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Meinen früher gefaßten Plan, noch einige Tage im Volcano-House zu verweilen und dann nach Hilo zu reiten, ließ ich nach reiflicher Überlegung wieder fallen. Ich hätte 30 engl. Meilen (48 km) durch einen tropischen Urwald auf außerordentlich rauhem Saumpfade in einem Tage zurücklegen müssen, da in dem einzigen am Wege liegenden Hause ein Aussätziger wohnte, bei dem ich nicht gern eingekehrt wäre. Außerdem mußte ich mich darauf gefaßt machen, während dieses Ritts mindestens einmal jede Stunde durchnaß zu werden. Der Regen, der auf den hawaiischen Inseln fällt, ist allerdings meistens warm, und man kann die durchnäßten Kleider, ohne der Gesundheit zu schaden, auf dem Leibe trocknen lassen. Aber mein Ehrgeiz verstieg sich nicht so hoch, daß ich bloß des Ruhmes halber solchen Unannehmlichkeiten trotzen wollte. Ich beschloß deshalb, mich meiner alten Reisegesellschaft wieder anzuschließen, als diese sich am Morgen des 23. Dezembers auf den Rückweg nach Keauhou begab.
Wir warfen dem dampfenden Kilauéa einen letzten Blick zu und fuhren dann in den roten Einspännern rasch nach dem Halbweg-Hause zurück, von wo die Satteltiere uns wieder nach Keauhou brachten. Mir schien es, als ob ein hawaiischer Regengott uns auf Peles Befehl für die geringe Achtung, welche wir ihr im Hause des ewigen Feuers gezollt hatten, noch einmal gehörig züchtigen sollte, denn es goß wieder auf eine geradezu empörende Weise vom Himmel herab. Auf dem zweiten Pali gerieten wir in einen Regensturm, der meinen Gleichmut auf eine bedenkliche Probe stellte. Ich möchte allen Vulkanfahrern noch den wohlgemeinten Rat erteilen, ihre Staubmäntel in Honolulu hübsch zurückzulassen, sich dagegen (wenigstens, im Winter) vor ihrer Abreise dort mit Gummimänteln und Überschuhen, mit Kapuzen, die über den Nacken herunterreichen, und namentlich mit einer Schutzbekleidung für die Beine (leggins) zu versehen, denn nach meiner Erfahrung erhöhen einige am Rücken und an den Beinen herabrieselnde Bäche und ein Paar mit Wasser gefüllte Stiefel das Wohlbefinden des Reisenden in keiner Weise.
Der Dampfer Kinau kehrte gegen Mittag von Hilo zurück und hielt vor Keauhou, um die Vulkan-Reisenden wieder aufzunehmen. Unter strömendem Regen gelangten wir in Böten glücklich an Bord, und bald darauf setzten wir unsere Seefahrt angesichts der Ostküste der Insel Hawaii in südlicher Richtung fort. Die ansehnlichen Zuckerpflanzungen der Distrikte Naalehu, Hilea und Honoapo erfreuten auf dieser Fahrt das Auge, Kraterberge und Haine von Kokospalmen lagen friedlich nebeneinander in der so oft schon von Erdbeben und Lavaströmen schwer heimgesuchten Landschaft Kau, auf den fernen Gebirgszügen lagerten schwere Regenwolken, und zu wiederholten Malen wölbte sich ein prächtiger doppelter Irisbogen über das großartige Bild der Küstenlandschaft.
Als wir nach einer recht bewegten Fahrt von mehreren Stunden um das malerische südliche Vorgebirge Kalae Point herumfuhren, gelangten wir plötzlich in ein ruhiges Fahrwasser. Die Grenze zwischen dem rauhen Gewässer an der Windseite und dem glatten Gewässer an der Leeseite der Insel Hawaii war hier so deutlich zu erkennen, als sei eine scharfe Linie durch die Flut gezogen worden. Der Kinau stellte jetzt seine Tanzübungen und schlenkernden Bewegungen ganz ein und benahm sich musterhaft, was von allen Reisenden mit Freuden bemerkt wurde.
