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Zweiter Teil.

1.
Der Pfingstkönig

Wir sind also wieder zu Hause, in dem lieben, armen Ungarn.

Die rosigen Pfingsten dämmern, eine rosige Dämmerung. Frühmorgens, gleich nach dem ersten Hahnenruf zieht eine Bande brauner Musikanten musizierend durch die Gassen von Nagy-Kún-Madaras, vor ihnen mit blankgezogenem – Haselstecken der Stadtgeschworene, und an seinem in schrecklich würdevolle Falten gelegten Gesichte sieht man, daß er heute amtlich beschäftigt ist und noch keinen Schnaps getrunken hat.

Der wackere Geschworene ist ganz in Blau gekleidet, wie es sich für einen Mann von Rang und Würde schickt, seinen runden Hut schmücken ein paar aufgeblühte Pfingstrosen, im Knopfloch hat er einen Busch Nelken mit Muskatblättern stecken, an seinem seidenen Gilet trägt er silberne Knöpfe, sein Gesicht ist rot, sein Schnurrbart spitz aufgewichst, seine Stiefel mit Sporen und Quasten verziert. Seine Schritte sind so steif und klein, als ob er zwischen Eiern ginge, nicht um die Welt würde er zur Seite scheu und noch weniger rückwärts auf die hinter ihm gehenden Zigeuner; nur wenn sie vor dem Fenster eines Stadtrates oder eines Wahlbürgers vorüberkommen, winkt er mit hochgeschwungenem Stock, man habe jetzt langsamer zu gehen und stärker zu trompeten.

Bei dem lauten Schall der Musik erwachen die Bewohner der Gassen, die Fenster werden geöffnet und die jungen Mädchen sehen, in ein schnell umgenommenes Tuch gehüllt, zum Thor heraus und wünschen dem Herrn Andreas Varga einen guten Morgen; aber der Herr Andreas Varga kennt niemanden, denn er bekleidet heute ein großes Amt, das ihm nicht erlaubt, sich herabzulassen.

Nun kommt er zu den Häusern der hochwürdigen Herren; hier muß er hineingehen, denn er hat da ein besonderes Geschäft, da erwartet ihn nämlich ein Glas Schnaps, dessen besänftigende Wirkung auf seinem Gesichte bemerkt wird, sobald er zurückkehrt.

Nachdem er das alles ausgeführt hat, bleibt ihm noch das wichtigste Berufsgeschäft übrig, Seine Gnaden, den Herrn Jancsi gebührend zu begrüßen.

Das ist keine Kleinigkeit, denn der Herr Jancsi hält gezähmte Bären in seinem Hof, die einen auffressen, selbst einen Geschworenen, ohne Rücksicht auf sein Amt, oder man kann unter die Jagdhunde geraten, die einen in Stücke zerreißen. Zu seinem Glück stand eben ein Heiduck in roter Montur im Thor, den er mit großer Höflichkeit ansprach.

– Sind Seine Gnaden der Herr Jan– Jan– Jancsi schon aufgestanden?

– Ei, ihr könnt ja eure paar Worte gar nicht herausbringen. Er ist noch gar nicht schlafen gegangen.

Herr Varga trollte sich weiter. Jetzt mußte er noch im Gemeindehaus den Richtern Bericht abstatten, was Herr Varga auch ohne alle Weitläufigkeit that, indem er sagte: Ich habe alles beendigt!

– Gut, Herr Varga.

Machen wir uns jetzt mit bedeutenderen Männern bekannt. In dem ehrwürdigen Gemeindesaal hängen in langen Reihen die Porträts der Celebritäten des Landes und der Stadt an den Wänden; dazwischen blieb kaum Raum genug für die Leichenwappen der verstorbenen Patrone, Senioren, Kuratoren und Fundatoren, auf dem Tische lagen große, drohend aussehende dicke Bücher, darauf bleierne Tintenfässer standen, der Tisch selbst war nach allen Richtungen mit Tinte bekleckst und beschmiert.

Man läutet eben erst die Frühglocke und schon sind die Räte im Saal versammelt und sitzen der Reihe nach, die Ellenbogen aufgelegt, um den Tisch, Präsident ist der Richter, ein wackerer dicker Mensch.

Bei der Thüre steht eine Schar junger Männer mit kurzen, bis zum Knie reichenden leinenen Hosen, die mit Messingknöpfen besetzten Dolmánys auf die Schulter geworfen, bunte Schnupftücher im Knopfloch und bespornte Stiefel an den Füßen.

Der vorderste unter diesen jungen Männern ist der vorjährige Pfingstkönig.

Es ist ein hoher, schlanker Bursche mit gebogener Adlernase und einem langen, dreifach gewundenen, durchaus mit Wachspomade gesteiften Schnurrbart; sein langer, vorgebogener Hals ist schwarz bis zur Grenze des Hemdes und von da weiter wie mit einer andern Haut bedeckt. Seine Tracht weicht von der der übrigen ab; anstatt der weiten Leinwandhose trägt er ein enges, beschnürtes Beinkleid und darüber Kordovanstiefel mit langen Quasten; die glänzende Schnalle seiner blinkenden Leibbinde blickt kokett unter der kurzen grünseidenen Weste hervor, aus jeder Tasche des Dolmánys hängt ein buntes Tuch, das mit einem Ende an das Knopfloch gebunden ist, an den Fingern trägt er Reif- und Siegelringe, so vom Fleisch überschwollen, daß er sie nicht mehr herabnehmen kann.

Aber was den Burschen besonders auszeichnet, das ist ein großer Kranz, den er auf dem Kopfe trägt. Diesen haben die Mädchen aus Zweigen der Trauerweide und aus Blumen gewunden, sodaß lange Gewinde aus Nelken und Rosen auf die Schultern des Burschen gleich den langen Locken der Mädchen niederfließen, nur sein Gesicht ist von diesem Gehänge frei.

Diesen Kranz möge nun der gewinnen, der es imstande ist.

– Nun Martin, sagt der Richter zu ihm, Pfingsten ist wieder da.

– Ich weiß es, edler Herr, ich war gestern in der Kirche, ich hab' es gehört, wie der hochwürdige Herr es gesagt hat.

– Willst du auch heuer Pfingstkönig bleiben?

– An mir soll's nicht fehlen, edler Herr; ich bin es jetzt schon im sechsten Jahr.

– Weißt du, wie viel Eimer Wein du seitdem ausgetrunken, wie viel Flaschen du zerbrochen, von wie viel Sautänzen und Hochzeitsfesten du die Gäste hinausgeworfen hast?

– Das weiß ich nicht, edler Herr, ich habe mir's nur angelegen sein lassen, überall dabei zu sein, und ich kann sagen, daß mich weder Wein, noch ein Mensch je umgeworfen hat.

– Lesen Sie ihm nur vor, Herr Notar, wie viel Eimer Wein und wie viel zerbrochene Köpfe ihm aufgeschrieben worden sind.

Und aus der Liste ging hervor, daß Martins sechsjähriges Pfingstkönigtum der Gemeinde 72 Eimer Wein gekostet hat, daß seinetwegen mehr als hundert Unterhaltungen zerstört wurden, daß er endlich einen Wirt reich gemacht hat, indem er ihm jede Woche die Gläser zerbrach, welche die Gemeinde bezahlen mußte.

– Und hast du zusammengezählt, wie oft deine Pferde zu Schaden gekommen sind?

– Darum kümmere ich mich nicht; ich hüte sie nicht, sondern meine Untergebenen.

– Wie viel Mädchen du verrückt gemacht hast?

– Warum lassen sie es zu?

– Durch deine Hände ist viel unrechtes Gut gegangen.

– Man hat mich noch niemals ertappt.

– Aber dein Pfingstkönigtum kommt der Stadt teuer zu stehen.

– Ich weiß, daß die Kasse der Stadt hiermit nichts zu thun hat, sondern daß der Vater des Herrn Johann von Karpáthi, dessen würdevolles Porträt dort an der Wand hängt, der Gemeinde eine Summe zu dem Zweck hinterlassen hat, daß einerseits die alte Sitte aufrecht erhalten, andererseits die Veredlung der Pferde befördert werde, weshalb an jedem Pfingstfest die berittenen Burschen aus der Umgegend zusammenkommen und ein Wettrennen abhalten; ich weiß auch, daß, wer bei dieser Gelegenheit Sieger bleibt, in allen Wirtshäusern der Stadt auf Kosten jener Hinterlassenschaft trinken darf, daß seine Pferde jedes Gemeindeglied hüten muß, und daß nicht er seinen etwaigen Schaden zu bezahlen braucht, sondern derjenige, der schlecht acht gegeben hat; seiner hat der Sieger freien Zutritt zu jeder Gasterei und Hochzeit und wenn er einmal in guter Laune jemanden hinauswirft, so trifft ihn dafür keine Leibesstrafe, er wird weder geschlagen, noch eingesperrt.

– Ei, du wärst ein guter Advokat geworden, wo hast du so fließend reden gelernt?

