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Kann man im See baden?« fragte ich Ali durch die Tür hindurch.
»Gewiß, Sir … Der Badestrand ist eingezäunt. Wenn Sie links durch den Garten gehen wollen … Ich bitte trotzdem, ein wenig achtzugeben. Zuweilen zwängt sich doch ein Krokodil durch die Pfähle …«
Ich nahm meine Kleider und Freund Fennek in den Arm – der Hunde wegen – und wanderte auf gut Glück durch die bereits schwindenden Nebelschleier. Die Sonne schimmerte durch den Nebel wie ein rötlicher Fleck – aus dem Küchenbau des Hauses drangen allerlei Geräusche und Düfte, im Garten tropften die Blätter, der Boden war feucht, und Freund Fennek setzte die Pfötchen so vorsichtig auf wie ein Altjüngferlein. Er liebte keine Nässe.
Ich fand den Badestrand, den Steg, das Badehäuschen, sogar ein Sprungbrett war vorhanden, und auf dieses wippenden Brettes Spitze saß … Lizzie …
Ihr Badeanzug genügte nicht gerade den Ansprüchen einer Dame von Welt, aber das Lagerleben, zwei Monate in engstem Nebeneinander mit halbnackten Schwarzen – sie war nicht prüde, ihre Verlegenheit galt wohl mehr ihrem inneren Menschen.
»Morgen, Onkel Olaf …«
»Guten Morgen, kleine Lizzie … – Auch schon auf?«
»Sogar schon im Wasser …! Es riecht nur etwas nach Petroleum …«
Ihre Hand lag in der meinen, ihr Blick schweifte zur Sonne empor.
»… Sussik war auch schon hier, Onkel Olaf. Ich habe mich gewundert, ich hielt ihn für wasserscheu, er hat sich am Ufer mit Sand abgerieben, viel gesprochen haben wir nicht, ich war ein Stück hinausgeschwommen … Da ist leider ein Zaun, Onkel Olaf …«
»Warst du etwa außerhalb der eingezäunten Stelle?!« – Ich erschrak – und ich fühlte, wie sehr sich dieses Mädel in mein Herz eingenistet hatte – ein kleines, scheues Vöglein zu Anfang, nun – Weib, und welch prächtiges Weib!
Sie lachte nervös. »Ach, die Krokodile!! Ausgerissen sind sie – Kinder packen sie wohl, einen Erwachsenen doch höchst selten … Und … wenn es geschehen wäre – ich hätte mich nicht bedauert …«
Ihre Stimme zitterte …
»Kind, was fehlt dir?!« Ich setzte mich neben sie … Das Brett war mit einer Bastmatte benagelt, es bog sich herab, und Lizzie lehnte sich an mich.
»… Ich … habe wenig geschlafen in dieser Nacht … Du wirst das verstehen, Olaf … Ich wollte von Percy noch Näheres über meine Eltern erfahren, aber er weigerte sich. Er müsse auf Lady Jane warten, sagte er … Und nichts ist doch schrecklicher als die Ungewißheit … Man hat mich ja stets … belogen, nicht einmal meinen Namen wußte ich, jetzt heiße ich Oldyn …« Sie weinte still in sich hinein. »Lady Jane hat wohl geglaubt«, fügte sie bitter hinzu, »daß meine Eltern noch lebten … Weshalb überließen sie mich Verwandten und Fremden?! Weshalb zogen sie ohne mich hier in die Wildnis und gaben ihr einziges Kind auf und ließen es Neworld nennen?! – Olaf, es war zuviel des Neuen, Unerwarteten in der verflossenen Nacht … Percy fand ich wieder – ich habe ihn immer sehr gern gehabt. Er war später Offizier in Kapland, wir hörten nichts mehr voneinander … Findest du Percy nett, Onkel Olaf?«
»Sehr nett …«
Die Sonne hatte nun den Nebel besiegt. Ganz plötzlich schossen die ersten hellen Strahlen über uns hin … Der feuchte Dunst zerflatterte, die Uferpartien traten klar hervor, und die eigenartigen Schönheiten dieser Insel und dieses Ringsees und des Felsenkranzes drüben, der Sumpf und See trennte, entlockten Lizzie den schmerzlichen Ruf:
» Mein Besitz, meine Insel, meine Farm, Onkel Olaf..! – Das hat Percy so stark betont: Mir gehört dies alles, meine Eltern schufen es in harter Arbeit, und ich bin die einzige Erbin. – Ist das nicht so sehr merkwürdig, Onkel Olaf?! Würdest du dich so leicht in den Gedanken eingewöhnen, daß ein … Mann deinetwegen, um dir dein Erbe zu unterhalten, hier mehrere Jahre so einsam unter seinen Schwarzen und in nächster Nachbarschaft der kriegerischen Gallas gelebt hat – würdest du ihm dann nicht auch sehr, sehr dankbar sein und … und … er war doch schon als Junge so lieb zu mir … und … dich will ich auch nicht verlieren, Onkel Olaf …«
Ich wußte bereits Bescheid, und dieses junge Geschöpf dauerte mich. Ich fühlte die Zerrissenheit ihrer Seele, ich verstand ihre Verlegenheit, ihr Schuldbewußtsein.