Während unsrer Fahrt an der Küste der Landschaft Kahuku machte mein engerer Landsmann, der Kapitän Lorenzen, mich auf den großen Lavastrom aufmerksam, der sich hier während der Zeit vom 16. bis zum 31. Januar 1887 in das Meer gestürzt hatte. Meilenweit sah der Strand aus, als sei er mit Eisen gepanzert. Drei Tage lang war der Kapitän Zeuge jenes vulkanischen Ausbruchs gewesen, den er vom Deck des Dampfers anstaunte. Nie in seinem Leben hatte er ein nur annähernd so großartiges Bild wie dieses gesehn. Dreißig Vulkanfahrer, die gerade auf der Rückreise von Keauhou nach Honolulu begriffen waren, hatten sich mit Entrüstung darüber beklagt, daß der Kilauéa ganz tot sei. Die flüssige Lava war also auch damals wieder infolge dieses Ausbruchs des Mauna Loa aus dem Krater des Kilauéa verschwunden. Selbstverständlich verwandelte sich die Entrüstung der Vulkan-Reisenden beim Anblick jenes großartigen Feuerwerks in helle Begeisterung.
An einer Stelle, die den Namen Pohakuohanalei führt, brach damals in einer Entfernung von etwa zehn engl. Meilen (16 km) vom Seeufer eine gewaltige Lavamasse von mindestens 200 Fuß Höhe aus dem südlichen Fuße des Mauna Loa zwei Wochen lang ununterbrochen hervor. Die sich fächerartig ausbreitenden Feuerwogen flossen den schwach geneigten Abhang durch die Landschaft Kahuku hinunter und stürzten sich in einer meilenbreiten Linie prasselnd in das Meer, das sich wie erschreckt vor ihnen zurückbäumte, hoch aufbrandete, donnerte und zischte. Weit und breit war die See mit toten Fischen bedeckt. Glücklicherweise fand der Ausbruch in einer ganz unbewohnten Gegend statt, so daß keine Menschenleben verloren gingen; auch ward durch die heftigen Erderschütterungen, welche gleichzeitig stattfanden, kein nennenswertes Unheil angerichtet. Die in das Meer hinausreichenden schwarzen Lavaklippen deuteten die Grenze jenes Feuerstromes an, der damals viele Hunderte von Neugierigen aus Honolulu herbeilockte, die das großartige Schauspiel vom Verdeck der Dampfschiffe aus sicherer Entfernung bewunderten.
Die Sonne war bereits untergegangen, als wir an der Bai von Kealakéakua vorüberfuhren, wo Kapitän Cook bei seinem zweiten Besuch auf der Insel Hawaii am 14. Februar 1779 von den Eingeborenen erschlagen wurde. Ein einfaches, ungefähr 20 Fuß hohes Denkmal, um welches zwölf aufrechtstehende mit einer schweren Kette verbundene Kanonenrohre eine Einfriedigung bilden, bezeichnet die Unglücksstätte. Im Hintergrunde erhebt sich eine schwarze Lavaklippe. Einige Kokospalmen stehn in der Nähe des Denkmals, dessen dem Meere zugewendete Seite die folgende Inschrift trägt:
In Memory of
The Great Circumnavigator
Captain James Cook, R.N.,
Who
Discovered these Islands
on the 18th of January A.D. 1778,
and fell near this spot
on the 14th of February A.D. 1779.
This Monument was erected
in November A.D. 1874
by some of
His Fellow-Countrymen.
