Theodor Kirchhoff
Eine Reise nach Hawaii
Theodor Kirchhoff

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Zwölftes Kapitel.

Die Regierungsform des Königreichs Hawaii. – Politische Parteien. – Eine Sitzung des hawaiischen Parlaments. – Die Arbeiterverhältnisse auf den Sandwichinseln. – Maßregeln gegen die Überhandnahme der Chinesen. – Kontraktarbeit. – Japaner, Portugiesen, Südsee-Insulaner und Deutsche als Kontraktarbeiter.

Die Regierungsform des Königreichs Hawaii ist die einer konstitutionellen Monarchie. Nachdem Kamehameha II. im Jahre 1819 gleich nach seiner Thronbesteigung den Tabu (man vergleiche Seite 42), die Menschenopfer und die heidnische Priesterherrschaft abgeschafft, die Tempel und Götzenbilder verbrannt, die Frauen, denen es bis dahin nicht einmal gestattet war, gemeinschaftlich mit ihren Männern eine Mahlzeit einzunehmen, von Rechtlosigkeit befreit und im darauf folgendem Jahre die christlichen Missionäre ins Land gerufen hatte, setzte sein Nachfolger Kamehameha III., der im Jahre 1833 den Thron bestieg, das Werk der Reform fort. Er gab dem Königreiche eine Konstitution und europäisch-amerikanische Verwaltungsgesetze, und stellte damit das Inselreich in die Reihe der civilisierten Nationen. Die Konstitution wurde im Jahre 1852 verbessert und im Jahre 1864 von Kamehameha V., der fortgeschrittenen Zeit entsprechend, freiwillig so abgefaßt, wie sie noch heute mit einigen Änderungen lautet. Doch wurden im Sommer 1887 die Rechte des Königs bedeutend beschnitten, eine revolutionäre Maßregel, die Kalakaua durch seine Mißregierung selbst herausgefordert hatte. Infolge der Gegenrevolution im Jahre 1889 wurde seine Macht noch mehr beschränkt. Jetzt führt das Kabinett die Regierung in Hawaii ganz selbständig.

Die hawaiische Konstitution wurde zum größten Teil der amerikanischen entnommen, aber der englischen Regierungsweise angepaßt. Die oberste Gewalt im Königreiche befindet sich in den Händen einer vollziehenden, einer gesetzgebenden und einer richterlichen Behörde, die einander das Gegengewicht halten, geradeso wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, mit dem Unterschied, daß die vollziehende Behörde (Exekutive) in Hawaii nicht ein erwählter Präsident ist, sondern, nach dem Beispiel Englands, ein unverantwortlicher König mit einem dem Parlament verantwortlichen Ministerium. Das Parlament (Legislature) besteht aus 24 »Nobles«, die früher der König ernannte, aber jetzt vom Volke gewählt werden und ein Jahreseinkommen von mindestens 600 Dollars haben müssen, und aus 24, gleichfalls vom Volke erwählten »Representatives«, welche beiden Körperschaften ihre Sitzungen gemeinschaftlich abhalten. Die von den Representatives gegen die Minister oder gegen die Beamten etwa erhobenen Anklagen werden von den Nobles entschieden. Die richterliche Behörde besteht aus einem Obergericht, welches das entscheidende Wort in allen Streitigkeiten zwischen dem Parlament und der Krone hat. Ein geheimer Staatsrat, dem der König vorsitzt und zu welchem die Minister ex officio gehören, unterstützt jenen in seinen Regierungsangelegenheiten. Es giebt vier Minister, einen Minister des Äußern und Premier, einen Minister des Innern, einen Finanzminister und einen Attorney General.