– Sechs Jahre hindurch bin ich immer Pfingstkönig geblieben, antwortete der Bursche, sich stolz in die Brust werfend, ich war daher in der Lage, meine Rechte zu studieren.

– Na, na, sprach der Richter mit tadelndem Ton; es ist nicht gut sich so zu verlumpen, Martin; du wirst dich zu sehr an dieses Leben gewöhnen und dann wird es dir schwer werden, zur Ordnung zurückzukehren, deinen Wein selbst zu bezahlen und für Vergehungen gestraft zu werden, wenn du heut oder morgen dein Pfingstkönigtum verlierst, und leicht kann es sich treffen, daß einmal ein Bursche kommt, der es dir zuvorthut.

– Der Mensch ist noch nicht geboren worden, sprach Martin, sich stolz in Positur werfend.

Die Herren Ratsmitglieder sahen ein, daß es vergebens sei, hier zu streiten, wie es auch nicht der passende Ort war, der Autorität einer so hochansehnlichen Person entgegen zu treten. Man ging daher zu den Vorbereitungen der Festlichkeit über.

Vier Fässer Wein, jedes besonders, wurden auf Wagen geladen, ein anderer war mit frischgebackenem weißen Brot bepackt und hinter die Wagen wurden die zwei Ochsen, welche geschlagen werden sollten, an den Hörnern angebunden.

– Das wird so nicht gut sein, sprach Martin, der jetzt den respektvollen Ton abgelegt hatte, mit seinem seit den sechs Jahren gewohnten befehlshaberischen Ton. Da muß größere Pracht sein; wer hat schon gesehen, daß man die Ochsen, die fürs Volk bestimmt sind, hinten an die Wagen bindet, sie müssen von den Fleischhauern an den Hörnern geführt werden, an die Hörner muß man Citronen stecken und Bänder anbinden.

– Ei, wie er das alles anzugeben weiß.

– Auf jedes der Fässer muß sich eine Jungfrau setzen, die den Wein in einer Kanne mit Handhaben verteilt.

– Befiehlst du noch etwas, Martin?

– Ob! die Zigeuner müssen mir mein Lieblingsstück aufspielen, wenn wir aufbrechen und zwei Heiducken mein Pferd halten, wenn ich mich aufsetze.

Alles geschah nach seinem Befehl.

Das Volk beendete schnell den Gottesdienst und brach in schöner Ordnung nach dem Felde auf. Vorne ritten zwei Geschworene, mit Bändern umwundene Fokos (Beile) in der Hand haltend, hinter ihnen spielte die auf einen Wagen gepackte Zigeunerbande, mit himmelanschreienden Tönen Martins Lieblingsstück. Hinterdrein kamen die beiden bebänderten Ochsen, von aufgeschürzten Fleischergesellen geführt, die der alte auf dem Karren sitzende Brugós (Baßgeigenspieler) fortwährend bat, sie möchten um Gottes willen den Stier nicht loslassen, denn er wäre der erste, den das Tier wegen seiner roten Hosen mit den Hörnern aufspießen würde.

Hierauf kamen die Wagen mit den Speisevorräten, hinterdrein die Wagen mit den Weinfässern, auf deren jedem eine muntere Dirne saß.

Jetzt folgte Herr Varga. Das Schicksal hatte ihn noch höher erhoben, denn er saß zu Pferde und hielt eine große rote Fahne in der Hand, die er wacker schwenkte. Nach der Befriedigung, die aus seinem Gesichte strahlte, war zu schließen, er bilde sich ein, daß, wenn Martin Pfingstkönig ist, er Pfingstpalatin sei. Endlich kommt der Pfingstkönig. Sein Pferd ist nicht sehr schön, aber ein großes, starkknochiges, sechzehn Faust hohes Tier, und was demselben an Schönheit fehlt, das ist durch bunten Aufputz ersetzt; die Mähne ist in zwölf mit Bändern durchflochtene Zöpfe abgeteilt, die Satteldecke ein Wolfsfell.

Er sitzt nicht schlecht zu Pferde. Er scheint zwar ein bißchen locker zu sitzen, aber das rührt nicht von dem eingenommenen Frühstück, sondern von seiner hochmütigen Nachlässigkeit her; wenn er auch bald zur Seite, bald rückwärts baumelt, so sitzt er doch so fest auf dem Pferde, als wenn er damit zusammengewachsen wäre.

Ihm zur Seite reiten zwei Bürger mit gezogenen Säbeln; sie müssen darauf acht geben, daß sie immer ein wenig rückwärts bleiben, denn sobald Martins Pferd merkt, daß ihm ein anderes um eine halbe Kopflänge voraus sei, so beißt es den Nebenbuhler, daß er zu schreien anfängt.

Hinter ihm kommt die lange Reihe der Bursche, die den Preis gewinnen wollen; in dem Gesicht eines jeden leuchtet ein Hoffnungsstrahl, er werde siegen. Wer weiß, ob nicht die Füße seines Pferdes seit dem vorigen Jahr länger, die der andern schwächer geworden sind.

Der Zug wird von herrschaftlichen Equipagen und Bauernwagen geschlossen, die großen Staub aufjagend den Reitern folgen, bepackt mit lustigem Volk und aufgeputzt mit grünem Laub und wehenden bunten Tüchern.

So gelangen sie auf die Ebene. In dem Augenblick kündigen Böllerschüsse an, daß der höchste Patron, Herr Jancsi, der reiche Nabob, von seinem Kastell abgefahren sei. Das Volk stellt sich in den Gärten und den Friedhöfen auf. Die Reiter nehmen die Ebene ein, einer oder der andere läßt stolz sein Pferd einige Sprünge machen, alle lassen ihre Sporen laut klingen und machen untereinander Wetten, die mit Wein bezahlt werden müssen.

Bald kündigt eine hinter den Gärten entstehende Staubwolke an, daß der Herr Jancsi naht; die auf einem Hügel stehenden Buben laufen mit großem Geschrei herab, denn jetzt wird bald geschossen werden.

Zwei eiserne Mörser sind in die Erde eingegraben und mit hineingeschlagenen Holzpflöcken verschlossen; ein erfahrener Mann, der den Franzosenkrieg mitgemacht hat, nähert sich auf dem Bauch kriechend mit einer langen Stange, an deren Ende brennender Schwamm befestigt ist, und brennt, die Zündlöcher berührend, die beiden Geschütze los; die Holzpflöcke stiegen in die Luft, das Volk rennt auseinander, um von den Pflöcken nicht getroffen zu werden, und wie diese niederfallen, eilt es wieder hinzu, um zu sehen, ob sie sich nicht oben verwandelt haben.

Sobald die herrschaftlichen Kutschen sichtbar werden, erschallt in der Ferne von dem Volk ein lautes Vivatrufen (das ungarische Éljen war damals noch nicht im Gebrauch), worauf sogleich allgemeines Gelächter erfolgte.

Herr Jancsi hat sich nämlich für diese Gelegenheit den Scherz ausgedacht, daß er dem Zigeuner Vidra ein prachtvolles mit Gold gesticktes Kleid anlegen und ihn in seine vierspännige Staatskutsche setzen ließ, während er selbst hinter ihm in einem Bauernwagen fuhr; das Volk rief seine Vivats dem goldenen Kleide, als es aber sah, daß der Zigeuner drin stecke, wurde das Gelächter um so großer, das unterhielt nun den alten Herrn sehr.

Außer seinem Hofnarren kamen seine liebsten Gäste mit Korhi Miska aus dem Bácser Komitat, der fünftausend Joch besaß und zuweilen auf ein Wort zum Nachbar (nach Großkumanien) zu kommen pflegte, so zum Beispiel kam er einmal im März und fragte ungefähr Ende August, wer zum zweiten Vicegespan von Szabolcs gewählt worden sei, zu Hause hatte er aber den Auftrag gegeben, daß man nicht zu ernten und Heu zu machen anfange, bis er zurückkomme. So blieb denn seine ganze Fechsung auf den Feldern. Der zweite war der berühmte Csenkö Laczi, Besitzer des schönsten Gestütes in Unterungarn, der, wenn ihn nicht jemand anders auf seinen Wagen mitnahm, zu Fuß ging, weil es ihm um seine schönen Pferde leid that. Der dritte war Berki Laczi, der berühmteste Jäger in der Umgegend, der so schöne Lügen nacheinander erzählen konnte, als ob man sie ihm diktierte. Der vierte war Kalotai Fritzi, der die seltsame böse Gewohnheit hatte, Pfeifen, silberne Löffel, Taschenuhren u. dergl. zu stehlen; die ihn kannten, wußten, wenn sie etwas vermißten, recht gut, wo sie es zu suchen hatten; sie packten ihn ohne Umstände und untersuchten ihn, er aber kam dadurch nicht im mindesten in Verlegenheit. Endlich war da Kutyfalvi Bandi, der wackerste Trinker und Raufer im ganzen Lande, der, so oft er trank, seine Zechgenossen prügelte; trinken konnte er aber wie ein Nilpferd und niemals wurde er betrunken gesehen.

