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IV

»Gas weg! Fußbremse!« kommandierte der junge d'Esterel.

Frau Marion, die neben dem Vicomte saß und das Lenkrad bediente, glühte vor Eifer, ihre Sache gut zu machen. Mr. Goldwyns schnittiger, großer Wagen glitt geschmeidig den kurvenreichen Hang des Monte Palatino hinunter und auf den Konstantinsbogen zu. Zur Linken lag das Kolosseum, grau, monumental, mit einer blutigen Vergangenheit befleckt.

Cyrus Goldwyn räkelte sich im Fond des Autos und blätterte in seinem Cookführer. Die breite, herrlich asphaltierte Via San Gregorio sprang auf. Gärten grünten, Villen und Pergolen leuchteten. Eine milde Novembersonne lächelte auf die ewige Stadt hernieder.

Frau Marion duckte sich hinter die Steuerung und spähte mit halb geschlossenen Augen auf die Fahrbahn, die wie ein helles, unermüdliches Band abrollte. Ihr kurzes Haar wehte; der Mund glühte karminrot. Den beiden Männern dünkte, als sei Marion noch nie so schön gewesen.

»Sind Sie zufrieden mit mir, d'Esterel?« forschte sie lächelnd.

»Sehr!« lächelte der Vicomte zurück und warf ihr einen verliebten Blick zu. Die Gegenwart dieser Frau ließ sein junges Herz rascher schlagen.

Marion war stolz auf dieses Lob, das der berühmte Rennfahrer der Targa Florio gespendet hatte. Sie nickte dankbar.

»Das dort drüben sind die Thermen des Caracalla. 212 nach Christi begonnen und erst 223 von Alexander Severus vollendet«, dozierte hinter ihnen Mr. Goldwyn aus seinem Führer, um das Interesse Marions von dem Vicomte abzulenken.

»Mumie!« dachte dieser respektlos.

Ein stummer, hinter Wohlerzogenheit lauernder Haß stand zwischen den beiden Männern, die erbittert um dieselbe Frau kämpften; der eine mit seinen Millionen, der andere mit seiner dionysischen Jugend als Waffe. Marion Scheithauer empfand diesen latenten Haß wie etwas körperlich Greifbares und hatte eine träge, wollüstige Freude darüber, die Freude des Tierweibchens, um das zwei Männchen verbluten. Gab es Köstlicheres, als umworben zu sein? Sie hatte die Wahl, wem sie die Hand reichen wollte.

Beim Kirchlein Quo vadis übernahm der Franzose die Steuerung. »Wollen sehen, was der Wagen kann«, lächelte er. Eine schnurgerade, nach Südosten führende Straße öffnete sich, nicht sehr breit, aber hindernislos und übersichtlich – die Via Appia. d'Esterel trat auf den Gashebel. Der Geschwindigkeitsmesser schnellte in die Höhe: 100-120-140. Der Motor stöhnte tief und beglückt. Verwitterte Mauern, zerbröckelnde Grabmäler, Maultierkarren, eine Kirche stürzten vorüber. Der Wind zischte um die Schläfen und biß in die Augen. Die Campagna tat sich auf, unendlich, flach, von weißen Schafherden bevölkert.

»Der Wagen hat Klasse«, stellte d'Esterel befriedigt fest.

Das ist Unfug, dachte der Amerikaner gehässig. Er vertrug das schnelle Fahren nicht und hatte ein gelbes, mühsam beherrschtes Antlitz. Ein alter Mann! schoß es Frau Marion durch den Kopf, als sie sich umwendete und ihm strahlend zunickte.

