Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Anhang.

Von dem mohammedanischen Glauben.

In einem früheren Capitel dieses Buches haben wir über den von Mohammed verkündigten Glauben solche Einzelheiten mitgetheilt, welche wir zum Verständnisse der nachfolgenden Erzählung für wichtig hielten; jetzt fügen wir, wenn auch auf Unkosten einiger Wiederholungen, eine vollständigere Uebersicht desselben nebst einigen Bemerkungen hinzu.

Die mohammedanische Religion, wie wir bei der eben erwähnten Gelegenheit bemerkten, zerfällt in zwei Theile, nämlich in die Glaubenslehre und in die religiösen Handlungen. Erstere umfaßt sechs verschiedene Capitel oder Artikel, und zwar den Glauben 1) an Gott, 2) an die Engel, 3) an die Schriften oder den Koran, 4) an die Propheten, 5) an die Auferstehung und das letzte Gericht; 6) an die Vorherbestimmung. Von diesen wollen wir in der aufgestellten Ordnung kürzlich handeln.

A. Die Glaubenslehre.

Der Glaube an Gott.

Mohammed schärfte den Glauben ein, daß Ein einziger Gott, der Schöpfer aller Dinge, ist, war und immer sein wird. Derselbe ist einfach, unveränderlich, allwissend, allmächtig, allbarmherzig und ewig. Die Einheit Gottes wurde im Widerspruche gegen die Dreieinigkeit der Christen besonders und stark hervorgehoben. Beim Bekenntnisse des Glaubens wurde sie durch Aufhebung eines Fingers und durch den Ausruf bezeichnet: »La illaha il Allah« d. h. es ist kein Gott außer Gott; es wurde noch hinzugefügt: »Mohammed Resoul Allah!« d. h. Mohammed ist der Prophet Gottes.

Der Glaube an die Engel.

Die schöne Lehre von Engeln oder dienenden Geistern, welche eine der ältesten und allgemeinsten aller morgenländischen Religionen ist, ist mit dem moslemischen Glauben eng verwebt. Nach demselben sind sie ätherische, aus Feuer, dem reinsten Elemente, geschaffene Wesen, vollkommen an Gestalt, strahlend von Schönheit, aber ohne Geschlechtsunterschied; sie sind von allen groben und sinnlichen Leidenschaften wie von allen Begierden und Schwachheiten der gebrechlichen Menschen frei und erfreuen sich einer fortdauernden, unverwelklichen Jugend. Sie sind nach ihrem Range und ihren Dienstleistungen wie nach ihrem Ansehen bei der Gottheit verschieden. Einige beten rings um den himmlischen Thron an, andere singen den Preis Allahs; einige sind beflügelte Boten, um die Befehle desselben auszurichten, andere sind Schutzgeister der Menschenkinder.

Am ausgezeichnetsten sind in diesem himmlischen Heere vier Erzengel. Diese sind: Gabriel, der Engel der Offenbarungen, welcher die göttlichen Beschlüsse niederschreibt; Michael, der Kämpe, der die Schlachten des Glaubens ficht; Azrail, der Engel des Todes, und Israfil, welcher die Schrecken erweckende Aufgabe hat, die Trompete am Tage der Auferstehung erschallen zu lassen. Es gab noch einen andern Engel, Namens Azazil, derselbe wie Lucifer; er war einst der herrlichste in der himmlischen Schaar, aber er wurde hochmüthig und empörte sich. Als Gott nämlich den Engeln gebot, Adam anzubeten, so verweigerte es Azazil mit den Worten: »Warum soll ich mich, den du aus Feuer schufst, vor dem beugen, welchen du aus Thon bildetest?« Wegen dieses Verbrechens wurde er verflucht und aus dem Paradiese geworfen und sein Name in Eblis, d. i. Verzweiflung, abgeändert. Aus Rache wegen seiner Erniedrigung bereitet er den Menschenkindern alle Arten von Unheil und reizt sie zum Ungehorsam und zur Gottlosigkeit.

Unter den Engeln niederen Ranges giebt es eine Classe, welche Moakkibat genannt wird. Von ihnen halten zwei über jeden Sterblichen Wache, einer zur rechten, der andere zur linken Hand, und nehmen Notiz von jedem Worte und von jeder Handlung. Am Schlusse jeden Tages fliegen sie mit einem geschriebenen Verzeichnisse zum Himmel empor und werden durch zwei ähnliche Engel am folgenden Tage ersetzt. Laut der mohammedanischen Sage wird jede gute Handlung vom Engel zur Rechten zehn Mal niedergeschrieben; wenn der Mensch eine Sünde begeht, so spricht derselbe wohlwollende Geist zum Engel auf der linken Seite: »Verziehe sieben Stunden, bevor du sie aufzeichnest; er kann sie vielleicht bereuen und beten und Vergebung erlangen.«

Außer diesen Engelgattungen predigte Mohammed den Glauben an geistige Wesen, welche Gins oder Genien genannt werden. Obschon dieselben gleichfalls aus Feuer geschaffen sind, so sind sie doch mit den Begierden und Schwachheiten der Kinder des Staubes behaftet. Von Wesen dieser Art, welche die Einöden der Wüsten oft zu ihrem Aufenthaltsorte machen, wurde Mohammed, wie wir gezeigt haben, nach seiner eigenen Angabe in dem einsamen Thale Al Naklah besucht.

Als der Engel Azazil sich empörte und fiel und Satan oder Eblis wurde, so behielt er noch die Oberherrschaft über diese niederen Geister, welche in Dives und Peri eingetheilt werden. Die ersteren sind wild und riesenmäßig, die letzteren zart und sanft und nähren sich von Wohlgerüchen. Es scheint, als wenn die Peri alle weiblichen Geschlechts wären, wiewohl über diesen Punct keine Klarheit herrscht. Von diesen eingebildeten Wesen sind, wie man vermuthet, die europäischen Feen abgeleitet.

Außer diesen giebt es noch andere Halbgeister, die Tacwins heißen; es sind beflügelte weibliche Wesen von schöner Gestalt, welche Weissagungen aussprechen und die Sterblichen gegen die Angriffe und Ränke der bösen Geister vertheidigen.

Schwanken und Ungewißheit herrscht rücksichtlich der Eigenschaften, welche von Mohammed diesen halbhimmlischen Wesen zugeschrieben werden, da er seine Vorstellungen von diesem Gegenstande aus unterschiedlichen Quellen schöpfte. Seine ganze Lehre über diese Mittelgeister ist eine starke, obschon unscheidbare Vermischung des Glaubens und Aberglaubens der Hebräer, der Magier und der Heiden oder Sabäer.

Vom Glauben an den Koran.

