befahl er, daß die Truppen die mit dem Bachwasser gekochte Speise wegwerfen, das mit demselben geknetete Brod den Kameelen geben und aus dem vom Himmel verfluchten Orte forteilen sollten. Das Gesicht in die Falten des Mantels hüllend und dem Maulthiere die Sporen gebend, jagte er durch die sündige Gegend; die Armee folgte ihm, als wenn sie vor dem Feinde flöhe.

Die folgende Nacht war eine der leidensvollsten; die Armee mußte ohne Wasser lagern; das Wetter war ungeheuer heiß und ein sengender Wind wehte aus der Wüste; ein unerträglicher Durst herrschte durch das Lager, gleich als wenn der thamuditische Bannfluch noch über ihm hinge. Am nächsten Tage jedoch erfrischte und stärkte ein reichlicher Regen Beide, Mann und Vieh. Der Marsch wurde mit neuem Eifer wieder angetreten, und die Armee kam ohne weiteres Ungemach bei Tabuc an, einer kleinen Stadt auf der Gränze des römischen Reiches, ungefähr halben Weges zwischen Medina und Damaskus und etwa zehn Tagereisen von jeder Stadt gelegen.

Hier schlug Mohammed in der Nähe einer Quelle und in der Mitte von Hainen und Weideland das Lager auf. Arabische Sagen versichern, daß die Quelle beinahe trocken war, so daß nicht ein Tropfen übrig blieb, als für den Propheten eine Vase gefüllt war; nachdem jedoch Mohammed den Durst gelöscht und die Waschungen vollzogen hatte: so goß er das, was in der Vase übrig blieb, in die Quelle, worauf ein für die Truppen und das Vieh hinreichender Strom hervorbrach.

Aus diesem Lager schicke Mohammed seine Feldherrn ab, um den Glauben zu verkündigen und zu stärken oder Tribut zu fordern. Einige von den Nachbarfürsten schickten Gesandtschaften, entweder um die Göttlichkeit seiner Sendung anzuerkennen, oder um sich seiner zeitlichen Herrschaft zu unterwerfen. Einer derselben war Johannes Ibn Ruba, Fürst von Eyla, einer christlichen Stadt am rothen Meere. Das ist dieselbe Stadt, von welcher die Sage berichtet, daß daselbst in den Tagen der Vorzeit, als ihre Bewohner Juden waren, die alten Männer in Schweine und die jungen in Affen verwandelt wurden, weil sie am Sabbath gefischt hatten, ein Gericht, welches im Koran feierlich erzählt wird. Der Fürst von Eyla schloß mit Mohammed einen Friedensvertrag, in welchem er bewilligte, einen jährlichen Tribut von drei tausend Denaren in Gold (6000 Thlr.) zu zahlen. Die Form dieses Vertrags wurde das Muster für die Unterhandlung mit andern Mächten.

Unter den arabischen Fürsten, welche sich zum Christenthum bekannten und Mohammed zu huldigen sich weigerten, war Okaïder Ibn Malec von dem Stamme Kenda. Er residirte in der Mitte seines Gebietes in einem Schlosse am Fuße eines Berges. Khaled wurde mit einem Trupp Reiter abgeschickt, um ihn zu unterwerfen. Da er sah, daß das Schloß zu stark war, um mit Sturm genommen zu werden, so nahm er seine Zuflucht zur List. Als in einer mondhellen Nacht Okaïder und sein Weib auf dem platten Dache des Schlosses an der frischen Luft sich erquickten: so gewahrten sie ein grasendes Thier, welches sie für einen wilden Esel von den benachbarten Bergen hielten. Okaïder, welcher ein begieriger Jäger war, ließ sich Roß und Lanze bringen und sprengte in Begleitung seines Bruders Hassan und einiger von seinen Leuten hinaus auf die Jagd. Der wilde Esel erwies sich als Lockspeise. Sie waren nicht weit geritten, als Khaled und seine Mannen aus dem Hinterhalte hervorbrachen und sie angriffen. Sie waren zu leicht bewaffnet, um viel Widerstand zu leisten. Hassan wurde an Ort und Stelle getödtet und Okaïder gefangen genommen; die Uebrigen flohen in das Schloß zurück, welches jedoch bald übergeben wurde. Der Fürst wurde schließlich in Freiheit gesetzt, indem er ein schweres Lösegeld zahlte und tributpflichtig wurde.

Als ein Siegeszeichen schickte Khaled das von Hassans Leibe genommene Gewand an Mohammed. Es war von Seide, reich mit Gold gestickt. Die Moslemen sammelten sich ringsum und prüften es mit Bewunderung. »Bewundert ihr dieses Gewand?« sagte der Prophet. »Ich schwöre bei dem, in dessen Hand Mohammeds Seele ist, das Gewand, welches Saad, der Sohn Maadi's in diesem Augenblicke im Paradiese trägt, ist weit köstlicher.« Dieser Saad war der Richter, welcher am Schlusse eines früheren Feldzugs über siebenhundert gefangene Juden in Medina das Todesurtheil fällte.

Da sich die Truppen durch den Aufenthalt bei Tabuc erholt hatten und das benachbarte Land zur Unterwerfung gebracht war: so war Mohammed entschlossen, das Ziel seines Feldzugs zu verfolgen und in das Herz von Syrien vorzudringen. Sein Eifer wurde jedoch von seinen Begleitern nicht getheilt. Die Nachricht von ungeheuern Truppenmassen, welche sich auf den syrischen Gränzen sammelten, hatten die Begeisterung des Heeres gedämpft. Mohammed bemerkte die allgemeine Entmuthigung, dennoch war er abgeneigt, den nur zur Hälfte ausgeführten Feldzug aufzugeben. Er berief einen Kriegsrath und legte demselben die Frage vor, ob vorwärts marschirt werden sollte oder nicht? Darauf entgegnete Omar trocken: »Wenn du den Befehl von Gott zum Vorrücken hast«, und Mohammed bemerkte, »so würde ich dich nicht um Rath gefragt haben.« Omar fühlte den Vorwurf. Hierauf zeigte er ihm in ehrerbietigem Tone, wie unklug es wäre, Angesichts einer überlegenen Macht, welche auf der syrischen Gränze zusammengezogen wäre, vorzurücken; er stellte auch vor, wie viel Mohammed in diesem Feldzuge bereits ausgeführt hätte. Dem gedrohten Angriff der kaiserlichen Waffen hätte er Einhalt gethan; die Huldigung und Unterwerfung verschiedener Stämme und verschiedenen Volkes von dem Ufer des rothen Meeres bis zum Euphrat hätte er erhalten; er riethe ihm daher, sich für das gegenwärtige Jahr mit dem, was er vollendet, zu begnügen und die Durchführung des Unternehmens auf einen künftigen Feldzug zu verschieben.

Der Rath desselben wurde angenommen. Denn Mohammed war allemal, wenn er nicht in heftiger Aufregung war oder unter eingebildeter Eingebung stand, ziemlich geneigt, in militärischen Angelegenheiten seine Meinung der seiner Feldherrn aufzuopfern. Daher ließ er nach ungefähr zwanzigtägigem Aufenthalte bei Tabuc das Lager abbrechen und führte die Armee nach Medina zurück.


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