Zu seinen Ratgebern und verantwortlichen Ministern hat der König ohne Ausnahme Weiße ernannt, die Bürger von Hawaii sind, oder die dort geboren wurden, und zwar vorwiegend Amerikaner. Da nach hawaiischem Gesetz nur Bürger des Königreichs ein Amt bekleiden können, so haben die meisten von den dort wohnenden Fremdgeborenen das Bürgerrecht erworben, wodurch sie den Eingeborenen gleichgestellt sind. Die Unabhängigkeit des Königreichs wurde im Jahre 1843 von England, Frankreich und den Vereinigten Staaten, später von allen anderen Mächten, anerkannt. Die Hauptmächte haben ihre Vertreter in Honolulu und die hawaiische Regierung ernennt Konsuln in den großen Handelsplätzen der alten und neuen Welt. Sogar eine für die Verhältnisse des Inselreichs recht ansehnliche Staatsschuld von ungefähr zwei Millionen Dollars hat das kleine Land aufzuweisen. Eine halbe Million von diesem Gelde wurde dazu verwendet, um Arbeiter für die Zuckerpflanzungen, namentlich Portugiesen, nach den Inseln zu bringen. Das Defizit für die beiden Jahre 1. April 1886 bis 31. März 1888 belief sich auf 617 140 Dollars und 24 Cents, immerhin ein guter Anfang, um dem Königreiche Hawaii einen bescheidenen Platz in der Reihe der Schulden machenden Länder anzuweisen. Die regelmäßigen Einnahmen der Regierung beliefen sich für die genannten zwei Jahre auf 2 680 843-34/100 Dollars. Um das Defizit zu begleichen, half man sich mit Schuldenmachen. Für das folgende Jahr war ein Rechnungsausfall von ¼ Million Dollars in Aussicht gestellt, der durch eine neue Anleihe gedeckt werden sollte. Im Königreiche giebt es zwei politische Parteien, die Missionär-Partei und die Antimissionär-Partei – die sogenannten »outs« und die »ins«. Die erstere besteht zum großen Teil aus den Freunden und Nachkommen der alten aus Neuengland eingewanderten Missionäre. Die ersten nordamerikanischen Missionäre kamen im Jahre 1820 ins Land und predigten den protestantischen Glauben. 1827 erschienen katholische Missionäre in Honolulu, die von ihren protestantischen Brüdern für Götzenanbeter ausgegeben und vertrieben, oder zur Zwangsarbeit verurteilt wurden. Dies gab der französischen Regierung eine willkommene Gelegenheit, sich einzumischen. Im Jahre 1839 erhob eine französische Fregatte 20 000 Dollars in Honolulu als ein Unterpfand dafür, daß die katholischen Missionäre fortan nicht in der Verbreitung ihrer Religion gehindert würden. Die Drohung, daß die Stadt zusammengeschossen werden sollte, falls das Geld nicht binnen 24 Stunden gezahlt würde, kam nicht zur Ausführung; auch wurde das Geld später zurückbezahlt. Die sich oft wiederholenden Plackereien der französischen Kriegsschiffe hörten erst im Jahre 1851 auf, als die Regierung der Vereinigten Staaten dem Inselreiche ihren Schutz angedeihen ließ. Auch vertragen sich seitdem die Missionäre der verschiedenen Glaubensbekenntnisse einigermaßen mit einander und bilden eine geeinigte Partei.

Die Missionärpartei, welcher sich die Mehrzahl der besseren Klasse der weißen Bevölkerung angeschlossen hat, bemüht sich, die Macht des Königs einzuschränken und die Geldausgaben der Regierung zu verringern, weshalb sie sich gern die Reformpartei nennt. Die Anhänger des Königs gehören meistens zur Antimissionär-Partei, die ebenfalls behauptet, für das Land nur das Beste zu wollen. Die Erfolge der Reformpartei sind bis jetzt ziemlich zweifelhafter Art gewesen. Die Ausgaben haben sich nicht verringert, die Einschränkungen waren unbedeutend. Diese bestanden besonders darin, daß der Königin Kapiolani das Fahrgeld von 20 000 Dollars gestrichen wurde, weil nach der Ansicht der Gesetzgeber ihre Einnahme aus eigenen Mitteln für ihre bescheidenen Bedürfnisse vollständig genügt. Auch fließen die Gebühren des Konsulats in San Francisco, welche sich ebenfalls auf etwa 20 000 Dollars das Jahr belaufen, jetzt in den Staatsschatz, anstatt wie früher in die Tasche des Konsuls, der nun zu seinem Verdruß mit einem Jahresgehalt von 8000 Dollars auskommen muß. Die ganz überflüssigen Ämter der Gouverneure der verschiedenen Inseln sind noch immer nicht abgeschafft worden, weil keine Zweidrittel-Stimmenmehrheit über das Veto des Königs zu erlangen ist, der seinen Verwandten diese angenehmen Faulenzerstellungen wo möglich erhalten will. Die Schwierigkeit liegt darin, daß das Königtum für das kleine Inselreich zu kostspielig ist. Kalakaua krümmt sich natürlich gegen alle Geldbeschränkungen wie der Teufel im Weihwasser, und daß seine Verwandten, seine Minister und Anhänger sich nicht ohne Widerstand den Brotkorb hoch hängen lassen, ist auch nicht zu verwundern. Eine ansehnliche Erhöhung der Steuern wäre ein allerdings sehr unliebsamer Ausweg aus der Schwierigkeit des Defizits, denn die sich oft wiederholenden Anleihen kann das kleine Königreich auf die Dauer unmöglich ertragen; oder Onkel Sam entschließt sich eines schönen Tags dazu, den König zu pensionieren und die Sandwichinseln der großen Union einzuverleiben – was auch wohl über kurz oder lang geschehen wird.