Der Koran ist ein Buch, in welchem göttliche Offenbarungen enthalten sind. Nach dem moslemischen Glauben wurde in dem siebenten Himmel ein Buch aufbewahrt und das hatte sich dort von aller Ewigkeit befunden; in demselben waren alle Rathschlüsse Gottes und alle Ereignisse, die vergangenen, die gegenwärtigen und die zukünftigen, niedergeschrieben. Abschriften von diesen Verzeichnissen des göttlichen Willens wurden von dem Engel Gabriel in den niedrigsten Himmel hinabgebracht, und durch ihn Mohammed von Zeit zu Zeit und in einzelnen Stücken, wie es irgend einem Ereignisse oder Vorfalle angemessen war, offenbart. Da es die unmittelbaren Worte Gottes sind, so werden sie alle in der ersten Person gesprochen.

Von der Art und Weise, auf welche diese Offenbarungen von Schreibern und Schülern Mohammeds aufgezeichnet oder aufbewahrt und nach dessen Tode von Abu Beker gesammelt wurden, haben wir hinreichende Nachricht gegeben. Diese Sammlung bildet das bürgerliche, strafrechtliche und religiöse Gesetzbuch der Moslemen und wird von allen wahren Gläubigen mit der höchsten Ehrfurcht behandelt. Man setzt einen großen Stolz darein, daß man herrlich gebundene und verzierte Abschriften davon besitzt. Eine Aufschrift auf dem Deckel verbietet jedem, welcher unrein ist, dasselbe zu berühren, und es wird als Mangel an Ehrerbietung betrachtet, wenn man dasselbe beim Lesen unter dem Gürtel hält. Die Moslemen schwören bei dem Koran und ziehen Vorbedeutungen aus ihm, wenn sie ihn öffnen und die Stelle lesen, welche ihnen zuerst in die Augen fällt. Bei allen Irrthümern und Widersprüchen bleibt er ein Staunen erregendes Denkmal der Wüstengesetzgebung, vorzüglich wenn wir ihn als das Werk Eines und noch dazu eines ungelehrten Mannes betrachten.

Außer dem Koran oder dem geschriebenen Gesetze wurden noch viele Vorschriften und Aussprüche, welche zufällig von Mohammeds Lippen kamen, nach seinem Tode von Ohrenzeugen gesammelt und in ein Buch zusammengeschrieben, welches Sunna oder mündliches Gesetz genannt wird. Dieses wird von einer mohammedanischen Secte, die davon den Namen Sunniten führen, ebenso heilig wie der Koran gehalten; andere verwerfen dasselbe als apokryphisch, und diese heißen Schiiten. Feindseligkeiten und Verfolgungen haben zwischen diesen Secten gelegentlich stattgefunden, welche ebenso bösartig waren wie diejenigen, welche zwischen Katholiken und Protestanten die Christenheit entehrten. Die Sunniten sind an weißen, die Schiiten an rothen Turbanen kenntlich, daher haben die Letzteren von ihren Gegnern die Benennung Kussilbachi oder Rothköpfe erhalten.

Es ist merkwürdig, daß die Beschneidung, welche von den Mohammedanern unabänderlich ausgeübt wird, und einen unterscheidenden Gebrauch ihres Glaubens bildet, welchem sich alle Neubekehrten unterwerfen müssen, weder im Koran noch in der Sunna erwähnt wird. Sie scheint ein allgemeiner Gebrauch in Arabien gewesen und stillschweigend von den Juden hergenommen zu sein, ja sie soll sogar vor Mosis Zeit durch den Osten Geltung gehabt haben.

Es wird behauptet, daß der Koran verbiete, Bilder von lebenden Wesen zu verfertigen, was die Einführung von gemalten Personenbildnissen unter den Mohammedanern verhindert hat. Die Stelle des Korans jedoch, welche dieses Verbot enthalten soll, scheint ein bloßer Widerhall des zweiten, von Juden und Christen heilig gehaltenen Gebotes zu sein, welches nur gegen die Anfertigung von Bildsäulen und Gemälden zur Anbetung gerichtet ist. Eine der Standarten Mohammeds war ein schwarzer Adler. Unter den vorzüglichsten moslemischen Verzierungen der Alhambra in Granada befindet sich ein Springbrunnen, welcher von zwei aus Stein gehauenen Löwen getragen wird, und einige moslemische Monarchen hatten ihre Bildnisse auf ihre Münzen prägen lassen.

Ein anderer und bedeutungsvoller Irrthum der mohammedanischen Lehre liegt darin, daß sie dem weiblichen Geschlechte die Seelen abspricht, und dasselbe vom Paradiese ausschließt. Dieser Irrthum entsteht daraus, daß Mohammed die Freuden derselben in einem zukünftigen Leben unerwähnt gelassen hat, während er die seines eigenen Geschlechts mit der Genauigkeit eines Wollüstlings schildert. Auf die Seligkeit tugendhafter Frauen wird in der sechsundfünfzigsten Sure und in andern Stellen des Korans hingewiesen, obgleich ein oberflächlicher Leser wegen der Vieldeutigkeit der Worte vermuthen kann, daß die Houris des Paradieses gemeint seien.

Von den Propheten.

Der vierte Glaubensartikel bezieht sich auf die Propheten. Die Zahl derselben beläuft sich auf zweihunderttausend, aber nur sechs werden als vorzüglich bezeichnet, da sie neue Gesetze und Aufschlüsse auf die Erde gebracht haben und zwar in der Weise, daß jeder die vor ihm angenommenen Lehren, wenn sie von den seinigen abwichen oder ihnen widersprachen, für ungültig erklärte. Diese sechs ausgezeichneten Propheten waren Adam, Noah, Abraham, Moses, Jesus und Mohammed.

Von der Auferstehung und dem jüngsten Gericht.

Ueber diesen Furcht erregenden Gegenstand führte Mohammed mehrere Christen durch gewisse Vorstellungen irre, welche unter den arabischen Juden im Umlaufe waren. Dazu gehört das fürchterliche Gericht des Grabes. Wenn der Todesengel Azrail sein Amt verrichtet hat und der Leichnam ins Grab eingeschlossen ist, so erscheinen zwei schwarze Engel, Munkar und Nakeer, mit gräßlichem, abschreckendem Gesichte, als Untersuchungsrichter, während deren Verhör die Seele mit dem Leibe wieder vereinigt wird. Der Verstorbene wird, nachdem ihm sich aufzurichten befohlen worden ist, über die zwei wichtigsten Glaubenspuncte, über die Einheit Gottes und die göttliche Sendung Mohammeds, sowie über die im Leben von ihm vollbrachten Thaten befragt; seine Antworten werden in Büchern für den Tag des Gerichts aufgezeichnet. Sind sie befriedigend, so wird die Seele sanft von den Lippen weggenommen; befriedigen sie nicht, so wird er mit eisernen Keulen um die Stirn geschlagen und die Seele unter folternden Qualen herausgerissen. Zur Bequemlichkeit für diese schreckliche Untersuchung legen die Mohammedaner die Todten, blos in Leichengewänder gehüllt, gemeiniglich in hohle oder gewölbte Gräber, aber nicht in Särge.

