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Unter den Gebäuden Honolulus fällt der Palast des Königs (Iolani Palace – gewöhnlich kurzweg The Palace genannt) sofort ins Auge. Derselbe steht inmitten eines von einer hohen Steinmauer ringsum eingeschlossenen geräumigen Platzes, der mit tropischen Gewächsen und hübschen Gartenanlagen geschmückt ist. Das große zweistöckige Gebäude, mit der langen Doppelreihe von hohen Fenstern und der breiten Freitreppe, sieht vornehm aus. Der Bau desselben hat eine halbe Million Dollars gekostet. Die prächtigen Säle und Gemächer und die weite Vorhalle würden jedem Fürstenpalaste der alten Welt zur Zierde gereichen. Der Palast Iolani wird elektrisch beleuchtet. An den Eingangspforten zum Palasthofe spazieren die mit preußischen Gewehren bewaffneten kaffeebraunen Posten, die Waffenröcke und weiße mit Messing beschlagene Tuchhelme tragen, selbstbewußt auf und ab. Die stolzen Krieger sind die Vertreter des aus 75 Mann und einigen Dutzend Lieutenants, Hauptleuten und Generälen bestehenden Heeres des großen Kalakaua. Das dem Palaste gegenüber liegende Regierungsgebäude (government building) ist wie jener ein stattlicher Steinbau. Im Erdgeschoß tagt das aus Weißen und Kanaken zusammengesetzte hawaiische Parlament. Komisch wirkt es, an den Thüren im Regierungsgebäude dieses Duodezstaats in goldenen Lettern die Worte Department of the Interior – Department of finance – Department of Attorney General u.s.w. zu lesen. Im oberen Stockwerk befindet sich ein ansehnliches Museum, worin allerlei geschichtliche Erinnerungen: Altertümer, Kriegswerkzeuge, Ruderböte u. dergl. m., Aufnahme gefunden haben. Interessant sind die Zeichen königlicher Macht und Würde, darunter ein aus goldgelben und blendend roten Federn verfertigter Helm, ein Seitenstück zu dem im Palast aufbewahrten, ganz aus goldgelben Federn angefertigten berühmten Krönungsmantel (Mano). Jeder von den zu Tausenden getöteten schwarzen Jiwi-Vögeln (molio nobilis), die schwer im Gebirge zu fangen und jetzt fast ausgerottet sind, konnte für diese Prachtstücke nur zwei kleine kaum einen Zoll lange goldgelbe Federbüschel liefern, die der Vogel an den Seiten der Brust trägt; die blendend roten Federn wurden von einem kleineren Vogel (drepanis coccinea) gewonnen. Während der Regierungszeit von neun Königen wurde stetig an jenem Mano gearbeitet, der wie ein goldener Mantel aussieht und erst unter Kamehameha IV. (Kaméchamécha) fertig wurde. Der Mantel hat eine Länge von 4 Fuß und ist auseinandergefaltet unten 11 ½ Fuß breit. Die Federn, welche glatt über- und aneinander liegen, wurden auf ein feines Netzwerk kunstvoll befestigt.
Im Museum befinden sich ferner plastische Landkarten der Inseln und Vulkane, Mineralien, Korallen, Muscheln, Lavastücke und mancherlei Seltenheiten. Unter den letzteren hat auch das Kriegshorn Kamehamehas des Großen einen Platz gefunden, welches der Sage nach von Oahu bis nach Hawaii, eine Entfernung von 150 engl. Meilen (241 km), deutlich zu vernehmen war. Auf dem freien Platze vor dem Regierungsgebäude steht die Kolossalbildsäule Kamehamehas I., des großen Eroberers und Gründers des Königreichs Hawaii, der 37 Jahre (1782 bis 1819) regierte. Die riesige fast schwarze Figur, die einen Speer in der Faust hält und nur mit einem vergoldeten Schurz, Mantel und Helm, eine vorzügliche Nachahmung der vorhin erwähnten goldgelben Vogelfedern, bekleidet ist, wurde in Mailand angefertigt.