Aus solchen Käuzen bestand die Gesellschaft des Herrn Jancsi, die sich alle in dem Gedanken gefielen, daß man sie originelle Bursche nannte, und um diesen Titel um so besser zu verdienen, fortwährend unerhörte Dummheiten ersannen, unter welchen folgende die solidesten waren: den Pferden der Gäste die Schwänze abschneiden, deren neue Kutschen zerhacken, das Haus während der besten Unterhaltung anzünden, am hellen Mittag, während die meisten Leute in der Stadt sind, über die Promenade in einem Kostüme gehen, das man nur in der Schwimmschule trägt, orthodoxe Juden zwingen, Speck zu essen und mehrere solche geniale Streiche, die man zur Zeit für sehr witzig hielt.

Sobald die vornehmen Gäste angelangt waren, bliesen die braunen Musikanten einen dreimaligen Tusch, dann maßen die Geschworenen die Rennbahn aus, stellten Herrn Varga mit der roten Fahne zum Ziel hin, die berittenen Burschen stellten sich in einer durchs Los bestimmten Ordnung auf und alles war so geordnet, daß die vornehmen Zuschauer das Rennen von ihren Kutschen aus gut sehen konnten.

Die Rennbahn war tausend Schritte lang.

Herr Jancsi wollte schon mit seinem Stock mit goldenem Knopf winken, daß der dritte Mörser zum Zeichen des Beginns losgebrannt werde, als er von der andern Seite der Pußta einen Burschen in gestrecktem Galopp herreiten sah, der, bei den beiden Geschworenen angelangt, stehen blieb, den Hut lüftete und bündig ankündigte, daß auch er sein Glück probieren und am Rennen teilnehmen wollte. Als ihn die Geschworenen fragten, wer er sei, antwortete er: Fragen Sie nicht, wer ich sei, was ich sei; wenn ich besiegt werde, gehe ich ohnedies fort, siege ich aber, so bleibe ich da.

Niemand kannte den Burschen. Es war ein sechsundzwanzigjähriger Jüngling mit schönem braunen Gesicht, einem kleinen krausen Schnurrbart, der mit den Spitzen nach oben aufgewichst war, sein Haar floß in langen Locken auf die Schultern nieder, seine Augen waren schwarz und feurig, sein Wuchs klein, aber muskulös und geschmeidig, seine Tracht volksmäßig, aber äußerst rein, an seinem weißen, wallenden Hemd konnte man nicht das geringste Fleckchen finden, seinen Hut mit dem langen Reihergras trägt er so hübsch wie irgendein Kavalier.

Möge er das Pferd, auf welchem er sitzt, von wo immer her haben, es ist ein prächtiges Tier; es ist ein unruhiges siebenbürgisches Vollblutpferd mit langen bis zur Erde reichenden Mähnen- und Schwanzhaaren; keinen Augenblick kann es ruhig stehen, fortwährend tanzt es und bäumt sich.

Man läßt ihn ein Los ziehen und dann mengt er sich unter die übrigen Reiter.

Während er um seine Aufnahme bat, besichtigten die herrschaftlichen Roßkämme sein Pferd; um den Reiter kümmerten sie sich nicht, aber das Pferd erregte ihre Aufmerksamkeit.

Endlich wurde das Signal gegeben; beim ersten Mörserkrachen begannen die Pferde sich zu bäumen, beim zweiten Schuß beruhigten sie sich, die Ohren aufmerksam spitzend, nur ein oder das andere unerfahrene Pferd bockte ein wenig. Dann krachte der dritte Mörser und in diesem Augenblick brach die ganze Reihe auf der Rennbahn aus.

Fünf oder sechs ließen gleich anfangs die übrigen hinter sich, das sind die hitzigsten Reiter, die ihren Pferden gleich am Anfang die Sporen geben, dann aber zurückbleiben; unter ihnen war auch der zuletzt angekommene Bursche.

Der Pfingstkönig reitet noch in der Mitte der übrigen und hat seine Peitsche noch nicht gerührt.

Als sie dreihundert Schritte vor waren, nahm er plötzlich sein Pferd zwischen die Sporen, ließ die Peitsche knallen, jauchzte und war dem ganzen Trupp um drei Schritte voraus.

Jetzt beginnt der Lärm, das Peitschenknallen, jeder Reiter liegt seinem Pferd auf dem Halse, die Hüte fallen, die Mentes fliegen und in der Mitte der Bahn glaubt jeder, er werde der Sieger sein; ein Pferd stürzte samt dem Reiter, die übrigen fliegen vorwärts.

Von den Kutschen aus konnte man gut sehen, wie der Pfingstkönig alle übrigen hinter sich ließ und die Gewinde seines Kranzes hinter ihm nachflogen. Von denen, die gleich im Anfang zuvorgekommen waren, bleibt jetzt einer nach dem andern zurück und so oft einer zurückbleibt, knallt er mit der Peitsche und ruft hochmütig: Vorwärts Kamerad!

Im vierten Teil der Bahn war es schon klar, daß er allen voraus war, nur dem fremden Burschen nicht.

Martin sucht auch diesen zu überflügeln, sein Pferd ist länger, aber das des andern schnell wie der Wind. – Nur noch zweihundert Schritte sind bis zum Ziel... Der junge Bursche sieht auf seinen Nebenbuhler mit lächelndem Selbstvertrauen zurück; die Herren in den Kutschen rufen: laß dich nicht! was beide Nebenbuhler angehen kann; Herr Jancsi sieht dem interessanten Rennen stehend zu.

Na, jetzt wird er ihn bald überholen!– Nein, auch der hat seinem Pferde die Sporen gegeben. Er knallt mit der Peitsche und fliegt wie der Wind. – Million! was für ein Pferd und wie sitzt der Junge drauf! – Na Marczi (Martin), jetzt ist's aus mit deinem Pfingstkönigtum! – Nur noch hundert Schritte sind bis zum Ziel ... Jetzt ist's vorbei, er holt ihn nicht mehr ein.

So war es auch, der fremde Bursche gelangte um anderthalb Sekunden früher zum Ziel, als Martin, und blieb bei der Fahne stehen. Martin nahm indes, so wie er kam, dem Herrn Varga schnell die Fahne aus der Hand und rief triumphierend dem Burschen zu: Glaube mir nicht, du habest gesiegt, denn es ist bestimmt, daß derjenige Pfingstkönig ist, der die Fahne früher kriegt, die halte ich aber in meiner Hand.

– So? erwiderte der Bursche ruhig; das habe ich nicht gewußt. Na, beim zweiten Rennen werde ich schon acht geben.

– So? sagte Martin; glaubst du, daß ich dich mir zuvorkommen lassen werde? das wirst du nicht, Auch jetzt hast du's nur dem zu verdanken, daß mein Pferd vor deinen wallenden Ärmeln erschrocken ist, sonst wärst du weit hinter mir geblieben. Na komm nur zum zweitenmal, ich will dir schon zeigen, wer da Mann ist.

Indes langten auch die übrigen Renner an, denen Martin mit hundert Gründen zu erklären eilte, wieso es möglich war, daß der fremde Bursche früher ans Ziel kam, als er; endlich kam es gar heraus, daß der Fremde nicht einmal früher ans Ziel gekommen sei, außer etwa um die Breite eines Haares.

Der fremde Bursche ließ ihn ruhig ausreden und ritt guter Laune zurück nach dem Ausgangspunkt. Diese Ruhe, diese selbstvertrauende Nachgiebigkeit gewannen ihm vollständig die Sympathie des Publikums gegen den zänkischen Martin; es wurden Wetten abgeschlossen, und zwar zehn gegen eins, daß der Fremde in allen drei Rennen Sieger bleiben werde.

Die Mörser werden wieder geladen, die Bursche stellten sich wieder in Reihe auf und auf den dritten Schuß brach der Trupp auf. Jetzt sprangen die beiden Helden zugleich aus der Reihe der übrigen vor. In der Mitte der Bahn waren sie schon ihren nächsten um einige Klafter voraus und dicht nebeneinander bleibend ritten sie der Fahne zu.

Ganz bis zum Ende der Bahn war keiner von beiden imstande, den andern zu überholen. Als sie schon kaum fünfzig Schritte vom Ziel entfernt waren, knallte der Fremde plötzlich stark mit der Peitsche, worauf das erschrockene Pferd drei wütende Sätze machte und dem Pferde Martins um eine ganze Kopflänge zuvorkam und dieser Unterschied blieb unabänderlich bis zum Ziele immer derselbe, obwohl der Pfingstkönig sein schäumendes Pferd mit dem Peitschenstiel schlug.

Der fremde Bursche war früher bei der Fahne und riß sie dem Herrn Varga so heftig aus der Hand, daß dieser vom Pferde fiel.

Martin hieb außer sich vor Wut mit der Peitsche nach der Fahne und riß in das rote Zeug ein Loch. Vergebliche Wut. Die Geschworenen kamen hinzu, nahmen dem vor Wut zitternden Martin den Kranz vom Kopf und setzten ihn dem Sieger auf.