Der Zeitraum zwischen Tod und Auferstehung heißt Berzak, d. i. Zwischenzeit. Während derselben ruht der Leib im Grabe, aber die Seele hat in Träumen und Gesichten einen Vorschmack ihres künftigen Schicksals.

Die Seelen der Propheten werden auf einmal zu dem vollen Genusse der Paradiesesfreuden zugelassen. Die Seelen der Märtyrer, zu denen Alle gehören, welche in der Schlacht fallen, gelangen in die Leiber oder Kröpfe grüner Vögel, welche die Früchte des Paradieses essen und aus den Strömen desselben trinken. Ueber die Seelen von der großen Masse der Gläubigen wird verschieden geurtheilt; nach der verbreitetsten Meinung jedoch schweben sie in der Nähe der Gräber in himmlischer Ruhe. Daher stammt der moslemische Gebrauch, die Gräber der abgeschiedenen Freunde und Verwandten zu besuchen; sie thun es in der Meinung, daß die Seelen derselben erfreute Zeugen dieser Liebeserweisungen sind.

Viele Moslemen glauben, daß die Seelen der wahrhaft Gläubigen die Gestalt schneeweißer Vögel annehmen, die unter Allahs Throne nisten – ein Glaube, der mit dem ehemaligen Aberglauben der Hebräer, daß die Seelen der Gerechten ihren Platz im Himmel unter dem Throne der Herrlichkeit haben würden, im Einklange steht.

Rücksichtlich der Seelen der Ungläubigen ist die rechtgläubigste Ansicht, daß sie von Engeln sowohl vom Himmel als von der Erde weggetrieben und in das höhlenreiche Innere der Erde geschleudert werden, um daselbst in Angst den Tag des Gerichts zu erwarten.

Dem Tage der Auferstehung werden Zeichen und Wunder am Himmel und auf der Erde vorangehen. Eine gänzliche Verfinsterung des Mondes, eine Umkehrung des Laufes der Sonne, indem sie im Westen anstatt im Osten aufgeht; Kriege und Empörungen; ein allgemeiner Abfall vom Glauben; die Ankunft des Antichrists; das Auftreten von Gog und Magog, um die Welt zu verheeren; ein gewaltiger, die ganze Erde bedeckender Rauch: diese und viele andere Wunder und Zeichen werden die Seelen der Menschen erschrecken und niederbeugen und eine Verzagtheit und einen Lebensüberdruß erzeugen, daß der, welcher bei einem Grabe vorbeigeht, die ruhigen Todten beneiden und sagen wird: »Wollte Gott, ich läge an diesem Platze!«

Das letzte fürchterliche Zeichen vor diesem Tage wird das Schallen einer Trompete sein, welche der Erzengel Izrafil ertönen läßt. Beim ersten Tone derselben wird die Erde erzittern, werden Schlösser und Thürme niederstürzen und die Berge mit den Ebenen gleich werden. Der Himmel wird sich verfinstern, das Firmament wird zerschmelzen, und die Sonne und der Mond und die Sterne werden in das Meer fallen. Das Weltmeer wird entweder austrocknen oder sieden und in feurigen Wogen dahinrollen. Das Menschengeschlecht wird Furcht ergreifen; die Männer werden ihre Aeltern, ihre Brüder, ihre Frauen fliehen, und die Mütter in wahnsinnigem Schrecken die Kinder an der Brust verlassen. Die wilden Bestien des Waldes und die zahmen Thiere der Weide werden ihre Wuth und die gegenseitige Feindschaft vergessen und erschrocken sich zusammenschaaren.

Der zweite Trompetenton ist der Vernichtungston. Bei diesem Schalle werden alle Creaturen im Himmel und auf Erden und in den Gewässern unter der Erde, Engel und Genien, Menschen und Thiere, sie alle werden sterben mit Ausnahme der wenigen Auserwählten, welche Allah besonders zurückbehält. Zuletzt stirbt Azrail, der Engel des Todes.

Nach diesem Vernichtungstone folgt vierzig Tage oder zufolge mancher Auslegungen vierzig Jahre lang ein ununterbrochener Regen; dann erschallt die Trompete des Erzengels Izrafil zum dritten Male. Das ist der Ruf zum Gericht. Auf diesen Ruf füllt sich der ganze Raum zwischen Himmel und Erde mit den Seelen der Verstorbenen, welche zur Aufsuchung der ihnen gehörenden Leiber dahineilen. Dann wird sich die Erde öffnen und ein Gerassel der trockenen Gebeine gehört werden und die zerstreuten Glieder werden sich an einander fügen, sogar die Haare werden zusammenkommen, und der ganze Leib wird wieder hergestellt werden und die Seele noch einmal in denselben eintreten, und der Todte wird vollkommen in jeder Beziehung und nackend, wie er geboren wurde, aus der Verstümmelung hervorgehen. Die Ungläubigen werden mit den Gesichtern auf der Erde kriechen, aber die Gläubigen werden aufrecht einhergehen; die wahrhaften Frommen werden auf beflügelten Kameelen, die weiß wie Milch sind und Sättel von feinem Golde haben, emporgetragen werden.

Alsdann wird jedes menschliche Wesen rücksichtlich der Art und Weise, auf welche es seine Kräfte verwendet hat und rücksichtlich seiner guten und bösen Handlungen einer Untersuchung unterworfen. Der Engel Gabriel stellt eine ungeheure Waage ins Gleichgewicht; auf die eine Schaale, Licht genannt, werden die guten, auf die andere, Finsterniß geheißen, die bösen Handlungen gelegt. Das Gewicht eines Sonnenstäubchens oder Senfkorns läßt die Schaalen sinken und steigen, und von dem Uebergewicht der einen oder der andern hängt die Beschaffenheit des Richterspruches ab. In diesem Augenblick erfolgt die Ausgleichung jedes Unrechtes und jeder Beleidigung. Derjenige, welcher den Nächsten ungerecht behandelte, muß denselben mit einem Theil seiner eigenen guten Thaten entschädigen, oder wenn er sich keiner rühmen kann, eine verhältnißmäßige Last von den Sünden des andern auf sich nehmen.