»Percy ist ein sehr lieber Mensch«, sagte ich etwas gezwungen heiter. »Aber daß du hier Tränen vergießt, Kind – sei doch glücklich, daß nun alle Unklarheiten aus deinem Leben schwinden werden, gedenke deiner Eltern in stiller Wehmut, nicht in Bitterkeit, noch kennen wir die Gründe nicht, die deinen Vater in diese Wildnis scheuchten … Nein, nicht weinen, Lizzie, und was uns beide angeht, wir … wir … waren doch nur immer sehr sehr gute Freunde, und mehr … hätte aus dieser Freundschaft niemals entstehen können, ich bin alt – vorzeitig alt geworden, vor dir liegt noch ein ganzes Leben, das dir hoffentlich nur Gutes beschert …«
Die Sonnenstrahlen hatten den See mit einem Schlage aus seiner Schläfrigkeit aufgerüttelt … Vogelschwärme fielen ein, das Wasser spritzte und rauschte unter hurtigen Flügeln, ehrwürdige Marabus stelzten im Flachen umher, Nilgänse schwammen strengausgerichtet dahin – in den Bäumen lärmte anderes Getier, Affen kreischten, eine ganze Pavianherde kam drüben über die Felsen zur Tränke, Affenmütter schleppten ihre Jungen, grellrote Enten, schwarze Kraniche – – es gab hier zu viel zu sehen.
»Dein Reich, kleine Lizzie …!«
Sie schaute mir in die Augen, erst noch zaghaft, dann mit leisem Erröten …
»Das von unserer Freundschaft, Onkel Olaf – das hast du sehr hübsch gesagt …«
Sie küßte mich flüchtig, und dann lachte sie und sauste ins Wasser hinab, tauchte sofort wieder auf, strich das nasse Haar aus dem Gesicht …
»Schwimmen wir, Onkel Olaf …! Das Bad ist herrlich!« – –
Frauen …
Immer wieder dasselbe Bild, immer wieder dieselbe entzückende, berauschende Oberflächlichkeit – glückliche Geschöpfe, von der Natur zu so Ernstem bestimmt und doch so tändelnd diese Pflicht der Naturgesetze mit immer wechselnden bunten Blüten umkränzend …
Wir schwammen …
Es war unser erstes und letztes gemeinsames Bad … Als wir am Strande in der Sonne lagen und uns trocknen ließen und Freund Fennek seinen Pelz leckte, denn er hatte mit hineingemußt in das erfrischende Naß, da tauchten drüben Wollköpfe auf und eine überschlanke Frau in derbem Reitanzug, die Büchse über der Schulter, hinter ihr zehn Bischarin, die den Heiitsch Gabara und seinen Sohn Habiru bewachten.
Das Bild brachte uns schnell auf die Füße, und Lizzie entfloh mit einem sanften Kreischen – ihr Badeanzug konnte auch durch den durch eine Decke ergänzten Bademantel nicht recht salonfähig genannt werden, und Lady Jane hatte in diesem Punkte vielleicht sehr strenge Schicklichkeitsbegriffe.
Während das große Ruderboot die Ankömmlinge herüberholte, fand sich auch schon Percy ein, heute in tadellosem Weiß mit Bügelfalten, Tropenhelm und Ehreneskorte von Herrn Ali, Majordomus, sowie sechs Wollköpfen in prallsitzenden Khakiuniformen.