– Ich brauche den Hut nicht, rief er heiser, als man ihm seinen Hut reichen wollte. Ich werde den Kranz aufs neue gewinnen.

– Man muß sie rasten lassen, riefen die Herren von den Kutschen.

– Nicht nötig, erwiderte Martin trotzig; ich bin nicht müde, mein Pferd auch nicht, wir rennen und sollte es uns auch das Leben kosten. Nicht wahr, Ráró (der Name des Pferdes).

Das Pferd scharrte, als ob es verstände, was man zu ihm sagte, mit dem Fuß und warf den Kopf auf die Brust. Die Geschworenen führten die Jugend zurück an den Ausgangspunkt.

Viele sahen ein, daß sie mit den beiden Reitern nicht konkurrieren konnten und mischten sich unter die Zuschauer, sodaß noch kaum sechs andere mit den beiden Nebenbuhlern ritten.

Um so interessanter wurde das Rennen, da man nur wenigen die Aufmerksamkeit zuzuwenden brauchte.

Bevor man sich zum dritten Rennen anschickte, stieg der Fremde vom Pferde, schnitt sich in der Nähe des Friedhofes eine Weidengerte ab, entblößte diese der Blätter, hängte sich seine Peitsche um den Hals und setzte sich wieder zu Pferde.

Bisher hatte er sein Pferd nicht geschlagen.

Als das edle Tier das Sausen der dünnen Gerte hörte, begann es sich zu bäumen. Es stellte sich auf die beiden Hinterfüße, biß wütend in die Zügel und tanzte aufrecht stehend. Man begann für den Burschen zu fürchten, nicht, daß er vom Pferde falle, denn davon war keine Rede, sondern daß es ihn aufhalten werde; schon krachte der zweite Schuß, die anderen ließen die Zügel nach und waren bereit zu rennen, aber sein Pferd bäumte sich noch oder scharrte die Erde.

Sobald der dritte Schuß losging, schlug der Fremde sein Pferd mit der Gerte und ließ den Zügel los.

Wie der Wind flog das geschlagene Pferd dahin, wild und rasend, wie ein scheues Pferd, das mit dem Reiter durchgeht. Niemand, aber niemand kam ihm nahe, selbst Martin blieb schon in der Mitte der Bahn um mehrere Klafter zurück und das Volk staunte über die Kühnheit des Reiters, wie über die Wut des Pferdes; plötzlich fiel dem Burschen der Blumenkranz vom Kopfe und wurde von den nachfolgenden Pferden mit den Hufen zertreten.

Er selbst bemerkte dies nicht eher, als bis er zum Ziele kam, wo er das Pferd schon früher zurückhalten mußte. Das Ziel hatte er erreicht, aber die Krone verloren.

– So kann er nicht Pfingstkönig sein! riefen mehrere. Warum hat er die Krone verloren?

– Also wer wird es denn sein? Die Krone hatte niemand bemerkt, sie war in den Staub getreten.

– Das ist keine Gerechtigkeit! riefen die meisten, während mehrere ein neues Rennen beantragten.

– Ich bin zu allem bereit, sagte der fremde Bursche.

– Wart, Bursche, sprach Martin mit heiserer Stimme und zitternd vor Wut, es soll sich entscheiden, wer von uns wackerer ist. Hier auf der Bahn hast du mir's zuvor gethan, das geb' ich zu; du hast ein besseres Pferd und das kann jeder Narr, wenn er ein schnelles Pferd hat, setzt ein Kind darauf, so wird es mir auch zuvorkommen. Aber komm, zeige, ob du auch dort ein Mann seist, wo man selber etwas thun muß. Sieh, hier ist viel Volk beisammen und für so viele Leute hat man nicht mehr als zwei Rinder herausgebracht. Die werden zu wenig sein. Komm mit, wenn du Mut hast, wir wollen ein drittes herbeischaffen. Wir brauchen nicht weit zu gehen, hier mitten im Röhricht hält sich ein vertriebener Stier auf, der schon seit zwei Wochen die Gegend in Schrecken hält, er tötet Menschen, treibt Herden auseinander, zerstört die Getreidemandeln, wirft die Wagen der Reisenden um und verjagt die Arbeiter vom Feld in die Stadt. Alle Béres (Knechte) und Gulyás (Rinderhirten) der Stadt zusammen waren nicht imstande, ihn mit vereinten Kräften zu fangen; gehen wir zwei hin und wer von uns beiden ihn da hertreibt, der soll Pfingstkönig sein.

– Meine Hand darauf, sprach der fremde Bursche, seinem Nebenbuhler in die Hand schlagend und ohne sich erst zu besinnen.

Diejenigen, welche diese Wette hörten, begannen sich von den beiden Nebenbuhlern zurückzuziehen; das sind ja verrückte Menschen, die den wilden Stier unter das Volk treiben wollen.

– Da ist nichts zu fürchten, sobald wir ihn hertreiben, wird er zahm, wie ein Lamm, oder wir bleiben dort.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von der kühnen Wette. Der furchtsame Teil des Volkes suchte sich hinter den Gräben der Gärten und Friedhöfe zu bergen, die mutigeren Burschen setzten sich zu Pferde, um den beiden nachzureiten und den Ausgang des Wagnisses zu sehen; auch die Herren ließen sich Pferde bringen und selbst Herr Jancsi fuhr mit seinem Bauernwagen nach. Vielleicht glaubte er, vor ihm werde selbst das wilde Tier Respekt haben.

Kaum eine halbe Stunde von der Stadt beginnt der ungeheure Sumpf, der sich von da hinab bis nach Püspök-Ladány und hinauf bis Nádudvar und Tißafüred erstreckt; da hätte nicht bloß der wilde Stier Platz, sondern auch noch der Hyppopotamus.

Auf einer Seite liegen reiche Kornfelder und auf der andern zeigt hohes, dunkelgrünes Schilf die Linie an, bis zu welcher sich das Wasser erstreckt und nur ein schmaler Damm trennt die Wiesen und Felder von dem Sumpf.

Von den auf den Wiesen zerstreut hausenden Hirten konnte man mit leichter Mühe erfahren, wo sich der Stier jetzt aufhalte.

Jetzt muß er sich eben zwischen den Sträuchern der Weideninsel befinden, dorthin sahen sie ihn einbrechen, die ganze Nacht brüllte er dort und nur am Tage schwieg er.

Vor allem ist es nötig zu wissen, was für ein Tier solch ein vertriebener Stier ist.

Wenn zu einer Herde zwei Stiere kommen, oder neben dem schon da befindlichen noch ein Stier aufwächst, so verhalten sie sich den Winter hindurch ruhig, höchstens stoßen sie, wenn sie zusammenkommen, brummend ihre Stirnen aneinander und drehen sich so einer um den andern und wenn der Bojtár (Hirtenjunge) seinen Stab zwischen sie wirft, so laufen sie auseinander. Aber sobald der Frühling anbricht und die gewürzigeren Kräuter das grasfressende Tier kühner machen, wenn das Blut zu sieden beginnt, so fangen beide an, die Hörner höher zu tragen, schon von fern brüllen sie, wenn sie sich sehen und die Gulyáse müssen das Zusammentreffen der beiden Tiere zu verhüten suchen. Wenn dann an einem heißen Sommertage, während die Hirten unter ihren Gubas (Pelzen) schlafen, die beiden feindlichen Häuptlinge sich antreffen, so beginnen sie einen entscheidenden Kampf, der gewöhnlich mit dem Fall oder der Flucht des einen endigt. Dann bemühen sich die Hirten schon vergebens, die beiden Kämpfer zu trennen. Das erboste Tier sieht und fühlt nichts, es strengt alle seine Kräfte an, um den Gegner zu besiegen. Oft dauert der Kampf stundenlang auf einem kleinen Raum, auf welchem sie den Rasen so aufwühlen, als wäre er gepflügt. Der, dessen Kräfte abzunehmen beginnen, fühlt, daß der Gegner stärker ist, beginnt unter schrecklichem Geheul zu fliehen, irrt in der Pußta wild herum, läuft mit blutiger Zunge, blutigen Augen über die Felder, kehrt oft dahin zurück, wo er die Schmach erlitten, mischt sich aber nicht mehr unter die Herde, und wehe jedem lebenden Wesen, das er trifft; schon von ferne beginnt er es zu verfolgen, es giebt Fälle, daß er den auf einen Baum geflüchteten Reisenden tagelang bewacht, bis ihn die Hirten, die zufällig hinkommen, vertreiben, ja in neuerer Zeit griff ein solches wildes Tier den Szolnoker Eisenbahnzug an und wurde, als es mit vorgehaltenen Hörnern auf die Lokomotive losstürzte, von derselben zerschmettert.

Nach der Anweisung der Hirten war der Aufenthaltsort des Stieres leicht zu finden, man sah zwischen dem hohen Schilf zwei Wege, welche er eingetreten hatte; die beiden Burschen ritten getrennt auf beiden Wegen fort, um das Tier zu suchen. Die aus Neugierde mitgekommenen Reiter stellten sich auf dem Damm auf, von wo sie eine weite Übersicht hatten.