Die Wohnungen der wohlhabenderen Bürger Honolulus liegen an den sich mehrere englische Meilen weit vom Mittelpunkte der Stadt, teils am Meere entlang, teils ins Land hinaus erstreckenden Straßen. Fast jedes dieser Landhäuser, unter denen sich prächtige Bauten befinden, ist von Palmen und anderen tropischen Bäumen umgeben. Man sieht zahlreiche Tamarinden-, Pfeffer- und Mangobäume, Bananen, Eukalypten und Algerobas. Die Schoten, welche an den Zweigen der Algerobas hängen, dienen als Futter für Pferde; auch liefern jene großen Bäume ein vortreffliches Brennholz. Die schönsten Tropenbäume sind unstreitig die in Honolulu in Menge wachsenden Königspalmen. Nie wird man müde, die hohen und schlanken, gleichsam künstlich gedrechselten lichten Stämme mit dem keulenartigen Unterbau, dem hellgrünen Aufsatz und den prächtigen Wipfeln zu betrachten. Besonders schön ist auch der unter dem Namen Pride of India (Melia Azedarach) hier eingebürgerte, aus den Tropen der alten Welt stammende Baum, der eine breite Krone von dunkelgrünen glänzenden Blättern trägt, die sich im Frühling mit rötlich-violetten, dem Flieder ähnlichen Blüten dicht bedeckt, sowie der aus Westindien eingeführte Baum Ponciana Regia, der strahlende orangenfarbene Blüten mit langen Staubfäden trägt. Bedenkt man, daß im Jahre 1820 kaum ein Baum an der Stelle wuchs, wo jetzt Honolulu steht, und daß es damals dort nur kleine Anpflanzungen von Taro gab, so ist die Menge der prächtigen Bäume, welche jetzt die Stadt schmücken, um so mehr bemerkenswert.
In den Gärten blühen Rosen von wunderbarer Größe und Farbenpracht. Es fehlt aber diesen hawaiischen Lieblingstöchtern der Flora der herrliche Duft der californischen Rosen. Heliotrope, Nelken, Jasmine, Reseda, Passionsblumen, Oleander, Fuchsien, Geranien u.s.w. bilden einen reizenden Schmuck jener Gärten. Allerliebste Landhäuser, mit breiten Verandas, sind nicht selten von schimmernden Blumen und von Epheu dicht überrankt. Die geräumigen, hohen Gemächer der vornehmeren Villen sind mit kostbaren Möbeln, Gemälden, Bildsäulen, Teppichen, Nippsachen, Blumen, tropischen Topfpflanzen u.s.w. ausgestattet, und fast in jedem Prunkzimmer eines dieser Häuser hängt ein mit blutroten Farben gemaltes Bild des Lavasees.
Honolulu liegt wie in einem großen tropischen Garten, der im herrlichsten Grün prangt. Trotz der häufigen Regenschauer müssen aber alle Gärten regelmäßig bewässert werden. Bleibt der Regen im Sommer längere Zeit aus, so trocknet der Boden außerordentlich schnell, und dichte Staubwolken erfüllen dann die Luft. Ohne künstliche Bewässerung wäre den Pflanzen hier im Sommer nur ein kümmerliches Dasein beschieden, und es würden die prächtigen hellgrünen Rasenplätze aus weichem Bermuda-Gras (maniania) bald ganz verdorren. Unter den Bäumen müssen die Königspalmen am meisten bewässert werden. Auch während meines Aufenthalts in Honolulu im Dezember und Januar sah ich fast täglich, trotz der häufigen Regengüsse, die an langen Gummischläuchen befestigten Drehbrausen in voller Thätigkeit, geradeso als befände ich mich in Kalifornien. Die schönsten Alleen von Dattel- und Königspalmen gewahrt man in den Anlagen beim Hospital der Königin. Die Dattelpalmen, welche am Wege nach dem Krankenhause in einer langen Doppelreihe stehn, haben ihre buschigen Blätterkronen zu einem schattigen Gang verbunden, der außerordentlich malerisch aussieht. Das Hospital, welches zahlreichen Kranken, fremden sowohl als einheimischen, Aufnahme gewährt, befindet sich in vorzüglichem Zustand. Die reinlichen Zimmer mit den vor ihnen liegenden luftigen Verandas, die milde Luft und die tropische Umgebung dieser Heilanstalt sind für die Kranken gewiß die beste Arzenei.