Seinen Tod verschuldete der berühmte Seefahrer selbst durch sein rücksichtsloses Auftreten gegen die Eingeborenen, die ihn zuerst als den verkörperten Lono, den Gott des Lichtes, verehrten. Bald aber erkannten sie seine menschlichen Schwächen, und Haß trat an die Stelle der Ehrfurcht. Die Ufer der Kealakéakua-Bai (gewöhnlich Cooks Bai genannt) waren den Ureinwohnern Hawaiis eine geheiligte Stätte. Hier lag der Puhonua-Heiau (City of refuge), ein von genau in einander gefügten Lavablöcken umgebener großer Tempelplatz, welcher dem schwersten Verbrecher einen sicheren Zufluchtsort gewährte. Daß Cook diese geheiligte Stätte entweihte, verziehen ihm die Eingeborenen nicht. Sie ließen bei dem bekannten Streit mit der Mannschaft der Schiffsböte ihre Rache an ihm aus, indem sie ihn hinterrücks ermordeten.
Der Lavastrom des Mauna Loa vom Jahre 1877 erreichte das Meer bei Kaawalóa in der Nähe der Kealakéakua-Bai. Seine Spuren sind dort überall am Ufer zu sehen. Inmitten der Bai erhob sich damals eine kleine vulkanische Insel.
Während der Nacht fuhren wir an der Küste des Kona-Distrikts entlang, wo der gleichnamige Kaffee wächst, der dem besten Mokka- oder Javakaffee an Vortrefflichkeit gleichkommt. Die angebauten Landesteile liegen sowohl hier wie auf den anderen Inseln ohne Ausnahme an der Küste. Das Innere der Insel Hawaii dient fast nur als Weidegrund für zahlreiche meistens verwilderte Rinderherden. Auch die dichten tropischen Waldungen, die durch Massen von Schlingpflanzen (darunter die riesigen J-a-ías, mit flammenden Blüten), durch Farne und Gestrüpp für den Fuß eines Menschen beinahe undurchdringlich sind, und in denen man oft Abgründe, tiefe Schluchten und große trichterähnliche Höhlungen, die einst thätige Krater waren, antrifft, sind voll von wilden Rindern. Die unzähligen Pfade, welche diese in den Wäldern ausgetreten haben, werden von den Jägern, die dort dem edlen Waidwerk obliegen, als Fußwege benutzt, allerdings oft mit Gefahr ihres Lebens, denn einem wilden Stier auf einem solchen Pfade im Urwald zu begegnen, wo ein Ausweichen kaum möglich ist, ist fast so schlimm, als einen bengalischen Tiger im Dschungel anzutreffen.
Die ersten Rinder (einen Stier und zwei Kühe) brachte Kapitän Vancouver im Jahre 1792 aus Californien nach der Insel Hawaii. Diese Tiere sind die Urahnen der dort gegenwärtig nach vielen Zehntausenden zählenden Rinder, die jetzt in Menge als Schlachtvieh nach San Francisco ausgeführt werden. Interessant ist das Verladen derselben vom schwer zugänglichen Ufer auf die Dampfschiffe. Mit einem Lasso, der um die Hörner eines Stiers geworfen wird, sprengt ein Reiter ins Wasser und zerrt das sich vergeblich mit aller Macht sträubende Tier durch die Brandung nach einem außerhalb derselben liegenden Ruderboot. Mitunter verschwinden Pferd, Reiter und Stier unter den Wogen, aber der Kanake taucht mit seinem wacker schwimmenden Roß unfehlbar jedesmal wieder aus der Brandung empor und bringt den Stier in die Nähe des Bootes, an dessen Rand dieser festgebunden wird. Sobald ein Dutzend oder mehr am Boot befestigt sind, fährt dieses mit den nebenher schwimmenden Rindern nach dem Dampfer, wo die Tiere mit Hebemaschinen an Bord gehißt werden. Ich will noch erwähnen, daß Kapitän Vancouver gleichzeitig einen Mustanghengst und zwei Stuten nach Hawaii brachte, die sich dort ebenfalls außerordentlich schnell vermehrt haben. Jetzt sind die Kanaken, Männer sowohl als Frauen, ein wahres Reitervolk, und fast jeder von ihnen ist im Besitz eines Ponys. Durch Einführung von Zuchttieren wurden die Hawaiischen Rinder und Pferde sehr veredelt. Heute findet man auf den Sandwichinseln die prächtigsten Pferde und vortreffliches Hornvieh.
