Friedrich Maximilian Klinger
Faust's Leben, Taten und Höllenfahrt
Friedrich Maximilian Klinger

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Der Anblick Roms und seiner großen Ruinen, auf welchen noch der mächtige Geist der alten Römer zu schweben schien, überraschte Fausten, und da er mit ihrer Geschichte ziemlich bekannt war, so erhub sich seine Seele bei der lebhaften Erinnerung und Vorstellung dieses einzigen Volks der Erde; aber die neuen Bewohner der ehemaligen Königin der Welt füllten sie bald mit andern und niedrigern Gegenständen. Auf des Teufels Rat kündigten sie sich als teutsche Edelleute an, die die Herrlichkeit Roms nach Italien gezogen; ihr Staat, Gefolge und Aufwand aber ließ mehr hinter ihnen vermuten. Die Äbte, Mönche, Matronen, Kuppler, Kupplerinnen, Scharlatane und Pantalons drängten sich zu ihnen, und trugen ihnen ihre Dienste in dem Augenblick an, als das Gerücht ihrer Ankunft durch alle die Zünfte derer erscholl, die das bequeme Handwerk ergriffen haben, von den Lastern und Torheiten der Menschen zu leben. Sie trugen ihnen ihre Schwestern, Töchter, ihre Weiber und Verwandten an, malten ihre Reize und Vorzüge mit so feuriger Beredsamkeit, daß der von allen Seiten bestürmte Faust nicht wußte, wo er angreifen sollte. Da diese Kuppelei auf die possierlichste Art mit dem Gewande der zügellosen Üppigkeit und der strengen Religion zugleich bekleidet war, so dünkte es Fausten: dieses Volk brauche die Religion zu nichts anderm, als durch sie den Zuruf der innern empörten menschlichen Natur bei ihren Schandtaten und Greueln zu stillen und zu beruhigen.

Den Tag nach ihrer Ankunft erhielten sie eine Einladung von dem Kardinal Cäsar Borgia, einem der vielen Bastarde des Papsts; er empfing sie auf das prächtigste, und nahm es über sich, sie Seiner Heiligkeit dem Papst vorzustellen. Sie ritten mit ihrem Gefolge, in dem größten Staat, nach dem Vatikan, und der Teufel küßte mit Fausten den Pantoffel Seiner Heiligkeit. Faust verrichtete dieses in dem Glauben eines wahren katholischen Christen, der den Papst für das hält, wofür er sich ausgibt, und der Teufel dachte bei sich, wenn mich Alexander kennte, ich würde ihn vielleicht zu meinen Füßen sehen. Nachdem die äußere Zeremonie vorüber war, ließ sie der Papst in seine innere Zimmer einladen, wo er sich freier mit ihnen besprach. Hier wurden sie mit seinen übrigen Bastarden, der berühmten Lucrezia, und Francisco Borgia, dem Herzog von Gandia, bekannt etc.

Der Papst fand die Gesellschaft des schönen und gewandten Teufels Leviathans so sehr nach seinem Geschmacke, daß er von dem ersten Augenblick eine besondre Gunst gegen ihn äußerte, die, wie wir sehen werden, bald bis zu der äußersten Vertraulichkeit stieg. Faust hielt sich an den Kardinal Borgia, der ihm von den Genüssen und Freuden Roms ein so lüsternes Gemälde entwarf, daß er nicht wußte, ob er sich im Vatikan, oder in einem Tempel der irdischen Venus befände. Er machte ihn zugleich mit seiner Schwester Lucrezia, der jetzigen Gemahlin Alfonsos von Aragonien, genauer bekannt. Sie stellte die sinnliche Wollust in den gefährlichsten Reizen verkörpert vor, und nahm Fausten auf eine Art auf, daß er wie bezaubert vor ihr stund, und sich bei dem ersten Blicke von dem Wunsche durchglüht fühlte, den Becher der Freude aus der Hand derjenigen zu empfangen, die ihn so schäumend darreichte.


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