Kaum war Martin zwischen dem Schilf hundert Schritte weit geritten, als er das Brummen des Stieres hörte. Einen Augenblick überlegte er, ob er nicht den auf der andern Seite reitenden Burschen rufen sollte, aber der Stolz siegte in ihm, er wollte das Tier allein besiegen und die mit einer Drahtschlinge endende Fangpeitsche vornehmend, die er dann zusammengewunden am Arm trug, brach er kühn nach dem Platz auf, von wo er das Brummen hörte.

Da lag das starke Tier mitten im Schilf bis zu den Knieen in den Sumpf vergraben und hatte ringsherum das Schilf entweder in der Wut oder aus Vorsicht niedergetreten.

Sobald es das nahende Geräusch vernahm, hob es den Kopf empor und ein Horn stand, in einem frühern Kampf verbogen, nach vorn, das andere gerade aufwärts. Die schwarze Stirn hing voller Kletten, an der Nase war eine nicht vernarbte Wunde sichtbar.

Sobald der Stier den nahenden Reiter erblickte, erhob er sich auf die beiden Vorderfüße und ließ ein langes, wiederholtes, wildes Brüllen hören.

Martin wollte das Tier auf die Ebene herauslocken, wo er mit ihm leichter umspringen konnte, als hier in dem unbekannten Sumpf und ließ wie zum Zeichen der Herausforderung seine Peitsche knallen.

Auf diesen Ton sprang das Tier gereizt auf und stürzte auf den Reiter los.

Dieser wandte sein Pferd und eilte aus dem Sumpf, das wilde Tier nach sich lockend.

Sobald der Stier aufs Feld gelangt war und die auf dem Damme stehende Menge erblickte, wandte er sich, als vermutete er, was man mit ihm vorhabe, um, und legte sich am Rande des Sumpfes nieder.

Martin wandte sich hierauf wieder nach ihm um und knallte mit der Peitsche.

Der Stier heulte, rührte sich aber nicht von der Stelle, sondern steckte die Nase noch tiefer ins Schilf und dann konnte Martin die Peitsche knallen lassen, so viel er wollte, das Tier antwortete nicht, sondern peitschte nur die Luft mit seinem Schweife.

Martin ärgerte dieser Trotz und sich dem wilden Stier nähernd, gab er ihm einen Streich mit der Peitsche. Der zackige Draht am Ende derselben riß einen ganzen Streifen in die Haut des wilden Tieres; aber es rührte sich doch nicht. Der zweite Hieb traf es am Halse und riß ein Stück von der Haut weg; der Stier brüllte nur, stand aber nicht auf und steckte den Kopf so tief ins Schilf, daß die Schlinge nicht darüber geworfen werden konnte.

Jetzt kam der Jäger schon in Wut, er schlug das halsstarrige Tier in einem fort, ohne daß es sich bewegte und schon versammelten sich dort mehrere Reiter, welche die Feigheit des Stieres ärgerte und die ihn mit ihrem Geschrei aufscheuchen wollten.

Da traf ein Peitschenhieb das Auge des Stieres. Blitzschnell sprang er auf, schüttelte den Kopf, stürzte mit Wut auf den Reiter los und ehe sich dieser retten konnte, faßte er ihn an der Seite, warf ihn mit einem schrecklichen Stoß samt dem Pferde in den Staub und trat beide unter die Füße.

Die übrigen flohen erschrocken von der Stelle. Das niedergetretene Pferd bemühte sich, wieder auf die Beine zu kommen; vergebens, das Horn des wilden Tieres hatte ihm die Weiche aufgerissen. Das edle Tier wird an keinem Wettrennen mehr teilnehmen; es fällt blutend zusammen und begräbt unter sich seinen Reiter, der, mit dem Fuß in dem Steigbügel verfangen, sich nicht losmachen kann.

Das gereizte Tier stand schrecklich brüllend auf der Ebene, stampfte mit den Füßen die Erde und aus seinem ausgeschlagenen Auge floß das Blut über die schwarze Brust. Es verfolgte die Fliehenden nicht, sondern wandte sich um und als es das Pferd und den Reiter sah, die sich auf der Erde wälzten, begann es mit Bockssprüngen auf sie loszustürzen, indem es hier und da mit den Hörnern die Erde aufwühlte.

Gott sei dem armen Burschen gnädig!

Endlich gelang es Martin, sich von seinem Pferde zu befreien und als der Stier den Gegner aufrechtstehen sah, stürzte er mit rasender Schnelligkeit, wie eine abgeschossene Kanonenkugel auf ihn los. Ein Schreckensruf erfüllte die Luft, mehrere von den Zuschauern wandten das Gesicht ab, um den Tod Martins nicht zu sehen.

In diesem Augenblick, als das wilde Tier nur noch einen Sprung von seinem Opfer entfernt war, blieb es plötzlich stehen und wandte den Hals nach rückwärts. Die Schlinge einer geschickt geworfenen Fangleine drosselte ihn, das Ende derselben hielt der fremde Reiter in der Hand, der eben jetzt aus dem Schilf hervorgebrochen war. Als er den Lärm des Kampfes hörte, eilte er dahin und kam eben zur rechten Zeit an. Einen Augenblick später und sein Nebenbuhler wäre verloren gewesen.

Als das überraschte Tier die drosselnde Schlinge am Hals spürte, wandte es sich gegen seinen neuen Feind; aber da hatte sich dieser auch schon gewendet und begann, die Leine über die Schulter haltend, über die Ebene zu jagen.

Das war ein Rennen! das schwerfällige, wilde Tier mußte mit dem schnellsten Pferde wettrennen; über Hals und Kopf stürzte es vorwärts, es sah schon nichts mehr und wird rennen, bis es zusammenbricht.

Der Bursche jagte gerade nach der Rennbahn und sprang plötzlich mit seinem Pferd zur Seite; der Stier sprang vor ihm vorüber und nun rannte dieser vorn und der Reiter hinterdrein.

Jetzt nahm der Reiter seine Hetzpeitsche vor und begann den Stier von hinten zu schlagen, worauf er noch schneller rannte; das Pferdegetrapp, das Knallen der Peitsche, das Jauchzen des Volkes nahmen ihm die Besinnung, er rannte nur fort, aus Maul und Nase strömte ihm das Blut und endlich gelangte er auf die Rennbahn; die Beine brachen unter ihm zusammen, er konnte sich nicht mehr aufrecht erhalten, stürzte in einen Graben, streckte sich auf den Rasen nieder und hörte auf zu leben.

Jauchzend und Vivat rufend begleitete das Volk den neuen Pfingstkönig durch die Gassen; er mußte vor den Häusern eines jeden Ratsmitgliedes und des Richters stehen bleiben und auf die Gesundheit eines jeden ein Glas Wein trinken, welche Gewohnheit beweist, daß der Pfingstkönig nicht bloß der beste Reiter, sondern auch der beste Trinker sein muß, eine Eigenschaft, die für ihn um so notwendiger war, da er nach Beendigung alles dessen erst noch im Kastell des Herrn Karpáthi mit den Geschworenen trinken mußte.

Wir behalten uns vor, von diesem Kastell und seinen eigentümlichen Unterhaltungen zu seiner Zeit zu sprechen und um einem neueren Helden unserer Geschichte Platz zu machen, damit er zu einem gleich großen Interesse, wie die übrigen heranwachse, wollen wir jetzt die Nebensachen nur flüchtig erzählen. Übrigens gehört die folgende Unterhaltung nicht zu jenen interessanteren Schauspielen, welche Karpáthis Kastell an jedem Johannis-Enthauptungstage zeigt, wozu sich der ganze Adel und alle Zigeuner der Umgegend versammeln, Schauspieler ihr Theater errichten, Poeten im Deklamieren wahnsinniger Dithyramben wetteifern und berühmte Redner blumenreiche Toaste ausbringen, Feuerwerke abgebrannt und Scheunen in Brand gesteckt werden, bei deren Flammen die braunen Musikanten zum Tanz aufspielen, die Herren mit jungen Bäuerinnen tanzen.

Statt alles dessen werden wir jetzt nur die wilde Unterhaltung des ewigen Bechers sehen, die in folgendem besteht: In einem großen leeren Saal sitzen die originellen Käuze rings um einen großen runden Tisch; im ganzen Saal befindet sich kein einziges Geräte, das man zerbrechen könnte, nur kleine runde Stühle sind da, die keine Lehne haben und die man leicht anpacken kann, um sie jemandem an den Kopf zu werfen. Dann wird einem ein runder Becher ohne Fußgestelle in die Hand gegeben, den man nicht auf den Tisch stellen kann; sobald ihn der Heiduck, der hinter dem Rücken eines jeden Gastes steht, angefüllt hat, muß man ihn austrinken und dem Nachbar reichen. So macht der Becher fortwährend die Runde und so oft ihn jemand ansetzt, muß die ganze Gesellschaft einen Refrain singen.