Kalakaua, dessen Machtbefugnis von der Reformpartei bei den schon früher von mir beschriebenen Revolutionen in den Jahren 1887 und 1889 bedeutend beschnitten wurde, bemühte sich zur Zeit meines Besuchs, den verlorenen Boden zurückzuerobern. Durch schlau angelegte Winkelzüge versuchte er es, eine Ministerstelle gegen den Wunsch der anderen Minister und gegen den ausgesprochenen Willen des Parlaments eigenmächtig zu besetzen, fügte sich aber zuletzt und bestätigte einen anderen neuen Minister. Auch hatte er gerade damals es sich in den Kopf gesetzt, alle Gesetzesvorschläge – nach dem bekannten Ausspruch: »Ich kenne Ihre Ansichten nicht, aber ich mißbillige sie« – mit dem Veto zu belegen. Bei den sehr stürmischen Sitzungen des hawaiischen Parlaments, denen ich zu wiederholten Malen beiwohnte, handelte es sich besonders darum, dem Könige den Standpunkt dahin klar zu machen, daß die Zustimmung seiner Minister bei einem Veto notwendig sei, was jener nicht zugeben wollte.

Die Sitzungen der Legislatur fanden in einem großen Saal zur ebenen Erde im Regierungsgebäude statt. Die Thüren standen weit offen, und eine dichte Schar von Weißen und Kanaken drängte sich in dem von den Sitzen der Gesetzgeber durch ein Gitter getrennten offenen Räume. Ich setzte mich, teils der Bequemlichkeit halber, teils um einen besseren Überblick zu erlangen, oben auf die Lehne einer langen Holzbank neben einige Bürger Honolulus, die in Hemdsärmeln erschienen waren, ohne durch mein nicht gerade ehrfurchtsvolles Gebahren die geringste Aufmerksamkeit zu erregen. Das recht gemischte Publikum verhielt sich auffallend ruhig und folgte den Verhandlungen mit gespannter Aufmerksamkeit.

Die Mitglieder der Legislatur bestanden teils aus Weißen, teils aus Kanaken. Letztere sahen ohne Ausnahme aufgeweckt aus. Bei den Debatten, die nach parlamentarischen Regeln geführt wurden, entwickelten sie ein bedeutendes Rednertalent. Allerdings hatte es seine Schwierigkeit, die für das Ohr eines Weißen außerordentlich schwer verständlichen Worte der hawaiischen Sprache zu erfassen, obgleich dieselbe wegen ihrer vielen Vokale für wohlklingend gilt. Die Vokale werden aber dermaßen verschluckt, daß der Wohlklang arg darunter leidet. Auch werden die Buchstaben l und r und k und t nicht selten verwechselt, was bekannten Eigennamen dann eine fremde Klangfarbe giebt. Ein Auseinanderhalten der rasch gesprochenen Worte muß für jemanden, der mit der Sprache nicht vertraut ist, als ein Kunststück betrachtet werden. Aber selbst wenn der Inhalt der Rede unverständlich blieb, war es unverkennbar, daß dort ein geborener Redner sprach. Die ganze Art und Weise des Vortrags, die Haltung und die Handbewegungen des Redners, der glatt hinfließende Strom der Worte bewiesen dies auf das Deutlichste. Mir wurde gesagt, daß die Reden der Hawaiier sich nicht nur durch blumenreiche Sprache, sondern namentlich auch durch logischen Gedankengang auszeichnen.