Der beliebteste Erholungsplatz in der Nähe von Honolulu ist die nur eine Wegstunde östlich von der Stadt in einer überaus malerischen Gegend nahe am Meeresufer liegende Ansiedelung Waikiki. Für das billige Fahrgeld von 25 Cents kann man zu verschiedenen Tagesstunden in einem Omnibus auf einer vortrefflichen Landstraße dorthin gelangen, falls man es nicht vorzieht, in einer Droschke für den sechs- und zehnfachen Preis hinauszukutschieren. Oft wurden in Honolulu meine Ohren durch das barbarische Getute des Waikiki-Kutschers beleidigt, der sein Horn blies, während er in den Straßen auf- und abfuhr und Reiselustige zur Omnibusfahrt einlud. An manchem sonnenhellen Morgen fuhr ich dort hinaus. Hübsche Landhäuser, tropische Gärten und Parkanlagen, ausgedehnte Bananenfelder erfreuten unterwegs das Auge mit anmutigen, stets wechselnden Bildern.
Die Lage von Waikiki ist hochromantisch. Namentlich ist es der in der Nähe liegende längst ausgebrannte Krater Diamond Head (Leahi), der das Auge durch seine schöne Form entzückt. Der Berg führt den Namen Diamond Head, weil man in früherer Zeit glaubte, es könnten dort Edelsteine gefunden werden. Eine Länge von zwei engl. Meilen (3 1/5 km) und eine Breite von einer engl. Meile hat der langgestreckte steil abfallende Kraterberg, der im Innern 400 bis 500 Fuß tief ausgehöhlt ist. Sein höchster Punkt (762') liegt an der dem Meere zugewendeten schmäleren Südseite. Die malerische Gestaltung dieses Berges, dessen Abhänge vielfach von Regenrillen durchfurcht sind, seine Lage und seine Umgebung sind ganz einzig in ihrer Art. Im Vordergrunde liegt ein ansehnlicher Hain von zerstreut wachsenden Kokospalmen, deren schlanke Stämme teils senkrecht, teils in schräger Lage bis zu einer Höhe von hundert Fuß emporstreben. Die Kanaken, welche die dicht unter der Blätterkrone hängenden großen Nüsse pflücken wollen, klettern an den Stämmen, die etwa zwei Fuß dick sind und bis zur Krone gar keine Äste haben, wie die Affen hinauf, indem sie ihre Füße an die einander gegenüber liegenden Seiten des Baumes setzen und ihre Hände so gebrauchen, daß sie sich nicht rückwärts überschlagen, – ein halsbrechendes Kunststück, das ihnen der geschickteste Turner nicht nachzumachen vermöchte. Der mit seiner Längenseite frei hervortretende, nahe am blauen Meere liegende Kraterberg, mit dem Kokospalmenhain im Vordergrund, bildet ein echt tropisches Landschaftsbild, das man nie müde wird, zu betrachten.
Gleichlaufend mit der Küste zieht sich, etwa sechs englische Meilen (9 bis 10 km) landeinwärts, eine schöngeformte vielgipfelige Bergkette hin. Wolken lagern darauf, Regenbogen schmücken dieselbe zur Winterszeit fast an jedem Tage. In dem Landstrich zwischen der Küste und dem Gebirge liegen zwischen den grünen Bäumen zahlreiche hübsche Wohnungen, darunter der weiße Villenpalast von Claus Spreckels. Der König Kalakaua, die Königin Kapiolani und viele reiche Bewohner Honolulus besitzen ländliche Wohnungen bei Waikiki. Ich hatte während einer Spazierfahrt nach Waikiki das Glück, von dem Eigentümer einer nahe am Meere liegenden Villa gastfreundschaftlich aufgenommen zu werden. Die Lage der Wohnung, mit der Aussicht auf das sich bis nach Honolulu vor uns ausbreitende Ufer, war wunderbar schön. Unter einem weiten, von Blättern dicht überrankten Gitterwerk saß ich wie in einem smaragdenen Saale, lauschte dem Rauschen der Wogen, die über das Korallenriff brandeten, und dem Gesänge der Vögel im grünen Laubwerk, atmete die vom Dufte der Jasminen erfüllte milde Luft mit vollen Zügen ein, betrachtete das wundervolle Strandgemälde und schlürfte behaglich den kalten perlenden Sekt. Aber diese Freude war nicht ungetrübt. Ab und zu stellte sich ein bissiger Moskito ein, und anregende Gespräche über Haifische und Aussätzige überzeugten mich, daß selbst im hawaiischen Paradiese die kleinen Teufel nicht fehlen, welche uns armen Sterblichen allerwärts das Erdenglück verbittern. Zu anderen Zeiten besuchte ich die prächtigsten Palmenhaine, die jedem Fremden offen stehn, oder ich wanderte durch den weitläufigen Kapiolani-Park. Nach Herzenslust kann man dort in den tropischen Anlagen umherschweifen und die Aussicht auf den Diamond Head, den hohen Kokospalmenhain und das weite blaue Meer genießen, oder auf einer einsamen Bank Platz nehmen und sich in den Inhalt eines lieben Buches ungestört vertiefen.