Das Resultat dieser trefflichen Unterhaltung pflegt zu sein, daß bald der eine, bald der andere aus der Gesellschaft umsinkt und von den Heiducken auf eine Rohrdecke neben der Wand gelegt wird; dort kann er bis zum andern Tag schlafen, die andern trinken weiter. Diese unstreitig sehr gemütliche Unterhaltung dauert so lange, bis nur einer noch am Tisch bleibt und das pflegt gewöhnlich Kutyfalvi Bandi zu sein.

Von der Gattung des aufgetischten Weines läßt sich immer schließen, welchen Ausgang die Unterhaltung haben werde, denn jeder Wein hat einen andern Geist.

Wenn der ewige Becher mit Neßmélyer gefüllt wird, dann wird die Gesellschaft lärmend, gesprächig, eine frivole Anekdote folgt der andern, über welche weidlich gelacht wird; die umsinken, schlafen, ruhig schnarchend, und denjenigen, der sich bis zuletzt aufrecht erhält, küssen die ihn begleitenden Heiducken der Reihe nach. Aber wenn der Wettkampf mit Villányer ausgeführt wird, dann liegt die Gesellschaft schon beim zehnten, der umgesunken ist, sich in den Haaren; jeder wird zornig, will Türken töten und sieht den Nachbar für einen Türken an, die auf der Erde Liegenden brüllen und ächzen, der letzte übriggebliebene Held läßt sich, da er niemand andern vor sich hat, mit den Heiducken in Streit ein und muß gebunden zu Bett gebracht werden.

Einmal probierten sie auf diese Art einen ausländischen Wein und da bildete sich die ganze Gesellschaft ein, sie befinde sich auf einem von Stürmen umhergeschleuderten Schiff; um es zu erleichtern, warf man die Stühle und den Tisch als Ballast zum Fenster hinaus, die auf der Erde Liegenden klagten über Seekrankheit und Kutyfalvi Bandi wollte alle ins Meer hinauswerfen.

Damit aber mit dem Kreisen des Bechers ein doppelter Zweck verbunden werde, nimmt man, besonders wenn viele Gäste da sind, die Karten vor. Sie werden nur um einen kleinen Einsatz spielen, sagen sie, um einen Zwanziger. Nach einer Stunde werden schon Tausende auf ein Blatt gesetzt und nicht wenigen, die sich vorgenommen hatten, sich nicht zu betrinken und nicht hoch zu spielen, passierte es, daß sie zuletzt dennoch berauscht und mit leeren Beuteln unter den Tisch sanken.

Wie wir sehen, verspricht diese geistreiche Unterhaltung keine große Abwechselung, und um mit Vergnügen zu sehen, wie der Poet auf allgemeines Verlangen ein Zigeunerrad (Burzelbaum) macht und umgekehrt der Zigeuner Verse deklamiert, wie der Ortskantor predigt und Herr Korhi Miska den Abendsegen singt, müßten wir unstreitig in einem eben solchen Zustand sein, wie diese Herren. Darum wollen wir die Schilderung hiervon unterlassen.

Sobald die Geschworenen den neuen Pfingstkönig zu Herrn Jancsi geführt hatten, befahl dieser, daß sie sich alle packen sollten; er wollte mit dem Burschen allein sein.

Herr Jancsi nahm eben ein Fußbad und saß in seinem Lehnstuhl, einige bittere Mandeln kauend. Das waren die Vorbereitungen zu dem Trinkgelage am heutigen Abend.

– Wie heißt du, Bursche? fragte er den Pfingstkönig.

– Kis Mihály, zu dienen, gnädiger Herr.

– Na, du Kis Miska, du bist ein wackerer Bursche. Du gefällst mir. Jetzt wirst du ein Jahr lang Pfingstkönig sein, nicht wahr? Was wirst du also dieses Jahr hindurch thun?

Der Bursche drehte sich den Schnurrbart und sah auf den Plafond.

– Das weiß ich selbst nicht; ich weiß nur, daß ich ein größerer Herr sein werde, als ich bisher gewesen.

– Wenn man dich übers Jahr absetzt?

– Dann gehe ich wieder zurück nach Nádudvar, um dort Csikós zu sein, wie ich es bisher gewesen bin.

– Hast du keinen Vater, keine Mutter?

– Keine Spur davon. Ich habe sie niemals gekannt.

– Na warte Miska. Was sagst du, wenn ich dich zu einem noch größern Herrn mache, als du dir vorstellst, wenn ich dich hier in die Gesellschaft der Herren einsetze, dir Geld gebe, so viel du brauchst, damit du mit ihnen trinkest und spielest, als edler Herr von Kis, Grundbesitzer von Nádudvar?

– Meinetwegen; aber ich weiß nicht, wie ich mich benehmen muß, um für einen Herrn angesehen zu werden.

– Je mehr Betyár du sein wirst, für einen desto größeren Herrn wird man dich halten, den Bauer erkennt man nur an der Bescheidenheit.

– Wenn es nichts weiter braucht, so bin ich bereit.

– Du wirst mich überall begleiten, wirst trinken, spielen, Schelmereien treiben, die Männer prügeln und die Mädchen verführen, wenn sie es zulassen. Wenn das Jahr um ist und du nicht mehr Pfingstkönig bist, so legst du deine Herrenkleider ab, trittst bei mir als Heiduckenlieutenant in Dienst, nimmst den roten Mente um und bedienst die Herren, mit welchen du das ganze Jahr getrunken und gespielt und hebst die Fräulein in den Wagen, mit welchen du im Fasching getanzt hast. Ich halte das für einen sehr guten Spaß, vielleicht hältst du es auch dafür. Wie werden die jungen Herren fluchen und die Damen rot werden, sobald sie erfahren, mit wem sie sich das Jahr hindurch unterhalten haben!

Der Bursche überlegte ein wenig, dann nickte er mit dem Kopfe und sagte: Ich bin's zufrieden.

Herr Jancsi sah auf die Uhr.

– Jetzt ist's dreiviertel auf Vier. Denke daran. Von heute über ein Jahr um dreiviertel auf Vier ist deine Herrlichkeit zu Ende; bis dahin bist du ein Herr, wie die übrigen, jeden Monat bekommst du von mir tausend Gulden zum Durchbringen. Da hast du gleich das erste Tausend. Jetzt geh, meine Heiducken werden dich ankleiden, wenn du fertig bist, so komm hinab in den Trinksaal. Gegen die Diener sei grob, sonst merken sie, daß du ein Bauer bist, die Herren mußt du nur mit ihren Bubennamen nennen: Miska (Michael), Bandi (Andreas), Laczi (Ladislaus), Friczi (Friedrich), Lenczi (Lorenz). Mich mußt du, wie du weißt, Jancsi nennen.

Binnen einer halben Stunde war Miska als Kavalier gekleidet.

Im Trinksaal war man schon auch ohne ihn lustig, denn hier sieht man jeden gern, aber gewartet wird auf niemanden. Der Hausherr stellte den Ankömmling seinen Gästen als Herrn Michael, Edlen von Kis, Grundbesitzer von Nádudvar, vor, der als » origineller Kauz« sich als Csikós verkleidet habe, um um das Pfingstkönigtum zu konkurrieren, das er denn auch so wacker errungen hat.

Das hielt jeder für einen originellen Spaß. Man sieht's ihm auch an den Augen an, daß er ein Herr und nicht ein Bauer. Jede seiner Bewegungen, wie er sich setzt, wie er die Ellenbogen auf den Tisch legt, wie er den Hut in die Ecke wirft, sein ganzes betyárisches Benehmen beweist, daß er in besserem Kreise aufgewachsen; ein Bauer würde es hier gar nicht wagen, die Augen aufzuheben, während der mit allen Bruder ist. Jetzt erinnerte sich jeder, ihn schon beim ersten Auftreten als Herrn erkannt zu haben, einige wußten sich sogar genau darauf zu besinnen, daß sie ihn bei den Banketts zu Ehren der Installation des Obergespans gesehen hätten. Miska erinnerte sich natürlich ebenfalls an das alles und nach einer kurzen Weile hatte er schon mit der ganzen Gesellschaft Brüderschaft getrunken und war mit allen so bekannt, als hätte er immer mit ihnen gelebt; er wunderte sich selbst darüber, wie leicht es sei, die Rolle eines Herrn zu spielen.

Der ewige Becher begann jetzt seine Runde. Miska sang ein neues, bisher nicht bekanntes Trinklied, die Gesellschaft nahm es sogleich auf und fand, daß es viel schöner sei, als ihr bisheriges.

Kalotai Friczi stürzte ganz gerührt zu ihm hin und umarmte ihn.

– Stiehl mir nur nichts, während du mich umarmst, sagte Miska, was, da es völlig am Ort war, von der ganzen Gesellschaft als ein großer Witz angesehen wurde, obschon es nichts war als ein Kneipenimpromptu.