Marion schloß die Augen und spielte mit dem Gedanken, daß dieser hübsche, junge Mensch da jetzt ihr Leben in der Hand hielt. Ein kleiner Ruck nach rechts, und … man durfte es nicht ausdenken. Langsam, wie eine träge Katze hob sie die Lider und betrachtete den Vicomte von der Seite. Sein kühnes Profil, die gebogene Nase, die trotzig geschwungenen Knabenlippen. Es war nicht zu leugnen, daß dieser junge Franzose schön wie ein Gott war! Ihre Gedanken machten einen Sprung zu Markus Scheithauer, und dumpfer Haß fiel über sie her … Sie begriff sich nicht mehr. Wie hatte sie, die schöne Aristokratin, diesen Plebejer heiraten können? Zu ihrer Entschuldigung ließ sich nur anführen, daß sie damals sehr, sehr jung war. Markus war die Ursache, daß sie die Heimat verlassen und das Gnadenbrot der Gräfin Kukuli essen mußte. Markus hatte sie kompromittiert und unmöglich gemacht. Weniger die Tatsache an sich – dieses geschmacklose Sichvergessen –, als die daraus resultierenden Folgen machte sie ihm zum Vorwurf. Fort damit! Noch war sie jung, noch stand ihr die Welt offen. Die Männer gaukelten wie Falter um sie her; sie brauchte nur zuzugreifen. Schade, daß der Vicomte, dieser hübsche Bengel, ein armer Teufel war. Das bißchen Karriere und seine Jugend wogen die Goldwynschen Millionen leider nicht auf. Geld, viel Geld mußte man besitzen, um glücklich zu sein. Wer Geld besaß, konnte sich alles andere kaufen, selbst dionysisch schöne, junge Götter …

Beim Casale Rotondo, einem zerfallenden Grabmal, auf dem ein kleines Gehöft steht, wendete d'Esterel den Wagen und fuhr in langsamerem Tempo den Weg zurück. Bei den Kallistus-Katakomben hielt er; denn es war geplant, ihnen einen Besuch abzustatten.

Ein alter Mönch entzündete eine Fackel und machte den Führer. Die drei stiegen erwartungsvoll in den dunklen Bauch der Erde und wanderten durch niedere, finsterkühle Gänge, deren Seitenwände mit Nischen und geheimnisreichen Inschriften bedeckt waren. Man konnte meinen, mitten im Reich des Todes zu sein, man stieß an menschliche Schädel und trat auf morsche Knochen.

Mr. Goldwyn fühlte sich unbehaglich. Er ließ sich nicht gern an die letzten Dinge erinnern. Darum drängte er zum Weitergehen und verwünschte den absurden Einfall d'Esterels, Mrs. Scheithauer diese Stätte des Grauens zeigen zu wollen.

Frau Marion schritt, unberührt von den Schauern des Todes, in koketten Schuhchen und kurzem Kleidchen durch die modrigen Stollen und fand es sehr amüsant, mit ihren gepflegten Fingern über das kühle Erdreich oder über eins der vielen mystischen Symbole zu streicheln, die der gläubige Sinn längst Verstorbener in spröden Stein gemeißelt hatte.

Während der Mönch mit seiner weltabgewandten, leidenschaftslosen Stimme dem Amerikaner die Grabkammer des Papstes Eusebius erklärte, zog der Vicomte Marion mit raschem Entschluß in einen der düsteren Seitengänge und raunte:

»Haben Sie Erbarmen mit mir, Marion … ich verbrenne … ich liebe Sie mehr als alles andere auf der Welt!« Dabei versuchte er, sie auf den Mund zu küssen, ihre schlanke Gestalt in jünglingshaftem Ungestüm an sich pressend.

Frau Marion bog ihren Kopf zurück und wehrte sich. Da ließ der junge Mensch in jäher Mutlosigkeit seine Hände sinken und stammelte: »Werden Sie meine Frau, Marion, oder ich ertrage das Leben nicht mehr!«

»Es geht nicht, Vicomte; es geht beim besten Willen nicht. Wir sind beide zu arm, um einander heiraten zu können«, sagte die Frau sehr leise und trat an ihm vorbei mit einem rasch geordneten Gesicht in die Grabkammer des Papstes Eusebius.


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