Gegen Mitternacht erreichten wir den uns bereits bekannten Landungsplatz Kawaihae, wo wir in ruhigem Fahrwasser bis Tagesanbruch liegen blieben und dann nach Mahukona dampften. Wir waren also um die große Insel Hawaii, welche die Gestalt eines unregelmäßigen Dreiecks hat, ganz herumgefahren. Die Insel ist in ihrer größten Ausdehnung 93 engl. Meilen (149 km) lang von Norden nach Süden und 73 Meilen (117 km) breit von Osten nach Westen. Sie enthält einen Flächenraum von 4210 engl. Q Meilen (10 796 qkm) und ist ungefähr halb so groß wie die Insel Sardinien.
Mahukona, der erste Platz, den wir auf der Insel Hawaii berührt hatten, ist der Verschiffungsort für den bedeutenden Kohala-Zuckerdistrikt. Es befinden sich dort ansehnliche Lagerhäuser und ein großer Kaufladen, in welchem alle möglichen Gegenstände für den Bedarf der Zuckerpflanzungen feilgeboten werden. Am Landungsplatze lagen förmliche Berge von Brettern und Bohlen aufgestapelt, die nach dieser holzarmen Gegend vom Puget Sund eingeführt werden.Im Februar 1888 riß eine gewaltige Flutwelle, die wahrscheinlich durch ein unterseeisches Erdbeben verursacht wurde, die Lagerhäuser und Holzvorräte bei Mahukona fort und richtete dort großen Schaden an. Solche Flutwellen ereignen sich nicht selten bei den Sandwichinseln. Die verheerendsten fanden an der Küste der Insel Hawaii in den Jahren 1837 und 1841 statt. Am 10. Mai 1877 überschwemmte eine starke Flutwelle die Küsten fast aller Inseln. Eine engspurige Eisenbahn läuft von Mahukona nach Niulii, das im Herzen des Kohala-Zuckerdistrikts liegt. Da unser Dampfer den Tag über bei Mahukona verweilen und Zucker einladen sollte, so benutzte ich die Mußezeit für einen Ausflug nach Niulii.
In Mahukona machte ich die Bekanntschaft des honorable Mr. Parker, eines stattlichen Kanaken, der früher ein Mitglied der Nobeln im hawaiischen Parlamente war und auf den Inseln wegen seiner Gastfreundschaft einen beneidenswerten Ruf genießt. Mr. Parker, der glückliche Besitzer von 25 000 Stück Rindvieh auf der Insel Hawaii, war in dem »Store« von einer ihn bewundernden Schar Kanaken, Portugiesen und Mischlingen umgeben, die seinem Spiel auf einer großen Ziehharmonika mit Andacht lauschten. Herr Parker, der ein vorzügliches Englisch sprach und den ich, falls seine Hautfarbe weiß gewesen wäre, für einen flotten Californier gehalten hätte, mußte an meiner bescheidenen Person Wohlgefallen gefunden haben, denn er stellte sich mir sofort vor und lud mich zu einem drink ein, der aus einer Flasche Röderer bestand, wofür er fünf Dollars bezahlte. Einige echte Havannazigarren – vier für einen Dollar! – die er so nebenbei wegschenkte, erhöhten meine Achtung vor ihm um ein Bedeutendes. Seine Einladung, ihn eine Woche auf seiner »Ranch« zu besuchen, lehnte ich aber höflich ab.
Die engspurige Eisenbahn von Mahukona nach Niulii führt den bezeichnenden Namen »krumme Eisenbahn«. Auf einer Strecke von nur 20 englischen Meilen (32 km) befinden sich auf derselben 25 außerordentlich kurze Biegungen, von denen eine einen Halbmesser von nur 76 Fuß hat. Die meisten von ihnen liegen auf den dort erbauten 17 Brücken, von denen nicht eine eine gerade Richtung einnimmt. Jede dieser Brücken überspannt das obere Ende einer der zahlreichen vom Meere sich ins Land hineinziehenden Schluchten, in welchen sich das Bahnbett hin und her schlängelt. Die ersten Meilen dieses sonderbaren Schienenweges führen durch eine wüste, mit großen und kleinen Steinen ganz übersäete Gegend. Zahllose, meistens halbzerfallene niedrige Steinwälle umschließen dort mitunter kleinere Bodenflächen. Eine Menge Rinder und Pferde, denen das zwischen dem Felsgeröll emporsprießende Gras zur Nahrung dient, belebt den öden Landstrich.