Auf die Prüfung durch die Waage folgt das Gottesurtheil der Brücke. Die ganze versammelte Menge muß Mohammed über die Brücke Serat folgen, welche so fein wie die Schneide eines Säbels ist und über den Schlund der Gehenna oder Hölle führet. Ungläubige und sündige Moslemen werden auf derselben in Finsterniß hinkriechen und in den Abgrund stürzen; aber die Gläubigen werden mit Hülfe eines strahlenden Lichtes mit der Schnelligkeit der Vögel über dieselbe schreiten und in das Reich des Paradieses eingehen. Die Vorstellung von dieser Brücke und von dem schrecklichen Reiche der Hölle soll theilweise von den Juden, hauptsächlich aber von den Magiern entlehnt sein.

Die Hölle ist eine von allen Arten von Schrecknissen starrende Gegend. Sogar die Bäume haben sich krümmende Schlangen statt der Aeste, und diese tragen statt der Früchte Teufelsköpfe. Wir enthalten uns, bei den Einzelheiten dieses fürchterlichen Ortes zu verweilen, da sie mit peinlicher und oft Ekel erregender Ausführlichkeit geschildert werden. Nach der Beschreibung besteht sie aus sieben Abtheilungen, welche sich unter einander befinden und in der Art und Größe der Qualen verschieden sind. Die erste Abtheilung ist für die Gottesleugner bestimmt, welche den Schöpfer und die Schöpfung in Abrede stellen und wähnen, daß die Welt von Ewigkeit her sei; die zweite für die Manichäer, welche zwei Urwesen annehmen, und für die arabischen Götzendiener aus Mohammeds Zeitalter; die dritte für die Brahminen Indiens; die vierte für die Juden; die fünfte für die Christen; die sechste für die Magier oder Feueranbeter Persiens; die siebente für die Heuchler, welche ohne Glauben nur mit dem Munde bekennen. Der grimmige Engel Thabeck, d. h. der Vollstrecker, hat über dieses Schreckensgebiet die Herrschaft.

Wir müssen bemerken, daß die allgemeine Beschaffenheit der Hölle und die Vertheilung der Strafen in derselben zu mannichfaltigen Erläuterungen unter den moslemischen Lehrern Veranlassung gegeben haben. Einige von ihnen behaupten, und es ist auch eine beim Volke beliebte Lehre, daß Keiner von denen, welche an Allah und seine Propheten glauben, zu ewiger Strafe verdammt werde. In angemessenen Leidenszeiten, welche von neunhundert bis zu neuntausend Jahren aufsteigen, würden die Sünden derselben abgebüßt. Einige von den menschenfreundlichsten unter den Lehrern bestreiten die Ewigkeit der Höllenstrafen für irgend eine Classe der Sünder, indem sie sagen, daß sogar die Ungläubigen, da Gott allbarmherzig ist, muthmaßlich Vergebung erlangen würden. Diejenigen, welche einen Vermittler haben, wie die Christen an Jesus Christus, würden zuerst befreit werden. Die Freisinnigkeit dieser ehrenwerthen Ausleger dehnt sich jedoch nicht so weit aus, daß sie dieselben in das Paradies unter die wahrhaft gläubigen Moslemen eintreten lassen, sondern sie halten dafür, daß dieselben nach einer langwierigen Bestrafung durch Vernichtung von ihren Qualen befreit werden würden.

Zwischen der Hölle und dem Paradiese liegt Al Araf, d. h. die Trennung, eine freudlose Gegend, welche zur Aufnahme der kleinen Kinder, der Wahnwitzigen, der Blödsinnigen und anderer solcher Wesen bestimmt ist, die weder Gutes noch Böses gethan haben; für solche auch, deren gute und böse Thaten sich gegenseitig aufheben, obschon diese durch Mohammeds Vermittelung in das Paradies eingelassen werden können, wenn er durch Anbetung die Waage zu Gunsten derselben neigt. Die Bewohner dieses Raumes können auf jeder Seite mit ihren Nachbarn, mit den Seligen und mit den Verdammten, verkehren, so daß Al Araf für die in der Hölle als Paradies und für die in dem Paradiese als Hölle erscheint.

Al Jannat oder der Garten.

Wenn der wahre Gläubige alle Untersuchungen oder Proben bestanden und alle Sünden abgebüßt hat, so erquickt er sich in dem Pool des Propheten. Das ist ein See mit wohlriechendem Wasser, der eine Monatsreise im Umfange hat und durch den Strom Al Cauther, der aus dem Paradiese herfließt, gespeist wird. Das Wasser dieses Sees ist süß wie Honig, kalt wie Schnee und klar wie Krystall; derjenige, welcher dasselbe einmal kostet, wird niemals mehr von Durste gequält; das ist eine Wohlthat, bei welcher arabische Schriftsteller, die an den brennenden Durst der Wüste gewöhnt sind, mit besonderem Wohlgefallen verweilen.

Nachdem der wahre Gläubige von diesem Lebenswasser getrunken hat, so wird ihm vom Engel Ruschvan das Thor des Paradieses geöffnet. Dieselbe Weitläufigkeit und Genauigkeit, welche bei der Beschreibung der Hölle vorkommt, wird auch bei der Schilderung der Paradiesesfreuden verschwenderisch aufgewendet, bis die Einbildungskraft durch die Einzelheiten geblendet und verworren ist. Der Boden besteht aus dem feinsten Waizenmehl, duftet von Wohlgerüchen und ist statt des Sandes und der Kieselsteine mit Perlen und Hyacinthen bestreut.

Einige Ströme sind rein wie Krystall und rinnen zwischen grünen Ufern, welche mit Blumen geschmückt sind, in andern fließt Milch, Wein und Honig; sie ergießen sich über Betten von Bisam zwischen Einfassungen von Kampher, die mit Moos und Saffran bedeckt sind. Die Luft ist lieblicher als die gewürzreichen Winde Sabäas und wird von sprühenden Springbrunnen abgekühlt. Hier stehet auch Taba, der wundervolle Lebensbaum, der so groß ist, daß ein flüchtiges Roß hundert Jahre nöthig hat, um den Schatten desselben auszumessen. Die Aeste sind mit jeder Art von köstlichem Obst beladen und neigen sich der Hand derjenigen zu, welche sie pflücken wollen.

Die Bewohner dieses wonnereichen Gartens sind in Gewänder gekleidet, welche von Edelsteinen funkeln; sie tragen goldene, mit Perlen und Diamanten besetzte Kronen, wohnen in prächtigen Palästen oder seidenen Lusthäusern und lehnen sich auf schwellende Polster. Hier wird jeder Gläubige hundert Diener haben, welche goldene Schüsseln und Becher tragen, um ihm jede Art von ausgesuchten Speisen und Getränken vorzusetzen. Hier wird er essen ohne Uebersättigung und trinken ohne Berauschung; der letzte Bissen und der letzte Tropfen wird ihn gleicherweise ergötzen wie der erste; er wird keine Ueberfüllung verspüren und keine Ausleerung nöthig haben.