Percy Mac Oldyns Brust war mit drei Tapferkeitsorden geschmückt, die er zweifellos nicht aus einem einschlägigen Geschäft erworben hatte. Er drückte mir mit ein paar liebenswürdigen Worten die Hand und ließ dann einige Teppiche über den Landungssteg breiten – ich schlüpfte schleunigst in meine Kleider und schlug mich genau wie Lizzie seitwärts in die Büsche, weil Percys tadellos frischrasierte Wangen und mein zweitägiger Stoppelbart sich für einen großaufgelegten Begrüßungsakt nicht recht miteinander vertrugen. In der Nähe des Hauses stellten mich vier große Hunde, ich konnte Freund Fennek gar nicht schnell genug in die Arme nehmen, sonst hätten die Köter ihn zerrissen – Sussik erschien mit seiner Lanze als rettender Engel, es gab ein großes Jammergeheul, und als ich dann in meinem Zimmer eingeseift vor dem Spiegel stand, dessen Glas jedes Gesicht lächerlich verzerrte, klopfte es auch schon, und Herr Ali trat ein und bat höflichst, den Herrschaften zur Oase zu folgen, wo Lady Jane Cordy über den Heiitsch Gabara und Sohn zu Gericht sitzen wolle.
Durch das Fenster und eine Baumlücke sah ich den Zug nach dem Innern der mir noch unbekannten Insel zu verschwinden.
Voraus schritten Lady Jane, Lizzie und Percy, hinter ihnen Sir Reginald und sein Reisemarschall Mehmed Said, es folgten die zehn Bischarin mit den beiden Gefangenen, und den Abschluß machten Herr Ali nebst Suite von Wollköpfen und das niedere, weniger festlich gekleidete Volk.
Wie das einem so ergeht: Ausgerechnet brachte ich mir heute am Kinn einen starkblutenden Hautschnitt bei – ich rief nach Sussik, der schräg gegenüber wohnte, er sollte mir die Reiseapotheke und die blutstillende Watte bringen – kein Sussik war da, das ganze Haus wie ausgestorben – schließlich fand ich in Reginalds Zimmer das Nötige und beendete meine Toilette, mich im stillen sehr darüber wundernd, daß Lady Jane es mit dieser »Gerichtssitzung« so überaus eilig gehabt hatte.
Ich verließ das Haus über die Veranda, war noch keine zehn Schritt über den Vorplatz hinweg, als ich auch schon aus der Richtung meines Zimmers einen Höllenlärm vernahm. Ich rannte zurück, ich ahnte schon an dem Heulen der Hunde, was da vorging – die Tür stand offen, mein kleiner Fennek war auf den Schrank geflüchtet, und die großen Rüden schnellten wie die Gummibälle empor und suchten Mukki herabzuholen. – Ich liebe Hunde. Diesmal liebte ich sie nicht, als Plantagenwächter mochten diese mächtigen Tiere, Kreuzungen zwischen Dogge und Bluthund, recht geeignet sein, als Angreifer waren sie gefährlich, und nur ein handfester Stuhl belehrte sie, daß der neue Gast gehörig zuzuschlagen wußte. Der Lärm lockte Sussik herbei, wie ein Blitz vollendete er mit seinem Lanzenschaft erneut die schmerzhafte Belehrung, daß Fennek hier tabu sei. Er war sehr außer Atem, der brave Bischarin, und als der letzte Köter etwas lahm davonflüchtete, rief er mir mit keuchender Brust zu:
»Die … Guasasso-Galla, Olaf …! Sie kommen über den See …!«
Wenn irgend etwas dazu angetan war, uns Beine zu machen, dann war es dieser freche Angriff, der ohne Zweifel irgendwie vorbereitet gewesen sein mußte, da ein so plötzliches Auftauchen der Nomaden und so kurz nach Lady Janes Ankunft unmöglich ohne Zurüstungen der schwerpassierbaren Sümpfe wegen kaum zu bewerkstelligen war.
Ich sperrte Fennek in den Schrank, die Tür war undicht, er konnte nicht ersticken – wir rafften alles an Schußwaffen und Patronen zusammen, was im Augenblick erreichbar war – wir rannten durch den Garten und warfen uns oben am Rande der Uferhöhe nieder.
Es stimmte: drüben wimmelte es von Kriegern – es mußten mindestens zweihundert sein –, sie hatten das Flachboot aus dem Moorgebiet über die Felsen geschleppt, und das große Boot und zwei Nachen befanden sich bereits mitten im See. – Zum Glück sind die Gallas des Schwimmens unkundig, zum Glück wußten sie erst recht nicht mit dem Flachboot umzugehen, das Heck mit dem Motor lag nach uns zu – sie hatten sich Äste als Paddelruder zurechtgemacht, einige arbeiteten mit Stoßstangen …
In dem Flachboot mochten sich dreißig Leute befinden, in jedem Nachen vier – die Fahrzeuge waren überfüllt, und als ich erst einmal die Gesamtlage überschaut hatte, taten mir die strammen, kaffeebraunen stolzen Kerle fast leid.
»Nicht schießen, Sussik!« mahnte ich, als ich neben mir das Einschnappen eines Büchsenschlosses hörte.