Die Volksvertreter Hawaiis machten einen entschieden günstigen Eindruck, und es konnte die Versammlung recht gut einen Vergleich mit einer ihr ähnlichen in einem großen civilisierten Staate aushalten. Da aber alle wichtigeren Vorschläge, die Schriftstücke u.s.w. jedesmal gleich von einem Dolmetscher entweder aus dem Englischen ins Hawaiische, oder aus dieser Sprache in das Englische laut übersetzt wurden, so dehnten sich die Sitzungen endlos aus, was für die Zuhörer und gewiß auch für die Gesetzgeber auf die Dauer recht langweilig war. Ab und zu verlas ein Minister ein vom Könige (der nicht zugegen war) eingereichtes Schriftstück, das allemal mit den Worten schloß: »Kalakaua rex«.


Die Arbeiterverhältnisse sind für die Wohlfahrt des Königreichs Hawaii von derselben Wichtigkeit wie die Regierungsangelegenheiten, denn das Inselreich ist ganz und gar auf den Anbau tropischer und halbtropischer Nutzpflanzen, namentlich auf den von Zuckerrohr und Reis, angewiesen. Es bedarf dazu nicht nur billiger, sondern namentlich zuverlässiger Arbeiter, d.h. solcher, die den Pflanzern nicht plötzlich davonlaufen wenn man sie am notwendigsten gebraucht. Die einheimische Bevölkerung bietet nur eine geringe Aushilfe. Die Kanaken sind allerdings ausgezeichnete Arbeiter wenn sie sich als solche auf den Pflanzungen verdingen. Dies ist jedoch in immer geringerem Maße der Fall, weil eine solche Beschäftigung ihnen nicht zusagt. Da sie unzweifelhaft schnell aussterben, so wird diese Arbeitsquelle sowieso bald ganz versiegen. Die Mischlinge geben sich noch weniger mit Feldarbeit ab. Die hawaiische Regierung hat sich deshalb bemüht, fremde billige Arbeiter ins Land zu ziehen, und da die Sklavenarbeit außer Frage steht und auch durch die Landesgesetze verboten ist, so wurde die Kontraktarbeit eingeführt. Sowohl den Pflanzern als den Arbeitern sind ihre Pflichten von der Regierung genau vorgeschrieben worden, und diese überwacht die getreue Ausführung derselben. Mit Japan und Portugal wurden besondere Verträge abgeschlossen, durch welche die Kontraktarbeit mit den Unterthanen jener Länder geregelt ist.

Für die Zukunft der Sandwichinseln ist jene Anordnung von der größten Wichtigkeit gewesen, weil dadurch ein Ersatz für die Chinesen gefunden wurde. Die immer mehr anwachsende Zahl der Mongolen ließ befürchten, dieselben möchten bald ganz die Stelle der aussterbenden Kanaken einnehmen, und es würde alsdann die europäisch-amerikanische Kultur von der asiatischen in Hawaii ganz in den Hintergrund gedrängt werden. Obgleich die Chinesen die zuverlässigsten Arbeiter sind, bemüht sich die Regierung dieses Landes doch aus dem vorhin erwähnten Grunde nach besten Kräften, die Einwanderung derselben zu hindern. In der hawaiischen Legislatur sind Antichinesen-Gesetzesvorschläge an der Tagesordnung und man versucht es, den ferneren Zufluß der Asiaten durch Restriktionsgesetze, wie die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, die australischen Kolonien und Canada sie erlassen haben, zurückzudämmen.