Die Luft wird von der melodischen Stimme Izrafils und von den Gesängen der Töchter des Paradieses ertönen; sogar das Rauschen der Bäume wird eine bezaubernde Harmonie hervorbringen, während zahllose Glöcklein, die an ihren Aesten hängen, durch Lüfte von Allahs Throne in eine sanfte Schwingung versetzt werden.

Ueber dies Alles wird der Gläubige mit weiblicher Gesellschaft in dem vollen Umfange sogar einer morgenländischen Einbildungskraft beglückt werden. Außer den Frauen, welche er auf der Erde hatte und die sich ihm in allen ihren ehemaligen Reizen zugesellen werden, wird er von den Hur al öyün oder Huris, so genannt von ihren großen schwarzen Augen, Bedienung empfangen; sie sind von Schönheit strahlende Wesen und frei von allen menschlichen Mängeln oder Gebrechlichkeiten; sie behalten ununterbrochen ihre Jugend und Schönheit und erneuern ihre Jungfrauschaft. Zweiundsiebenzig derselben sind jedem Gläubigen zugedacht. Der Umgang mit demselben wird je nach ihrem Wunsche fruchtbar sein oder nicht, und der Sprößling wird in einer Stunde zu derselben Größe, welche die Aeltern haben, heranwachsen. Damit der Gläubige für die Genüsse dieser wonnereichen Region vollständig ausgestattet sei, so wird er in der Blüthe der Männlichkeit, in dem Alter von dreißig Jahren und in Adams Gestalt, welcher dreißig Ellen maß, aus dem Grabe auferstehen; er wird auferstehen mit allen seinen Fähigkeiten, welche für einen Zustand übernatürlicher Vollkommenheit erhöht sind; mit den Geschicklichkeiten von hundert Menschen und mit den Wünschen und Begierden, welche durch den Genuß eher gereizt als übersättigt werden.

Diese und ähnliche Seligkeiten sind dem geringsten unter den Gläubigen verheißen; es giebt jedoch Grade ebenso der Wonne wie des Verdienstes; aber was die Genüsse betrifft, welche den treuesten Dienern bereitet sind, so fand Mohammed die Kraft zur Schilderung erschöpft und machte gern von der biblischen Stelle Gebrauch, daß es solche Dinge sein sollten, welche kein Auge sehen, kein Ohr gehöret hätte, und die in das Herz keines Menschen gedrungen wären.

Die Erklärer des mohammedanischen Gesetzes unterscheiden sich in ihren Ansichten über den Sinn der ganzen Lehre von Belohnung und Strafe. Die Einen fassen jedes Ding in bildlichem, die Andern in buchstäblichem Sinne. Die Ersteren behaupten, daß der Prophet in Gleichnissen, auf eine den groben Begriffen und sinnlichen Neigungen seiner Zuhörer angemessene Weise redete, daß die Freuden des Himmels sowohl geistiger als leiblicher Art sein würden, da eine Auferstehung des Körpers und der Seele stattfände. Die Seele würde sich einer übernatürlichen Entwickelung und Verwendung aller ihrer Kräfte, einer Erkenntniß aller Naturgeheimnisse erfreuen, da ihr die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft vollständig aufgeschlossen würde. Die Genüsse des Leibes würden den verschiedenen Sinnen gleichmäßig entsprechen und zu einer übernatürlichen Höhe erhoben werden. Dieselben Ausleger nehmen auch die Beschreibung der Hölle in bildlichem Sinne. Die Qualen der Seele bestehen nach ihnen in unaufhörlichen Gewissensbissen wegen begangener Verbrechen und in tiefer und stets wachsender Verzweiflung über den Verlust des Himmels, die des Leibes aber in marternder und niemals endender Pein.

Die andern Lehrer, welche die Beschreibung jedes Umstandes buchstäblich verstehen, werden als die rechtgläubigsten betrachtet und ihre Partei ist bei weitem die zahlreichste. Die meisten Einzelheiten in der Lehre von den Belohnungen und Strafen haben, wie bereits bemerkt wurde, mit dem Aberglauben der Magier und jüdischen Rabbinern eine genaue Verwandtschaft. Die Huris oder schwarzäugigen Mädchen, welche eine so herrliche Rolle im moslemischen Paradiese spielen, sollen dasselbe sein, was die Huram Behest der persischen Magier sind, und von christlichen Forschern wird Mohammed beschuldigt, zu seiner Schilderung des Himmels Vieles aus der Beschreibung des Neuen Jerusalem in der Offenbarung Johannis entlehnt zu haben, und zwar mit solcher Abänderung, welche von Juwelieren vorgenommen wird, wenn sie gestohlene Juwelen zum eigenen Nutzen sich aneignen.

Von der Vorherbestimmung

Auf die Vorherbestimmung gründete sich augenscheinlich Mohammeds Vertrauen rücksichtlich der Erfolge seiner militärischen Unternehmungen. Er lehrte ausdrücklich, daß jedes Ereigniß von Gott vorher bestimmt und in das von Ewigkeit her vorhandene Verzeichniß vor der Schöpfung geschrieben worden wäre. Das Schicksal jedes Einzelwesens und die Stunde seines Todes wäre unwiderruflich festgestellt und könnte durch keinen menschlichen Scharfsinn und keine menschliche Vorsicht abgeändert oder vermieden werden. In dieser Ueberzeugung stürzten sich die Moslemen ohne Bedenklichkeit wegen Gefahren in das Schlachtengewühl, und da der Tod in der Schlacht dem Märtyrerthum gleich geachtet wurde und zum unmittelbaren Eintritte in das Paradies berechtigte: so hatten sie in jedem Wechselfalle, bei Tod oder Sieg, die Gewißheit des Gewinnes.

Viele Muselmänner behaupten nun, daß diese Lehre, nach welcher die Menschen durch ihren freien Willen weder Sünde vermeiden, noch Strafe abwenden können, der Gerechtigkeit und Gnade Gottes Abbruch thue; es sind auch einige Parteien entstanden, welche diesen verwirrenden Glaubenssatz zu mildern und zu erläutern versuchen; aber die Zahl dieser Zweifler ist sehr gering, und sie werden nicht für rechtgläubig gehalten.