Etwa vier engl. Meilen (6-½ km) von Mahukona liegt hart am Meeresufer auf einem 60 Fuß hohen Felsvorsprung die Ruine des Tempels Heiau-Hawi, der von Kamehameha I. in der Nähe dieses seines Geburtsortes erbaut wurde. Die Ruine, welche 100 Fuß lang und 60 Fuß breit ist, besteht aus einem Wall von lose aufeinander gelegten großen und kleinen Steinen. An der Seite, die dem Meere zugewandt ist, befindet sich ein auf Felsfüßen ruhender ausgehöhlter Opferstein, auf welchem in alter Zeit den Göttern Menschenopfer dargebracht wurden. Den Getöteten löste man das Fleisch von den Knochen und warf dieses den heiligen Haifischen (mano-kanakas, die nach dem hawaiischen Glauben Menschengestalt annehmen konnten) als Futter vor. Gab es keine Kriegsgefangene, und waren sonst keine passenden Leute da, die geopfert werden konnten, so dienten gebratene Schweine als Ersatz. Der Tempel soll von mehreren tausend Kanaken in einer Nacht erbaut worden sein, und zwar auf die Weise, daß jene sich in einer etwa zwei englische Meilen (3 km) langen Linie aufstellten und dann die Steine von Hand zu Hand einander zuwarfen. Solche Tempelruinen sind auf den Sandwichinseln viele zu finden. In der Regel liegen sie nahe am Meeresufer oder – auf einem hohen Hügel. Im inneren Raume befanden sich mehrere Terrassen. Ein Dach hatten diese Tempel nicht. Der äußere Wall, welcher eine Höhe von 8 bis 20 Fuß erreichte, war mit scheußlichen Götzenbildern verziert. Auf der Insel Hawaii liegt auf der Hochfläche zwischen den drei großen Vulkanen Mauna Loa, Mauna Kea und Huálalai der noch ziemlich gut erhaltene, von dem alten Könige Umi erbaute Tempel Kaili. In seiner Nähe stehen mehrere aus Lavablöcken errichtete Pyramiden.
Als die Steinwüste hinter uns lag, gelangten wir in eine fruchtbare, meistens mit Zuckerrohr bebaute hügelichte Gegend. Pflanzerwohnungen, lange Wasserleitungen und Reihen von weiß getünchten Arbeiterhütten blickten zwischen Äckern, Bäumen, und grünen Hügeln hervor. Mitunter fuhren wir in der Nähe von Feldern vorbei, auf denen das Zuckerrohr entweder hoch emporsproßte, oder in Halmbüscheln als zweite Ernte wuchs. Kleine Buchten, in denen Fischerböte lagen, erstreckten sich vom blauen Meere ins Land hinein. Oft fuhren wir nahe am Strand entlang, den die weiße Brandung malerisch umsäumte. Unter den Bäumen fielen die fremdartig aussehenden Lauhalas (Pandanus), deren Stamm auf einem sich hoch über der Erde ausbreitenden Wurzelgeflecht steht, besonders ins Auge. Die mit Dornen an beiden Seiten und an der Mittelrippe besetzten Blätter dieser Bäume winden sich nach Art eines Korkziehers und bilden am Ende eine Krone, die Ähnlichkeit mit einem Fichtenzapfen hat, weshalb der Baum auch screw pine genannt wird. Aus den schmalen drei bis vier Fuß langen lederartigen Blättern verfertigen die Eingeborenen hübsche Matten und allerlei Flechtwerk.