Aber John versteht es, die Hinterthüren in Honolulu ebensogut wie in San Francisco zu finden und läßt sich dort, wo Geld zu verdienen ist, wenn er sich einmal eingebürgert hat, nicht mehr durch Gesetze zurückhalten. Die hawaiischen Beamten lassen sich durch klingende Beweisgründe ebenso leicht wie ihre amerikanischen Kollegen davon überzeugen, daß es nicht gut sei, die Thore des Landes allzufest vor den Mongolen zu verschließen. Für 10 Dollars das Stück werden die Pässe, welche den, der einen solchen vorzeigt, zur Rückkehr nach Honolulu berechtigen, zu Hunderten auf einmal an chinesische Kaufleute verkauft und von diesen nach Hongkong geschickt, wo sie einen Marktpreis von 20 Dollars erzielen. Wurde doch am 2. Juli 1888 in Honolulu die Entdeckung gemacht, daß 934 falsche Pässe von den Beamten des Zollhauses ausgestellt worden waren! Chinesen, die ihr Lebtag nie die Sandwichinseln gesehen haben, beschwören – geradeso wie in San Francisco! – bei ihrer Ankunft in Honolulu schlankweg, daß sie schon früher dort wohnten, zeigen ihren Paß vor und landen ganz ungehindert. Da ein falscher Eid für die Zopfträger längst ein überwundener Standpunkt ist, so ist die Schwierigkeit, den früheren Aufenthalt zu beweisen, nicht von Belang. Von Mai 1884 bis September 1887 wurden in Honolulu 6000 Rückkehrpässe für Chinesen ausgefertigt, eine Zahl, die außer allem Verhältnis zu der Zahl der Mongolen steht, die zu Besuch nach China reisen. Pässe, die für junge Frauen und Mädchen ausgestellt sind, bringen in Hongkong den drei- und vierfachen Preis wie die Pässe der Kulis.

Die hawaiische Legislatur beschäftigt sich, wie schon gesagt wurde, fast fortwährend mit Restriktionsgesetzen, die aber nur von geringem Nutzen sind. Ein Gesetz, das anordnete, es dürften nur 1200 Chinesen im Laufe eines Jahres in Honolulu landen, hatte einen Formfehler und war ganz wertlos. Kurz vor meinem Besuch wurde ein Gesetz erlassen, wonach jeder Mongole, der in Honolulu landen will, den Schwur zu leisten hat, er sei kein Vagabund, Bettler, Verbrecher und Opiumraucher, und jemand für ihn einstehen muß, daß er dem Lande nie zur Last fallen werde; außerdem muß er seinen Steuerschein, Fahrschein und Paß und zwei Photographien vorzeigen, womit er beweist, daß er bereits in Honolulu war. Diese Gesetze zu umgehen, ist natürlich ein Kinderspiel. Erst im Jahre 1890 gelang es, durch die Annahme eines ähnlichen Restriktionsgesetzes, wie es in Amerika Giltigkeit hat, der chinesischen Einwanderung einen einigermaßen festen Riegel vorzuschieben. Daß John sich nicht mehr von den Sandwichinseln verdrängen lassen wird, wo er unter dem Gemisch niederer Volksstämme eine ganz andere Rolle spielt, wie in den pazifischen Gebieten der Union, ist, wie die Verhältnisse nun einmal liegen, eine Thatsache, die nicht zu ändern ist. Aber jedenfalls sind die Maßregeln gegen die unbeschränkte Einwanderung der Mongolen nach Hawaii nicht zu früh gekommen. Wenn sie nur das zur Folge haben, daß sich die Zahl der Chinesen dort nicht ferner vermehrt, so sind sie von weittragendem Nutzen.

Die Einwanderung japanischer Kontraktarbeiter hat während der letzten Jahre, nachdem am 8. März 1886 ein Vertrag, um dieselbe zu regeln, zwischen Japan und dem Königreiche Hawaii abgeschlossen wurde, außerordentlich zugenommen. Die Japaner sind fleißig, gehorsam und zuverlässig und weit beliebter als die Chinesen, obgleich sie diesen an Körperkraft nachstehn. An Feldarbeit sind sie gewöhnt, denn fast alle von ihnen kommen aus den Landdistrikten Japans. Viele von ihnen nehmen Frau und Kinder mit in die Fremde, was die Chinesen selten thun. Als Regel hat von vier Japanern, die gemeinschaftlich haushalten, einer seine Frau bei sich, die für diesen, ihre Kinder und die anderen drei kocht, die Wäsche u.s.w. besorgt und die notwendigen Handarbeiten übernimmt. Die kleinen braunen Leute sind sehr aufs Geldverdienen erpicht und knappen sich das Brot förmlich vom Munde ab, bloß um möglichst viel zu ersparen. Die Pflanzer lassen ihren japanischen Arbeitern, nur um sie gesund und bei Kräften zu erhalten, öfters eine gute Mahlzeit zubereiten, obgleich diese sich nach dem kontraktlichen Abkommen selbst beköstigen müssen, was sich auf ungefähr sechs Dollars den Monat beläuft. Sie verpflichten sich auf drei Jahre für fünfzehn Dollars Lohn den Monat. Das Reisegeld (55 Dollars im Zwischendeck mit Beköstigung) wird ihnen in Japan vorgeschossen und muß in Teilzahlungen mit Zinsen zurückerstattet werden. Außerdem muß jeder Japaner an Hospitalgebühren zwei Dollars in Yokohama und 1-¼ Dollars in Honolulu entrichten. Für die Sicherstellung des Arbeitslohns sorgt der japanische Konsul. Jeden Monat erhält der Arbeiter 11 Dollars ausbezahlt, und 4 Dollars werden in die Sparkasse in Honolulu gelegt, so daß jeder Japaner in drei Jahren mit den auflaufenden Zinsen über 150 Dollars ersparen muß.