Binnen einer Stunde war Miska der Held der ganzen Gesellschaft geworden; im Trinken that es ihm keiner zuvor, er trank den Becher jedesmal bis zur Nagelprobe aus. Man begann zu spielen, er schob das Geld mit vollen Händen in die Tasche, gewann in einem fort und verriet mit keinem Zug auch nur die geringste Freude; er steckte das Geld mit solcher Gleichgültigkeit ein, als hätte er es zu Hause in vollen Säcken, er lieh sogar dem Kalotai Friczi, was die größte Verachtung des Geldes bewies, denn dieser zahlte nie etwas zurück.

Den meisten machte der Wein schon den Kopf schwer, sie waren bereits über die Grenze hinaus, wo der Wein in gute Laune bringt und befanden sich schon im ersten Stadium des Rausches, wo man nicht mehr den Geschmack des Weines, sondern die Schwindel bringende Wirkung desselben empfindet, die zu weiterem Trinken reizt. Kutyfalvi Bandi pflegte in solchem Zustand seine alte Kunst zu produzieren, welche darin bestand, daß er mit aufgerecktem Hals einen ganzen Becher Wein trinken konnte, ohne ein einziges Mal zu schlürfen, er goß sich den Wein nur so hinab. Dazu gehört natürlich eine weite und geübte Kehle und außer Bandi waren kaum noch zwei in der Gesellschaft imstande, es ihm nachzuthun.

– Das alles ist nichts, sprach Kis Miska, indem er Bandis Kunstwerk ohne die geringste Anstrengung nachahmte; aber probiert, ob ihr, wie ich, einen Becher singend leeren könnt, ohne das Singen nur einmal zu unterbrechen.

Das war damals noch ein neues und sehr schweres Kunststück, da es zur Ausführung desselben nicht allein notwendig ist, daß, während der Wein durch den Schlund rinnt, die Luftröhre unbeweglich bleibe, sondern daß man zur selben Zeit einen ununterbrochenen Ton von sich gebe.

Das produzierte Kis Miska zum Staunen aller mit bewundernswerter Geschicklichkeit und übergab den Becher, daß man's ihm nachmache.

Natürlich mißglückte es allen. Mit jedem Becher erfolgte ein neues Fiasko und die Trinker lachten einander aus, weil jeder gezwungen war, während des Trinkens den Gesang zu unterbrechen.

Kis Miska zeigte noch einmal, wie man es machen müsse.

– Her mit dem Becher! rief endlich Bandi und begann es ebenfalls zu versuchen; eine Weile ging's ihm mit dem Gesang fort, aber plötzlich kam ihm ein Tropfen in die »unrechte Kehle« und erstickend gab er, wie ein aus dem Meer auftauchender Walfisch, oder wie ein steinerner Meergott am Springbrunnen, den Trunk wieder von sich.

Diese Scene läßt sich nicht mit vorsichtigerer Umschreibung wiedergeben.

Die guten Leutchen hielten das für eine prächtige Unterhaltung und erzählten oft mit Begeisterung davon.

Die ganze Gesellschaft sprang auf und erstickte beinahe vor Lachen, während Bandi hustete; und wenn sich zuweilen der Sturm seiner Kehle beruhigte, zeigte er mit der Faust nach Miska und rief: Ich erschlage dich! Und als er endlich aufhörte zu husten, schürzte er an seinen dicken, fleischigen Armen die Ärmel auf und schrie heiser: Mach dich bereit, ich erschlage dich. Ich erschlage die ganze Compagnie.

Auf dieses Wort flüchtete sich jeder nach der Thüre; man kannte schon seine Gewohnheit; in solchen Momenten war es gut, vor ihm zu fliehen, oder sich niederzulegen, denn gleich dem Bären that er den auf der Erde Liegenden nichts. Die Heiducken begannen Herrn Jancsi schnell hinauszutragen. Wer seiner Beine am wenigsten mächtig war, der zog sich unter den Tisch zurück.

Nur Kis Miska rührte sich nicht vom Platz.

Kutyfalvi besaß große, brutale Kraft, er konnte einen Sack mit drei Scheffeln Korn mit den Zähnen packen und sich ihn über den Kopf schleudern, er war imstande, einen Thaler zu zerbeißen und ganz allein ein feuriges Pferd einzufangen; diese Eigenschaften erwarben ihm ein solches Ansehen, daß ein großer Grad von Trunkenheit dazu gehörte, wenn einer seiner Bekannten wagen sollte, mit ihm anzubinden und ein solches Wagnis endete gewöhnlich damit, daß der ungeschlachte Riese den schwächern Gegner übel zurichtete.

Wehe dir, Kis Miska! seufzten alle, die sahen, daß er allein sich der Wut des Giganten aussetzte, der außer sich darüber war, daß ihm der Trunk mißlungen; er warf die Stühle über den Haufen und eilte mit ausgestreckten Armen zu Kis Miska hin, um ihm die Knochen im Leibe zu zerschmettern.

Aber der in einen Kavalier verwandelte Csikós war an solche Kämpfe schon gewöhnt und wie der Gegner ihm nahe kam, schlüpfte er ihm schnell unter den Armen durch und zeigte jetzt die Csikóshandgriffe.

Er ergriff ihn mit einer Hand an der Halsbinde und zog daran, daß jenem beinahe der Atem ausging, dann legte er ihm ein Bein unter und hielt ihm mit der andern Hand einen Fuß. Das sind die Handgriffe des Csikós, die selbst der riesenhaftesten Kraft gegenüber zum Ziele führen, nur darf man sich dabei aus ein paar Schlägen auf den Kopf nichts machen; daher gehen die Csikóse gewöhnlich barhaupt in der Sonne herum, damit ihr Schädel hart werde und selbst dem Fokos widerstehe.

Die von der Thüre Zurückblickenden sahen, wie Kutyfalvi Bandi mit mächtigem Krachen zur Erde stürzte, wie der Riese unbeweglich unter dem auf ihm knieenden Gegner lag und sich von oben bis hinab durchbläuen ließ, gerade so, wie er es mit andern zu thun pflegte, wenn er zuweilen einen oder den andern Zechgenossen beim Trinken schlug. Ah, geschieht ihm recht! Alle freuten sich, daß einmal auch an ihn die Reihe gekommen und als Kis Miska endlich die Halsbinde los und den Geschlagenen auf der Erde liegen ließ, da trugen sie den Rächer ihrer vieljährigen Schmach beinahe auf den Händen und tranken auf seine Gesundheit, bis der Morgen anbrach.

Kutyfalvi aber, den die Bedienten nach diesem kleinen Scherz aus dem Saal trugen und in ein Bett brachten, schlief bis zum andern Mittag und träumte, er sei von einem hohen Berg in eine tiefe Schlucht gerollt und habe sich an den hervorstehenden Felsen alle Knochen im Leibe zerschlagen; als er erwachte, wunderte er sich sehr darüber, daß er die Wirkung seines Traumes auch jetzt noch fühlte.

Von dem Tage an war Kis Miska der Liebling des Herrn Jancsi und aller Männergesellschaften der Umgebung.

Zur Erläuterung des letzteren Wortes muß ich bemerken, daß es in Unterungarn, besonders aber im Banat eine Art Männerseparatismus giebt, der sich nicht damit begnügt, den Einfluß der Frauen auf dem Felde der Öffentlichkeit nicht zu dulden, sondern auch im gesellschaftlichen Leben, in den Unterhaltungen die Frauen von sich fern hält. Wo diese zugegen sind, da können sie sich nicht unterhalten, sie denken gleich daran, sie je früher je lieber aus der Gesellschaft zu verscheuchen; die Mitglieder solcher Compagnien sind gewöhnlich Männer, die auch zu Hause die beglückende Nähe eines sanfteren, zarteren Wesens entbehren, die außer den Mägden und den wohlfeilen Schönheiten der Städte jede andere weibliche Bekanntschaft meiden; sind sie verheiratet, so behandeln sie ihre Frauen wie Mägde und die Mägde wie ihre Frauen. Solche Gesellschaften sind die besten Mittel zur Verbreitung jeder Art von Barbarei, sie sind für die jungen Herren wahrhafte Betyárseminarien. Wäre ich ein Dichter, so würde ich solche Gesellschaften Wälder ohne Blumen nennen; doch, ich hätte nicht recht, denn die »Weinblume« wird da sehr geschätzt.

Der Landtag vom Jahre 1825 brachte in diese starken Gesellschaften manchen Riß; der eine wurde durch dieses, der andere durch jenes Amt dem Freundeskreise entrissen und obwohl die sympathischen Seelen sich auch in Preßburg fanden, so machte sich damals doch schon ein neuerer Geist bemerkbar, diese verwilderten Gemüter fingen an, sich mit Politik zu beschäftigen. Diese Beschäftigung war zwar auch noch roh genug, aber sie brachte doch nicht nur die Kehle und die Lunge, sondern auch Geist und Herz in Bewegung, sie erinnerte die Leute, daß es Interessen giebt, die über die Trinkgelage hinausgehen, und daß der Boden, den wir bebauen, verpfänden, verspielen, nicht bloß unsere »Herrschaft«, sondern auch ein Teil des Vaterlandes ist, daß dieses Vaterland Forderungen an uns zu stellen hat, die, sobald wir deren Interessen nicht bezahlen, zu einer ungeheuren Schuld anwachsen.