Hier und dort gewahrte ich lange, über einander liegende berieselte Beete. Auf denselben war Taro (Arum esculentum) angepflanzt, ein Knollengewächs, woraus das den Eingeborenen hauptsächlich zur Nahrung dienende Poi bereitet wird. Die Tarowurzel, welche an Gestalt und Größe einer breiten Rübe ähnlich ist, wächst nur im Sumpfland, oder sie muß beim Anbau künstlich bewässert werden. Um Poi herzustellen, läßt man die Tarowurzeln zuerst in einem meistens unter der Erde angelegten Ofen backen; dann werden sie in einem großen ausgehöhlten Stein oder auf einem Brett entweder mit einem Steinkolben oder mit einem aus harter Lava verfertigten Hammer, der die Form eines Steigbügels hat, gestampft und mit Wasser vermischt, bis ein dicker Kleister entsteht. Diesen genießt man mitunter frisch, wenn er noch süßlich ist; in der Regel wird die Masse aber einige Tage ruhig hingestellt, bis sie in Gährung übergeht. Nach der Gährung nimmt das jetzt fertige Poi eine bläuliche Färbung an und bildet einen säuerlich schmeckenden Brei, der außerordentlich nahrhaft ist.
Die Kanaken setzen sich bei einer Poi-Mahlzeit gewöhnlich mit untergeschlagenen Beinen auf Matten auf die Erde, jeder von ihnen eine Schale oder eine Kalabasse mit Poi vor sich, oder sie langen allemiteinander in ein größeres mit diesem ihrem Lieblingsgericht gefülltes Gefäß hinein. Der Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand werden dabei tief in den Brei hineingesteckt, beim Herausnehmen in eine drehende Bewegung versetzt und dann bis über den Mund gehoben, wobei man den Kopf in den Nacken legen muß, so daß das Poi in die Kehle träufeln kann, – eine Art und Weise des Essens, die ziemlich viel Übung erfordert, damit man sich dabei nicht das Gesicht mit Poi beschmiert. Die Weißen, welche hierin weniger geschickt als die Kanaken sind, benutzen statt der Finger in der Regel eine Gabel oder einen Theelöffel. Im Hawaiian Hotel wurden gekochte Tarowurzeln täglich als Gemüse aufgetischt; Poi gelangte dort nicht auf die Tafel. Ich kann nicht sagen, daß ich an dem fade schmeckenden Taro Gefallen fand, obgleich man sich leicht an den Geschmack gewöhnen und das Gericht dann sogar lieben soll. Taromehl bildet bereits einen Ausfuhrartikel der hawaiischen Inseln.
In Niulii war weiter nichts zu sehn, als eine große Zuckermühle, die aber zur Zeit meines Besuchs ausgebessert wurde und stille stand. Dicht bei der Mühle vereinigen sich mehrere, sieben bis acht englische Meilen (11 bis 13 km) lange, auf Holzböcken ruhende und sich netzartig durch die Felder verbreitende Wasserleitungen, vermittelst welcher das Zuckerrohr, sobald es geschnitten ist, dorthin geschwemmt wird, was die Benutzung von Fuhrwerken überflüssig macht. Der in Niulii angestellte Maschinist teilte mir mit, daß daselbst täglich etwa 11 Tons (22 000 Pfd.) Rohzucker in drei, mitunter in vier Abstufungen hergestellt würden. Die übrig bleibende Melasse ließe man in die See laufen. Nur in Honolulu wäre es möglich, mit Nutzen Rum aus dem Abfall zu destillieren, d.h. falls die hohe Lizenz verringert würde. Im Kohala-Zuckerdistrikt ist die Ernte ganz vom Regenfall abhängig. Der Zuckerertrag beläuft sich dort durchschnittlich auf 12 000 Tons im Jahre.