Von je hundert japanischen Arbeitern beabsichtigen 60 bis 70 ihre Kontrakte zu erneuern und sich, falls ihre Regierung dies gestattet, auf Lebenszeit im Gebiete des Königreichs Hawaii niederzulassen. Sie fühlen sich dort ganz heimisch und werden gut behandelt. Ob die japanische Regierung dem Wunsche dieser Auswanderer ein geneigtes Ohr schenken wird, ist jedoch zweifelhaft. Jene überwacht die genaue Ausführung der Kontrakte, unter welchen ihre Unterthanen die Heimat verlassen, sie behält diese stets in einem Abhängigkeitsverhältnis und erlaubt ihnen nicht, nach Belieben in die Fremde zu ziehen und dort freie Arbeiter zu werden. Nach den Vereinigten Staaten, wo die Kontraktarbeit gesetzlich verboten ist, kommen deshalb gar keine japanische Feldarbeiter. Nur eine geringe Anzahl Japaner aus den besseren Klassen besuchen die Unionsstaaten, und ab und zu sieht man dort einen japanischen Diener.

1428 Japaner, welcher am 11. Dezember 1887 mit dem Dampfer Wakanoura Maro in Honolulu anlangten (von denen wir, wie der Leser erinnern wird, eine beträchtliche Anzahl auf dem Kinau nach der Insel Hawaii brachten) wurden folgendermaßen als Arbeiter, und zwar die meisten von ihnen auf Pflanzungen und in den Zuckermühlen, verteilt:

Auf der Insel Hawaii in 16 Abteil. 570 Männer und 133 Frauen
" " " Kauai " 9 " 314 " " 74 "
" " " Maui " 6 " 208 " " 54 "
" " " Oahu " 6 " 60 " " 15 "

1152 Männer und 276 Frauen

Ende Mai 1888 landeten von dem Dampfer Tagasago Maro wieder 1057 japanische Arbeiter (861 Männer und 196 Frauen) in Honolulu. Diese Einwanderer waren unter die Oberaufsicht von zwei Ärzten der japanischen Flotte gestellt worden. Jeder Abteilung ist ein Dolmetscher beigegeben. Im Oktober 1889 brachten zwei Dampfer zusammen 2000 Japaner, und am 9. Januar 1890 langte bereits das elfte Schiff mit japanischen Arbeitern von Yokohama in Honolulu an und brachte 869 Männer und 201 Frauen. Am 1. Juli 1888 befanden sich nahezu 5000 Japaner im Königreiche Hawaii, die sich bis 1890 auf etwa 8500 Köpfe vermehrt haben.

Die Portugiesen, die fast alle aus der stark bevölkerten Insel San Miguel in den Azoren und aus Madeira kommen, und die 1883 zuerst in größerer Zahl einwanderten, sind vortreffliche und kräftige Arbeiter. Sie erhalten von den Zuckerpflanzern 18 Dollars Arbeitslohn den Monat. Manche von ihnen haben sich nach Ablauf ihrer kontraktlichen Verpflichtungen als Viehzüchter auf den verschiedenen Inseln niedergelassen und sind wohlhabend geworden. Andere reisen mit ihren Ersparnissen nach ihrer Heimat zurück. Die meisten begeben sich später nach San Francisco. Sie beschäftigen sich dort zum Teil als Fischer, manche von ihnen besitzen Gemüse- und Obstgärten und kleine Farmen, oder sie verdingen sich als Arbeiter in den californischen Landdistrikten. In Honolulu giebt es eine ansehnliche Zahl portugiesischer Kleinhändler. Im Königreiche Hawaii werden die Portugiesen in neuerer Zeit nicht mehr so gern wie früher gesehen, weil es sich herausgestellt hat, daß sie gern Schnapps nach den Pflanzungen schmuggeln und dort an die anderen Arbeiter verkaufen. Im Durchschnitt verweilen sie kürzere Zeit auf den Inseln und nehmen mehr Geld mit sich fort, das sich durch diesen unerlaubten Schnappshandel ansehnlich vermehrt, als irgend eine andere Klasse von Arbeitern.