Die Lehre von der Vorherbestimmung gehört zu jenen zeitgemäßen Offenbarungen Mohammeds, welche in Ansehung ihres gelegenen Hervortretens fast wunderbar waren. Sie geschah unmittelbar nach der verhängnißvollen Schlacht von Ohod, in welcher viele von seinen Gläubigen und unter ihnen sein Oheim Hamza getödtet wurden. Damals machte er in einem Augenblick des Trübsinns und der Niedergeschlagenheit, wo seine Anhänger rings um ihn muthlos waren, diese Lehre bekannt, indem er sagte, daß jeder Mensch zu der festgesetzten Stunde sterben müßte, gleichviel ob auf seinem Bette oder auf dem Schlachtfelde. Er erklärte überdies, daß ihm der Engel Gabriel verkündigt hätte, Hamza wäre mit dem Ehrennamen »Löwe Gottes und des Propheten« in den siebenten Himmel aufgenommen worden. Bei Betrachtung der todten Leiber fügte er hinzu: »Ich bezeuge, daß diese und alle Andern, welche für die Sache Gottes gefallen sind, bei der Auferstehung in Herrlichkeit erscheinen und die Wunden derselben wie Scharlach leuchten und wie Bisam riechen werden.«

Welche Lehre hätte verkündigt werden können, die mehr darauf berechnet gewesen wäre, eine Rotte unwissender und räuberischer Krieger auf der wilden Bahn der Eroberung vorwärts zu treiben, als die Zusicherung von Beute, wenn sie am Leben blieben, oder des Paradieses, wenn sie fielen. Sie machte die moslemischen Waffen beinahe unwiderstehlich; aber sie enthielt gleicherweise das Gift, welches ihre Gewaltherrschaft zerstören mußte. Sobald als die Nachfolger des Propheten aufhörten, Angreifer und Eroberer zu sein, und das Schwert in die Scheide steckten, begann die Lehre von der Vorherbestimmung ihr verderbliches Werk. Verweichlicht durch Frieden und sinnliche Genüsse, welche der Koran gestattet und seine Lehren von der lautern und Selbstverleugnung fordernden Religion Christi so augenfällig scheidet, betrachteten die Moslemen jedes Unglück als von Gott vorher geordnet und unvermeidlich, das mit Gleichmuth ertragen werden müßte, da menschliche Anstrengung und Vorsicht vergeblich wären. Der Wahlspruch: »Hilf dir selbst und Gott wird dir helfen,« war eine Lehre, welche bei Mohammeds Anhängern niemals Gültigkeit hatte, und die Kehrseite dieser Lehre ist das Schicksal derselben gewesen. Der Halbmond hat dem Kreuze gegenüber abgenommen und besteht in Europa, wo er einst so mächtig war, nur noch durch die Zustimmung oder richtiger durch die Eifersucht der christlichen Großmächte, um wahrscheinlich in kurzer Frist den Beweis zu liefern, daß »diejenigen, welche das Schwert nehmen, durch das Schwert umkommen sollen.«

B. Von den religiösen Handlungen

Es giebt vier Gattungen religiöser Handlungen, nämlich das Gebet mit Einschluß der Waschung, das Almosengeben, das Fasten und das Wallfahren.

Das Gebet nebst der Waschung

Die Waschung ist als Vorbereitung auf das Gebet anbefohlen, weil die Körperreinheit als Sinnbild der Seelenreinheit betrachtet wird. Sie wird mit besonderer Genauigkeit im Koran vorgeschrieben. Das Gesicht, die Arme, die Ellbogen, die Füße und ein Viertheil des Kopfes müssen einmal, die Hände, der Mund und die Nasenlöcher dreimal gewaschen, die Ohren müssen mit dem Reste des für den Kopf gebrauchten Wassers befeuchtet und die Zähne mit einer Bürste gereinigt werden. Die Waschung muß auf der Rechten angefangen und auf der Linken geendigt werden; bei der Waschung der Hände und Füße muß man bei den Fingern und Zehen beginnen; wo Wasser nicht zu haben ist, kann feiner Sand gebraucht werden.

Das Gebet soll an jedem Tage fünfmal verrichtet werden. Die erste Gebetszeit ist früh zwischen dem Anbruch der Morgenröthe und Sonnenaufgang; die zweite beginnt Mittags, wenn die Sonne nach Westen sich zu neigen anfängt, und endigt, wenn der Schatten des Körpers dem Körper an Größe gleich kommt; die dritte beginnt Nachmittags, wenn der Schatten länger wird als der ihn werfende Körper, und schließt noch vor Sonnenuntergang; die vierte dauert von Sonnenuntergang bis zum Ende der Abendröthe; die fünfte vom Anbruche der Nacht bis vor Aufgang der Morgenröthe. Ein sechstes Gebet zwischen der ersten Nachtwache und dem Tagesgrauen ist nicht geboten, sondern wird freiwillig verrichtet.

Diese Gebete sind nur Wiederholungen derselben preisenden Ausrufung: »Gott ist groß! Gott ist mächtig! Gott ist allmächtig!« und werden von Gewissenhaften an einer Perlenschnur gezählt. Sie können sie in der Moschee oder auf jedem gesäuberten Platze verrichten. Während des Gebetes sind die Augen nach dem Kebla oder nach der Gegend von Mekka gewendet; dies ist in jeder Moschee durch eine Nische, Al Mehrab genannt, und äußerlich durch die Richtung der Thürme und Thore angedeutet. Selbst die beim Gebete zu beobachtenden Stellungen sind vorgeschrieben, und der feierlichste Act der Anbetung besteht in der Neigung des Vorderkopfes bis zur Erde. Frauen dürfen die Arme beim Beten nicht ausstrecken, sondern müssen sie über die Brüste zusammenschlagen. Sie dürfen nicht so tiefe Verbeugungen wie die Mannspersonen machen, müssen mit leiser und sanfter Stimme beten und dürfen die Männer nicht in die Moschee begleiten, damit die Gemüther der Gottesverehrer in der Andacht nicht gestört werden. Wenn sich die Gläubigen an Gott wenden, so sind sie verpflichtet, dies mit Demuth zu thun, weshalb sie kostbare Schmucksachen und prächtige Anzüge abzulegen haben.

Viele von den mohammedanischen Gebräuchen beim Gebete sind denen ähnlich, welche schon vorher von den Sabäern beobachtet wurden; andere stimmen mit dem Ceremonial überein, welches von den jüdischen Rabbinern vorgeschrieben war. Solche sind die Stellungen, die Verbeugungen und Niederwerfungen und die Wendung des Gesichtes nach dem Kebla, welches jedoch bei den Juden in der Richtung des jerusalemischen Tempels war.

Beten ist bei den Moslemen eine tägliche Uebung; aber am Freitage wird eine Predigt in der Moschee gehalten. Dieser Tag wurde als derjenige, an welchem der Mensch geschaffen wurde, unter den morgenländischen Völkern allgemein heilig gehalten. Die sabäischen Götzendiener weihten ihn der Astarte oder der Venus, dem schönsten unter den Planeten und dem glänzendsten unter den Sternen. Mohammed bestimmte ihn zum Sabbat seiner Anhänger, zum Theil vielleicht aus ehemaliger Gewohnheit, hauptsächlich aber, um ihn vom Sonnabende der Juden und vom Sonntage der Christen zu unterscheiden.