Nachmittags um zwei Uhr langte ich wieder in Mahukona an, und bald darauf dampfte der Kinau durch den sehr bewegten Alennihaha-Kanal nach der Insel Maui hinüber. Zum ersten Mal sah ich jetzt den prächtigen Vulkan Huálalai, der wie zum Abschiedsgruß seine 8275 Fuß (2523 Meter) hohe Kuppe hinter uns in den sonnenhellen Äther emporhob. Aber bald entzog sich der schöne Bergkoloß unseren Blicken, und allmählich tauchte die große Insel Hawaii mit ihren Riesenvulkanen, Wäldern und Felshängen in die blaue See.
Während der Fahrt nach Maui unterhielt ich mich lebhaft mit einem kleinen klugen Japaner, der sich mir vorgestellt hatte und nicht nur englisch, sondern auch ein wenig deutsch sprach. Mein neuer Freund aus dem Reiche des Mikado war der japanische Dollmetscher, Herr K. Nagano, ein zutrauliches Männchen. Leider paßten sein kurzes und struppiges pechschwarzes Haar, sein asiatisches Gesicht und die europäischen Kleider, welche er trug, gar nicht zusammen. Man kann nicht umhin zu bedauern, daß alle Japaner, die zur besseren Gesellschaftsklasse gehören, ihre charakteristische orientalische Tracht sofort in der Fremde ablegen und sich bemühen, ihr Äußeres dem der Europäer und Amerikaner so viel wie möglich gleichzustellen. Herr Nagano war ein Bewunderer Bismarcks und schätzte die Deutschen sehr hoch. Er erzählte mir, daß er laut einer Vereinbarung der japanischen Regierung mit der des Königreichs Hawaii (welchen Vertrag diese aber gekündigt hat) von letzterer einen Monatsgehalt von sechzig Dollars als Dollmetscher beziehe. Jeder größeren Abteilung Japaner wird auch noch ein Arzt zugesellt, der gleichfalls einen Monatsgehalt von sechzig Dollars erhält.
Die Nacht war bereits angebrochen, als wir die Insel Maui erreichten. Aus der Kajüte erscholl froher Gesang und Gläserklang. Der honorable Mr. Parker, der in Mahukona an Bord gestiegen war, feierte den Weihnachtsabend im Kreise seiner Freunde mit Poi und Champagner. Seiner Einladung, an dem Festgelage teilzunehmen, konnte ich mich nicht entziehen. Bald saß ich an der Kajütentafel unter einer auserlesenen Gesellschaft von Kanaken, Mischlingen und Schiffsvolk, die den aufmarschierten Sektflaschen mit geschickter Hand die silbernen Hälse öffneten und sich das perlende Naß gut schmecken ließen. Hier aß ich zum erstenmal Poi, aber nicht mit den Fingern, sondern mit einem Theelöffel, den ich nach der Anweisung meines Freundes Parker in den dicken Brei tunkte und beim Herausnehmen schnell drehte, so daß der klebrige Stoff daran hängen blieb. Daß mir der säuerliche Kleister gut schmeckte, möchte ich nicht behaupten, obgleich Parker die Vortrefflichkeit desselben pries. Lange hielt ich es nicht in der mit Tabakrauch dicht angefüllten Kajüte aus, wo die Kanaken und Mischlinge sich mit dem Vortrag von Gesängen zu überbieten suchten, deren Inhalt allerdings an Urwüchsigkeit nichts zu wünschen übrig ließ, die aber eine so eigentümliche Klangfarbe hatten, daß ich mich für den musikalischen Teil derselben nicht zu begeistern vermochte.