Die Südsee-Insulaner (zum größten Teil aus Fidschi und den Hebriden) werden von den Pflanzern nur ungern als Arbeiter beschäftigt. Sie können den Regen nicht vertragen, werden leicht krank und sterben rasch dahin. Auch sind sie außerordentlich zanksüchtig. Sie prügeln sich gern, schneiden sich mit Messern und sind mit einem Wort eine höchst unerwünschte Menschenklasse.

Über die deutschen Kontraktarbeiter in Hawaii wurde vor geraumer Zeit in europäischen und amerikanischen Blättern viel Staub aufgewirbelt. Die Bezeichnungen Sklaverei und Menschenhandel waren dabei die beliebten Schlagwörter. Der Ausdruck Sklaven ist für Arbeiter, die sich freiwillig verpflichten, einige Jahre für guten Lohn zu dienen, jedenfalls weit hergeholt. Weshalb man den Pflanzern in Hawaii damit einen Vorwurf macht, begreife ich nicht. Diese haben es sich nie zu Schulden kommen lassen, wie es z.B. die Engländer in Tasmanien und in anderen Kolonien gethan haben, Südseeinsulaner fortzuschleppen und zur Arbeit auf den Pflanzungen zu zwingen. Da die hawaiische Regierung für die strenge Ausführung der Kontrakte Sorge trägt, und die Arbeiter ohne Ausnahme gut behandelt werden, so sehe ich nicht ein, mit welchem Recht wohlhabende Leute, die ohne Gewissensbisse die Armen daheim hungern lassen und Strümpfe an die Hottentotten schicken, wie dies namentlich von englischen Damen geschieht, die Pflanzer in Hawaii Sklavenhändler nennen? Den Eingeborenen, die nicht auf den Pflanzungen arbeiten wollen, fügen die fremden Kontraktarbeiter keinen Schaden zu und diese nehmen jenen weder Brot noch Verdienst. Ohne zuverlässige Arbeiter läßt sich aber keine tropische Pflanzung bewirtschaften. Ich habe auch noch nie gehört, daß jene sittlich entrüsteten Damen einen Abscheu gegen guten Kolonialzucker haben, weil derselbe durch Kontraktarbeit hergestellt wird. Kein vernünftiger Mensch wird es eine Sünde nennen, wenn z.B. ein Japaner, der es in seiner Heimat mit dem größten Fleiße und mit der größten Genügsamkeit nie zu etwas bringen kann, sich in Hawaii durch freiwillig übernommene Kontraktarbeit in drei Jahren 150 Dollars erspart. Und die Japaner sind doch so gut Menschen wie unsere Landsleute! Thatsache ist, daß die Deutschen, welche sich als Arbeiter auf Zuckerpflanzungen in Hawaii auf Zeit anwerben ließen, nicht, wie ausbedungen worden war, aus den Landdistrikten in Deutschland, sondern fast ohne Ausnahme aus den deutschen Seestädten kamen. Es war ein unzufriedenes Volk, das von Feldarbeit gar nichts verstand und auch gar nichts davon wissen wollte: Bummler und Tagediebe, im besten Fall Schuster, Gevatter Schneider und Handschuhmacher u.s.w. Die meisten von ihnen sind nach Ablauf ihrer Kontrakte nach den Vereinigten Staaten gewandert; eine kleinere Zahl hat sich in Honolulu bleibend niedergelassen. Neue deutsche Kontraktarbeiter wurden schon seit Jahren nicht mehr nach den hawaiischen Inseln geschickt. Die Pflanzer haben mehr als genug davon gehabt.


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