Die Almosen.

Es giebt zwei Arten von Almosen, nämlich erstlich solche, welche das Gesetz vorschreibt; sie heißen Zacat, gleichen dem Zehnten in der christlichen Kirche und werden in bestimmt bezeichneten Antheilen von Geld, Waaren, Vieh, Getreide oder Baumfrüchten entrichtet; dann freiwillige Gaben, Sadacat genannt, welche der Geber nach eigenem Gutdünken spendet. Jeder Moslem ist verpflichtet, auf die eine oder die andere Weise ein Zehntel seines Einkommens den Hilfsbedürftigen und Nothleidenden zur Erleichterung mitzutheilen.

Das Fasten

Vom Fasten wird angenommen, daß es ebenfalls von den Juden entlehnt sei. In jedem Jahre muß sich jeder wahre Gläubige dreißig Tage lang, während des Monates Rhamadan, vom Aufgang bis zum Untergange der Sonne des Essens und Trinkens, des Bades, der Parfümerien, der ehelichen Beiwohnung und aller andern sinnlichen Ergötzlichkeiten enthalten. Dies wird als großer Triumph der Selbstverleugnung, als Ertödtung und Bezähmung der verschiedenen Begierden und als Reinigung der Seele und des Leibes angesehen. Von diesen drei Stücken der religiösen Praxis pflegte der Prinz Abdalasis zu sagen: »Beten führt uns die Hälfte des Weges zu Gott; Fasten geleitet uns bis an seine Thürschwelle; aber Almosen bringen uns vor sein Angesicht.«

Das Wallfahren

Jeder wahre Gläubige ist verbunden, während seines Lebens entweder in Person oder durch einen Stellvertreter eine Pilgerreise nach Mekka zu machen. Im letzteren Falle muß sein Name in jedem Gebete, das der Stellvertreter verrichtet, genannt werden. Verpflichtet zu der Pilgerfahrt sind jedoch nur freie Personen von gesundem Geiste, die außerdem genug Körperkraft und Vermögen besitzen, um die Strapazen und Ausgaben bei der Reise tragen zu können. Der Pilger ordnet vor der Abreise seine sämmtlichen Angelegenheiten, die öffentlichen wie die häuslichen, gleich als wenn er sich auf den Tod vorbereitete. An dem festgesetzten Tage, entweder an einem Dienstage oder Donnerstage oder Freitage, welche dem Vorhaben günstig erachtet werden, versammelt er seine Weiber, Kinder und alle seine Hausgenossen und empfiehlt sie und alle seine Angelegenheiten während seines heiligen Unternehmens mit Andacht der Obhut Gottes. Hierauf zieht er das eine Ende des Turbans unter dem Kinn hin bis auf die entgegengesetzte Seite des Kopfes, ergreift einen Stock von bitterer Mandel, nimmt von den Seinigen Abschied und eilt aus dem Gemache mit dem Rufe: »In dem Namen Gottes unternehme ich dieses heilige Werk, indem ich auf seinen Schutz vertraue. Ich glaube an ihn und in seine Hände lege ich meine Thaten und mein Leben.« Beim Verlassen des Thores wendet er das Gesicht nach dem Kebla, wiederholt bestimmte Stellen aus dem Koran und fügt hinzu: »Ich wende das Gesicht nach der Heiligen Kaaba, dem Throne Gottes, um die Wallfahrt zu vollbringen, welche in seinem Gesetze geboten ist, und die mich ihm näher bringen soll.« Endlich setzt er den Fuß in den Steigbügel, schwingt sich in den Sattel und empfiehlt sich wiederum Gott dem Allmächtigen, Allweisen und Allbarmherzigen und tritt die Wallfahrt an. Die Zeit der Abreise wird immer so berechnet, daß die Ankunft in Mekka zu Anfang des Pilgermonats Dhu'l-Hadschdschi erfolgt.

Drei Gesetze müssen während dieser frommen Reise beobachtet werden. Diese sind: Fange keinen Zank an; ertrage mit Sanftmuth jegliche Bitterkeit und Schmähung; befördere Frieden und Wohlthätigkeit unter den Genossen der Karavane. Außerdem soll der Pilger während der Wallfahrt bei Geschenken und Werken der Barmherzigkeit freigebig sein.

Wenn er in die Nähe von Mekka kommt, so läßt er das Haar und die Nägel wachsen, entkleidet sich bis auf die Haut und legt den Ihram oder das Pilgergewand an, welches aus zwei Stücken ohne Naht und Verzierung und aus jedem Stoffe, nur nicht aus Seide bestehen darf. Eins derselben ist um die Lenden gefaltet, das andere wird über den Nacken und die Schultern geworfen, wobei jedoch der rechte Arm frei bleibt. Der Kopf ist unbedeckt, nur den Greisen und Schwachen wird erlaubt Etwas um denselben zu legen, wenn sie Armen dafür ein Almosen reichen. Schirme sind als Schutzmittel wider die Sonne erlaubt, und arme Pilger ersetzen durch einen Lappen am Ende eines Stabes die Stelle derselben. Der obere Theil des Fußes muß bloß sein; zu diesem Zwecke werden besondere Sandalen angeschafft, oder es wird ein Stück vom Oberleder des Schuhes ausgeschnitten. Der auf solche Weise gekleidete Pilger heißt Al Mohrem. Der Ihram der Frauen besteht in einem weiten Mantel und Schleier, durch welche die ganze Person eingehüllt wird, so daß bei strenger Beobachtung die Handgelenke, die Knöchel und sogar die Augen verdeckt sind.

Wenn der Ihram einmal angelegt ist, so muß er bis zur Beendigung der Pilgerfahrt getragen werden, wie unangemessen er auch der Jahreszeit oder der Witterung sein mag. Während der Pilger mit demselben bekleidet ist, muß er sich aller Heftigkeit im Ausdrucke, alles wollüstigen Umgangs, aller Zänkereien und Gewaltthätigkeiten enthalten, ja nicht einmal einem Insecte, das ihn belästigt, darf er das Leben nehmen, obgleich eine Ausnahme rücksichtlich der bissigen Hunde, der Skorpione und der Raubvögel gemacht wird.