Herrlich war es auf dem Verdeck des Kinau, der im silbernen Mondlicht nahe an der Küste von Maui entlang dampfte, über welche sich der Haleakalá (das Haus der Sonne) 10 032 Fuß (3059 Meter) emportürmte. Der alte ausgebrannte Gipfelkrater dieses Vulkans, der größte Krater auf der Erde, hat nach der neuesten Messung des Professors W.D. Alexander einen Umfang von 20 englischen Meilen (32 km). Seine größte Länge von Osten nach Westen beträgt 7-½, seine Breite an der schmälsten Stelle 2-¼ engl. Meilen (12 und 3-3/5 km) und er bedeckt einen Flächenraum von 16-1/3 engl. Q Meilen (42 qkm). Der westliche Wall erhebt sich bis zu 2720 Fuß über den Kraterboden, mit einer Neigung von 70 Grad. Die Durchschnittstiefe des Kraters beträgt 1500 bis 2000 Fuß. An seiner Nord- und an seiner Ostseite befinden sich zwei riesige Öffnungen, durch welche die Lavawogen einst einen Ausweg nach dem Meere fanden. Die zahlreichen wilden Rinder, welche sich jetzt in ihm aufhalten, gelangten durch jene Öffnungen in den ungeheuren Schlund. Der Krater des Kaleakalá ist eine Caldéra wie der Kilauéa, aber mit dem Unterschied, daß in jenem zahlreiche Aschenkegel, von 100 bis 700 Fuß Höhe, liegen. Die Aussicht vom Kraterrand in die gewaltige, von fast senkrechten Felswänden eingeschlossene finstere Caldéra und die Fernsicht nach den anderen Inseln, namentlich auf die drei Riesenvulkane Hawaiis Mauna Kea, Mauna Loa und Huálalai, soll überaus großartig sein. Im Winter ist der Gipfel aber gewöhnlich von Wolken verschleiert, weshalb es nicht anzuraten ist, den Vulkan in dieser Jahreszeit zu besteigen. Als der Haleakalá noch in voller Thätigkeit war, muß er das großartigste Bild vulkanischer Gluten zur Schau getragen haben, das die Erde je gesehen hat. Geologen behaupten, daß dieser Riesenvulkan in verhältnismäßig neuerer Zeit erloschen ist. Mehrere Jahrhunderte sind aber jedenfalls seitdem verflossen, denn die mündlichen Überlieferungen der Eingeborenen aus ältester Zeit wissen nichts von vulkanischen Ausbrüchen auf der Insel Maui zu erzählen.
Wo sich die Insel Maui bei der Maalaea-Bai verengt, wurden Reisende in Böten ans Land gesetzt und andere an Bord genommen. Das sandige Ufer leuchtete dort goldig im Mondlicht. Reisende werden in Stellwagen über die nur sechs englische Meilen (9-3/5 km) breite Landenge nach den am nördlichen Ufer der Insel liegenden Ansiedelungen Kahului (Káchului) und Wailuku und nach der großen Zuckerpflanzung bei Spreckelsville befördert, über welche ich später ausführlich berichten will. (Siehe Kapitel XVI).
Bei stürmischem Wetter ist das Landen der Böte am Ufer der Maalaea-Bai der Schrecken aller Reisenden, die alsdann lieber mit einem anderen Dampfer auf der nördlichen Linie von Honolulu nach Kahului fahren. Um Mitternacht hielt unser Dampfer wieder kurze Zeit vor Lahaina, das ehemals als Sitz der Regierung und Station der Walfischfahrer ein sehr lebendiger Platz war, heute aber nur ein schläfriges Dorf ist. In West-Maui, einem uralten, vom Haleakalá ganz getrennten vulkanischen Gebiet, das sich bis 5820 Fuß (1774 Meter) über den Meeresspiegel erhebt, liegt die malerische Felsschlucht Jáo, mit 2000 bis 3000 Fuß hohen Abhängen und Hunderten von kleinen Wasserfällen, die an Großartigkeit dem weltberühmten Yosémitethal in Californien ebenbürtig sein soll.
Als wir Lahaina verließen, warf ich noch einen Blick auf das im Mondlicht silbern blinkende Meer, auf die Palmen am Strande von Maui und auf den sich hinter uns finster emportürmenden Haleakalá, und dann suchte ich mein enges Nachtlager auf. Einen lichterblitzenden Tannenbaum hatte mir dieser Weihnachtsabend nicht geschenkt; aber als schöne Erinnerung an das ferne Tropenland Hawaii ist er mir dennoch unvergeßlich geblieben. Als ich am Morgen des 25. Dezembers erwachte, lag der Dampfer Kinau bereits an seiner Landungsbrücke in Honolulu.