Kurz anstatt zum Trinken versammelte man sich um den grünen Tisch der Beratung, anstatt der Männergesellschaften besuchten unsere Bekannten nun Klubs und mehr als eines dieser verwilderten Gemüter erkannte jetzt seinen edleren Beruf.

Auch das älteste Mitglied der Familie Karpáthi wurde nach den Normen der nationalen Verfassung zum Landtag nach Preßburg berufen; er trennte sich, wie schwer es ihm auch fiel, von seinen Narren, Heiducken, Hunden, Zechgenossen und Bauerndirnen, nur von Miska konnte er sich nicht trennen. Er nahm ihn nach Preßburg mit.

Indes ist es möglich, daß er dieses nur Spaßes halber that, um den Pseudo-Edelmann mit mehreren Magnaten in Berührung zu bringen, wer weiß, vielleicht verliebt sich noch eine Komtesse in den Jungen, und welch ein Spaß wird es dann sein, ihr den Geliebten in der scharlachroten Montur eines Heiducken vorzustellen, der auf den Bock springt, wenn sich die Herrschaft in den Wagen setzt.

Kis Miska wurde indes infolge seines heiteren Gemüts und seiner hübschen männlichen Gestalt überall günstig aufgenommen.

Die gebildeten Kreise haben ein eigenes Wörterbuch, Rohheit nennen sie Lebhaftigkeit, schlechte Ausdrücke originelle Ausdrucksweise, Heftigkeit männliches Benehmen, Unachtsamkeit Ernst; so kam Miska zu einer ansehnlichen Anzahl guter Eigenschaften, ohne daß er an sich etwas anderes als seine Kleidung geändert hätte. Er war ein geborener Kavalier, jedermann bewunderte – nicht seinen Verstand, denn darum bekümmerte man sich wenig, sondern seine männlichen Vorzüge, sein rotes Gesicht, seine schlanke Gestalt, seine glühenden Augen, seinen schwarzen Schnurrbart und was den Leuten mehr galt als alles Wissen, sein Reiten – und wenn er auch kein Wort sprach, so war er doch ein ganz anderer Mensch als hundert Gelehrte, die sich an ihren Büchern einen krummen Rücken anstudieren; und wenn er auch an den Diskussionen über Privat- und öffentliches Recht nur schweigend teilnehmen konnte, so konnte er doch über einen Gegenstand so sprechen, daß ihm selbst die Väter des Vaterlandes nicht selten gern zuhörten, nämlich über die Frauen. Und in der That cirkulierte mehr als ein Gerücht von seinen sentimentalen Abenteuern mit dieser oder jener Dame, die den hübschen Abenteurer auszeichnete, von dem man zwar nicht wußte, wo er seine Güter habe, der aber augenscheinlich viel Geld besaß.

Herr Jancsi lachte insgeheim, denn die Pfingsten nahten heran und Miska war schon mit den meisten jungen Kavalieren auf du; hier und da konnte man sogar hören, wie sorgsame Mütter sich nach den Umständen des schönen jungen Mannes erkundigten; denn sie sahen es nicht ungern, wenn er ihren Töchtern seine Aufwartung machte und vertrauten Freundinnen teilte man das Geheimnis mit, daß er ernstliche Absichten hege.

Solche Geheimnisse pflegten schnell kund zu werden und der alte Karpáthi fing an, seltsame Anfälle zu bekommen; oft geschah es, daß er in den ernsthaftesten Gesellschaften plötzlich laut lachte, wenn es ihm nämlich einfiel, daß der gefeierte Kavalier in einigen Tagen sein Heiduck sein werde. Manchmal setzte er sich im Bett auf, um zu lachen; ja einmal brach er mitten in der Landtagssitzung, als eben sehr viele Damen auf der Galerie waren und unter der untenstehenden Jugend am meisten seinen Miska belorgnettierten, gerade beim Lesen des Protokolls in ein lautes Gelächter aus, sodaß er darüber »Aktion« (parlamentarische Strafe) bekam. Er zahlte auch damals sein »Birsagium« (die Geldbuße) sogleich und zwar doppelt, weil er sich durchaus nicht vom Lachen zurückhalten konnte.

Endlich brach der schöne Tag an, die Pfingsten waren da.

Karpáthi veranstaltete im Aupark ein kostbares Souper, zu welchem er alle diejenigen einlud, die mit Miska bekannt waren.

Welch ein prächtiger Spaß wird es sein, den so siegreichen Helden der Gesellschaft als Bedienten vorzustellen. Jancsi hätte diesen Spaß nicht für ein Gut hergegeben.

Eben schlug es dreiviertel auf Vier.

Es war schon ausgemacht, daß Miska zu dieser Zeit im Vorzimmer warten solle und nicht eher bei Jancsi vorgelassen werde.

– Was ist das für eine Manier, rief Miska, nachdem man ihn eingelassen hatte, sich in ein Fauteuil werfend; seit wann läßt man unsereinen zehn Minuten im Vorzimmer warten?

Herr Jancsi hatte eine Pfeife im Munde, die er sich eben gestopft hatte.

– Miska, sprach er schlau, steh dort auf von dem Stuhl und zünde mir die Pfeife an.

– Sie haben ja Fidibus neben sich; zünden Sie sich die Pfeife selber an.

Herr Jancsi machte große Augen.

Der Junge muß vergessen haben, was für ein Tag heute ist. Um so interessanter wird es sein, um so mehr wird er überrascht werden.

– Bist du verliebt, Junge, daß du so zerstreut bist? Weißt du nicht, daß heute Pfingsten ist?

– Das müssen die Geistlichen und Kalendermacher wissen, was geht es mich an?

– Ei, ei, besinne dich doch, daß du um dreiviertel auf Vier aufhörst, Pfingstkönig zu sein.

– Na, und dann? fragte Miska, nicht im geringsten betroffen, indem er mit seinem seidenen Sacktuch über die antiken Opalknöpfe seines Attilas fuhr.

– Und dann! rief Jancsi, der in Wut zu kommen anfing, von dem Augenblicke an bist du ja kein Kavalier mehr.

– Was bin ich denn?

– Was du bist? Ein Bauer bist du, ein Betyár, ein Taugenichts, ein hergelaufener Lümmel, der mir die Hand küssen mag, wenn ich ihn als Heiducken aufnehme, damit er nicht Hungers oder am Galgen sterbe.

– Ei freilich! sprach Miska, sich den Schnurrbart drehend. Ich bin Michael Edler von Kis, Herr von Almásfalva, welches ich vorgestern aus der Masse von Kasimir Almásfalvi um hundertundzwanzigtausend Gulden gekauft habe und zwar im Wege einer gerichtlichen Exekution, die mir den sichersten Besitztitel giebt.

Herr Jancsi sank vor Verwunderung beinahe um.

– Um hundertundzwanzigtausend Gulden! Wo und wann hast du so viel Geld erworben?

– Auf ehrlichem Wege, sprach Kis Miska lächelnd, an einem Abend habe ich es im Spiel mit mehreren Kavalieren gewonnen; zwar habe ich noch mehr gewonnen, aber das übrige bestimmte ich zu einem prachtvollen Kastell, das ich auf meinem Gute, wo ich diesen Sommer wohnen will, bauen lassen werde.

Herr Jancsi begann die Sache vollkommen wohl zu begreifen; auf den Preßburger Landtagen pflegte man noch größere Summen zu gewinnen und zu verlieren.

Nur eines verstand er noch nicht.

– Wie konntest du ein Edelgut kaufen? Du bist doch kein Edelmann.

– Das ist auch sehr einfach. Die zwei Wochen, während welcher ich kürzlich nicht hier war, brachte ich in einem Komitat jenseits der Donau zu; dort ließ ich kundmachen, daß ein Mitglied der edlen Familie von Kis da sei, um seine Verwandten aufzusuchen; darum möchten die Edlen von Kis, die sich noch an ihre nach Szabolcs ausgewanderten Verwandten erinnerten und diesen den Anteil an ihren Adelsbrief geben wollten, sich bei dem Unterzeichneten gegen eine Prämie von tausend Gulden melden. Binnen einer Woche erinnerten sich neunundfünfzig Familien Kis an ihre Szabolcser Verwandten, brachten mir ihre verschiedenen Adelsbriefe und ich hatte nichts anderes zu thun, als denjenigen auszuwählen, dessen Wappen mir am besten gefiel; hiermit küßten wir uns und machten die Genealogie zurecht, ich zahlte die tausend Gulden, sie nannten mich ihren lieben Verwandten, ließen das Diplom im Komitat promulgieren und jetzt bin ich ein Edelmann; hier sehen Sie das Wappen an meinem Ring.

Herrn Jancsi gefiel dieser Spaß noch besser als sein eigener; anstatt ihm zu zürnen, küßte er den schlauen Abenteurer, der gescheiter war als alle und die Rolle, die er ihm im Scherz gab, so geschickt und so ernst durchführte.


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