Bei der Ankunft in Mekka läßt er das Gepäck in irgend einer Niederlage und begiebt sich, ohne Aufmerksamkeit auf ein weltliches Geschäft, geraden Weges nach der Kaaba, geleitet von einem der Metowefs oder Führer, welche immer zur Hand sind, um Pilgern ihre Dienste anzubieten. Wenn er in die Moschee durch das Bab el Salam, d. i. das Thor der Begrüßung, eintritt, so wirft er sich viermal auf die Erde und wiederholt gewisse Gebete, wenn er unter dem Gewölbe hingeht. Bei der Annäherung an die Kaaba wirft er sich dem Schwarzen Steine gegenüber viermal nieder und küßt hierauf denselben, oder wenn er durchs Gedränge daran verhindert wird, berührt er ihn mit der rechten Hand und küßt dann diese. Nach dem Weggange vom Schwarzen Steine behält er das Gebäude auf der linken Seite und verrichtet die sieben Umgänge, die ersten drei schnell und die letzten vier in langsamem und feierlichem Schritte. Gewisse Gebete werden mit leiser Stimme wiederholt und am Schlusse jedes Umganges wird der Schwarze Stein geküßt. – Der Towaf, d. i. Procession, um die Kaaba war eine Ceremonie, welche lange vor Mohammeds Zeit beobachtet und von beiden Geschlechtern ganz nackend vollzogen wurde. Mohammed verbot diese Entblößung und ordnete den Ihram an. Die weiblichen Hadschdschi halten den Towaf gemeiniglich des Nachts, obschon sie ihn bisweilen unter die Männer gemischt bei Tage verrichten. – Nach Beendigung der sieben Umgänge drückt der Pilger die Brust an die Mauer zwischen dem Schwarzen Steine und dem Thore der Kaaba und bittet mit ausgestreckten Armen um Vergebung seiner Sünden. Hierauf begiebt er sich nach dem Makam, d. i. nach Abrahams Station, wirft sich viermal auf die Erde, bittet um die Vermittelung Abrahams, und von da zur Quelle Zem Zem, und trinkt so viel Wasser, als er schlucken kann.

Während dieser sämmtlichen Förmlichkeiten hat der ununterrichtete Hadschdschi den Metowef (Führer) nahe bei sich, welcher ihm Gebete zur Wiederholung vormurmelt. Jetzt wird er aus der Moschee durch das Thor Bab el Zafa zu einer mäßigen, ungefähr fünfzig Schritt entfernten Anhöhe, dem Hügel Zafa, geführt, wo er, nachdem er mit aufgehobenen Händen ein Gebet gesprochen hat, den heiligen Gang beginnt. Dieser heißt Saa, d. i. Prüfung, und geht durch eine gerade und ebene Straße, Mesaa genannt, die eine Länge von sechshundert Schritt hat, wie ein Markt mit Buden besetzt ist und sich an dem Platze Merowa endigt. Dieser Gang der Prüfung wird zum Andenken an Hagars Wanderung unternommen, welche über dieselbe Stelle ging, um Wasser für ihren Sohn Ismael zu suchen. Der Pilger geht manchmal langsam wie ein Suchender, dann springt er an einen bestimmten Platz, und schreitet wiederum ernst weiter, bisweilen stehen bleibend und ängstlich rückwärts blickend.

Nachdem dieser Auf- und Niedergang auf dieser Straße siebenmal wiederholt worden ist, betritt der Hadschdschi am Merowa eine Barbierstube; sein Kopf wird geschoren, seine Nägel werden beschnitten, während der Barbier Gebete murmelt und der Pilger dieselben wiederholt. Die Abschnitzel des Haares und der Nägel werden in geweihten Boden begraben, und die wesentlichsten Pflichten der Wallfahrt sind erfüllt.

Am neunten Tage des Monats Al Dhu'l-Hadschdschi begeben sich die Wallfahrer in Eile und mit Lärmen auf den Berg Arafat, wo sie bis zu Sonnenuntergang bleiben; die Nacht bringen sie betend in der Kapelle Mozdalifa zu und steigen am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang in das Thal Mena hinab; daselbst werfen sie sieben Steine nach jedem der drei Pfeiler, um Abraham und auch Adam, wie Einige sagen, nachzuahmen, der von diesem Orte den Teufel mit Steinen vertrieb, als er von ihm in seinen Andachtsübungen gestört wurde.

Das sind die hauptsächlichen Förmlichkeiten, welche dieses bedeutungsvolle moslemische Glaubenswerk der Wallfahrt bilden. Bevor wir jedoch diesen Abriß des mohammedanischen Glaubens und die sagenhafte Geschichte seines Gründers schließen, können wir nicht umhin, eine von seinen Neuerungen zu bemerken, welche über alle seine Bekenner Verwirrung und über fromme Pilger besondere Unbequemlichkeiten gebracht hat.

Das arabische Jahr besteht aus zwölf Mondsmonaten, welche abwechselnd dreißig und neunundzwanzig Tage enthalten, so daß an jedem Sonnenjahre eilf Tage fehlen. Um diesen Mangel auszugleichen, wurde vor Mohammeds Zeitrechnung zu jedem dritten Jahre ein dreizehnter Monat hinzugefügt, zu demselben Zwecke, wie in dem christlichen Kalender in jedem Schaltjahre ein Tag eingeschoben wird. Mohammed, welcher ungebildet und mit der Sternkunde unbekannt war, schnitt diesen dreizehnten oder Schaltmonat ab, weil er der göttlichen Ordnung für die Umwälzungen des Mondes zuwider wäre, und gestaltete den Kalender um zufolge einer göttlichen Offenbarung während der letzten Wallfahrt. Dies wird in der neunten Sure des Korans in folgender Weise erwähnt: »Die Zahl der Monate ist zwölf, wie es von Allah geordnet und auf die ewigen Tafeln geschrieben wurde an dem Tage, wo er den Himmel und die Erde schuf. Versetze nicht den heiligen Monat in einen andern, denn das ist wahrlich eine Neuerung der Ungläubigen.«

Die Zahl der so ausfallenden Tage beläuft sich in 33 Jahren auf 363. Es wird daher nothwendig, am Schlusse jedes dreiunddreißigsten Jahres ein Schaltjahr hinzuzufügen, um die mohammedanische Zeitrechnung auf die christliche zurückzuführen.

Eine große Unbequemlichkeit, welche aus dieser Offenbarung des Propheten sich ergiebt, besteht darin, daß die moslemischen Monate die Jahreszeit nicht anzeigen, da sie jedes Jahr um eilf Tage früher anfangen. Dies ist zu gewissen Zeiten für die Andächtigen Mekkas eine empfindliche Beschwerde, da der große Pilgermond Dhu'I-Hadschdschi, in dessen Laufe sie halb nackend den Ihram zu tragen gezwungen sind, die Runde durch die Jahreszeiten macht, da er zu einer Zeit in den tiefen Winter, zu einer andern in die glühende Hitze des Sommers fällt.

Obgleich Mohammed laut der sagenhaften Geschichte dem Monde befehlen konnte, daß er vom Firmamente herabstieg und um das heilige Haus wandelte: so konnte er doch nicht die monatlichen Umwälzungen desselben beherrschen und fand, daß die Wissenschaft der Zahlen sogar über seine Prophetenbegabung erhaben ist.


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