Die meisten Fremden besuchen Waikiki, um dort bei der Badeanstalt ein Seebad zu nehmen. Dasselbe liegt innerhalb des Korallenriffs, durch welches die in diesen Gewässern unangenehm zahlreichen Haifische vom Badegrund fern gehalten werden. Höchst selten gelangt eine von jenen Seehyänen durch eine schmale Öffnung in dem Riff, nach der Badestelle, wo sie aber nie lange verweilen wird. Ein molligeres Seebad, als das bei Waikiki, giebt es nirgends in der Welt. Es ist ein wahrer Hochgenuß, in dieser Flut umherzuschwimmen, die nicht zu kalt und nicht zu warm und so blau ist, wie das Mittelmeer bei der Insel Capri. Ein Hauptvergnügen ist es, den badenden Kanaken zuzuschauen. Männer, Frauen und Kinder tummeln sich dort, wie der Herrgott sie geschaffen hat, nebeneinander in der blauen Salzflut. Manche von ihnen nehmen ein Brett mit in die Wogen, stellen sich auf dasselbe und lassen sich so durch die hochaufschäumende Brandung treiben, andere stürzen sich ohne ein Brett in die Brandung, schwimmen wie die Fische im Wasser umher und tauchen unter, als befänden sie sich in ihrem ureigenen Element. Je wilder die Brandung tobt, um so lieber ist es ihnen. Die Frauen wetteifern mit den Männern in Schwimmkünsten. Verläßt eine von den braunen Seejungfern die Salzflut, so trocknet sie sich nicht etwa erst ab, ehe sie sich anzieht. Das ist in Hawaii ein überwundener Standpunkt. Sie wirft nur ein loses Baumwollengewand über den Kopf und wandert barfüßig von dannen, ohne sich um die kaukasischen Zuschauer im geringsten zu kümmern.
In der Nähe der Badeanstalt befindet sich eine Anzahl kleiner Teiche, die ganz voll von Goldfischen sind. Für den verwöhnten Gaumen der Kanaken sind diese ein beliebtes Gericht. Man verspeist sie roh – ohne Pfeffer und Salz! Rohe Fische sind ein Leckerbissen, den die kaukasischen Feinschmecker noch nicht entdeckt haben. In einen lebendigen Aal, Hecht oder Karpfen hineinzubeißen, soll so gut schmecken wie ein Gericht Austern in der Schale. In geringer Entfernung von den Goldfischteichen liegt an der Landstraße ein Chinesenladen, und nicht weit davon eine Kanakenschule. In der Schule werden die wie die Gänse barfuß herumlaufenden kaffeebraunen Kinder von einer Yankeeschoolarin in den Anfangsgründen der Wissenschaften, nämlich im Lesen, Schreiben und Rechnen, unterrichtet. Während der Zwischenpausen jagen sie sich und spielen miteinander, genau so wie die Kinder in einer deutschen Dorfschule. Den Fremden betteln sie gern deren überflüssige fünf-Centstücke ab, wofür sie im Chinesenladen sofort Kandy kaufen. Der schlitzäugige John, der Eigentümer des Ladens, hatte nebst den Lebensbedürfnissen für die erwachsenen Mongolen einen großen Vorrat von Süßigkeiten, Crackers, Nüssen u.s.w. auf Lager, womit er einen einträglichen Handel trieb. Die braunen Kleinen kamen stets in hellen Haufen zu mir gelaufen, sobald sie meiner bei Waikiki ansichtig wurden, und John lächelte, jedesmal wenn er mich kommen sah, so sanft, wie Bret Harte's weltberühmter Heathen Chinee es beim Pokerspiel zu thun pflegte.