Ich nahm die schwere 10,4-Büchse, ich wußte, daß die Dum-Dum-Kugel auch in das Holz böse Löcher riß, ich zielte genau auf die Wasserlinie des Flachbootes, drei Schuß etwa an dieselbe Stelle mußten das plumpe Ding leckmachen.
Außerdem hatte die 10,4 den Vorteil, daß ihr Knall bis zur Oase hin gehört werden mußte.
Ich drückte ab. Dreimal.
Der Rückstoß der 10,4 hat Lizzie einst einen blauen Fleck an der Schulter und einen Purzelbaum nach hinten eingetragen. Daran mußte ich denken, als auch ich die Elefantenkanone nicht fest genug eingezogen hatte.
Die Gallas im Flachboot wurden wild, rannten hin und her, das Boot schöpfte Wasser – die Kerle gaben den Angriff auf und ruderten zurück.
Wie unheimlich nahe mir damals der Sensenmann im Rücken stand – erst ein schrilles, vertrautes Kak–Kak–Kak–Kak und ein leiser Schrei ließen Sussik und mich herumschnellen …
Zwei Gallas hinter uns, die Speere mit langen, breiten Spitzen und den bunten Federtroddeln schon zum Wurfe erhoben …
An des einen nackten Oberschenkel hing festverbissen der Fennek – und hat ein Fennek erst mal zugeschnappt, läßt er nicht mehr los …
Durch die Büsche brachen im selben Moment die Hunde – ein kurzes Aufheulen – die Gallas wurden niedergerissen, und wir hatten allerlei zu tun, daß sie nicht zerfleischt wurden.
Minuten später jagten auch schon Percy, die Bischarin, Herr Ali und die Wollköpfe auf ungesattelten Dromedaren herbei …
Hinterdrein kamen Lady Jane, Lizzie und Gabara und Habiru. Der Heiitsch schritt sofort zur Landungsbrücke hinab und brüllte seinen Leuten etwas zu, drohte mit der Faust, brüllte nochmals und gesellte sich wieder zu uns, entschuldigte sich in aller Form bei Mac Oldyn – der Angriff sei gegen seinen Willen erfolgt, er selbst und sein Sohn hätten ja auch mehr freiwillig Lady Jane begleitet.
Ihm war der ganze Zwischenfall, der so leicht zu Blutvergießen hätte führen können, sichtlich sehr unangenehm.
»Ich habe mein Wort verpfändet«, sagte er mit stolzer Ruhe. »Ich wollte, daß das, was hier einst geschah, restlos geklärt würde. Wir Guasasso-Galla sind schuldlos an dem Tode des Farmers und seiner Gattin – ich habe das bereits Lady Cordy auseinandergesetzt –, es war eine Verkettung von Zufällen, Sie wissen es bereits – ich lüge nicht.«
Dieser Heiitsch Gabara war der geborene Selbstherrscher. Er mochte seine Schwächen haben – seine Kühnheit, sein offener Blick, sein ganzes Auftreten imponierten.
Am Ufer blieb nur eine Wache zurück. Meinen Fennek, der einfach das Schrankschloß gesprengt hatte, nahm ich mit zur Oase der Toten, mit unter die hohen Palmen im gelben Sande, deren Kronen so scharfe Schatten warfen …
Unter den Palmen neben dem Skelett des Dromedars, neben den beiden flachen Hügeln, auf denen nur schlichte, plumpe Steinkreuze lagen, saß dann im Halbkreis die ernste Versammlung von Männern – Lady Jane und Lizzie lehnten an einer Palme.
»Dieser Nordteil der Sümpfe«, begann der Heiitsch, »gehört mit zu unseren Weidegründen. Ich war noch jung, als hier vor vielen Jahren zum ersten Male im Sumpfe Rauchsäulen aufstiegen und meine Krieger am Rande der Sümpfe Spuren von Ochsenwagen und Stiefeln von Europäern fanden. Aber wir konnten in die Sümpfe nicht eindringen, und da wir nur selten hier so weit nach Süden die Zelte aufschlugen, ließen wir die Fremden unbeachtet. Viele Jahre verstrichen wieder – die Rinderpest kam, und unsere Priester verkündeten, die unbekannten Bewohner der Sümpfe seien daran schuld. Ich und dreißig Krieger bahnten uns einen Weg durch die Wasserwildnis, wir gelangten nach tagelangen Kämpfen gegen Krokodile, Flußpferde, Dornen und Dickicht an den See und sahen drüben die Insel und die Häuser, bauten nachts ein Floß und wollten die Fremden vertreiben. Sie hatten uns bemerkt und flohen mit ihren Arbeitern und Dienern, und erst hier an diesem Erdhügel kreisten wir sie ein – sie feuerten zuerst, meine Krieger sanken im Mondlicht nieder wie der Mais unter der Sichel – und als auch hinter uns Schüsse knallten, flohen wir und ließen Tote und Verwundete zurück.«
Gabara deutete auf Percy Mac Oldyn. »Sie griffen uns an, Sie waren soeben erst angelangt – Sie riefen mir noch – über den See zu, daß Sie unser sämtliches Vieh vernichten würden …«
Percy nickte. »Du sprichst die Wahrheit, Heiitsch. Ich fand hier meinen Onkel Mac Oldyn, den einzigen Bruder meines Vaters, sowie seine Gattin und einige ihrer Neger und zwölf Gallas tot auf. Ich war hierher gekommen, weil auch ich nicht länger in der Armee in Kapland Dienst tun mochte. Unser Name Mac Oldyn war durch unseren Großvater, der dort im fernen Nubien als Einsiedler lebt, wie mit einem Fluche belastet worden. Major Mac Oldyn mit seiner Patrouille entfloh vor den anrückenden Mahdistenscharen, und die blutige Schlacht von Omdurman kostete durch ihn dem Vaterlande unerhörte Opfer. Deshalb auch verkroch sich Lizzies Vater mit diesem bemakelten Namen in diese Einsamkeit, deshalb ließ er dich, Lizzie, unter anderem Namen aufwachsen … Das ist die volle Wahrheit. Es mag von ihm übertriebenes Ehrgefühl gewesen sein – vielleicht. Er war Engländer, ich bin es – dort ist sein Grab … – Lady Jane hat stets heimlich über dir gewacht, Lizzie – ihr Wille war es, daß du dieses Erbe nun antreten solltest. Dir übergebe ich die Farm – es ist ein reicher, schöner Besitz. Und solltest du den Wunsch äußern, hier das Werk deiner Eltern fortzuführen, so will ich dir helfen – gern tue ich es, sehr gern …«
Zwei junge Menschen schauten sich an, und dieser lange, tiefe, heimlich-zärtliche Blick war das erste stumme Eingeständnis gegenseitiger Liebe.
Jugend zu Jugend …!
… Meine grauen Schläfen und Falten und Fältchen passen nicht zu einem so lieben frohen Geschöpf.
Der leise Schmerz des Verzichtens ist auch bereits Wehmut geworden …
Das ist die Geschichte der Oase der Toten.
Nur ein Ausschnitt aus dem Rade meines Lebens, aus diesem bunten Rade, das dahinrollt ohne Ziel und Heimat über die dornigen, doch schönen Pfade abseits vom Alltag …
Ich habe eine Weile still da gesessen und in mich hineingelauscht, und eine Stimme raunte mir zu: »Es ist Zeit, Olaf Karl!!«
Ich habe einen Brief geschrieben, nein, nur einen Zettel:
An alle, die ich liebgewann!
Lebt wohl, werdet
glücklich!!
O. K. A.
Mehr nicht …
Ich habe das Bündel geschnürt, ich habe nicht viel mitzunehmen.
Ich weiß, daß sich Gabaras Lager noch am alten Platz befindet und daß ich dort jederzeit willkommen bin.
Vielleicht werde ich, wenn ich an den anderen Fenstern vorüberschleiche, Lizzie ein letztes Mal sehen, vielleicht wird sie gerade ihrem Percy die Arme um den Hals gelegt haben und ihn küssen.
Vielleicht sehe ich auch den fleißigen Reginald noch an seinem Tische bei seinen getrockneten Pflanzen und seinen Aufzeichnungen … Er hat Lizzie liebgehabt, auch er – auf seine Art … Er hat sehr schnell vergessen, er rasiert sich nur noch jeden dritten Tag.
Fennek-Freund und ich werden allein im Mondlicht durch die Sümpfe rudern und dann allein durch die große herrliche nächtliche Steppe wandern.
Ich werde Gabara bitten, sofort nach Norden aufzubrechen, damit mich niemand von den Freunden mehr zurückholen kann.
Ich glaube, sie alle haben mich etwas gern.
Und dann werden wir mit Gabara auf hochbeinigen Tieren durch die Steppe fliegen, und das ferne Gebrüll der Löwen wird mir die Nächte ins Gedächtnis zurückrufen, in denen ein blondes Mädel in der dornengeschützten Borna neben mir ruhte und mich im Dunkeln heimlich und lautlos küßte – Reginald hat nie etwas gehört.
* * *